Johannes Scharf und der Ethnostaat: Privatstädte als Exit-Strategie?

von | 21. Feb. 2022 | Debatte, Philosophie & Theorie

 

Der Ethnostaat ist tot, lang lebe die Ethnostadt. Für mich besteht heute kein Zweifel daran, dass der Ursprung jeder guten oder auch schlechten Sache eine Idee ist. Natürlich klingt das recht simpel, aber, wenn man sich in der politischen Landschaft so umschaut, dann zweifelt man zumindest daran, dass dies allgemeiner Duktus ist – das gilt im Übrigen auch oder sogar insbesondere für die Rechte, die mein Kollege Wolfgang Bendel einmal sehr eindringlich als „heute entlegenes, fast unbewohntes Land“ bezeichnet hat. Denn Ideen können regelrecht Sprengkraft entfalten. Die meisten aber der mir bekannten Revoluzzer – ja ich benutze diesen Begriff bewusst an dieser Stelle – sind sich darüber nicht wirklich im Klaren. Nein, sie streben danach, die Massen zu begeistern und schwinden in Erinnerung vergangener Revolutionen – wobei ihnen dabei zumeist nur die großen Massenveranstaltungen oder besondere Ereignisse geläufig sind. Nicht jedoch die ganze metapolitische Graswurzelarbeit, die im Vorfeld – teilweise sogar über Jahrzehnte hinweg – geleistet wurde. Ihnen ist die Sprengkraft von Theorien nicht geläufig, weshalb sie sich immer auf die Praxis stützen. Sie begreifen nicht, dass es bei einer Idee in erster Linie nicht darum geht, ob die Massen sie verstehen können. Das ist ein eher unwichtiger Teil, der viel später in dem Bewegungsprozess zum Tragen kommt. Dieser spielt sich automatisch ein, wenn die Idee ordentlich gereift ist. Um diese Reife zu erreichen, bedarf es aber stetiger Überlegungen, Anpassungen und Ausdifferenzierungen. Johannes Scharf hat so eine Idee in die Welt gesetzt oder sie zumindest hier bei uns in Deutschland weitergesponnen. Und er hat viel Anklang sowie Kritik dafür geerntet. Seine Exit-Strategie vom Nova Europa, also einem neuen europäischen Staat, der auf euro-ethnischer Basis ausgelegt ist, hatte er seinerzeit in seinem auch im MetaPol-Verlag erschienenen Buch „Der Weiße Ethnostaat“ ausformuliert. Hier ging es noch um die Entwicklung des Gedankens an sich, der aus einer vorhergehenden Analyse der europäischen Verhältnisse wuchs. Zugegeben, Johannes Scharf zeichnet ein sehr düsteres Bild von der Zukunft der europäischen Völker. Mir persönlich scheint die Schlussfolgerung aus der durchaus richtigen Momentaufnahme des Status Quo zu linear, und dadurch zu pessimistisch. Geschichte verhält sich aber nicht linear, sondern komplex, fast zufällig oder schicksalshaft – das ist Ansichtssache. So mancher hat schon geglaubt, das die Idee mittlerweile ad acta gelegt wurde.

Nun legt mein Kollege hier mit einem neuen Werk nach. In dem Areopag II widmet sich Johannes Scharf dem Kontraktualismus und verknüpft selbigen mit seiner Ethnostaat-Idee. „Der Tribalolibertarismus“ ist sein Beitrag zu einer vernunftbasierten Symbiose aus aufklärerischem Individualismus und Ethnopluralismus. Man könnte als Unterüberschrift auch schreiben: Ein Plädoyer für Freiheit und Vielfalt. Während im AREOPAG I die Vorstellung einer Neuen Aristokratie vertreten wird, verfolgt Scharf einen eher liberal-libertären Ansatz, ohne dabei aber auch wesentliche Beschränkungen aus der Natur zu leugnen. Die Areopag-Reihe ist der Beleg dafür, dass die Rechte es noch kann: Diskutieren und philosophieren, und das ohne sich im ideologischen Kleinklein zu versteifen. Die AREOPAG-Reihe ist grundsätzlich dem freien Austausch von Ideen, Konzepten und Standpunkten gewidmet. Als Dialektiker wissen wir, dass es kein Schwarz oder Weiß in der Welt gibt, sondern immer Ausdifferenzierungen derselben, die sich in verschiedenen Grautönen zeigen. Genauer gesagt gibt es sowohl Schwarz als auch Weiß, Plus und Minus, Nord- und Südpol. Es sind eben Pole, zwischen denen nie ein Gleichgewicht zu jeweils gleichen Teilen herrscht und dennoch sichern sie im Zusammenspiel mit den unendlich vielen Polpaaren das Gleichgewicht der kosmischen Ordnung. Genauso kann es keine ideale, sondern lediglich eine zum Zeitpunkt angemessene Staatsform geben. Das kann mal diktatorischer und hierarchischer, mal demokratischer und egalitärer sein. Niemals aber bedient sich eine Ordnung nur der Diktatur oder nur der Demokratie. Es ist immer ein Ausgleich zwischen den Polen zu jeweils unterschiedlichen Teilen vorhanden. Genauso wie eine republikanische Staatsordnung seinen Sinn zu einer bestimmten Zeit hat, so auch die Monarchie.

Bereits mit dem Zitat des deutschen Unternehmers und Visionärs Titus Gebel zu Beginn seines Traktats legt Scharf seine Bahnen und lässt den Leser erahnen, um was es geht. Denn Titus Gebel ist bekannt für seine Vision freier Privatstädte, die angesichts stark gestiegener Restriktionen durch Staat und Politik Hochkonjunktur haben dürfte. Auch wird dieses Werk von Scharf sicherlich wieder Anklang und Widerhall finden. Ich selber bin für andere Positionen bekannt, halte sein Buch aber für eine mehr als würdige nächste Runde der Debatte um die „richtige Staats- und Regierungsform“.

Ich freue mich, dass ich das Nachwort für dieses Werk schreiben durfte und möchte diesen kurzen Text mit den gleichen Worten beenden, mit denen mein Nachwort endete: „Ohne Frage hat Johannes Scharf mit diesem Buch dazu beigetragen, die Geschichte der Vertragstheorie, der Moral und der heutigen Gesellschaftsordnung sowie ihrer Webfehler zu verstehen und daraus ggf. Handlungsweisen abzuleiten. Ich bin stolz darauf, eine solche Schrift mitverlegen zu dürfen, obgleich der Autor in vielen Punkten sicherlich den meinen auseinandergeht. Dennoch ist es ein gelungenes Werk eines von mir hochgeschätzten Intellektuellen und Kollegen, der sich wie kein zweiter als streitbarer, aber auch sehr authentischer Denker und Akteur herauskristallisiert hat. Möge die Debatte damit in die nächste Runde gehen.