Europa als Gemeinschaft – Großraum und Nationalstaat

von | 16. Dez. 2019 | Philosophie & Theorie

Im Folgenden handelt es sich um einen Vortrag, den unser Autor und Mitarbeiter Peter Steinborn auf einer „Tagung zur Europäischen Frage und dem deutschen Nationalstaat“ gehalten hat. Darin beschreibt er eine Vision der deutschen Sendung und wie sich der Nationalstaat mit einer europäischen Großraumordnung vereinbaren lässt. |

Sprechen wir heute von Europa, so assoziiert der einfach oder gar oberflächlich Denkende dasselbe mit einem geografisch abgrenzbaren Raum. Nehmen wir an, dass es sich dabei um eine geografische Fläche handelt, wo verlaufen dann die Grenzen dieses Kontinents? Nach Philipp Johann Tabbert (1677-1747), später dann von Strahlenberg, verläuft diese im Osten an dem Uralgebirge, dann am Obschtschi Syrt sowie an der Wolga und schließlich am unteren Don entlang. Dort also machte der gebürtig deutsche Kartograph die Grenze zu Asien aus, die im Übrigen bis heute anerkannt und als solche betrachtet wird. Nun, glauben wir dieser Vorstellung, dann ist Europa ein Ort, über den es nichts weiter zu sagen gibt, als das dort so und so viele Menschen leben, in dem dieses und jenes Klima herrscht und in dem jährlich ein Bruttoinlandsprodukt in einer bestimmten Höhe generiert wird.

Doch lassen Sie mich Europa von einer etwas anderen Perspektive betrachten. Europa ist vielmehr als ein Ort, den man – sind wir ehrlich zueinander – so exakt gar nicht geografisch bestimmen kann. Vielmehr handelt es sich bei Europa um eine Idee, die insbesondere in den heutigen Tagen stets umkämpft und neu ausgehandelt werden muss. Damit möchte ich nicht falsch verstanden werden. Dieses „stetige Aushandeln“ hat nichts mit dem vermeintlichen Masterplan einer ehemaligen Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration zu tun. Es ist vielmehr ein Ringen um die Hoheit über den Begriff und über den Wert, den dieses Wort ausmachen soll.

Nun hat sich die Deutsche Rechte, in der bisweilen stets der Nationalstaatsgedanke dominierend schien, in den letzten Jahren zunehmend einer europäischen Dimension geöffnet. Während es bereits in den 1990er Jahren vermehrt Europakongresse und europäisch organisierte Seminare sowie Austauschprogramme gab, die leider insbesondere in Deutschland nur wenige Rechte interessierten, finden heute wieder Kongresse mit diversen anderen europäischen rechten Gruppen statt. Heute werden diese Kongresse von weitestgehend allen bekannten größeren rechten Organisationen veranstaltet oder zumindest unterstützt. Innerhalb der Neuen Rechten formiert sich derweil sogar eine sich selbst als paneuropäisch begreifende Fraktion heraus, die sich scheinbar in der Tradition bekannter Eurofaschisten wie Pierre Drieu La Rochelle (1853-1945) versteht. Auf der anderen Seite warten Akteure wie der zunehmend an Popularität gewinnende Historiker Johannes Scharf mit Gedanken über eine Exit-Strategie auf, in der sie einen europäischen Ethnostaat skizzieren, der gar nicht mehr innerhalb der uns bekannten von oben benannten europäischen Grenzen liegen müsse (siehe so z. B. sein Buch „Der weiße Ethnostaat“). Auch die durch ihre spektakulären Aktionen auffällig gewordene Jugendgruppe der „Identitären Bewegung“ hat bewusst das spartanische Lambda als ihr Symbol gewählt, welches ebenfalls eine europäische Dimension ankündigt. Ihr selbsterklärtes Ziel ist es daher auch, Europa vor dem Großen Austausch zu bewahren.

Tatsächlich, so scheint es, ist ein gewisser europäischer Nationalismus und selbst ein teilweiser Paneuropaismus kein Tabuthema mehr für die Deutsche Rechte. Mir kommt es derweil sogar so vor, als gehöre ein bisschen paneuropäische Weltanschauung zum guten rechten Ton. Nun, ich halte diese Neigung zu mehr Europa innerhalb der Deutschen Rechten für eine positive Entwicklung. Zunehmend verstehen sich Nationalisten nicht nur als Deutsche, Engländer, Polen oder Italiener. Sie verstehen sich, wenn auch erst in zweiter Linie, so doch auch als Europäer. Diese Entwicklung gilt es zunächst anzuerkennen. Doch ich selber war vermehrt auf Europa-Kongressen, auf Netzwerktreffen, die intereuropäisch organisiert wurden und habe auf Veranstaltungen anderer politischer Organisationen in vielen Ländern Europas gesprochen. Nur fehlte es stets an einer klaren Vision und einer tatsächlichen Greifbarmachung, um die Pioniere, die wohlmöglich intuitiv spüren, dass nun eine neue Zeit, eine europäische Zeit angebrochen ist, auch zusammenzuführen und sie beisammen zu halten.

Daher sehe ich es heute hier als meine Aufgabe Ihnen eine Vision zu präsentieren, die ich für erstrebenswert halte. Vorab möchte ich betonen, dass es unmöglich ist, eine Vision zu skizzieren, ohne sich in den Bereich des Utopischen zu wagen. Daher sehen Sie es mir bitte nach, wenn Ihnen meine Vorstellungen an der einen oder anderen Stelle zu abstrakt erscheinen. Eine Vision, so sagt es auch schon das Wort, welches vom lateinischen visio abgeleitet ist, spiegelt eine Erscheinung oder einen Anblick, gar in die Zukunft wider. Die Vision muss daher ein wenig utopisch klingen und ihre Abstraktheit dient lediglich einer etwaigen Vorstellung, an der sich die konkreten und dann auch klar definierten Ziele ausrichten, um dieser visionären in die Zukunft gerichteten Vorstellung näherzukommen. Diese Vision, so sei bereits im Vorfeld gesagt, ist mit einer europäischen Ordnung verknüpft.

Die Rede ist hier von einer Großraumordnung, einer Neuen Ordnung in Europa. Um diese Neue Ordnung zu veranschaulichen, müssen wir jedoch zunächst skizzieren, wie es zu der heutigen Ordnung auf europäischen Boden kam. Dazu möchte ich mit Ihnen eine Reise durch die Geschichte Europas vollziehen, denn wer die Gegenwart verstehen will, der muss sich mit der Vergangenheit befassen, um auch daraus zu lernen und die Zukunft entsprechend gestalten zu können.

Zum Schluss möchte ich Ihnen einen Entwurf, visionär versteht sich, für eine mögliche Neue Europäische Ordnung skizzieren. Darin werde ich auch insbesondere auf die Rolle des deutschen Volkes eingehen und Möglichkeiten aufzeigen, was konkret getan werden kann.

 

Europa, die pluralistische Internationale Ordnung

 

Betrachten wir die Geschichte Europas, fällt auf, so oft die Einheit desselben von wichtigen Akteuren der Zeitgeschichte in allen Ländern des Kontinents postuliert wurde, so wenig gab es diese in der Realität. Tatsächlich war Europa seit dem Zusammenfall des Römischen Reiches im Jahre 476 nie wieder so vereint, wie davor. Rom vermochte den großen hobbesschen Leviathan auf dem eurasischen Kontinent zu bilden, der die vielen Völkerschaften und Fürstentümer in ganz Europa und darüber hinaus in einem Reich zusammenzuhalten schaffte. Über fünf Jahrhunderte ermöglichte die imperiale römische Herrschaft ein einheitliches System aus Gesetzen, eine allgemeine Verteidigung der Reichsgrenzen sowie die Entwicklung einer außergewöhnlichen Zivilisation. Nachdem dieses Rom im 5. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung zerfiel, entwickelte sich die zuvor römisch hegemoniale Ordnung zu einer pluralistischen Internationalen Ordnung in Europa. Während zuvor die römische Universalität die Legitimation für das Reich Europa – ich benutze an dieser Stelle ganz bewusst diesen Begriff – war, trat die Kirche danach das Erbe dieser römischen Reichsuniversalität an.

Da sich die europäischen Völker nach wie vor nach dieser Universalität sehnten, wie sie es aus der Zeit Roms kannten, wurden mitten auf dem europäischen Kontinent zwei Autoritäten installiert, die von nun an dieses Legitimationsvakuum kompensieren sollten: Die zivilen Herrscher, die das Erbe des Cesars antraten auf der weltlichen Seite und die Kirche auf der Seite der Erlösung und des Seelenheils. Doch diese beiden Kräfte konkurrierten stets um die letztlich weltliche imperiale Macht in der damals europäischen christlichen Welt. Ein Zitat des Papstes Gelasius I., aus einem Brief, den er dem byzantinischen Kaiser Anastasius schrieb, verdeutlicht die damalige Ordnung um 494: „Zwei Dinge sind es, durch die grundsätzlich die Welt hier regiert wird: die geheiligte Autorität der Bischöfe und die königliche Gewalt. Bei den Bischöfen liegt umso größeres Gewicht, als sie selbst für die Könige der Menschen vor dem göttlichen Richter Rechenschaft ablegen müssen.“[1]

Das post-römische Europa war durch diese vielen verschiedenen Herrscher vom Pluralismus geprägt. Lediglich zu Weihnachten im Jahre 800 schien die Einheit zumindest zu einem großen Teil Europas zu beginnen, in dem Papst Leo III. Karl den Großen zum Romanorum Imperator krönte. Doch auch unter Karl fand sich ein Herrscher, der zwar ein gigantisches Reich mitten in Mitteleuropa schuf, jedoch u. a. keinen Anspruch auf Byzanz erhob, obgleich der Papst bereit war, dieses an den neuen Cesar abzutreten.

Im Jahre 843[2], ca. 30 Jahre nach dem Tod des Romanorum Imperator, zerfiel dieses Reich auch gleich wieder in drei Teile, die zugleich jeweils an einen der Enkel Karls des Großen gingen. Danach folgte ein stetiges Austarieren zwischen den Kaisern, den Päpsten und den einzelnen Feudalherren. Europa war bis auf einige Ausnahmen im 10. Jahrhundert wieder ein in seine Fürstentümer zerrissener Kontinent bis zu der Krönung Karls V. zum Sacrum Romanum Imperator im Jahre 1520 und zehn Jahre später durch Papst Clemens VII. Unter dem Kaiser aus dem Hause Habsburg kam es zu einer Agglomeration von Deutschland, Österreich, Norditalien, des heutigen Tschechiens, der Slowakei, Ungarn, Belgien, der Niederlande, des östlichen Frankreichs, Spanien und sogar große Teile Amerikas. Auch Karl V. sah, ähnlich seinem Vorgänger, der Anfang des 9. Jahrhunderts den Thron bestieg, im Christentum die beseelte Kraft, die die Menschen zusammenhalten müsse. Obgleich jedoch dieser Kaiser mächtiger war, als all seine Vorfahren und er mittlerweile ein gigantisches Reich regierte, trat selbiger keineswegs wie ein Hegemon auf, sondern eher wie eine ordnungshütende Macht, eine feste stabilisierende Säule des christlich-europäischen Reiches. So wurde unter ihm 1555 der Augsburger Reichs- und Religionsfriede geschlossen, in dem er den Protestanten die freie Religionsausübung im Reich gestattete und somit zugleich die katholische Legitimationsgrundlage des Reiches aufgab.

Nach Luther’s Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg spaltete sich das damalige christliche Europa in Katholiken und Protestanten. Die Situation verschärfte sich zunehmend bis zum berühmten Prager Fenstersturz im Mai 1618. Danach sollte Europa von mehreren Kriegen zwischen verschiedenen Parteien der europäischen Völkerfamilie heimgesucht werden. Diese Zeit bis 1648 wird in der Geschichtswissenschaft als „Der Dreißigjährige Krieg“ bezeichnet. In ihm fanden Millionen Europäer ihren Tod. Teile Süddeutschlands wurden auf ein Drittel der Bevölkerung dahingerafft. In dieser Zeit wagte es ausgerechnet ein katholischer Kardinal, eine dem Klerus beschneidende neue internationale Ordnung auf europäischen Boden einzuführen. Es war seine rote Eminenz Armand-Jean du Plessis, duc de Richelieu, seines Zeichens erster Minister Frankreichs. Dieser Kardinal, vom französischen Nationalbewusstsein beseelt, war maßgeblich an der Installierung einer neuen internationalen Ordnung beteiligt, in der nicht mehr die Herrscherpersönlichkeit oder gar die Kirche im Zentrum der Macht steht. Es war von nun an nicht mehr die Christenheit, die den Dreh- und Angelpunkt der Ordnung ausmachen sollte. Der neue Souverän war der des Staates. Das war die Geburt des Nationalinteresses, ja des Nationalstaats selbst. Denn ab sofort sollte der Staat die grundlegende Einheit der internationalen Ordnung auf der eurasischen Halbinsel bilden, wenn auch die Könige nach wie vor als Symbol des Staates dienten. Und so ist hier auch die historische Wiege des ehernen Konfliktes zwischen Frankreich und Deutschland-Österreich auszumachen. Unter Richelieu entstand die Agenda, Mitteleuropa zu teilen, so dass Deutschland und Österreich in zwei Machtpole gespalten wurden, auf dass dieses Reich nie wieder das europäische Kräftegleichgewicht aus den Angeln zu heben vermöge. Als Kardinal Richelieu einmal darauf angesprochen wurde, warum gerade er als katholischer Theologe Frankreich in ein Bündnis mit dem protestantischen Nordeuropa steuerte, soll er gesagt haben: „Der Mensch ist unsterblich und findet sein Heil nach dem Tod, aber der Staat ist vergänglich und findet sein Heil auf der Erde oder gar nicht.[3]

Und so kam es zur Manifestation der neuen pluralistischen Ordnung im Jahre 1648 in Form des Westfälischen Friedens, der in Wirklichkeit eine Zusammenfassung aus zwei Verträgen war: Dem Friedensvertrag von Münster aus dem Januar und dem Osnabrücker Vertrag vom Oktober 1648.

Darin postulierten alle Parteien, dass es ab sofort einen christlichen und immerwährenden Frieden gäbe, keine Universalität mehr zur Legitimation der hegemonialen Ordnung verpflichtet sei und es auch auch keine Hierarchien zwischen den Völkern mehr geben dürfe. Alle Staaten dieser Ordnung, die den Westfälischen Frieden umfasste, standen sich souverän und gleichwertig gegenüber. Statt eines Reiches, welches eine religiöse und dynastische Legitimation genoss, war nun der Staat die Grundlage der europäischen Ordnung. Somit ist der Westfälische Friede, der einem dreißigjährigen gegenseitigem Zerfleischen folgte, der Ausgangspunkt der nationalstaatlichen Ordnung weltweit geworden.

Im Zuge der Zeit bildeten sich zwei Ordnungsmächte in Europa heraus, die beide stets dazu bemüht waren, ein Wiedererstarken des Deutschen Reiches oder das Übergewicht irgendeiner anderen Macht in Mitteleuropa zu verhindern. England begründete seine Politik der Balance of Power. Diese neue Ordnung konnte nur auf zwei Arten infrage gestellt werden:

  1. Eine der bestehenden Mächte ersten Ranges wollte zur Hegemonialmacht aufsteigen oder
  2. Eine zweitrangige Macht sich in die des ersten Ranges einreihen, was wiederum zu einer Anpassung aller anderer erstrangigen Mächte führte (namentlich das Ökonomische und Militärische).

Diese Ordnung des Westfälischen Friedens sollte weitestgehend bis ins Jahr 1806 funktionieren.

 

Ein neues Europakonzept

 

Doch letztlich, so wusste Immanuel Kant uns schon zu erklären, neigen Gesellschaften zur Ungeselligkeit und obgleich der Mensch Nationen schuf, um die Leidenschaften seiner Völker einzudämmen, verhalten sich die Nationalstaaten in ihrem Naturzustand genauso wie der einzelne Mensch. Er oder sie versuchen den höchsten Grad ihrer Freiheit zu erreichen, auch dann, wenn er dafür einen gesetzlosen Zustand der Wilden herbeiführen muss. Um sehnsüchtig zu verwirklichen, was dem selbst ernannten Sonnenkönig Ludwig XIV. nie vollends gelang, trat Napoleon auf die europäische Bühne und führte einen Krieg nach dem anderen, um sein Imperium Europa zusammen zu zwingen. Wieder einmal war es das alte Frankenreich, welches sich nach einer Grande Nation sehnte und ein Reich postulierte, welches auf einer neuen Wertegrundlage aufbauen sollte. Obgleich er überall, wo er sich einmischte, die Ideale der Aufklärung mitbrachte, trachtete der körperlich zwar kleine, aber dafür staatsmännisch große Korse nach dem Titel des Imperators. Sein Selbstbewusstsein ging sogar so weit, dass er sich unter den Augen Papst Pius VII. selbst krönte. Nachdem Napoleon sieben Jahre lang Zeit hatte, Europa seinen Stempel aufzudrücken, wurde er in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen, womit sein Siegeszug durch den weißen Kontinent vollkommen gestoppt wurde. Diese Völkerschlacht war ein Zusammenschluss des Resteuropas, das sich von der Tyrannei Napoleons emanzipieren wollte. Der Korse, der angetreten war, Europa zu einen, einte es letztlich gegen sich selbst. Er gab später in Gefangenschaft zu, dass er mehr ein Getriebener von den Umständen war, als dass er selber die Umstände zu beherrschen wusste[4].

So traten denn nun die wichtigsten Staatsmänner eines jeden Landes in Wien zusammen, um auf dem Wiener Kongress eine Neue Ordnung zu besiegeln, die grundlegend auf dem Gedanken des Westfälischen Friedens aufbaute, jedoch einen einenden Universalismus schuf, wie es das letzte Mal unter Karl dem Großen vorgefunden werden konnte. Dieser Universalismus war der europäische Friede. Dieser wurde als wichtiger angesehen als die nationalen Machtinteressen einzelner Staaten und Völker. Die Staatsmänner setzten ab sofort auf Diplomatie, denn auf Krieg. Europa wurde in diverse Staaten oder Regionen zusammengefasst, um eine geopolitische Lage des Gleichgewichts zu schaffen, so wie es der Westfälische Frieden auch anstrebte. So wurde u. a. der Deutsche Bund geschaffen, der es gefährlichen Akteuren wie Deutschland, welches sich bis dato nicht als solches verstand, unmöglich machen sollte eine Erstarkung zu erreichen, die diesem Gleichgewicht entgegengesetzt gewesen wäre. Genauso achtete man darauf, dass Preußen genügend Bündnispartner finden konnte, so dass es keine Angst vor einem Überfall haben musste. Der Sicherheitsberater unter dem amerikanischen Präsidenten Richard Nixon, Henry Kissinger, schreibt dazu in seinem geopolitischen Grundlagenwerk „Weltordnung“: „Die Staaten des Deutschen Bundes waren zu uneins, um nach außen aggressiv aufzutreten, hatten aber genügend Zusammenhalt, um ausländische Interventionen auf dem Territorium des Bundes abzuwehren. Dieses Arrangement sollte eine Invasion in Mitteleuropa verhindern, ohne dass es für die beiden wichtigsten Mächte an dessen Rändern, Russland im Osten und Frankreich im Westen, eine Bedrohung darstellte“ (S. 79). Während Frankreich durch die Niederlage bei Leipzig und des danach eintretenden Zusammenfalls des napoleonischen Imperiums zunehmend geschwächt und der staatsmännische französische Unterhändler Talleyrand darauf bedacht war, wenigstens die Grenzgebiete von 1806 bewahren zu können, verschaffte sich England durch seine zunehmend erstarkende Seemacht eine Vormachtstellung. Zunächst trat selbiges in einer Quadrupelallianz mit Russland, Preußen und Österreich als Gleichgewichtshaltende Ordnungsmacht in Mitteleuropa auf. Im Zuge der Zeit erarbeitete es sich eine Vormachtstellung und seinen Platz als erste Ordnungsmacht in dieser europäischen Region.

In dieser Zeit des „Konzertes der Mächte“ prägten zwei Persönlichkeiten die europäische internationale Ordnung gemeinsam, so verschiedene Ziele sie auch verfolgten. Fürst Metternich aus dem Hause Habsburg verfolgte eine Politik des europäischen Gleichgewichtes und kann hier als maßgeblicher Architekt der Wiener Ordnung in Europa bezeichnet werden. Fürst Bismarck, der diese Neue Ordnung für Preußen ausnutzte, schuf im Norden einen gewaltigen Gegenpol, der mit der kleindeutschen Lösung im Jahre 1871 dieselbe in Frage stellte. Denn hier passierte, was wir bereits oben benannt haben: Eine Macht ersten Ranges erhob sich zu einer Supermacht auf dem Kontinent. Eine Supermacht, die – sollte es ihr nach mehr Raum und Macht dürsten – ganz Europa beherrschen könne. Und Bismarck ließ keinen Zweifel daran, dass er bereit war, die nationalen Interessen denen Europas zu überstellen. Wo Metternich österreichische mit europäischen Interessen gleichsetzte und eine eher universalistische und pluralistische Politik anstrebte, da drohte Bismarck das alte Rad zu zerschlagen und den neuen aufkommenden Nationalismus mit dem Reichsgedanken zu verknüpfen, ganz ohne Liberalismus. Diese Sichtweise verdeutlichte der Architekt des Deutschen Reiches wie folgt: „In der Gefühlspolitik ist gar keine Reziprozität […] Jede andere Regierung nimmt lediglich ihre Interessen zum Maßstabe ihrer Handlungen, wie sie dieselben auch mit rechtlichen oder gefühlsvollen Deduktionen drapieren mag“. Und an anderer Stelle weiß der Eiserne Kanzler die Wahrheit unverblümt einer europäischen Sentimentalität entgegenzusetzen: „Die einzige gesunde Grundlage eines großen Staates […] ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik.“[5]

Benjamin Disraeli, der im 19. Jahrhundert zweimal das Amt des britischen Premierministers bekleidete, bezeichnete die deutsche Einigung am 18. Januar 1871 als ein noch bedeutenderes Ereignis als die Französische Revolution, da sie das Kräftegleichgewicht vollkommend zerrüttet hätte und dadurch die Grundlage der alten Ordnung des Westfälischen Friedens sowie die vom Wiener Kongress entzogen sei.

 

Der zweite Dreißigjährige Krieg und seine Möglichkeiten

 

Nachdem Otto von Bismarck 1890 zu seinem Abgang gezwungen wurde, zerfiel das einstige Reich, welches nach Disraeli mit allen Kontinentalmächten zusammen hätte opponieren können, in einem blinden Aktionismus. Bismarcks Nachfolger Leo von Caprivi soll gesagt haben, dass er nicht verstünde, wie sein Vorgänger mit mehreren Bällen gleichzeitig jonglieren konnte, während er dies nicht einmal mit zweien verstand. Mit dem Attentat von Sarajewo wurde eine Kettenreaktion ausgelöst, dessen Wirkung keine der damaligen europäischen Staatsmänner hätte voraussehen können. Der Ausbruch des ersten großen Krieges forderte ein ungeheures Blutopfer von allen Mitgliedern der europäischen Völkerfamilie. Nachdem Europa geschwächt und in großen Teilen zerstört von den vergangenen vier Jahren war, und man dachte, der Krieg sei beendet, schwellte die nächste große Krise bereits unter den demokratischen Attitüden der neuen Zeit. Das 20. Jahrhundert sollte zum Jahrhundert der verratenen Söhne werden, zum Jahrhundert des großen Bruderkrieges, in dem jedes Volk Europas einen vorher nicht gekannten Preis zahlen musste.

In dieser Zeit, in der Krieg, Hunger und Vertreibung herrschten, bestanden auch nicht wenige Chancen eines endlich geeinten Europas. Der europäisch geprägte Teil Eurasiens spaltete sich in Ost und West. Die Russische Revolution von 1917 rief ein Russisches Reich kommunistischer Prägung hervor. Der Bolschewismus wurde zum Feind des freien Abendlandes. Der Faschismus war die westlich europäische Antwort auf diese Entwicklung im Osten, ganz in der Logik des Kausalen Nexus, wie ihn Ernst Nolte beschrieb.

Mitten in diesem Zeitalter des Blutvergießens jedoch entstand eine Idee, die einen Frieden auf Dauer in ganz Europa hätte möglich machen können. Denn es ist schlicht als falsch zu bezeichnen, dass der Faschismus die Antwort auf den Internationalismus war. Im Gegenteil gab es hier eine große Auseinandersetzung zu der Idee eines geeinten Europas. Insbesondere die italienischen und französischen Faschisten konzipierten ab 1943 neue Europa-Konzeptionen, die leider von deutscher Seite – und die Rede ist hier von der Führungselite – als paneuropäisch abgetan wurden. In dieser Zeit entstand die Idee einer Europäischen Eidgenossenschaft. Der Historiker Hans Werner Neulen wies dies in seinem Werk „Europa und das Dritte Reich. Einigungsbestrebungen im deutschen Machtbereich 1939-1945“ nach. So schreibt er u. a. in der Einleitung zu seinem Buch: „Als 1943 französische und italienische, finnische und norwegische, belgische und rumänische Politiker und Diplomaten geradezu verzweifelt nach einer europäischen Initiative der Reichsregierung riefen, waren es Hitler und Ribbentrop, die jeden Gedanken an eine europäische Union im Keim erstickten“. An dieser Stelle sei jedoch auch erwähnt, dass es Teile insbesondere innerhalb der Waffen SS gab, die maßgeblich an der Konzeption einer Europäischen Eidgenossenschaft mitgewirkt haben.

Insbesondere nach der Zerschlagung der 6. Armee in Stalingrad im Winter 1942/1943 richteten sich die Blicke in großen Teilen Europas nach Berlin, von wo man sich eine Konzeption für die europäische Ordnung erhoffte. Auch auf deutscher Seite gab es prominente Vertreter für die Idee eines Europäischen Staatenbundes. So wandte sich der Sondergesandte Cécil von Renthe-Fink in einer Notiz an Joachim von Ribbentrop am 9. September 1943 hinsichtlich der Idee einer neuen europäischen Ordnung und was die Deutschen dazu beitragen könnten. In diesem Schreiben, was als diplomatisches Dokument verstanden werden muss, empfiehlt von Renthe-Fink  der deutschen Außenpolitik „mehr als bisher auf die Mentalität und die Wünsche der europäischen Völker Rücksicht zu nehmen“. „Darüber hinaus“ sah er es als wichtig an, „bei den Völkern Europas die Hoffnung zu wecken und zu nähren, daß der deutsche Sieg Europa eine Ordnung schenken wird, die ihrer Sehnsucht nach Frieden, nationaler Selbständigkeit, materiellem Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit entgegenkommt“. Akteuren wie Renthe-Fink ging es darum, diese Schicksalswende zu nutzen, in Europa einen Staatenbund zu installieren, der den künftigen Frieden garantiere, wie es einst auch den Überlegungen seit dem Westfälischen Frieden von 1648 zugrunde lag.

Leider war die deutsche Führung – namentlich Hitler, Ribbentrop und Himmler – für derartige Postulate taub. Verstanden sie die Sendung der Deutschen doch eher darin, sich als Hegemonialmacht in Europa zu sehen. So schreibt Neulen auf Seite 22: „Tatsächlich war dies Hitlers Zukunftsvorstellung von einem nationalsozialistischen Kontinent, eine Konzeption, bei der Europa auf die germanischen Völker eingegrenzt wurde und diese wiederum nur als Glieder des Reiches, nicht als eigenständige, historisch gewachsene und autonome Träger der Geschichte gesehen wurden.

 

Die Europäische Eidgenossenschaft

 

Nachdem Anfang der 1920er Jahre der Gründer der Paneuropa-Union Richard Coudenhove-Kalergi das erste Mal den Begriff der „Vereinigten Staaten von Europa“ verwendete, erzeugte dieser eine Abwehrhaltung vieler damaliger Zeitgenossen. Assoziierte man doch diese Vereinigten Staaten mit denen Amerikas. Einige Jahre später brachte derselbe aus diesem Grund den Begriff der Europäischen Eidgenossenschaft hervor. In der Zeitschrift „Paneuropa“ schrieb Kalergi in einem Text mit dem Titel „Die Schweiz als Vorbild: “Die Bezeichnung ‚Vereinigte Staaten von Europa‘ hat vielfach zu Missverständnissen geführt. Sie wurde als europäische Analogie zu den Vereinigten Staaten von Amerika aufgefasst.“ (…) „Europa wird niemals die amerikanische Verfassung nachahmen können; jeder Versuch, dies zu tun, würde die paneuropäische Entwicklung bedrohen. Europa kann in seiner Verwirklichung keinem fremden, sondern nur einem europäischen Beispiel folgen; nicht den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern der Schweizer Eidgenossenschaft.“ An dieser Stelle muss gesagt werden, dass insbesondere in rechten Kreisen ein ziemlicher Verriss aus dem Werk Richard Coudenhove-Kalergis gemacht wird. Dominik Schwarzenberger zeichnet in seiner Broschüre „‘Paneuropa‘ und totaler Mensch: Das politische Denken Richard Coudenhove-Kalergis“ ein sachliches Bild, wie es mir in keiner zweiten Schrift vor die Augen geraten ist. Dabei räumt Schwarzenberger auch mit den Mythen und Verschwörungstheorien um den Gründer der Paneuropa-Union auf.

Bereits im Jahr 1934 veranstaltete die CAUR[6] einen internationalen Kongress in Montreux, wo 15 ausländische faschistische Parteien aus 13 europäischen Ländern vertreten waren. Während dieser Zeit hatten sich auch die Paneuropa-Bewegung und die italienischen Faschisten gegenseitig angenähert. Zuvor kam es am 10. Mai sogar zu einem Treffen zwischen dem Duce Mussolini und Coudenhove-Kalergi. Letzterer bezeichnete die Zeitung des bekannten Eurofaschisten Gravelli „Ottobre“ sogar als „Organ der Paneuropa-Bewegung in Italien“.[7]

Die Europäische Eidgenossenschaft ist demnach keine Idee des 21. Jahrhunderts oder gar erwachsen aus der Montanunion in den 1950er Jahren. Es handelt sich dabei um ein Konzept, welches zuerst von den Paneuropäern um den Habsburger Kalergi  entwickelt und danach von verschiedenen Gruppen – vor allem faschistischer in Europa und teilweise sogar nationalsozialistischer Fraktionen innerhalb Deutschlands – aufgegriffen und adaptiert wurde, obgleich die Paneuropa-Union von der Reichsregierung als Feind betrachtet wurde.

Obwohl das reichsdeutsche Propagandaministerium zum Ende des Krieges hin die „Neue Ordnung“ und das „Neue Europa“ immer wieder bemühte, ließen sich das Auswärtige Amt und Hitler nicht zu einer Konkretisierung hinreißen. Was jedoch in weitestgehend allen Konzeptionen postuliert wurde, war die Gleichberechtigung aller Völker, die sich innerhalb dieses föderalen Staatenbundes befinden. Auch wenn dieses Europa mit einer gemeinsamen Außengrenze sowie in Teilen mit einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik versehen werden sollte, sollten die Völker ihre Eigenheiten behalten. Dieses Europa sollte also kein Schmelztiegel werden, sondern der Gedanke beruhte wieder auf dem Pluralismus, die Vielheit, die Vielfalt, aus der sich der europäische Geist speist.

Nach den Plänen Alexander Dolezaleks des SS-Hauptamtes D sollte dieser föderalistische Bund „auf freiwilliger Zusammenarbeit, der Freiheit des Volkstums und auf einem national differenzierten Sozialismus basieren[8]. Die in diesem Amt konzipierte Europa-Charta, welche im Nachkriegseuropa zur Anwendung hätte kommen sollen, beinhaltete u. a. das Postulat von sechs Grundfreiheiten und sieben Grundrechten.

Die fünf Grundfreiheiten bestanden aus:

Die Freiheit der Völker gegen die Vergewaltigung durch die Weltgroßmächte.

Die Freiheit der Völker in der Gestaltung ihrer eigenen Volksordnung.

Die Freiheit der Persönlichkeit gegen die Vergewaltigung der Selbstverantwortlichkeit.

Die Freiheit der völkischen Kultur gegen irgendwelchen Zwang und gegen die Vermassung.

Die Freiheit des Glaubens gegen Gottlosigkeit und politischen Mißbrauch.“

Die sieben Grundrechte fußten auf:

Das Recht des Menschen auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit.

Das Recht des Menschen auf freie Entfaltung seiner Kräfte und Zugang zu allen Berufen gemäß Begabung und Leistung.

Das Recht des Menschen auf eine nur nach der unterschiedlichen Leistung abgestuften Lebenshaltung.

Das Recht des Menschen auf Mitentscheidung bei der Gestaltung des Gemeinwesens.

Das Recht des Menschen auf Eigentum und auf eigenen Boden.

Das Recht des Menschen auf Freizeit, Erholung und Teilnahme an allen Gütern und Einrichtungen des Kulturlebens.

Das Recht des Menschen auf Schutz bei unverschuldeter Not.“[9]

Das Europa der Nachkriegszeit sollte also auf einer Ordnung der Freiwilligkeit und einer gemeinsamen auf Freiheiten und Rechte der einzelnen Völker basierenden Bundespolitik fußen. Häufig wurde der Begriff des Reiches verwendet, womit in der Regel dieses Neue Europa assoziiert wurde. Reich wurde zum Synonym einer europäischen Friedens- und Freiheitsidee. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass Deutschland, mit seinem Reichsvolk und der mehr oder weniger immer föderalistischen Struktur hier als Ordnungsmacht, nicht als Hegemonialmacht, fungieren hätte können. Nur verfolgte ein nicht unerheblicher Teil der Führung, namentlich Hitler, Ribbentrop und Himmler, eine andere Europa-Konzeption, die eher antieuropäisch, denn mehr deutsch war. Doch die Völker wollten sich nicht germanisieren lassen. Sie wollten ihre Eigenheit erhalten, wären aber bereit gewesen für ein Europäisches Reich unter deutscher Führung.

Es ist allerdings müßig darüber zu fabulieren, was eingetreten wäre, wenn der Zweite Weltkrieg einen anderen Ausgang genommen hätte. Wichtig ist allerdings, was nach 1945 aus Europa wurde.

 

Die Lage im Jahr 2019

 

Heute ist Deutschland in einem europäischen Verbund vollständig integriert, welcher einen Namen trägt, der während des Zweiten Weltkrieges auf faschistischer Seite postuliert wurde: Die Europäische Union. Zunächst schien es sich 1957, als es zu der Unterzeichnung der Römischen Verträge kam, um eine echte Friedens- und Einigungspolitik zu handeln, die den Wohlstand des Nachkriegseuropas sichern sollte. War es doch längst überfällig, dass sich Europa in einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammenfindet, um einen Machtblock zu dem Russischen Bären im Osten und dem Großen Bruder aus dem Westen zu bilden. Doch in Wirklichkeit wurde es zum Spielball zwischen zwei Weltmächten. Die ganze Halbinsel wurde in Ost und West geteilt. Deutschland wurde zum Sinnbild dieser bipolaren Weltordnung. Die Mauer, die 1961 mitten durch das Herz Europas gezogen wurde, war die Antwort, der seit 1949 immer stärker werdenden Westanbindung. Mit der NATO wurde eine Organisation geschaffen, die nur zu einem Zweck gegründet wurde: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“. Dieser lockere Spruch des damaligen Generalsekretärs der NATO Lord Ismay, sollte den tatsächlichen Grund für diese immer stärker werdende Westanbindung werden. Die Konsequenzen aus dem Zweiten Dreißigjährigen Krieg waren für Deutschland verheerender als die des Wiener Kongresses.

Während jedoch Frankreich unter Charles de Gaulle noch ein Europa der Vaterländer postulierte, wird heute eine politische Union wirtschaftlich und finanzpolitisch erzwungen, die zu einem Schmelztiegel der gesamten euro-afroasiatischen Welt transformiert wird. Die Advokaten dieser Europäischen Union von heute führen dabei immer wieder an, dass es nun das erste Mal gelungen sei, Frankreich und Deutschland miteinander zu versöhnen und dieselben nun als gleichberechtigte Partner den Frieden in Europa wahren. Mit dem Untergang der Sowjetunion erlag Amerika zunehmend der Hybris. So schwärmte Francis Fukuyama vom „Ende der Geschichte“. Die Welt schien nur noch einen Leviathan zu haben und dieser verfolgte eine noch stärkere Interventionspolitik als man es sich zu Zeiten Trumans hätte vorstellen können. Auch heute postulieren Geostrategen wie Thomas P. M. Barnett eine Welt, in der sich alle dem American Way of Life hingeben und somit eine friedliche Welt kreiert werden könne. Die „Manifest Destiny“ in Reinkultur. Barnett glaubt daher, die Welt in zwei Teilen zu erblicken: Einen „Core“, bestehend aus allen Amerika hörigen Vasallen auf der einen und den „Gaps“, all jene also, die sich dieser entsagen, auf der anderen Seite.

Die Europäische Union wird also weniger dazu führen einen europäischen Machtblock zu bilden, der somit auch eine multipolare Weltordnung garantiert, sondern dient als Armenhaus der Dritten Welt und der peripheren Levante.

Diese globalistische Vision spaltet unseren Doppelkontinent und insbesondere die westliche Hälfte. Während die einen immer mehr Paneuropa postulieren und damit den euro-afro-asiatischen Schmelztiegel meinen, wollen die anderen zurück zu ihren Nationalstaaten kehren, die im Übrigen de jure nach wie vor vorhanden sind, jedoch in einigen Ländern – namentlich die Bundesrepublik Deutschland – allmählich juristisch abgeschafft werden (siehe dazu mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, zuletzt das NPD-Urteil von 2017). Der von der CIA gegründete National Intelligence Council, der heute Bestandteil des United States Intelligence Council ist, sieht jedoch das Aufkommen einer multipolaren Weltordnung, in der Amerika nicht mehr alleiniger Herrscher über den Globus ist. Vielmehr sind mit China und dem Erstarken Russlands im Osten zwei Anwärter darauf zur Supermacht zu transformieren entstanden. Die Politik unter Donald Trump sieht ebenfalls nach einem Ende der Truman-Doktrin aus, was es Europa ermöglichen könnte, endlich zu sich selbst zu finden. Auch das heutige Europa in seiner institutionalisierten Form – namentlich der EU, der Euro-Zone und der EZB – droht sich aufzulösen (wir analysierten dies hier). Die Bildung von Bündnissen innerhalb der EU – sehen wir uns hierzu bspw. die Visegrad-Staaten an –, in denen eine kritische Haltung zum Globalismus besteht, ist ein signifikantes Zeichen dieser Uneinigkeit auch unter den europäischen Eliten. Bereits jetzt gehören etwa 20 Prozent der Mitglieder im Europäischen Parlament zu EU-skeptischen bis hin zu EU-gegnerischen Parteien. Deutschland wird hier, genauso wie schon zu Zeiten des ersten Kalten Krieges, zum Sinnbild. Teilen sich die Deutschen heute doch ebenfalls in identitäre Heimatbefürworter und Globalismuskritiker auf der einen und linksliberale Wohlstands-Kosmopoliten sowie Nutznießer der Globalisierung auf der anderen Seite. Diese Uneinigkeit macht sich letztlich auch im politischen System immer deutlicher. In einem System, in dem die Mitte immer mehr zwischen dem linken und rechten Rand zerrieben wird. Es entsteht gar eine vorrevolutionäre Situation. Blicken wir dieser Tage in die Nachrichtenmagazine, so erleben wir, dass selbst Mainstream-Ökonomen uns vor einem Finanzcrash warnen, bei dem es keine Frage des „Ob“, sondern ausschließlich nur noch des „Wann“ gibt. Was wird in diesem Europa, in der es keine klare Vision, eine geteilte Auffassung und Wahrnehmung der Fiskalpolitiken gibt und wir eine immer weiter auseinandergehende Schere zwischen den Gewinnern und den Verlierern der Globalisierung haben?

Im Folgenden verweise ich auf meinen Text „Die Welt im Jahr 2035 III: Europa in naher Zukunft“:

„Die EU ist ein Koloss auf tönernen Füßen. Sie ist eine rein politische Union, die zeitweise gar zwanghaft erweitert wurde, ohne Rücksicht auf die insbesondere wirtschaftspolitische Kompatibilität der Mitgliedsstaaten genommen zu haben. Die Tatsache, dass ein Großteil der EU-Eliten Griechenland in der Euro-Zone behalten wollte, zeigt deutlich, dass die Europäische Union einem ideologischen Zwangskorsett gleicht. Aus einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist eine politische Union geworden, mit gleicher Währung, die letztlich die Volkswirtschaften gefangen hält. Obgleich der Gedanke eines vereinten Europas durchaus seinen Charme hat, gilt gleiches aus meiner Sicht derzeit für unrealistisch. Die Diskrepanzen in der Wirtschafts-, Finanz- und Migrationspolitik sowie allgemein die Divergenzen in der Auffassung darüber, wie die EU mechanisch-technisch konzipiert sein sollte, macht einen Zusammenbruch – ganz gleich in welcher Art und Form – zunehmend wahrscheinlicher. Des Weiteren bedarf es für solch eines Gigaprojektes einer Vision. Bisher schafften die eurokratischen Akteure es nicht, aus dem Mythos, der aus der Nachkriegszeit entstand, eine positive und einende Vision zu schaffen oder auf der Vision eines Charles de Gaulle aufzubauen.

Dennoch ist auch die nahe Zukunft Europas ungewiss. Der totale Zusammenbruch der EU ist keineswegs zwangsläufig. Könnte es doch zu einer Reform der Union kommen, die Antworten auf die o. g. Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Fragen geben kann. Es ist aber wahrscheinlich, dass Europa eine Renaissance der Nationalstaaten erleben wird und Teile sich zu Regionen wirtschaftlicher und in Teilen auch politischer Art zusammenfinden.“

Dies lässt die Verwirklichung einer Europäischen Eidgenossenschaft zunächst unrealistischer werden, was jedoch keinesfalls einen Abbruch an der Ausarbeitung einer derartigen Konzeption für unsere heutigen Tage bedeuten muss. Das 19. und 20. Jahrhundert wird keine Renaissance erleben, jedoch in Teilen der Nationalismus, so gibt uns zumindest der ursprünglich von der CIA gegründete Think Tank in seinem Zukunftsreport „Global Trends: Paradox of Progress“ zu verstehen. Darin beschreibt er drei mögliche Szenarien der Zukunft, worin eines in der Renationalisierung vieler Teile der Welt liegt. Dennoch ist eine Internationale Ordnung notwendig und die beiden Dreißigjährigen Kriege haben uns gelehrt, dass das Ausbleiben selbiger zu gewaltigen Katastrophen führen kann. Der Westfälische Friede kann hierbei sicherlich grundlegend als Vorbild dienen, wenn auch nicht ohne Anpassungen an die Befindlichkeiten der Nationen, der Regionalismen und natürlich auch der Befindlichkeiten, die das 21. Jahrhundert mit sich bringt.

 

Eine Vision für die Deutschen

 

Die Deutschen als ein Reichsvolk und Mittelpunkt Europas, als jene, die sich ständig einem „Albtraum der Koalitionen“ ausgesetzt sahen, das Volk, welches immer mit der Einkreisung rechnen musste, weiß wie schwierig es ist, den Frieden zu erhalten. Es weiß jedoch auch, dass derjenige, der den Frieden erhalten will, auch auf den Krieg vorbereitet sein muss: Si vis pacem para bellum!

Dieses Volk, welches selber auch heute nur für eine kurze Zeit und nur unter den Restriktionen der Siegermächte eine Nation bildet, sieht sich wieder als Ordnung gebende Macht. Mag diese ihm auch nicht nur Ruhm bei den Völkern Europas bescheren, wird es selbst heute in der Europäischen Union als Führungsmacht betrachtet. Leider machen sich die Eliten hier gemein mit einer Agenda, die antieuropäischer nicht sein kann.

Daher ist es vor allem die Aufgabe einer Deutschen Rechten, sich diese Aufgabe bewusst zu machen. Die Deutschen können hier Träger und Überbringer einer neuen Zeit werden. Sie können die antiglobalistischen Kräfte bündeln und ihnen eine positive identitäre und heimatbezogene Sendung verpassen. Und hier darf der Nationalismus nicht mehr auf den alten Maximen des 19. Jahrhunderts fußen. Dieser Nationalismus muss sich einer europäischen Dimension öffnen. Beseelt von dem Gedanken an ein Europa der Völker und Eigenheiten, der verschiedenen Kulturen, aber auch der geeinten Stärke in der Außen- und Militärpolitik, vereint in einem Zoll- und Wirtschaftsverband, muss sich eine Echte Rechte formieren und diese Sendung zunächst auf nationaler Ebene unters deutsche Volk bringen und auf europäischer Ebene den Mitgliedern der Völkerfamilie der eurasischen Halbinsel zur Aufgabe machen.

Wenn ich in diesem Zusammenhang von einer Echten Rechten spreche, dann ist mir klar, dass es sich dabei um einen etwas undefinierten, gar unwissenschaftlichen Begriff handelt. Leben wir doch nicht in einer eindimensionalen Welt, in der sich Kausalitäten und Entwicklungen linear bewegen. Vielmehr handelt es sich beim Leben und der Welt um ein komplexes Geflecht von vielen Eventualitäten und Dynamiken. Doch verwende ich deshalb umso bewusster den Begriff der Rechten. Wenn es ein Kriterium gibt, was rechts von links unterscheidet, dann ist es das Denken in Hierarchien. Während die Linke eine egalitäre Idee verkörpert, aus der wohlgemerkt auch der Nationalstaatsgedanke erwachsen ist, verfolgt die Rechte einen eher elitären Gedanken. Diesen möchte ich gerne wieder aufgreifen und den Rechten wiedergeben.

Nur muss ich dies noch etwas ausführen, damit keine falschen Vorstellungen entstehen. Spreche ich von Elite, so könnte man diesen Begriff auch mit dem der Edelleute gleichsetzen. Der Edelmann bewegt sich in der Dialektik zwischen dem Ganzen und den Teilen. Das antike universalgelehrte Genie Aristoteles verkündete hier bereits vor mehr als 2300 Jahren einen der ersten echten dialektischen Sätze: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Ich möchte an dieser Stelle auf einen Aufsatz von mir, erschienen auf dem Blog Gegenstrom – Plattform für rechte Metapolitik verweisen (hier abrufbar):

Damit ist ausgedrückt, dass das »Ganze« ohne das »Einzelne« nicht wäre. Umgekehrt ist das »Einzelne« natürlich nur wirklich, wenn es ein »Ganzes« gibt, dem es angehört. Beide Begriffe besitzen also eine gemeinsame Identität. Zugleich ist aber das »Einzelne« ein Besonderes und zugleich Allgemeines (Ein Teil des Ganzen). Genauso steht der Mensch also als ein »Einzelnes« in einem »Ganzen«, der Natur oder unser Planet Erde zum Sonnensystem oder das Sonnensystem zur Milchstraße und diese wiederum zum Universum. Hegel sprach von „allen Dingen“, die „an sich selbst widersprechend“ seien. Alle Dinge besitzen eine innere Selbstbewegung, wie es das »Ganze« und seine »Teile« auch tun. Diese Tatsache zu erkennen und sie als sein „Schicksal“ anzunehmen, bedeutet sich selbst als Teil eines Ganzen zu sehen und sein Leben entsprechend mit dieser Einsicht in Einklang zu bringen. So verhält es sich natürlich auch mit dem Individuum, welches einem bestimmten Volk angehört. Das Volk ist hierbei das »Ganze«, während das Individuum ein »Teil« dessen ist. Das Volk besteht aus den einzelnen Individuen, die wiederum alle untereinander verschieden sind, aber die Volksangehörigkeit als Moment der Identität miteinander teilen. Diese Identität miteinander kann nur bestehen, wenn es vor allem erst einmal ein Nicht-Selbst oder zumindest ein Anderes gibt. Erst wenn wir wissen, was wir nicht sind, können wir wissen, was wir sind und wem wir ähnlich sind. Identität kommt schließlich vom lateinischen idem, was derselbe, dasselbe bedeutet. Wenn es aber ein Gemeinsames (dasselbe) mit bestimmten Individuen gibt, dann muss es auch ein Verschiedenes mit anderen bestimmten Individuen geben.

Wenn Aristoteles also davon spricht, dass dieses »Ganze« mehr als die Summe seiner »Teile« sei, dann begreift er also diese Dinge nicht nur als einzeln und allgemein, sondern auch als besondere Dinge an sich. Erst die Teile in ihrer Gesamtheit machen das »Ganze« aus.

Erweitern wir den Satz des griechischen Dialektikers auf die nationale Ebene, so erhalten wir: „Das Volk ist mehr als die Summe seiner Individuen“; Und auf europäischer Ebene könnten wir diesen Satz noch erweitern auf: „Europa ist mehr als die Summe seiner Völker“. In all diesen Sätzen erkennen wir ein neues Paradigma, nach dem sich auch die Herrschaft zu richten hat. Es mag idealisiert klingen, aber wir Deutschen und wir Europäer sollten nach einer Neuen Aristokratie, einem neuen Typus des Edelmannes streben, der genau diesen dialektischen Grundsatz zum Kern seiner Politik und Regierung macht. Der neue Aristokrat ist also beseelt von der Veredelung des Menschen. Unser Volk als Reichsvolk besitzt das historische und charakteristische Potenzial dieser Neuen Ordnung. Ich spreche hier von einer Art Auserwähltheitsgedanken, nicht in diesem arroganten Sinne wie es der Amerikaner tut oder wie es uns im Alten Testament begegnet. Ich spreche von einem Sendungsbewusstsein eines Reichsvolkes, welches sich seiner Aufgabe bewusst wird, Europa zu neuer Blüte zu beflügeln, damit dieses die Welt in Ordnung hält.

Diese Neue Ordnung ist eine, die sich dem Frieden in der Welt, die Eigenheit sowie Freiheit und letztlich der Partizipation der Völker am Wohlstand verschrieben hat. Nennen Sie mich einen Träumer, dass ich dieses Utopia skizziere, doch letztlich musste jede große Bewegung durch die Phase der Lächerlichkeit und der Utopie. Und letztlich beginnt alles Große mit einer Vision.

Lassen Sie uns eine Vision für Deutschland und Deutschland eine Vision für Europa skizzieren, auf das Europa eine Vision umsetzt, die durch die Interessenwahrung aller Völker besticht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 Literaturhinweise

 

[1] Henry Kissinger (2014, S. 23). Weltordnung (3. Auflage). Bertelsmann Verlag, München

[2] Vertrag von Verdun

[3] Ebd., S. 34

[4] Das konkrete Zitat lautet: „Die Wahrheit ist, dass ich niemals ganz Herr meiner Bewegungen war. Ich habe Pläne gehabt, hatte aber niemals die Freiheit, sie auszuführen. Immer war ich durch die Umstände bestimmt.“ Dies soll er auf der Insel St. Helena über sich selbst gesagt haben. Nachzulesen bei Günter Müchler: „Napoleon“

[5] Ebd., S. 91

[6] Comitati d‘ azione per l‘ universalità di Roma. Dabei handelte es sich um eine Vorstufe der Faschistischen Internationale, die die Aufgabe hatte, eine Sammlung aller ausländischen faschistischen, nationalistischen und korporativer Bewegungen zu gewährleisten.

[7] Hans Werner Neulen (1987, S. 180). Europa und das 3. Reich. Einigungsbestrebungen im deutschen Machtbereich 1939-45. Universitas Verlag, München

[8] Ebd., S. 66

[9] Die Europa-Charta aus dem Dokumentenkabinett Vlotho. Studien-Sammlung für europäische Geschichte, Gegenwart und Zukunftsplanung.