Vom Unterschied zwischen Revolution und Umsturz

von | 10. Nov. 2024 | Philosophie & Theorie

Im Folgenden soll verdeutlicht werden, was MetaPol unter „Revolution“ versteht, warum sich der Verlag und die Redaktion ausgerechnet in dieser Zeit damit befassen und weshalb davor gewarnt werden muss, dass militante und militärische Umsturzversuche zum Scheitern verurteilt sind. Die Redaktion

 

 

Was ist eine Revolution?

Um einen Begriff von etwas zu bekommen, ist es sinnvoll sich etymologisch, also von der Wortherkunft klarzumachen, was die Menschen in der Vergangenheit darunter verstanden haben. Die Etymologie dient dabei dazu, Verständnis für die Sprachentwicklung zu bekommen und somit Begriffe richtig einzuordnen. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Astronomie und bedeutet die Rückkehr von Sternen an ihren Ausgangspunkt. Aus dem lateinischen revolutio oder revolvere stammend, heißt es so viel wie „zurückwälzen“, „umwälzen“, „zurückrollen“. Erst später wurde der Begriff Bestandteil der Alltagssprache, um damit „Umwälzungen“ im Leben zu verdeutlichen. „Umwälzen“ ist eine grundlegende Veränderung, ein Paradigmenwechsel. Auch hier schreibt das Etymologische Wörterbuch des Deutschen, dass unter welzen im 9. Jahrhundert vgl. mit biwelzen das „Losreißen“ oder „Zurückrollen“ verstanden wurde. So ist bis heute von einem „dicken Wälzer“ die Rede, wenn von einem Buch, das erarbeitet/studiert werden muss, gesprochen wird. Diese Veränderung kann technologischer Fortschritt sein, wie es die Entwicklung des Dampfkessels war oder wie es vielleicht Künstliche Intelligenz einmal sein wird. Durch grundlegende Veränderungen im Sinne von Umwälzungen, also Revolutionen entstehen vollkommen neue Alltagssituationen. Die Art zu leben, verändert sich. Gesellschaftliche, ökonomische und politische Fragen werden anders bewertet. Sie werden aus einem grundlegend anderen Blickwinkel betrachtet.

Später ab dem 18. Jahrhundert erfuhr der Begriff im Zuge der Französischen und Englischen Revolution die Konnotation von „Umbrüchen“, die jedoch positiv aufgeladen als „fortschrittliche Veränderungen“ begriffen wurden. In den benannten Revolutionen war Gewalt zwar Bestandteil des revolutionären Prozesses, mitnichten war sie jedoch hauptsächliches Wesensmerkmal derselben. Gewaltausbrüche und Volksaufstände sind lediglich Symptome, sie sind Ausformungen des revolutionären Prozesses. Die Revolution ist ein hochkomplexer Prozess, der nicht an einem einzigen Ereignis, wie dem Sturm auf die Bastille festgemacht werden kann. Das sind die Legenden und Mythen, mit denen sich das Volk ein Bewusstsein für diesen „Umbruch“ verschafft. In Wirklichkeit verlaufen Revolutionen meist über Jahrzehnte und kommen schleichend daher. Solche herausragenden Ereignisse geschehen oftmals an einem Zeitpunkt, an einem Knotenpunkt, an dem sich entscheidet, welchen weiteren Verlauf die Geschichte nehmen wird. Als im Jahr 1905 Zar Nikolaus II im Zuge der Massendemonstrationen in St. Petersburg den Schießbefehl gab und auf Bürger des damaligen Kaiserreiches geschossen wurde, provozierte er eine massive Radikalisierung der Revolution, die tatsächlich mit vielen Gewaltausbrüchen einherging. Doch die Gewalt, zunächst ausgeübt von den kaisertreuen Soldaten, später dann von Sozialrevolutionären und Sozialisten war immer ein Verzweiflungsakt, eine ultima ratio. Die Gewalt selbst stand nie im Mittelpunkt. Auch die Durchsetzung von aufklärerischen Ideen, auf die sich die heutige herrschende Klasse im Zusammenhang mit den universellen Menschenrechten beruft, wurden von solchen Ereignissen begleitet. Die Aufklärung in Europa und in Amerika ist eindeutig eine große Revolution gewesen, da sie einen Paradigmenwechsel hervorgerufen und gleichzeitig von demselben angetrieben wurde. Sie wurde sogar zum Mythos der „westlichen Welt“. Gleichzeitig war sie begleitet von massiven Verwerfungen in der Gesellschaft, die auch zu Bürgerkriegen führten. In Frankreich führte dies zu einer jahrelang anhaltenden Terrorherrschaft. In der Amerikanischen Revolution hingegen wurde nach Hannah Arendt das erste Mal der ernsthafte „revolutionäre Geist“ hervorgehoben, der nicht eine Herrschaft durch eine andere ersetzen wollte, sondern bei dem die Freiheit im Sinne „frei handeln zu können“ das Ziel der Revolution war. Auch die auf Mahatma Gandhi zurückzuführende Satyagraha als Strategie des gewaltlosen Widerstandes sowie Gene Sharps Handbuch „Von der Diktatur zur Demokratie“ sind Zeugen revolutionärer Bestrebungen ohne Gewaltanwendung. Letztlich sei auf die „Friedliche Revolution“ 1989/1990 hingewiesen. Die Geschichte nahm an diesem Knotenpunkt eine friedliche Entwicklung auf. Es hätte vollkommen gegenteilig kommen können.

Es soll an dieser Stelle nicht geleugnet werden, dass Gewalt durchaus Begleiterin von Revolutionen ist, dennoch ist das Streben nach Umwälzungen im obigen Sinne nicht gleichbedeutend mit der Akzeptanz oder gar Verherrlichung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Sie ist eher Ausdruck einer Spontaneität der Massen. Revolutionen stehen immer in einem Wechselverhältnis zu evolutionären Prozessen. Der revolutionäre Prozess bricht alte, verstaubte Strukturen auf. Das hat in erster Linie eine geistige Dimension. Im Fokus revolutionärer Bewegungen steht also immer ein neues Paradigma, eine neue Metaerzählung, die alle Prozesse und Strukturen, die Kultur, das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben und letztlich auch das politische System durchdringt.

 

Revolution: ein nichtlinearer Prozess

Dass einzelne Ereignisse zwar kennzeichnend, jedoch nicht tragend für die Revolution sind, hat Karl Marx in seinem berühmten Werk „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ (1852) herauskristallisiert. Darin beleuchtete er den Aufstieg Napoleon III, der zwar auch von Staatsstreichen begleitet wurde, jedoch im Zuge von Klassenkämpfen, die Marx bekanntlich als Grundlage jeder geschichtlichen Entwicklung sah, überhaupt erst an die Macht gekommen war. Die Französische Revolution verdeutlicht, wie wechselhaft sich die Geschichte verhält. Obwohl die bürgerliche Klasse angetreten war, die feudalen Verhältnisse aufzulösen, installierte der Profiteur Napoleon I eine Autokratie, die auf ihn zugeschnitten war. Die Restauration unter den Bourbonen und später auch die liberale Monarchie unter dem „Bürgerkönig“, führte letztlich wieder zu einer Autokratie, diesmal auf seinen Neffen Louis Bonaparte zugeschnitten. Hier kann beobachtet werden, dass sich Geschichte nicht linear verhält, sondern in Zyklen, besser formuliert: spiralförmig. Es mag eine progressive Richtung geben, die jedoch immer wieder von regressiven Reaktionen aus der Bahn gelenkt wird. Somit wiederholen sich bestimmte Inhalte mit jeweils den Verhältnissen und der Zeit gemäßen Formen. Revolutionen sind solche progressiven wie regressiven Bewegungen. Sie sind Reaktionen auf die Verhältnisse und nehmen die dafür angemessene Form an. Physische Bürgerkriege, Aufstände oder Unruhen können nicht geleugnet werden. Sie sind jedoch mitnichten wesentlicher Bestandteil der Revolution.

Die Revolution ist eine Antwort auf das Spannungsverhältnis zwischen Macht und Recht. Das geltende Recht dient – entgegen der häufigen Lehrmeinung – in Wirklichkeit dem Machterhalt der herrschenden Klasse. Gewalt ist das Gravitationszentrum einer rechtlichen Ordnung. Ohne den Einsatz von Polizei, Militär und anderen institutionalisierten Gewalteinheiten ist die bestehende Rechtsordnung nicht aufrechtzuerhalten. Die rechtserhaltende Gewalt dient dabei in erster Linie nicht dazu die Menschen von Verbrechen abzuhalten, sondern vielmehr die Herrschaftsverhältnisse zu demonstrieren, „durch die wortlos an Ursprung und Essenz des Rechts erinnert wird: an die Gewalt gesetzte Macht[1] (Raul Zelik). Je mehr sich die Opposition innerhalb eines Rechtsraums gegen die herrschende Klasse auflehnt, desto stärker wird auch das Recht im Sinne Letzterer ausgelegt. So wurde auch der Schießbefehl am Peterburger Blutsonntag 1905 entsprechend mit dem geltenden Recht begründet. Durch den dadurch immer deutlich werdenden Unrechtscharakter des angewandten Rechts werden die Machtstrukturen zunehmend hinterfragt. Gleichzeitig führt die Anwendung von Gewalt durch die herrschende Klasse zur Bestätigung der Revolution, da sie bereits den Keim der Fäulnis der bestehenden Verhältnisse zu Tage treten lässt. Die Herrschenden können nicht weitermachen wie bisher. Die Erfahrungen, die die Massen dabei machen, führen zu einer Radikalisierung der Opposition. Die Bewegungskräfte gegen das herrschende System werden stärker. So entsteht eine Spirale, die auch mit Gewalt einhergeht, wie es in der Zeit der Russischen Revolution beobachtet werden konnte. Genau aus dieser Erkenntnis heraus hat die berühmte Hannah Ahrend ihrerzeit auch die Durchbrechung dieser Spirale gefordert.

Der Mensch denkt naturgemäß die meiste Zeit linear und monokausal. Die Wirklichkeit ist komplex. Es gibt immer mehrere Ursachen für eine Wirkung. Zwar erkennt die vorherrschende Philosophie die Existenz von Kausalitätsketten, wobei eine Ursache zu einer Wirkung führt und diese Wirkung zu einer neuen Ursache für eine weitere Wirkung wird, doch erkennt sie nicht, dass die Wirkung wieder auf die Ursache zurückwirkt. Dies wird in dem Spannungsverhältnis zwischen Macht und Recht deutlich. Diese Erkenntnis ist Voraussetzung die Bewegung zu denken, Bewegungen auch im historischen Zusammenhang zu erfassen.

Eine Revolution ist keineswegs ein linearer oder progressiver Prozess. Sie verhält sich wie ein Pendel, besser, sie bewegt sich geschichtlich fort wie eine Spirale. So ist auch, wie bereits oben betrachtet, unter Re-volution ein Prozess gemeint, der nicht nur nach vorne gerichtet ist, sondern zum Ergebnis etwas hat, was bereits einmal da war. Der Präfix „Re-„ verdeutlicht die „rückwärtsgerichtete Umwälzung“. Eine Revolution verläuft daher immer spiralförmig.

 

Revolution: Voraussetzung für Veränderungen

Revolutionen beginnen laut einem fälschlicherweise Lenin zugeschriebenen Zitat, wenn „die da oben nicht mehr können und die unten nicht mehr wollen“. Damit wird ein dialektisches Verhältnis zwischen der herrschenden und der unterdrückten Klasse ausgedrückt. Um herrschen zu können, bedarf es Autorität und Anerkennung (Legitimation). Löst sich diese allmählich auf, entsteht eine wesentliche Voraussetzung für eine Revolution, die Illegitimität der herrschenden Klasse. Wenn in diesem Augenblick, inmitten dieses historischen Knotenpunktes eine Gegenelite qualitativ den Anforderungen der neuen Verhältnisse gewachsen ist, kommt es zu einer revolutionären Situation. Eine ernsthafte Wende, die nachhaltig und von einer neuen Metaerzählung durchdrungen ist, ist die logische, unausweichliche Folge. Revolutionen sind daher nicht per se etwas Schlechtes, sie sind Lokomotiven der Geschichte, sie sind apriorisch. Kritiker mögen hier einwerfen, dass diese Sichtweise zu deterministisch ist. Tatsächlich können in der Geschichte Gesetzmäßigkeiten festgestellt werden, die dem Zufall gegenüberstehen. Der Zufall ist dabei integraler Bestandteil dieser geschichtlichen Gesetzmäßigkeit. Es handelt sich dabei um ein nicht vorhersehbares Ereignis, das zu einer Entwicklung führt, die nicht prognostizierbar ist. Die Zukunft ist ungewiss. Dennoch gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten innerhalb eines Rahmens, der durch die gesetzten Notwendigkeiten vorgegeben ist. Letztlich wird eine dieser Möglichkeiten zur Wirklichkeit. Es bestehen also immer Alternativen. Insbesondere in revolutionären Phasen, die chaotisch sind, ist vieles möglich, was in „Friedenszeiten“ nicht möglich erscheint. Unter dem Chaos wird hier nicht das Fernbleiben von einer Ordnung verstanden. Es ist vielmehr das Nicht-Erkennen der Ordnung, weil das Chaos zu komplex ist, um es strukturell zu erfassen. Bei den alten Griechen stand der Begriff für „leerer Raum“, „Luftraum“ oder auch „Kluft“. Im kosmologischen Zusammenhang wurde darunter der „ungeordnete Urzustand der Welt“ verstanden[2].

Revolutionäre Entwicklungen sind damit gesetzmäßig und objektiv betrachtet weder richtig noch falsch. Sie sind Ausdruck eines ausgeschöpften Maßes, das sprunghaft zu einer qualitativen Veränderung der Verhältnisse führt. Wie der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Der Tropfen ist der Moment, in dem sich die Totalität im Sinne des zusammenhängenden Ganzen ändert. Was gerade noch Fass war, wird plötzlich zu einem Brunnen oder einer Quelle. Das Wasser läuft über und bleibt nicht mehr im Behältnis.

Revolutionen sind Bestandteil der Geschichte. Ihr Aufkommen ist unausweichlich. Sie sind Ausdruck einer Notwendigkeit für Veränderungen.

 

Was ist die Umwertung aller Werte?

Eine Revolution, die wirklich alle Lebensbereiche durchdringt, gleicht einer Umwertung aller bestehenden Werte. Die Werte, die innerhalb einer Gesellschaft vorherrschen und den Überbau durchdringen, werden durch eine Revolution vollkommen in Frage gestellt. An ihre Stelle werden neue Werte gesetzt. Augenscheinlich handelt es sich um eine vollkommene Umwertung, in der Tiefe betrachtet werden die als erhaltenswert gedachten Werte der „alten Welt“ übernommen und mit den neuen Werten der „neuen Welt“ verknüpft. Es handelt sich selbst bei diesen neuen Werten um in Wirklichkeit bereits früher einmal bestehende Werte, die eben nur in einer anderen den räumlichen wie zeitlichen Verhältnissen angemessenen Form bestanden.

Nietzsche, auf den der Begriff zurückgeht, erkennt in der Umwertung aller bestehenden Werte das Eigentliche einer Transformation, die alle Lebensbereiche durchdringt. Oswald Spengler erkannte in der Umwertung aller Werte sogar den „innersten Charakter jeglicher Zivilisation“[3], die er bekanntlich als bereits alterndes Stadium der Hochkultur sah. Damit ist also der Punkt charakterisiert, der eine neue Qualität im Gesellschaftsleben, im Kulturleben einführt. Revolutionen, so sie alle Bereiche des alltäglichen Lebens, des Mikro- wie Makrokosmos des Menschen durchdringen, sind genau das. Revolutionen sind die Etablierung neuer Paradigmen, neuer Gedanken und Ideen, die sich aufdrängen. Wie bereits oben betrachtet, handelt es sich dabei um einen geschichtlich-deterministischen Prozess, der an sich zwar nicht vorhergesagt werden kann (das ist der große Fehler vieler Marxisten gewesen), aber durchaus objektiv ist. Die neuen Paradigmen entstehen aus einem Wechselverhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Sein und dem gesellschaftlichen Bewusstsein. Wie oben dargestellt führt z.B. das Spannungsverhältnis zwischen Macht und Recht dazu, dass sich das Bewusstsein der Menschen verändert. Es handelt sich dabei um das gesellschaftliche Sein, das durch die Paradigmen der alten Metaerzählung durchdrungen ist. Bröckelt dieses, verliert die herrschende Klasse ihre Legitimität. Es kommt zu einem neuen gesellschaftlichen Bewusstsein, zu neuen Paradigmen, die die Gesellschaft durchdringt. Das wiederum wirkt auf das gesellschaftliche Sein zurück. Das Verhalten der Menschen innerhalb einer Gesellschaft wird also von den gesellschaftlichen Verhältnissen beeinflusst. Gleichzeitig wirkt das menschliche Verhalten, das hier von einer neuen Metaerzählung begeistert ist, auf die Verhältnisse zurück. Die Folge ist eine Umwertung aller Werte.

Nun wurde oben bereits angedeutet, dass diese Umwertung keine vollkommene Negation des Status Quo darstellt, sondern sich das Erhaltenswerte des Alten mit den aufkommenden Paradigmen des Neuen verknüpft. Denn die geschichtliche Entwicklung ist spiralförmig. Der Inhalt ist nichts vollkommen Neues, sondern etwas, das bereits einmal war. Der Inhalt schafft sich die ihm gemäße Form, was eng verbunden mit den Verhältnissen, mit dem gesellschaftlichen Sein ist. Diese Form wirkt zurück auf den Inhalt, wodurch etwas entsteht, das scheinbar noch nie da war, jedoch in Wirklichkeit seinem Inhalt nach bereits in der Geschichte vorkam. Die oben kurz angesprochene Französische Revolution mit ihren vielen Höhen und Tiefen, mit ihren Schwankungen und den Pendelausschlägen mal in die eine, mal in die andere Richtung, steht dafür Pate. Nach den ersten großen Umwälzungen (Sturm auf die Bastille, Abschaffung der Feudalherrschaft), kommt es zu einer Ausdifferenzierung der verschiedenen meist aus der alten Welt kommenden gemäßigten wie den neuen radikalen Kräften (Terrorherrschaft der Jakobiner). Die damit einhergehende Gewaltspirale führt dazu, dass die Revolution ihre Kinder frisst (siehe Robespierre, der letztlich selbst mit der von ihm oft eingesetzten Guillotine geköpft wurde). Nach dieser Ausdifferenzierung kommt es zu einem variablen Mischverhältnis aus den radikalen und gemäßigten Kräften, also aus Neu und Alt. In der Französischen Revolution war dies ein aus dem niederen Adel abstammender Italiener, der sich als Kriegsherr einen Namen gemacht hat und später selbst zum Kaiser der Franzosen krönte. Die darauffolgende Ereigniskette, die mit der Renaturalisierung der „alten Kräfte“ in bereits neuer Form der Restaurationszeit unter den Bourbonen und später unter den noch liberaleren Orléanisten, auftrat, sei hier noch ergänzend erwähnt.

Eine Revolution ist die Umwertung aller bestehenden Werte, die jedoch keine reine Negation darstellt, sondern die Schöpfung von etwas Neuem, das mit dem Alten gepaart als Neu wahrgenommen wird, jedoch in Wirklichkeit bereits in einer früheren Zeit in anderer Form bestand. Die Umwertung aller Werte ist vor allem nicht das Ergebnis von gewalttätigen Umbrüchen oder umstürzlerischer Aktivitäten. Sie ist das Ergebnis komplexer Wechselverhältnisse, die von einem apriorischen Standpunkt aus folgerichtig und unaufhaltbar, jedoch nicht alternativlos sind.

 

Warum MetaPol sich mit Revolution befasst und warum ein Umsturzversuch scheitern muss

Nun wurde MetaPol unterstellt, es würde sich umstürzlerischen Plänen widmen und Strategien entwickeln, wie die Rechte den Status Quo überwinden könne. Dass dieser Vorwurf jeglicher Grundlage entbehrt, wurde bereits in einer Stellungnahme am 16. September 2024 auf diesem Blog klargestellt. Das Studium der Revolution muss, soll es einen Mehrwert erzeugen, sich der Objektivität verschreiben. Es geht nicht darum seine eigene Ideologie oder seine Interessen zu begünstigen oder gar das Studium aus dieser Perspektive zu betreiben. Es geht dabei darum sich möglichst sachlich und objektiv der Fragestellung zu widmen, ob die Gesellschaft vor einem solchen oben beschriebenen Paradigmenwechsel steht. Dies wird von MetaPol tatsächlich angenommen. Wie weit diese Gesellschaft bereits am Vorabend einer Revolution angekommen ist, kann nicht abschließend gesagt werden, da die Zukunft ungewiss ist. Dennoch drücken sich Anzeichen auf, das diese Gesellschaft an einem Knotenpunkt der Geschichte steht, wie es der Dipl. Philosoph Peter Feist bereits 2019 auf dem Seminar für Rechte Metapolitik im Rahmen einer Möglichkeitsfeldanalyse dargestellt hatte. Seitdem befasst sich MetaPol mit revolutionären Entwicklungen. In dem bestehenden System sind bereits massive Verfallserscheinungen zu beobachten, deren Verschlimmerung an Geschwindigkeit und Qualität zunehmen. Der Möglichkeiten gibt es viele. So ist es keineswegs gewiss, dass diese Entwicklung nur zu Gunsten rechter oder nur linker Akteure spielt. Doch die Strategie des militanten Umsturzes ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Auch hier lässt die bekannte Geschichtsschreibung keinen anderen Schluss zu, dass jeder Versuch eines militanten Umsturzes des Systems in Deutschland scheitern muss.

Der Kapp-Putsch war der einzige halbwegs erfolgreiche Versuch eine Regierung mit militärischen Mitteln zu ersetzen und dennoch scheiterte er. Als Putschisten unter Wolfgang Kapp und Walther von Lüttwitz die Regierung Friedrich Ebert absetzten, mussten sie bereits nach wenigen Tagen wieder die Plätze räumen. Der Grund war ein landesweiter Generalstreik, der von den Gewerkschaften organisiert wurde. Da die Putschisten nicht den hinreichenden Rückhalt im Volke besaßen, war der Umsturzversuch zum Scheitern verurteilt, wie alle anderen Versuche dieser Art in der deutschen Geschichte.

Ein weiteres Beispiel aus der Zeit sind die Räterepubliken von 1918/1919, die zwar nicht mit Gewalt errungen wurden, denen aber ebenfalls die Unterstützung in der breiten Bevölkerung sowie in wesentlichen staatstragenden Strukturen fehlten. Obwohl die Monarchie zum Ende des Ersten Weltkrieges am 9. November 1918 in Berlin von der Republik abgerufen wurde, konnten sich die Räte nicht dauerhaft durchsetzen. Die Revolution war zwar in vollem Gange, die alte Ordnung aufgelöst, doch scheiterte sie vorzeitig und mündete bekanntlich im Dritten Reich.

Generell sind die Deutschen ein eher bürokratisches Volk, das nach Ruhe und Ordnung strebt. Disziplin, das Befolgen von Regeln und Gesetzen sowie ein erhöhtes Vertrauen in staatliche Institutionen sind charakteristisch für die deutsche Gesellschaft. Diese konservative Haltung führt zusätzlich dazu, dass militante Umsturzversuche mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht auf fruchtbaren Boden stoßen würden. Die Gewalt gegen staatliche Institutionen ist daher auch strategisch unklug.

Militante Umsturzversuche gleichen zudem der Erzwingung von Verhältnissen, die nicht organisch gewachsen und daher objektiv geworden sind. Die Verhältnisumkehr muss, will sie nachhaltig sein, aus sich selbst heraus entstehen. Erst, „wenn die da oben nicht mehr können und die unten nicht mehr wollen“, entsteht eine revolutionäre Situation. Die Geschichte kennt keine Abkürzungen. Auch wenn die Protagonisten noch so viel Militär und Polizei auf ihrer Seite wissen. Sie brauchen den Rückhalt einer kritischen Masse, die nur etwas 3,5 % der Bevölkerung[4] beträgt sowie breitflächige Akzeptanz, mindestens aber Passivität in der Gesellschaft. Die Studie ergab im Übrigen auch, dass gewaltfreier Widerstand doppelt so erfolgreich ist wie gewalttätige Proteste.

Das derzeitige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System steht mitten in einer revolutionären Umbruchphase. Welche Gruppen und Kräfte hiervon profitieren und sich durchsetzen werden, kann niemand wissen. In der Revolution, die einen geschichtlichen Knotenpunkt darstellt, ist alles möglich. Eine rechte Revolution ist daher keineswegs gewiss. Entscheidend ist, dass die revolutionäre Bewegung auf eine hinreichende gesellschaftliche Zustimmung stößt. Militärische Umsturzversuche sind Verzweiflungstaten, die zum Scheitern verurteilt sind.

 

Fazit

Dass MetaPol so viel Aufmerksamkeit durch ein einziges Seminar gewonnen hat, zeigt bereits, wie nervös einige Akteure inmitten des Establishments sein müssen. Ein jüngerer Post des Niedersächsischen Landesverfassungsschutzes in Social-Media-Kanälen, in dem sich selbiger offen zur Antifa bekennt und indirekt jeden zum Verfassungsfeind erklärt, der nicht antifaschistisch ist[5], verdeutlicht, wie weit die Entwicklung bereits fortgeschritten ist. Die Repressionsschraube wird womöglich noch massiv angezogen werden. Vor allem gegen rechts. Dass mittlerweile auch der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen unter der Rubrik Rechtsextremist von seiner einst ihm unterstellten Behörde beobachtet wird, wirft weite Schatten. Die Herrschenden können nicht mehr so weiter machen, wie bisher. Eine wesentliche objektive Voraussetzung für eine jede Revolution im Sinne eines grundlegenden Paradigmenwechsels. Es bleibt spannend.

[1] Zelik, R. (2014). Der Preis der Gewalt. Theorie der Revolution. Verfügbar unter: https://www.woz.ch/1426/theorie-der-revolution/der-preis-der-gewalt (21.10.2024)

[2] Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. „Chaos“.

[3] Spengler, O. (1918, S. 448-449). Untergang des Abendlandes

[4] Siehe dazu die Studie Why Civil Resistance Works: The Strategic Logic of Nonviolent Conflict, in der Protestbewegungen von 1900 bis 2006 unterscuht wurden.

[5] Vgl. u.a. T-Online (2024). Wir sind Antifa: Verfassungsschutz sorgt für Wirbel. Verfügbar: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_100512916/-wir-sind-antifa-verfassungsschutz-sorgt-mit-social-media-post-fuer-wirbel.html (23.10.2024)