Dissonanzen der „Mosaik-Rechten“

von | 11. Jul. 2019 | Debatte

Wenn passend gemacht werden soll, was nicht zusammenpasst!

Angeblich sei die sogenannte „Mosaik-Rechte“ in aller Munde. So zumindest will es uns der Jung Europa Verlag suggerieren. Was diese Mosaik-Rechte tatsächlich ist, konnte ich durch das Studium und die Recherche im Internet immer noch nicht herausfinden. Zwar haben Namen wie Benedikt Kaiser und Philip Stein diesen Begriff immer wieder in umständlichen Artikeln bedient, aber so richtig will es mir immer noch nicht einleuchten. In dem umstrittenen Buch Marx von rechts deutet Philip Stein an, dass es sich dabei um das Mosaik, bestehend aus sowohl dem „wirtschaftsliberale(n) Parlamentarier als auch grundsätzliche, sozial orientierte Aktivisten vorerst unter einer Politik des Minimalkonsens‘“[1] handelt. Auch das ist mir einfach immer noch zu abstrakt. So ein bisschen klingt dies – ähnlich wie in einem 2017 in der Sezession erschienen Artikel von Kaiser – nach einer angeblichen Dialektik zwischen Realos und Fundis. Wer sich hier wirklich einmal mit Dialektik beschäftigt hat, weiß, dass diese Begriffspaare weder eine ontologisch noch eine gnoseologische Dialektik besitzen[2]. Denn der Kern dialektischer Begriffspaare liegt ja u. a. in der Interdependenz, die dazwischen besteht. Jedoch schließen sich der idealistische Fundamentalismus und die reine, gar materialistische[3] Realpolitik gegenseitig aus. Jeder, der sich einmal mit dem >>Ehernen Gesetz der Oligarchie<< befasst hat, weiß das. Zum Verständnis sei auf den Artikel von Friedrich Erzberg, der ebenfalls in diesem Blog erschien, verwiesen (siehe hier).

Ich gebe Kaiser insoweit recht, dass es ein „Nebenher“ von parlamentarischen Kräften und dem idealistischen Aktivisten auf der Straße geben kann. Dies zählt jedoch nur, wenn es einen nachweislich „metapolitischen“ gegenseitigen Einfluss zwischen den Theoretikern, Idealisten und Politikern gibt. Ich denke hier an den Dreiklang, den Lenin in seiner Schrift Was tun? herausgearbeitet hat: Theoretiker, Propagandist und Agitator. Sobald die Ausrichtung, ähnlich der AfD, sich bei vielen Abgeordneten nur noch um den Machterhalt dreht, wird diese angebliche Dialektik ad absurdum geführt[4]. Denn im hegelianischen sowie marx’schen Sinne ist die Dialektik „die Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung, sowohl der äußeren Welt wie des menschlichen Denkens“[5].

Die AfD hat, gleich Kaisers Ausführungen, eine wirklich wichtige Aufgabe für uns. Sie verliert ihre Relevanz aber mit zunehmendem Einfluss. Schauen wir nach Frankreich oder Österreich, wo wir ohne Zweifel Sammelbecken wie FPÖ und Rassemblement National[6] (ehemals Front National) haben. Inwieweit jedoch die FPÖ heute noch zu der Overton-Window-Strategie in unserem Sinne beiträgt, ist fraglich. Der RN muss tatsächlich von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet werden. Ähnlich Italien und anderen mediterranen Rechten, hat man hier verstanden, was echte Metapolitik ist und speist sein Potenzial für den auch politisch-parlamentarischen Erfolg großteils aus unabhängigen, jedoch rechten Denkfabriken. Dies trifft jedoch auf Deutschland keineswegs zu. Ich sehe hier keine nennenswerten rechten Denkfabriken, die die Rolle des “Theoretikers“ im lenin’schen Sinne übernimmt.

Zu welchen Ergebnissen dieses Spielchen zwischen außerparlamentarischer idealistisch orientierter und parlamentarisch realpolitisch orientierter Rechten in der Regel führt, haben wir erst kürzlich in Österreich gesehen. Dort hat sich die parlamentarische Rechte in Form der FPÖ ordentlich bei der außerparlamentarischen Identitären Bewegung Österreich für die metapolitische Vorarbeit bedankt. Ich verweise hierbei auf einen Artikel von Alexander Markovics, der ebenfalls auf diesem Blog veröffentlicht wurde (siehe hier).

Jedoch scheint zumindest Stein den aktivistischen Teil dieses zu schaffenden Mosaiks auf eine von der „sozialen Frage“ geprägten Jugendbewegung zu reduzieren. Da auch aus dem besagten „Marx von rechts“ nicht wirklich ersichtlich wurde, was sich diese Mosaik-Rechte nun von Marx wirklich abschauen könnte – und ich bin mir sicher, dass es da einiges gibt, nur haben die Autoren es nicht für nötig befunden, diese hervorzuheben – weiß ich natürlich immer noch nicht, was zumindest dieser von der „sozialen Frage“ getriebene aktivistische Teil der Mosaik-Rechten wirklich sein soll.

Da es von unserer Seite her schon einiges an Kritik zu dem benannten Buch gab (hier und hier), erspare ich mir weitere Ausführungen dazu. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass weder Benedikt Kaiser – der der einzige deutschsprachige Autor in dieser Aufsatzsammlung war – noch der Herausgeber Philip Stein sich bisher dazu zu Wort gemeldet haben. Eine Replik an dieser Stelle blieb also leider bisher aus. Obwohl wir es für durchaus sinnvoll halten, über dieses aus unserer Sicht wichtige Thema zu sprechen. Ansonsten erschließt sich für uns auch nicht der Sinn der Herausgabe eines derartigen Buches.

Rechte Liberale und Konservative gehen aufeinander los!

Seit einigen Wochen hält ein ziemlich heftiger Schlagabtausch auf den digitalen Plattformen sozialer Medien zwischen Repräsentanten der konservativen „Neuen Rechten“ und den Liberalkonservativen an. Dabei stechen Namen wie David Berger vom Blog Philosophia Perennis und Martin Lichtmesz aus dem Umfeld des Instituts für Staatspolitik (IfS) hervor. David Berger, der sich offen als pro-amerikanisch, pro-israelisch, westlich und homosexuell bekennt, hat dabei das Umfeld um den bekannten Rechtsintellektuellen Götz Kubitschek als „intellektuell parfümierte Nazis“ bezeichnet. Gleichzeitig werfen ihm Vertreter aus dem IfS-Umfeld vor, ein „liberaler Nestbeschmutzer“ zu sein, der mit seinem liberalen Lebensentwurf gar nicht für die rechte Sache kämpfen könne[7].

Erst kürzlich meldete sich der liberal-konservative David Berger wieder zu Wort, indem er die Beschwichtigungsversuche von Martin Sellner und seinem Co-Chef der IBÖ, Patrick Lenart, thematisierte. Die Überschrift seines Blogbeitrages ist vielsagend und berechtigt: „Bringt es etwas mit Leuten zusammen zu kämpfen, die ganz andere Ziele haben?“. Der geneigte Leser merkt hier schon, dass es sich um eine rhetorische Frage handelt. Denn Berger macht sich seit dem Auftritt von dem durch Pädophilie-Relativierung auffallenden bekennenden Homosexuellen und Ex-Breitbart-Redakteur Milo Yiannopoulos  sorgen, dass der eine Teil der Mosaik-Rechten ihn nach Erreichen seiner Ziele in den liberalen Darkroom verbannt.

Diese kleinen Beispiele stehen stellvertretend für die starke Divergenz zwischen den Gruppen, die heute eher vom politischen Gegner zu den Rechten gezählt werden. Ein ganz entscheidendes Kriterium, das zumindest ich dem Rechten zuweise, ist die Hierarchisierung der Gesellschaften, die Anerkennung der Wesensart der Menschen, die wir heute anthropologisch nachweisen können. Es ist in erster Linie also nicht unbedingt das Bekenntnis zu einem Volk, einer Nation oder zu einem Kaiser-König. Dazu gehören auch bestimmte tradierte Werte, also Traditionen und Ideale. Diese drücken sich in der Lebensweise, wie dem Familienbild, der Rollen von Mann und Frau usw. aus. In einem früheren Post habe ich beschrieben, was aus meiner Sicht „rechts“ ist (siehe hier). Eine differenzierte Betrachtung des Rechts-Links-Schemas widmete sich Willi Lüdtke in diesem Artikel hier.  Und hier trennt sich tatsächlich die Spreu vom Weizen. Denn viele angebliche Rechte frönen selber einem hedonistischen Lebensentwurf. Viele, die heute vom Mainstream zu Rechten gemacht worden sind, und mit denen so mancher Konservativer sich gemein machen möchte, sind gar nicht konservativ oder rechts im eigentlichen Sinne.

So auch David Berger, der immer wieder durch undifferenzierte Angriffe auf den Islam auffällt. Das große Ungeheuer des Islam, das ja immer wieder in patriotischen und „neurechten“ Kreisen bedient wird, gefährde westliche, d.h. liberale Lebensweisen. Die Rechten innerhalb dieser Mosaik-Rechten werfen Berger daher vor, eher aus Furcht wegen seiner Homosexualität gegen den Islam zu wettern. Das jedoch ist ja keine Einzelerscheinung. Innerhalb der >>patriotischen Rechten<< (Es gibt auch eine >>patriotische Linke<<, weshalb ich explizit diesen Begriff verwende) spicken derartige Attitüden des Öfteren die Propaganda. Bei der AfD kann man die Skizzierung eines derartig für viele Menschen spürbaren Feindbildes auch nachvollziehen. Geschäftlich gesehen ist das richtig, was hier die parlamentarische Rechte tut. Mit Weltanschauungsbewegung hat das jedoch nicht viel zu tun. Es ist jedoch eine generelle Frage, ob es so etwas wie eine Weltanschauungspartei mit relevanter Quantität überhaupt geben kann. Denken wir wieder an das >>Eherne Gesetz der Oligarchie<<!

Solche Diskrepanzen sind dabei längst überfällig gewesen. In der AfD rumort es ja bekanntlich schon seit längerem, jedoch hat der Erfolg den Laden bisher zusammengehalten. Jetzt, wo die sogenannte „Neue Rechte“ sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch stagniert, kommen die längst überfälligen Diskussionen auf. Das ist an sich auch vollkommen richtig, denn jede erfolgreiche Bewegung braucht zu Beginn und zwischendurch lebhafte Debatten. Dabei gilt es sich stets zu hinterfragen und ggf. neu auszurichten. Unser Gehirn arbeitet auch mit Denkmustern und Programmen, die es immer wieder abspielt. Diese Denkmuster und Schablonen sind für unsere Vorurteile zuständig. Sie können überlebenswichtig sein. Es gilt dabei nicht, diese Vorurteile zu überwinden, wie es uns der liberale Mainstream gerne suggeriert, sondern sie immer wieder auf die Probe zu stellen und ggf. auf ihre Aktualität und Richtigkeit zu überprüfen. Debatten sind ein lebhaftes und effektives Mittel, um diese Tests stetig anzugehen.

Sellners Appell an die Mosaik-Rechte ist ein Hilferuf

Wie bereits oben angedeutet, haben sich der österreichische IB-Obmann Martin Sellner und sein Co-Chef Patrick Lenart zu Wort gemeldet. Sellner muss man zugutehalten, dass er schon genauer skizziert, was diese Mosaik-Rechte seiner Meinung nach sein soll. Denn in diese schließt er Westler wie Berger mit ein. So beklagt Sellner in seinem Text Das patriotische Mosaik – Ein Vorschlag: „Die Stimmung im Mosaik hat sich geändert. Seit einigen Monaten herrschen wechselseitige Anriffe [sic!] vor. Antipathie wird offen zur Schau gestellt und konstruktive Kritik oder Solidarität verabschieden sich langsam. Eine kleine, aber sehr aktive Twitterfraktion attackiert gezielt ‚Abweichler‘. Andere packen in peinlichem Systemjargon die Nazikeule aus und verlangen emphatische Bekenntnisse zu Israel. Man differenziert nicht, sondern schmäht Gruppen, neben denen man jahrelang existierte, pauschal als liberal Verweste oder als völkische Kryptonazis.[8]

Und weiter schreibt das Gesicht der deutschsprachigen Identitären Bewegung im selben Beitrag: „Ich finde die Lust an der Selbstzerfleischung befremdlich. Es sei jedem gegönnt, die ideologische (sic!) Grenzen um seine Denkschule oder seinen Blog zu ziehen, wie er will. Dennoch erscheint es mir seltsam, daß Personen, die von den Medien und der Gesellschaft als ‚Rechte‘ bekämpft werden, sich gegenseitig das Dazugehören absprechen wollen und sich als Gegner oder gar Feinde behandeln.“

Nun, wer an dieser Stelle etwas stutzig wird, dass ausgerechnet Sellner, der zuvor mehrfach seine Distanz zu gewissen rechten Kreisen betonte, dies sagt, dem kann ich nur empfehlen noch einmal im Netztagebuch der Sezession nachzuschlagen. Denn in einem 2016 viel diskutierten Artikel von dem o. g. vermeintlichen Versöhner der Rechten, wurde ganz klar die Trennung vom sog. „rechten Narrensaum“ gefordert. So schrieb Martin Sellner damals: „Es kommt darauf an, daß nicht der idealistische Kern einer Fundamentalkritik an Multikulti, sondern ein verzichtbarer extremistischer Narrensaum diese gruppenpsychologisch notwendige Rolle ‚übernimmt‘. Kurz gesagt: Es geht darum, daß die Kantenschere zwischen der Alten und der Neuen Rechten und nicht zwischen Opportunisten und Idealisten verläuft.“[9]

Rufen wir uns diese Stelle noch einmal kurz in Erinnerung. Sellner beschrieb damals ein fiktives Zukunftsszenario, in welchem drei Personen A, X und Z zu einer Talkrunde zusammenkamen, um über die in diesem Szenario längst überwundene linksliberale Herrschaft zu sprechen. Dabei ringen die von ihm bezeichneten „Last-minute-Dissidenten“ (also jene, die sich erst dem Widerstand anschlossen, als dieser allmählich zum Mainstream wurde) um Ausreden, warum diese sich damals an dem Augstein-ähnlichen Gelaber linksliberaler Zensur beteiligten. Sellner meinte in diesem Artikel, dass für solche „Überläufer“ ein Sündenbock her muss, dem die Schuld aufgeladen wird. Diesem Sündenbock käme also diese „gruppenpsychologisch notwendige Rolle“ zu. Damit nicht die „Neue Rechte“ (also jene patriotischen Kreise, denen auch Sellner angehören will) geopfert werden, muss jetzt ein Sündenbock her. Diesen hat er längst ausgemacht und präsentiert ihn seiner Leserschaft: die Alte Rechte.

Auch in seinem Hilferuf, wo er eben den Akteuren Stein und Kaiser um Solidarität des Mosaiks ringt, macht der Identitäre deutlich, wer nicht zu diesem Mosaik dazugehört. So versucht Sellner den Begriff des „rechten Mosaiks“ in ein „patriotisches Mosaik“ zu transformieren: „Ich plädiere daher für das patriotische Mosaik als eine bewußt ideologisch diverse, strategische Allianz. Es schließt Libertäre, Sozialisten, Neurechte, Christen, Heiden undsoweiter [sic!] ein. Es grenzt explizit nur Altrechte und Globalisten aus, also jene, die sich in die Tradition der europäischen Totalitarismus [sic!] stellen und jene, die den heutigen Weltzustand, die Auflösung der Völker und Kulturen und den Austausch unserer Bevölkerung, akzeptieren. Auszuschließen sind ebenso Personen, die ungeachtet ihrer Weltanschauung, spalterisches, völlig unmoralisches, nach innen denunziatorisches und sonstiges untragbares Verhalten an den Tag legen, was in jedem Teilbereich vorkommen kann und getrennt von der Ideologie kritisiert werden muß.“[10]

Hört, hört. Herr Sellner plädiert hier für eine „strategische Allianz“. Dabei sollen also „Libertäre, Sozialisten, Neurechte, Christen, Heiden“  willkommen geheißen werden. Es ist bezeichnend, dass Sellner, der selber den Begriff der „Rechten“ für ungeklärt hält, immer ganz genau weiß, was Neue und was Alte Rechte ist. Neu ist grundsätzlich gut, alt ist grundsätzlich schlecht. Woran erinnert mich das nur? Ach ja, an George Orwells „Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht[11]. Ich möchte an dieser Stelle keineswegs jene in Schutz nehmen, die – wie es Sellner der kompletten sog. „Alten Rechten“ vorwirft – tatsächlich extremistische, demnach auch unpolitische Positionen beziehen. Wir haben auf diesem Blog bereits hinreichend Kritik an der Alten Rechten, die wir gemein mit dem sog. Nationalen Widerstand machen, geübt (siehe dazu hierhier, hier und hier). Nur wenn Sellner schreibt, dass „jene, die für den Erhalt der Identität eintreten, damit die Identitätsfrage stellen und die Grenzen der Assimilations- und Integrationsfähigkeit erst thematisieren können, (…) sich klar und radikal von jenen trennen (müssen), welche die Identitätsfrage mit einer Renaissance der dritten politischen Theorie, mit Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus verbinden[12], dann muss ihm hier ebenfalls eine totalitäre Haltung unterstellt werden.

Denn hier wird versucht das Streben nach Nationalismus, das Bekenntnis zum Nationalstaat in der Sprache politischer Korrektheit – Sellner nannte es oben „Systemjargon“ – mit extremen, also auch rassistischen Positionen gleichzusetzen. Das nenne ich ganz außerordentlich totalitär. Ein Großteil der bürgerlichen Rechten bekennt sich zum Nationalstaat. Die AfD in meiner brandenburgischen Heimat postuliert stets auf Demonstrationen und Wahlkampfveranstaltungen den Erhalt des Nationalstaates und der Nation. Sind das etwa auch schon nationalistische, also im Sellner’schen Sinne altrechte Positionen? Muss ich mich also in einem imaginären Paneuropaismus ergießen, damit ich nicht aus Versehen zur „Alten Rechten“ gezählt werde? Ist die AfD also als „rechter Narrensaum“ abzuschlagen, weil sie den „souveränen, demokratischen Nationalstaat erhalten[13] will?

Wie steht es um Akteure wie Benedikt Kaiser und Philip Stein, die hier seit geraumer Zeit versuchen, ebenfalls Elemente der Zweiten (Kommunismus, einschließlich Marxismus und Sozialismus sowie Sozialdemokratie) und der Dritten Politischen Theorie (Faschismus, einschließlich Dritter Weg) aufblühen zu lassen? Ich möchte mich hier keineswegs dagegen aussprechen. Im Gegenteil finde ich es erfrischend, dass wir uns auch einmal wieder elementar mit den alten Politischen Theorien beschäftigen.[14] Ich möchte auch eine differenzierte Auseinandersetzung und halte die infantile Glorifizierung der Vergangenheit für genauso negativ wie die infantile Verächtlichmachung derselben. Eine stetige Distanziererei von Altbekannten liegt mir ohnehin fern. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass Sellner immer nur jenen die „Alte-Rechte-Karte“ zeigt, die irgendwie nicht ganz Mainstream-konform sind.

Es gibt keine Mosaik-Rechte

Diese ganzen Postulate von der angeblichen Mosaik-Rechten sind nichts mehr als Träumereien. Dabei handelt es sich bei der altbekannten Forderung „Getrennt marschieren, vereint zuschlagen!“, um eine Verwechslung. Moltke gebrauchte diesen Ausspruch in einem militärischen Sinne der Dreiteilung seines Heerverbandes in der Schlacht bei Königgrätz 1866. Wohlgemerkt handelte es sich um eine erzwungene und strategisch gewollte Teilung eines eigentlich im militärischen und moralischen Sinne einheitlichen Verbandes. Sellner, Lenart, Kaiser und Stein hingegen wollen hier weltanschaulich-ideologisch vollkommen voneinander unterschiedliche Verbände zu einer strategischen Allianz überreden, die keine Grundlage besitzt.

Es ist vielleicht gut gemeint, dennoch nicht weniger naiv, Sozialisten und Libertäre, gar liberale Gruppen in friedlicher Koexistenz zusammen in eine Richtung zu stoßen. Der hier von Benedikt Kaiser und Martin Sellner bemühte Dampfer fährt nicht in dieselbe Richtung und wird es auch nicht. Wer sich mit Revolutionsgeschichte befasst, der kann dies nur als im besten Fall naive Träumerei abtun.

Da hilft es auch nicht, dass der österreichische Popstar der Neuen Rechten versucht Lenin für sich heranzuziehen. So zitiert Sellner aus der wirklich empfehlenswerten Schrift „Was tun? – Brennende Fragen unserer Bewegung“ den >>Machiavelli des Ostens<<: „Nur wer zu sich selbst kein Vertrauen hat, kann sich von vorübergehenden Bündnissen, und sei es auch mit unzuverlässigen Leuten, fürchten, und keine einzige politische Partei könnte ohne solche Bündnisse existieren.“

Nur vergisst Sellner dabei zu betonen, dass Lenin weniger eine Mosaik-Linke beschrieb, als vielmehr den Versuch auch die Tradeunionisten[15] zu unterwandern und zu radikalisieren. Lenin bezeichnete die „tradeunionistischen“ Marxisten als „Ökonomisten„. Viele von diesen fanden sich in der späteren Menschewiki wieder. Natürlich arbeiteten die Bolschewisten zeitweise mit den Sozialrevolutionären und auch den „legalen Marxisten“ (u. a. Ökonomisten) vor allem in den Staatsdumas zusammen. Nach dem Sturz Kerenskis, mussten jedoch alle Beteiligten der Wahrheit ins Auge blicken, dass es dieses Mosaik nicht gibt. Diese „strategische Allianz“, welche Lenin hier also temporär verfolgte, endete in einer krassen und gewalttätigen Auseinandersetzung der linken Parteien, die nach 1917 übrig blieben.

Und so ist die rhetorisch gestellte Frage von Dr. David Berger in jeder Hinsicht berechtigt. Es handelt sich hier nicht um unterschiedliche Strömungen eines Verbandes, sondern um unterschiedliche Verbände mit vollkommen divergenten Zielvorstellungen und weltanschaulichen Grundlagen.

Keine Wende ohne Weltanschauung

Die hilflosen Versuche einiger Akteure Romantik zu verstreuen, werden im Sande verlaufen. Jetzt, wo sich die Gesellschaft endlich in linksliberal und rechtskonservativ spaltet, entsteht eine gewaltige, jedoch notwendige Spannung. Dieses Spannungsfeld lässt der gestaltlosen Mitte keinen Spielraum, keine Komfortzone mehr. Jeder wird gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden. Insoweit hat Sellner auch vollkommen recht, wenn er „die Trennlinie heute zwischen Globalisten und Patrioten“ ausmacht. Dies ist jedoch nur im Gesamtkontext für uns relevant. Wirkliche Veränderungen werden von Ideen erzielt. Besser, von Akteuren, die eine Idee tragen und bereit sind, für dieselbe Opfer zu leisten. Es reicht eben nicht, sich „nur“ gegen den “Großen Austausch“ und die Globalisierung zu stellen. Es geht hier um mehr. Das komplette System ist in sich vermodert. Es geht darum, das gesamte System zu hinterfragen, mindestens jedoch das Regime, welches sich in der Weltöffentlichkeit als demokratisch und pluralistisch geriert. Es ist dieser schnöde Demokratismus[16], der nichts weiter als eine gut getarnte Diktatur darstellt, und diese ist im Kern faul und marode. Diese naiven Überzeugungen, dass die Mehrheit immer recht hätte, muss jeden platonischen Sachverständigen als Phantasmagorie aufstoßen. Gepaart ist dieser Demokratismus mit dem Globalismus, der eine logische Folge des Kapitalismus ist. Diesen Kern in sich zu überwinden, ist Aufgabe einer echten Rechten, unabhängig davon, welcher Strömung (also innerhalb des gleichen Verbandes) jeder Einzelne angehören mag.

Ich möchte betonen, dass es mir fern liegt, nicht auch eine gewisse Arbeitsteilung zwischen dem Parlamentarier und dem Aktivisten anzuerkennen. Dennoch widerspreche ich der These, dass es eine auf Gegenseitigkeit beruhende Solidarität geben kann. Dies sehen wir tagtäglich in den Medien, die sich über die Fetzen hermachen, welche in der AfD hin und her fliegen. Abgrenzungsbeschlüsse hier, Ausschlussverfahren da. Denn vielmehr stellt sich allmählich eine Trennlinie zwischen jenen, denen wirklich etwas an unserem Volk und unserer Nation liegt und jenen, die sich wie Glücksritter in das vom Idealisten gemachte Nest setzen, heraus.

Ich halte diese Gespaltenheit und das sich gegenseitige Absprechen des Dazugehörens keineswegs für zerstörerisch wie Sellner. Im Gegenteil bringt es Klarheit in das „Mosaik“. Es gibt eben Steine, deren Farbe einfach nicht in das Gesamtbild passt.

[1] Benoist, Fusaro & Kaiser (2018, S. 7): Marx von rechts. Erschienen im Jung Europa Verlag, Dresden 2018

[2] Kaiser verwendete hier den Ausdruck eines „dialektischen Paar(es)“, welches aus „eine(r) ‚kämpfenden‘ und „eine(r) (künftig) ‚regierende(n)‘ politische(n) Rechte(n)“ bestünde. Dabei werden beide Begriffe wie Wechselwirkungspaare betrachtet. Des Weiteren verweist er hier explizit auf eine angeblichen Dialektik zwischen einer aktivistischen Jugendbewegung und der AfD. Dem widerspreche ich hiermit aufs Schärfste.

[3] Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass hier keinesfalls von dem Materialismus und dem Idealismus im erkenntnistheoretischen und ontologischen Sinne die Rede ist.

[4] Im Gegensatz zu den vielen mystischen Erzählungen konzipierte Hegel keine Triade von „These, Antrithese und Synthese“.

[5] Zitiert in: Lenin Ausgewählte Werke (1970, S. 33). Karl Marx. Dietz Verlag, Berlin 1970

[6] Der Namenwechsel passt zu der Rolle des RN (ehemals FN), denn er bedeutet zu Deutsch auch „Nationale Sammlungsbewegung“.

[7] Belltowers (2019). „Intellektuell parfümierte Nazis“ gegen „Liberale Nestbeschmutzer“. Verfügbar unter: https://www.belltower.news/rosenkrieg-rechtsaussen-intellektuell-parfuemierte-nazis-gegen-liberale-nestbeschmutzer-86905/ (30.06.2019)

[8] Sellner (2019). Das patriotische Mosaik – Ein Vorschlag. Erschienen im Netztagebuch www.sezession.de. Verfügbar unter: https://sezession.de/61275/das-patriotische-mosaik-ein-vorschlag (06.07.2019)

[9] Sellner (2016). Sündenbock und Kantenschere. Erschienen im Netztagebuch www.sezession.de. Verfügbar unter: https://sezession.de/56928/sundenbock-und-kantenschere (06.07.2019)

[10] Sellner (2019). Das patriotische Mosaik – Ein Vorschlag. Erschienen im Netztagebuch www.sezession.de. Verfügbar unter: https://sezession.de/61275/das-patriotische-mosaik-ein-vorschlag (06.07.2019)

[11] Dieses Zitat stammt aus der berühmten Fabel des Engländers George Orwell Farm der Tiere, welches auf Englisch das erste Mal 1945 erschien.

[12] Sellner (2016). Sündenbock und Kantenschere. Erschienen im Netztagebuch www.sezession.de. Verfügbar unter: https://sezession.de/56928/sundenbock-und-kantenschere (06.07.2019)

[13] AfD (2019). AfD Kurzprogramm: Wir wollen den souveränen, demokratischen Nationalstaat erhalten. Verfügbar unter: https://www.afd.de/demokratie-in-deutschland/ (06.07.2019)

[14] Diese Begriffe stammen von Alexander Dugin, der in seiner gleichnamigen Schrift eine sog. „Vierte Politische Theorie“ fordert. Es scheint, als versuchten Teile der „Neuen Rechten“ ebenfalls diese Vierte Politische Theorie krampfhaft herbeizureden. Bisher bleibt selbst Alexander Dugin uns Antworten auf unsere Fragen schuldig.

[15] Damit ist die Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland aufkommende Gewerkschaftsbewegung gemeint.

[16] Demokratismus ist nicht mit Demokratie zu verwechseln. Mit Demokratismus ist die Ideologisierung der Demokratie zu verstehen. Dieser sieht die Demokratie nicht nur als Regierungsform, sondern als notwendiges Gesellschaftsmodell, indem alles und jeder politisch sowie letztlich auch ökonomisch gleichgestellt wird.