Grundgedanken zur Energiepolitik III – Perspektiven für eine nachhaltige und unabhängige Energieversorgung Deutschlands

von | 03. Dez. 2022 | Debatte, Deutschland und die Welt

Im dritten Teil der Artikelreihe „Grundgedanken zur Energiepolitik“, widmet sich Ernst Rahn der staatspolitischen Bedeutung der Energiepolitik. Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit sind für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland, existenzielle Grundlagen, welche in jüngster Vergangenheit wieder stark in den Vordergrund der Debatte getreten sind. Ernst Rahn beschreibt die notwendigen Randbedingungen und Voraussetzungen, für den Aufbau einer nachhaltigen und unabhängigen deutschen Energiepolitik.

 

Die Energiewende ist in vollem Gange und soll nach den Plänen der aktuellen Regierung und in Anbetracht der geopolitischen Umstände noch deutlich an Fahrt aufnehmen. Die Umsetzung dieses gewaltigen Transformationsprozesses der deutschen Energieversorgung wird von vielen Stellen kritisiert. Besonders aus Kreisen derer, die sich politisch nicht oder nur zum Teil gemäß der etablierten Linie einordnen, wird gar eine Energiewende als solches abgelehnt und als unnötig befunden. Auf beiden Seiten herrschen mitunter sehr kurzsichtige Vorstellungen, die davon zeugen, dass diese Problematik von den meisten weder technisch voll verstanden, noch in seinem politischen Moment voll erfasst zu werden scheint. Die ersten zwei Artikel dieser Reihe haben aufgezeigt, welche Probleme und Risiken die Umstellung der Energieversorgung von fossilen auf erneuerbare Energieträger mit sich bringt [1], [2]. Es wurde jedoch auch angedeutet, welche Chancen die Nutzung erneuerbarer Energien (EE) für ein Land wie Deutschland bietet. Zum Abschluss dieser Artikelreihe wird nun vertiefend darauf eingegangen, warum eine richtig gedachte und durchgeführte Energiewende für Deutschland ein durchaus gangbarer Weg ist. Zudem ist zumindest grob zu betrachten, wie eine möglichst nachhaltige und unabhängige Energieversorgung aussehen könnte und welche Faktoren und Technologien dabei entscheidend sind[1].

Zunächst gilt es, sich mit zwei Kriterien zu befassen, die für die Beurteilung der Energieversorgung eines Landes entscheidend sein sollten. Dabei handelt es sich um die Nachhaltigkeit und die Unabhängigkeit von Dritten.

Der Begriff der Nachhaltigkeit[2] beschreibt den Einsatz zur Verfügung stehender Mittel in einem Maße, in dem die Nutzung dieser Mittel auch noch in ferner Zukunft möglich bleibt. Dies bedeutet, dass nicht mehr verbraucht wird als langfristig gewonnen werden kann bzw. nachwächst. Eine zukunftsorientierte Politik muss es sich zum Ziel setzen, seine Versorgungsprozesse weitestgehend nachhaltig zu gestalten, um künftigen Generationen ein fruchtbares Leben zu ermöglichen. Dieser Grundgedanke ist auch völlig unabhängig von der Debatte um den menschlichen Einfluss auf das Klima elementar. Ohnehin soll eine Besinnung auf die Nachhaltigkeit nur sicherstellen, dass eine Wirtschaft nicht blind in Versorgungsengpässe läuft, weil die vorrangig genutzten Rohstoffe endlich sind. Für die Energieversorgung bedeutet dies langfristig eine Nutzung von Energieträgern, welche dauerhaft in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Im Falle der deutschen Gesamtenergieversorgung 2021 trifft dies auf über 80 % der genutzten Energieträger nicht zu (siehe [2]). Mineralöl, Erdgas, Braun- und Steinkohle sowie Uran sind endliche Rohstoffe. Zur Frage, wann wir nicht mehr über Mineralöl verfügen können, hat sich seit den 1970ern die schon als scherzhaft empfundene Feststellung etabliert, dass die Vorkommen zu jedem Zeitpunkt noch 40 – 50 Jahre genügen würden. Bei aktuellen Förder- und Verbrauchsverhältnissen kann davon ausgegangen werden, dass Kohle und Erdgas global betrachtet noch über 100 Jahre lang genutzt werden können. Die Zukunft wird erst noch zeigen, ob ein großskaliger, wirtschaftlicher und sicherer Betrieb von Brutreaktoren die Nutzung des radioaktiven Materials auf der Erde für mehrere Tausende Jahre möglich ist[3]. Wie lange besonders die Vorkommen an Kohle, Öl und Gas tatsächlich noch genügen werden, ist jedoch völlig unerheblich für die Feststellung, dass ihre Nutzung enden muss und wird. Ob dies nun in 50 oder 300 Jahren geschieht, eine Verknappung und ein Versiegen der Quellen sind unausweichlich. Energiepolitisch ist es also entscheidend, sich frühzeitig darauf einzustellen bzw. die Energieversorgung auf länger oder dauerhaft nutzbare Quellen umzustellen. Dies ermöglicht es, eine solche Umstellung nicht überhastet, sondern längerfristig und gezielt durchführen zu können, da noch konventionell genutzte Energieträger zur Überbrückung zur Verfügung stehen.

Diese Feststellung geht Hand in Hand mit den Notwendigkeiten des zweiten Kriteriums, der Unabhängigkeit von Dritten. Besonders ein Land wie Deutschland, das nur auf sehr geringe Vorkommen an fossilen Energieträgern zurückgreifen kann, ist von dieser Problematik betroffen. Im Jahr 2021 war Deutschlands Energieversorgung zu ca. 70 % an Energieträgerimporte geknüpft (siehe dazu [2]). Rohöl, Erdgas, und Steinkohle wurden fast vollständig, Uran bzw. Brennstäbe zu 100 % aus dem Ausland bezogen. Wie bereits in den vorangegangenen Artikeln verdeutlicht, stellt die dauerhafte und stabile Energieversorgung eine entscheidende Grundlage für unser Leben und die Wirtschaft dar. Ein Energieversorgungssystem ist an den Zustrom von Energie in Form von Energieträgern gebunden. Wird dieser Zustrom unterbrochen, kann die Versorgung nicht mehr aufrechterhalten werden[4]. Den Einfluss der Abhängigkeit dieses Zustroms von Dritten verdeutlicht der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Die Souveränität und damit die politische Handlungsfähigkeit eines Landes ist direkt daran geknüpft, wie sehr es in seinen Versorgungsprozessen von Dritten abhängt. Je abhängiger ein Land versorgungstechnisch von einem Drittland ist, desto weniger ist es ihm möglich, seine Interessen gegenüber diesem Land durchzusetzen bzw. seine eigenen Interessen zu verteidigen. Dies gilt sowohl direkt für die Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Drittland als auch indirekt durch eventuelle Gefährdungen von Lieferwegen seitens des Drittlandes. Will ein Land souverän sein und bleiben, muss es Autarkie und damit auch eine Eigenversorgung mit Energie anstreben. Für Deutschland ist dies mangels genügend eigener Rohstoffvorkommen nur über erneuerbare Energieträger denkbar. Im Vergleich zum Tenor, der bis zum Ausbruch des Krieges in der Ukraine herrschte, wirkt es verblüffend, wie schnell die Energiewende der Bundesrepublik Deutschland von der ins Stocken geratenen Klimaretterin zur noch schneller voranzutreibenden Bringerin von „Freiheitsenergien“ stilisiert wurde [4]. Viele gelangten plötzlich zur Erkenntnis, dass die Nutzung von lokal vorhandenen Energiequellen gegenüber importierten fossilen Energieträgern zu einer unabhängigeren Energieversorgung beiträgt.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien und den vorhergegangenen Artikeln werden zwei Punkte deutlich. Erstens: Eine Energiewende scheint für Deutschland, wenn es weitgehend unabhängig sein soll, nach aktuellem Stand der Technik unausweichlich. Zweitens zeigt die Entwicklung der Energiewende in der Bundesrepublik jedoch klar, dass dabei grundsätzlich Fehler gemacht wurden und werden. Weltanschauliches Denken aus einem deutschen Standpunkt heraus kann nur zur Schlussfolgerung führen, dass Deutschland eine weitgehend unabhängige und möglichst nachhaltige Energieversorgung benötigt. Wie bereits zuvor angedeutet, muss dieser Transformationsprozess jedoch anders gedacht, geplant und durchgeführt werden als bisher. Ziel soll es eben nicht sein, mit ideologischem Tunnelblick möglichst schnell energiebedingte CO2-Emissionen zu senken, um so die Erderwärmung zu deckeln[5]. Stattdessen ist anzustreben, das bestehende, nach wie vor größtenteils von fossilen Energieträgern aus anderen Ländern abhängige Energiesystem in eines zu überführen, welches langfristig in möglichst hohem Maße eigene Quellen nutzt.

Zur Realisierung eines solchen Systems müssen die Energiesektoren Strom, Wärme und Mobilität enger zusammen gedacht und miteinander gekoppelt werden[6]. Hauptenergieform wird dabei die elektrische Energie. Zunächst die elektrische Energieversorgung zu betrachten ist daher naheliegend. Abbildung 1 zeigt die Zusammensetzung der elektrischen Energieversorgung Deutschlands sowie den realisierten Stromverbrauch vom 31.08.2022 zum 10.09.2022[7].

Abbildung 1: Realisierte Stromerzeugung und Stromverbrauch Deutschlands 31.08.22 – 10.09.22 [5]

 

Die Grafik verdeutlicht die Herausforderungen und potenzielle Lösungsansätze bei der Umstellung der Versorgung auf EE. Im Wesentlichen stehen als erneuerbare Energiequellen Biomasse, Wasserkraft, Windkraft und die Sonneneinstrahlung zur Verfügung. Der bedeutende Anteil der Energieträger Kohle und Erdgas an der Energieerzeugung zeigt, dass die EE-Erzeugungskapazitäten noch sehr stark ausgebaut werden müssen. Dies gilt in einem umso höheren Maße, da nicht nur der aktuelle Bedarf an elektrischer Energie gedeckt werden muss. Bedingt durch die Elektrifizierung der Sektoren Wärme und Mobilität wird der Bedarf an elektrischer Energie noch wesentlich steigen. Das Potenzial von Biomassenutzung[8] und Wasserkraft ist in Deutschland nahezu ausgeschöpft. Es kommt für Deutschland also nur der Ausbau der Nutzung von Wind und Sonne in Frage. Eine Studie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) geht davon aus, dass die Erzeugungskapazität von Windenergie- und Photovoltaikanlagen in Deutschland auf das fünf- bis siebenfache gesteigert werden müsse, um eine Versorgung aller Sektoren mit EE zu gewährleisten [6][9]. Die nötigen Flächen zur Errichtung von Off- und Onshore-WEA, sowie PVA sind in Deutschland vorhanden [7], [8] [10]. Dies ist besonders der Fall, wenn moderne integrative Technologien Verwendung finden (z. B. [9]) und bereits genutzte Flächen effektiver genutzt werden[11].

Da die Gewinnung von elektrischer Energie aus Wind und Sonne zeit- und witterungsbedingt fluktuiert, sind Puffertechnologien notwendig. Diese Technologien müssen Erzeugungsüberschüsse speichern und in Zeiten ungenügender Erzeugung den Restbedarf decken. Dafür stehen unterschiedliche Technologien zur Verfügung, welche regional und überregional sowie kurzzeitig (Minuten/Stunden) und langzeitig (Tage, Wochen) diese Funktion übernehmen können. Für den Kurzzeiteinsatz kommen bereits jetzt, besonders in regionalen Energiesystemen, große Akkumulatoren zum Einsatz. Ein umfangreicher Einsatz dieser Technologie wird künftig wesentlicher Baustein zur Wahrung der Systemstabilität. Zur längerfristigen Deckung von Energiebedarfen ist es nötig, sehr viel Energie speichern zu können. Es ist weder mit Blick auf Ressourcen, noch auf die voraussichtlichen Kosten denkbar, dass Batterien diese Rolle übernehmen können. Eine Schlüsselrolle in diesem Bereich wird die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff tragen. Im Kontext eines Energiesystems, das im Wesentlichen auf WEA und PVA beruht, entstehen zwangsläufig immer wieder hohe Erzeugungsüberschüsse[12]. Statt die Anlagen, wie jetzt häufig im Falle von WEA, in diesen Zeiten abzuregeln, kann diese Energie genutzt werden, um Wasserstoff zu erzeugen. Dabei kommt ein Elektrolyseur zum Einsatz, für dessen Betrieb Wasser und elektrische Energie verwendet wird. Der gewonnene Wasserstoff kann in Speichern und Gasnetzen gespeichert oder zur Herstellung von z. B. Methan oder gar Kraftstoffen für die Schifffahrt verwendet werden. Bei Mangel an Erzeugung elektrischer Energie ist es möglich, den Wasserstoff wieder zur Stromerzeugung einzusetzen. Dafür stehen technologisch Brennstoffzellen[13] sowie Blockheizkraftwerke (BHKW) und Gas-und-Dampf-Kraftwerke (GuD-KW) zur Verfügung[14]. Vorteil bei der Verwendung von BHKW und GuD-KW ist die gleichzeitige Bereitstellung von Wärme. Diese Wärme kann entweder zur Bedarfsdeckung genutzt oder ebenfalls in thermischen Speichern gesammelt werden.

Infrastrukturell ist die Umstellung des Energiesystems eine sehr große, jedoch keinesfalls unlösbare Aufgabe. Zwei der zentralen Herausforderungen sind: Der massive Ausbau von Erzeugungskapazität an Orten, an denen dies im historischen Netzaufbau nicht vorgesehen war (siehe [2]) und die Kopplung dreier Energiesektoren, welche bisher weitgehend getrennt gedacht und gehandhabt wurden. Gerade der notwendige Netzaus- und – umbau gestaltet sich in der BRD noch als unzureichend (siehe [1]). Die Netze zur Übertragung und Verteilung von elektrischer Energie müssen den neuen Leistungsflussverhältnissen angepasst werden. Dies bedeutet zum einen den an die Dezentralisierung der Versorgung[15] angepassten Ausbau der Netzkapazitäten. Zum anderen wird überregional betrachtet ein Teil des Systems zentralisiert bleiben müssen. Ein Kernaspekt ist dabei das Gefälle von Erzeugung und Bedarf von Energie zwischen Nord- und Süddeutschland. Bereits jetzt wird in Norddeutschland wesentlich mehr Energie erzeugt als verbraucht. Dies liegt zum einen am hohen Windenergiedargebot an Land und auf der Nord- und Ostsee und zum anderen gibt es im Norden nur wenige große Lastzentren. Im Süden hingegen ist das Dargebot an Windenergie geringer, während hier der Schwerpunkt des Energieverbrauchs liegt. Dieser Umstand wird sich künftig noch verstärken. Daher ist es nötig, starke Übertragungsverbindungen zu schaffen, die den Schwerpunkt der Erzeugung mit dem Schwerpunkt der Last verbinden[16].

Die betrachteten Aspekte einer künftigen Energieversorgung geben nur einen sehr groben Überblick über sehr komplexe Zusammenhänge. Denn klar ist, dass ein auf EE basierendes Gesamtsystem sehr komplex und vielschichtig ist. Regionale Unterschiede des Energiedargebots, das Zusammenwirken zahlreicher verschiedener Technologien und Energiesektoren, die Wahrung der Systemstabilität bei einem hohen Maß an Dynamik, all dies bedarf eines gezielten, langfristig durchdachten Handelns. Technisch sind die genannten Herausforderungen bereits jetzt lösbar. Die beschriebenen Pfade werden wohlgemerkt auch zur bereits laufenden Verwirklichung der Energiewende zum Zwecke der sogenannten Klimaneutralität eingeschlagen. Für ein derart umfangreiches und technisch versiertes Unterfangen sind die gegebenen Strukturen jedoch auf Dauer bzw. bei Fortschreiten des Prozesses völlig ungeeignet oder fehlen zum Teil gänzlich. Diese Situation wurde besonders durch die Liberalisierung des Strommarktes verbunden mit der unternehmerischen Trennung von Energieerzeugung, -übertragung und -verteilung herbeigeführt[17].

Aufgrund dieser Struktur können die verantwortlichen Regierenden, welche größtenteils keine Fachleute sind und zumeist von Menschen beraten werden, die eigene Interessen vertreten, nur sehr eingeschränkt zielführend handeln. Stark vereinfacht werden Richtlinien und Ziele gesetzt und vorgegeben (z. B. im Erneuerbare-Energien-Gesetz), um durch wirtschaftliche Anreize darauf zu setzen, dass diese realisiert werden[18]. Dies funktioniert für gewisse Zeit insofern, dass beispielweise Erzeugungskapazitäten geschaffen werden, weil und solange dies wirtschaftlich rentabel ist. Aus diesem Vorgehen erwachsen aber auch Probleme, wie in [1] und [2] beschrieben. Diese Probleme werden sich bei fortschreitender Entwicklung verschärfen, da sie logische Folge der bestehenden Struktur und damit systemischer Natur sind. Die Energiewende krankt im Wesentlichen nicht daran, dass sie vor unlösbaren technischen Herausforderungen stünde, sondern daran, dass sie falsch organisiert ist bzw. in den bestehenden Strukturen gar nicht richtig organisiert werden kann. Zur Umstellung des deutschen Energiesystems bedarf es einer Abkehr von der wirtschaftlich privaten Handhabung. Die Energieversorgung ist eine elementare Säule für die Lebensgestaltung eines Volkes. Das Energieversorgungssystem muss, soll eine Energiewende gelingen, in staatliche Hand. Es bedarf eines zentralen Organs von Fachleuten, welche dafür verantwortlich sind, das bestehende System zu analysieren und die Umgestaltung gezielt zu planen, durchzuführen und zu kontrollieren. Dabei sind alle Ebenen zu berücksichtigen, um einen frühzeitig durchdachten und langfristigen umgesetzten Prozess zu ermöglichen, in dem alle Notwendigkeiten inbegriffen sind. Dies klingt banal, die Realität zeigt jedoch, dass es gerade daran mangelt.

Ein wesentlicher Aspekt der Energieversorgung ist die Frage der Wirtschaftlichkeit. Im Falle einer staatlichen Sicherstellung der Versorgung sollte es nicht Ziel sein, möglichst hohe Gewinne zu erzielen, sondern dauerhafte Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Nichtsdestotrotz muss die Energiebereitstellung wirtschaftlich tragbar sein. Unter anderem bedingt durch die herrschenden Marktmechanismen und etwas kurzsichtige Vorstellung zur Realisierung der Energiewende entstand bei vielen der Irrglaube, die Versorgung mit EE wäre auf Dauer wesentlich teurer als die konventionelle. In der Praxis ist dies jedoch nicht der Fall. Es gilt im Dauerbetrieb bzw. bei Betrachtung der gesamten Prozesskette[19] eher das Gegenteil. Erfahrungswerte und Studien, wie von der Fraunhofer ISE [12], zeigen, dass die Stromgentstehungskosten von EE-Anlagen vergleichbar oder niedriger ausfallen als von konventionellen Erzeugungsanlagen. Selbstverständlich entsteht gerade beim Transformationsprozess des Energiesystems ein hoher Investitionsaufwand, gerade im Vergleich zu einem „weiter so“. Jedoch ist diese Hürde weder umgänglich noch unbezahlbar. Zudem ist auf Dauer ein wirtschaftlicherer Systembetrieb zu erwarten, der diese Investitionen wieder ausgleicht (siehe z. B. [6]).

Abschließend ist festzuhalten, dass Deutschland sich, wenn es unabhängig und zukunftsfähig werden und bleiben soll, langfristig nur über erneuerbare Energieträger mit Energie versorgen können wird. Eine entsprechende Orientierung der Energieversorgung sollte frühestmöglich angegangen werden, bevor die Verknappung endlicher Rohstoffe voll zum Tragen kommt. Technisch ist diese Herausforderung definitiv zu bewältigen. Auch wirtschaftlich ist der Betrieb eines auf EE basierten Energiesystems durchaus realistisch. Die häufig kritisierten Investitionskosten sind unabdingbar für die Überführung des bestehenden Energiesystems in ein auch künftig lauffähiges. Der in der Bundesrepublik Deutschland eingeschlagene Weg der Energiewende wird aus fragwürdiger Motivation heraus und strukturell bedingt grundsätzlich falsch angegangen. Mit einem staatlichen Organ, das die nötige Struktur aufweist, um das Energieversorgungssystem vollumfänglich langfristig zu planen, zu gestalten und zu führen, wäre eine Energiewende nicht nur richtig, sondern auch umsetzbar.

 

 

 

 

 

Quellenverzeichnis

 

[1] „Grundgedanken zur Energiepolitik I – Blackout – Wie wahrscheinlich ist der große Stromausfall?“, Ernst Rahn

https://gegenstrom.org/ernst-rahn-grundgedanken-zur-energiepolitik-i/

[2] „Grundgedanken zur Energiepolitik II – Das deutsche Energieversorgungssystem und die Energiewende“, Ernst Rahn

https://gegenstrom.org/ernst-rahn-grundgedanken-zur-energiepolitik-ii/

[3] „Supply of Uranium“

https://world-nuclear.org/information-library/nuclear-fuel-cycle/uranium-resources/supply-of-uranium.aspx [Zugriff 13.09.2022]

[4] „Lindner: Erneuerbare Energien sind „Freiheitsenergien“

https://www.rnd.de/politik/lindner-zu-krieg-in-der-ukraine-erneuerbare-energien-sind-freiheitsenergien-lauterbach-stimmt-zu-ZQGHVBLMTJFJHBB3F3HLNE63NA.html

[Zugriff 10.09.2022]

[5] Visualisierte Marktdaten, Bundesnetzagentur [Zugriff 10.09.2022]

http2s://www.smard.de

[6] Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem – Die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen“, Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme

[7] „Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland“, Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme, Fassung vom 12.08.2022

[8] Transformationsprozess zum treibhausgasneutralen und ressourcenschonenden Deutschland – GreenSupreme“, Umweltbundesamt

[9] „GICON®-Hybridkraftwerk mit GICON®-Höhenwindturm (GICON®-HWT)“

https://crm.saena.de/sites/default/files/civicrm/persist/contribute/files/GICON_Hybridkraftwerk_Solar_Wind_Ho__henwind.pdf [Zugriff 11.09.2022]

[10] „Balancing green power – How to deal with variable energy sources“, David Elliott, 2016

[11] Das Projekt RH2-WKA

https://www.rh2-wka.de/projekt.html [Zugriff 11.09.2022]

[12] „Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien“, Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme, Juni 2021

 

 

 

[1] Der Autor hat den Studiengang Elektrotechnik und Informationstechnik (B. Sc. & M. Sc.) an einer technischen Universität absolviert. Derzeit ist er in der angewandten Wissenschaft auf dem Gebiet der Energieversorgung / Sektorenkopplung tätig. Daher wird auf entsprechendes Fachwissen und praktische Erfahrungen zurückgegriffen. Quellen werden nur eingesetzt, wo Aussagen mit Daten unterstrichen werden sollen oder um den Interessierten Leser auf weiterführende Literatur zu verweisen.

[2] Die Nachhaltigkeit wird in diesem Artikel im Bezug auf die Rohstoff- bzw. Energiequellennutzung betrachtet. Eine umfassendere Beleuchtung unter Einbeziehung von Sozial- und Umweltaspekten würde den Rahmen sprengen und folgt daher in einem separaten Artikel.

[3] Gerade in nicht systemkonformen Kreisen wird sich häufig für die Nutzung von Atomenergie ausgesprochen. Ohne Sicherheits- und Umweltaspekte zu diskutieren, kann festgestellt werden, dass auch Atomenergie langfristig keine Option für eine nachhaltige und unabhängige Energieversorgung Deutschlands sein kann. Auch Uran ist ein endlicher Rohstoff, über den Deutschland nicht mehr in nennenswerten Mengen verfügt [3].

Neben konventionellen Reaktoren und Brutreaktoren werden auch Kernfusionreaktoren häufig thematisiert. Auf dem Papier stellen diese durchaus eine bemerkenswerte Option für die Zukunft dar. Es muss jedoch verdeutlicht werden, dass es wohl noch bis zu 30-40 Jahre dauern wird bis diese Technologie im großen Rahmen einsetzbar sein könnte. Die Betonung liegt dabei auf könnte. Nach wie vor ist unklar, ob es jemals dazu kommt, dass großskalige Fusionsreaktoren betrieben werden können. Durch den Zeithorizont und die Fraglichkeit der Fertigstellung kann es jetzt keine Option sein auf einen solchen Hoffnungsträger zu warten.

[4] Dieser Umstand gilt unabhängig vom Betrachtungsraum. Die Abhängigkeit einer Wirtschaft von Energie und damit von der Verfügbarkeit von Energiequellen gilt für eine Stadt, ein Land oder einen Großraum bestehend aus Verbundpartnern.

[5] Die Fragestellung, ob bzw. wie sehr der menschlich bedingte Ausstoß von Treibhausgasen (u.A. zur Bereitstellung von Energie) das globale Klima beeinflusst, wird hier bewusst nicht weiter thematisiert. Zum einen ist festzustellen, dass es schwierig ist sich bei Betrachtung zahlreicher Quellen ein eindeutiges Bild zu machen. Zum anderen ist der Umstand für die geführte Argumentation nach den Aspekten der Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit der Energieversorgung unerheblich.

[6] Beispielsweise durch Wärmebereitstellung über Wärmepumpen und E-Mobilität. Dies ist wohlgemerkt allgemein erkannt und akzeptiert. Jedoch wurde dies in den entscheidenden Kreisen weder rechtzeitig erkannt, noch wird aktuell angemessen stark danach gehandelt. Die bisher durchgeführte Energiewende ist vor allem eine „Stromwende“ gewesen.

[7] Die Auswahl des Zeitraumes für eine solche Betrachtung ist für die allgemeine Betrachtung beliebig. Langfristig muss ein Energiesystem geschaffen werden, dass den Bedarf zu jedem Zeitpunkt deckt.

[8] Zwar wäre eine Steigerung der Bioenergienutzung möglich, jedoch steht die energetische Nutzung von Biomasse in Konkurrenz zu anderer Flächennutzung wie der Landwirtschaft.

[9] In der Studie wurde das gesamte künftige deutsche Energiesystem Deutschlands (Strom, Wärme, Mobilität) in unterschiedlichen Szenarien modelliert und durch Simulationen stundenscharf untersucht. Für das Jahr 2050 wurde ermittelt, dass WEA und PVA bei besagtem Ausbau 50%-60% des Primärenergiebedarfs decken würden.

[10] Bei intelligenter Nutzung verfügbarer Flächen käme es nicht zum sprichwörtlichen „zupflastern“ der gesamten deutschen Landschaft. Es ist jedoch so, dass eine Verteilung der Energieerzeugung auf die Fläche dafür sorgt, dass mehr Menschen das Problem vor der eigenen Haustür wahrnehmen. Auf dieses Verteilungsproblem wird in einem separaten Artikel eingegangen.

[11] Beispielsweise sorgt das Ersetzen von alten WEA nach Ablauf ihrer Laufzeit durch moderne Anlagen mit wesentlich höherer Leistung bei nahezu gleichem Flächenbedarf für eine deutlich bessere Flächennutzung.

[12] Periodisch/saisonal im Falle von PVA und unregelmäßig/saisonal im Falle von WEA [7].

[13] Brennstoffzellen kehren den Prozess der Elektrolyse um. Aus Wasserstoff und Sauerstoff wird Strom erzeugt. Der geringe Wirkungsgrad der gesamten Prozesskette aus Elektrolyse, Speicherung und Rückverstromung über eine Brennstoffzelle legt nahe, dass die Brennstoffzelle nur für spezielle und lokale Anwendungen in Frage kommt.

[14] Aktuell werden Gas-BHKW und GuD vorrangig mit Erdgas betrieben. Erste Anwendungen mischen bereits Wasserstoff bei oder sind vollständig Wasserstoffbasiert [11].

[15] Unter Dezentralisierung ist die Verteilung des Großteils der Erzeugung auf die Fläche zu verstehen. Dies bedeutet nicht, dass sich jedes Haus oder jede Gemeinde selbst versorgt. Energiesysteme werden zwar lokaler gedacht, es ist aber nicht das Ziel das ganze Land auf kleine Inselnetze aufzuteilen. Gerade auf den Rahmen einer Stadt ist es nach wie vor Sinnvoll eine zentrale Versorgung (z.B. durch Fernwärme mit Großwärmepumpen) zu gewährleisten.

[16] Zwar wurde diese Problemstellung regierungsseitig erkannt und angegangen. Strukturell bedingt verläuft die Umsetzung jedoch schleppend / ungenügend.

[17] Durch die Liberalisierung des Strommarktes sollte die Energieversorgung dem freien Markt geöffnet werden. Bestehende Monopole aus Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Energie wurden gesetzlich geregelt aufgelöst. Dies sorgt im Zuge der Energiewende dafür, dass der Staat nur eingeschränkte Möglichkeiten zur tatsächlichen Planung der Energieversorgung hat. Zudem entstand und besteht ein deutlich erhöhtes Koordinationsproblem zwischen Energieanbietern und Netzbetreibern. Es ist in der Praxis jedoch definitiv so, dass der Staat zahlreiche Eingriffe in den Betrieb der Energiewirtschaft vornimmt, um die Systemsicherheit zu wahren. Hier wurde also gewissermaßen ein Zwitterwesen geschaffen.

[18] Dadurch kommen dann immer wahnwitzigere Zielstellungen zum Ausbau der EE-Erzeugungskapazitäten zu Stande. Zwar ist die Tendenz eines schnellen und umfangreichen Aufbaus richtig, im geforderten Tempo unter den selbst geschaffenen Bedingungen (Eignungsflächen, Planungs- und Genehmigungsverfahren, Produktionskapazitäten, Netzausbau etc.) jedoch völlig unrealistisch. Zudem wäre eine tatsächliche Umsetzung der Ausbauziele im EEG wirtschaftlich und systemtechnisch ein Desaster, weil die so entstehenen Kapazitäten nicht in ein passenes System eingebettet wären.

[19] Die gesamte Prozesskette ist in diesem Fall jede Aufwendung von der Rohstoffgewinnung für die Herstellung, den Betrieb (z.B. Kohleabbau und -transport) und die Entsorgung einer Anlage im gesamtem Lebenszyklus.