Eine Positive Kritik: Träumereien der Alten Rechten

von | 06. Mai. 2017 | Debatte

Der nachfolgende Text ist als eine positive Kritik an die deutsche Rechte zu verstehen. Keineswegs möchte der Autor oder die Redaktion die edlen Beweggründe des Einzelnen infrage stellen, der sich aktiv im Geschehen um Europa einbringt. Dennoch halten wir diese Kritik für notwendig, um bereits zu oft wiederholte Fehler in Zukunft vorzubeugen. Möge der Text seinen Teil zur Erschaffung einer neuen Rechten beitragen. Die Redaktion

Viele Rechte träumen von einer Revolution, die sich plötzlich über Nacht ihren Weg bahnt und alles, was einst zum verhassten System der liberalen Demokratie gehörte, verschwinden lässt. Es gibt nicht wenige, die postulieren, dass wir die Füße stillhalten müssen und die Veränderungen von alleine eintreten werden. Der Ausbruch komme demnach unerwartet, urplötzlich und fatal. Ginge es nach einigen Rechten, so könnten wir diesen Verlauf nicht einmal beeinflussen. Er wird kommen, ob wir es wollen oder nicht. Diese These oder besser gesagt Annahme klingt tatsächlich etwas verlockend. Lädt sie doch zum Nichtstun ein und ist ein schier unschlagbares Totschlagargument für all jene, die sich nicht aktiv an der Gestaltung der Öffentlichkeit beteiligen wollen oder können. Es wirkt auf dem ersten Blick auch sehr optimistisch und ggf. auch für jene, die nur dem pessimistischen Gerede der gesellschaftlich Abgehängten ausgesetzt sind, erfrischend. Dennoch obliegt dieser unrealistischen Träumerei der fatale Fehler, zu verkennen, dass jede Revolution eines geistige Nährbodens bedarf. Die Veränderung tritt bereits ein, wenn zumeist noch gar nicht offen von einer Revolution gesprochen wird. Nicht wenige unter uns assoziieren den Begriff „Revolution“ mit politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Umwälzungen, die zumeist von physischer Gewalt begleitet werden. Dies ist jedoch mitnichten so. Ich möchte keineswegs bezweifeln, dass eine Revolution auch einen gewalttätigen Part innehat. Dennoch tritt dieser erst ein, wenn die geistige Revolution eingetreten ist, d.h. es einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel auf politischer, sozialer und auch wirtschaftlicher Ebene gegeben hat. Dieser Wechsel ist keiner, der aus heiterem Himmel entsteht. Im Gegenteil! Es bedarf harter Arbeit und einer dezidierten Vorgehensweise der Insurgenten, um diesen zu erreichen.

Wie ein Fisch im Wasser

Der Revolutionär bewegt sich im Volke wie der Fisch im Wasser. Die Träumereien von einer fatalistisch wirkenden unaufhaltbaren Revolution allerdings wirken auf die meisten Menschen vollkommen abgehoben. Dies sind sie oftmals auch. Der Rechte glaubt, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben, während alle anderen schlafen oder nicht kompetent genug sind, diese zu erkennen. Er weiß sich oft als klüger auszugeben als seine Umgebung und erzeugt damit nur Missgunst oder ein müdes Lächeln bei seinem eigentlichen Kunden, dem Volk. Letztlich isoliert sich der rechte „Revolutionär“ mit seinen Träumereien nur, anstatt Sympathien und Unterstützung in der Gesellschaft zu erzeugen. Er schwimmt also nicht im Wasser, sondern zappelt seine letzte Lebenskraft auf trockenem Sand heraus. Jeder Revolutionär muss sich zunächst einen Nährboden schaffen, auf dem er wirtschaften und bauen kann. Dazu reicht es oftmals nicht, abstrakte Ideen, vielleicht noch Vorbilder längst vergangener Tage zu kopieren, ohne dabei eine Weiterentwicklung derselben vorzunehmen, die auf die Zeit und die Persönlichkeiten der Protagonisten zugeschnitten sind. Die Ideen müssen natürlich klar und deutlich sein. Sowohl nach innen gerichtet, wie auch nach außen strahlend, sind sie der Katalysator der Bewegung. Wir haben bereits in meinem letzten Beitrag gesehen, dass die Theoretiker die vielen Ideen in der Tiefe konzipieren. Sie liefern dem Aktivisten seine Weltanschauung oder Ideologie. Der Propagandist streut diese unter seinesgleichen und der Agitator versteht sie so zu verpacken, dass der einfache Mann von der Straße sie auch begreifen kann. Meist bedient sich der Agitator eines emotional aufgeladenen Bildes. Der Revolutionär spricht die Sprache des Volkes. Er ist einer von ihnen, keiner aus dem abgehobenen Establishment. Er bewegt sich in der Gesellschaft wie der Fisch im Wasser.

Die Doktrin der Bewegung

Durch die unrealistischen Träumereien von einer unvorhersehbaren Revolution wird die Notwendigkeit von möglichen Doktrinen nicht erkannt. Nun wird der eine oder andere wieder sagen wollen, dass Doktrinen mit einer Weltanschauung, die auf Naturgesetzen basiert, nicht vereinbar sind. Das ist nicht wahr. Jede unter Dynamik stehende Gruppe obliegt einer Doktrin, einer Lehre oder einem Grundgedanken, der als höchster Grundsatz gilt. Dieser Grundsatz mag bei den Leninisten die Notwendigkeit von der Diktatur des Proletariats gewesen, bei uns kann es der Traditionalismus sein. Diese Doktrin bedarf auch nicht immer zwangsläufig einer naturwissenschaftlichen Erklärung. Der historische Materialismus – obgleich ihn die Marxisten-Leninisten gern als reine Wissenschaft verklärten – oder die universalistische Idee von einer einheitlichen Menschheit, in der alle Menschen gleich sind, wurden u.a. durch den teilweise religiös-wirkenden Fanatismus seiner Träger und Aktivisten ins Volk gebracht. Wichtig ist nur, dass die Träger dieser Doktrin auch wirklich überzeugt von ihr sind. Die Aufgabe einer Bewegung ist es, diese Doktrin zum gesellschaftlichen Normalzustand zu erheben. Frei nach dem Ausspruch Lenins: „Macht die Sache des Volkes zur Sache der Nation, dann wird die Sache der Nation die Sache des Volkes sein!“

Geduldig sein!

Eine der höchsten Tugenden des Revolutionärs ist die der Geduld. Napoleon wartete seine Gunst der Stunde bis zum Ende der Französischen Revolution ab, um sie doch wieder ein stückweit rückgängig zu machen. Auch Lenin wartete zunächst über ein Jahrzehnt im Ausland ab, während alle anderen bereits 1905 die Revolution ausriefen, die jedoch längst noch nicht im Gange war. Erst als es im Februar 1917 zum Bruch mit der Zarenherrschaft kam, kehrte Lenin wieder in seine Heimat zurück, um die Revolution in die „richtigen Bahnen“ zu lenken. Die kritischen Theoretiker um Adorno und Horkheimer kamen erst wieder zurück nach Deutschland, als die sog. Entnazifizierung durch die Alliierten abgeschlossen schien und die Konservativen ein geistiges Vakuum hinterließen. All diese Akteure übten sich in der Geduld, obgleich sie nicht einfach von einem stillen Platz aus ignorierten, was um sie herum geschah. Sie beobachteten, bereiteten vor. Sie schufen Visionen, Theorien und bildeten Gruppen, ja ganze Armeen heraus, die zuschlugen, als die Zeit reif war. Sie verknüpften sich mit wichtigen Persönlichkeiten, Klubs und Gesellschaften. Nur die wenigsten kannten sie am Vorabend der Revolution. Doch als die Revolution im geistigen Sinne vollzogen wurde, standen sie „plötzlich“ auf der Weltbühne und veränderten die Geschichte in ihrem Sinne. Den Rechten fehlt dieses „Geduldig sein“. Sie dürfen nicht dem Irrglauben verfallen, dass die Revolution aus dem Nichts eintreten wird. Sie müssen sich aktiv im Geschehen einbringen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie an vorderster Front als Kundgebungsredner auftreten, wenn das Volk die Botschaft noch gar nicht greifen kann. Sie müssen aber da sein, wenn es soweit ist! Wer sich früh schon dem Gegner zu erkennen gibt, läuft Gefahr von ihm – dem die Machtmittel zur Verfügung stehen – beseitigt zu werden. Somit wäre die Revolutionsbewegung im Keim erstickt. Geduld ist eine der höchsten Tugenden des Revolutionärs. Sei geduldig! Sei klug! Beobachte! Schlag zu, wenn es soweit ist!

Revolutionen beginnen nicht im Volk. Sie beginnen immer „Oben“

Dass das Volk aus sich selbst heraus so viel Kraft schöpft, um den Revolutionsakt zu vollziehen, ist ein typischer Irrglauben innerhalb der Rechten sowie Linken. Das Volk erwacht nicht von selbst. Es sind immer die Umstände, die es wachrütteln müssen. Der fehlende Mangel, d.h. das sorgenfreie Leben, ist der größte Feind des Revolutionärs. Revolutionen brauchen Unzufriedenheit, Wut und sogar Hass, die unmittelbar zum Chaos führen. Die negativen Umstände haben aber nicht die „einfachen Leute“, nicht die Gesellschaft in der Hand. Sie entstehen entweder durch die Unfähigkeit der Herrschenden, den wirtschaftlichen und sozialen Frieden zu wahren, noch durch die bloße Absicht von Gruppen und Persönlichkeiten, die bereits im Establishment sind und ein grundlegendes Interesse am Chaos haben. So kann es unter Umständen für kapitalstarke Spekulanten sinnvoll, ja sogar sehr lukrativ sein, wenn die Wirtschaft einen Kollaps erleidet. Oder es gibt von der Regierungslinie abweichende Politiker, die andere Interessen verfolgen und deshalb Gruppen fördern, deren Erstarken eine Instabilität in der Gesellschaft erzeugt. Revolutionen werden nicht von den Massen gemacht. Sie sind nur die Größe, welche Schubkraft aufweist, die beliebig für jene verschiebbar ist, die die Masse zu steuern wissen. Die „Revolution von Unten“ ist ein Hirngespinst der Linken und auch die Rechten drohen zunehmend diesem Irrglauben zu erliegen. Wer die Revolution will, der muss oben anfangen. Er muss Akteure aus dem Establishment auf seine Seite ziehen. Er braucht das Kapital, denn dieses ist es, das die Welt regiert. Ein Mann in einer Festung kann besser sein als eine ganze Armee davor.