Die deutsche Rechte auf dem Vormarsch: Vom Teufel, Fische fangen und Entwicklungen

von | 23. Okt. 2017 | Debatte

Bei der nachfolgenden Abhandlung handelt es sich um eine strategische Debatte zu der Peter Steinborn anstoßen möchte. Der nachfolgende Text stellt die Ansichten des Autors dar, die von denen der Redaktion abweichen können. Der Autor, Peter Steinborn, geht auf die Kritik seitens der revolutionären Rechten gegenüber der AfD und dem Sieg des Rechtspopulismus ein. Wir sehen den Text daher als Grundlage einer wichtigen Diskussion innerhalb der Deutschen Rechten. Die Redaktion

Es ist das leidige Thema der Rechten – und das schon seit vielen Jahren. Sind Parteien ein sinnvolles Werkzeug für die rechte Opposition? Ist die Beteiligung an Wahlen eine sinnvolle Beschäftigung, um die von uns allen ersehnte Wende einzuleiten? Diese Fragen können nicht einfach mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden. Sie sind in sich sehr komplex, weshalb sie die Gemüter innerhalb der deutschen Rechten auch immer wieder aufs Neue aufwühlen. Es herrscht Uneinigkeit zu diesen Fragen. Auch ich tue mich schwer, sie mit einem einzigen Wort zu beantworten. Wahrscheinlich ist die Beantwortung dessen irgendwo dazwischen. Es gibt also kein klares „ja“ oder „nein“. Es wird auf ein demokratisches „jein“ hinauslaufen.

Sven Skoda über die AfD und den Teufel

Doch zunächst zu der ursprünglichen Motivation meines heutigen Posts. Ich las vor einiger Zeit, noch vor dem 24. September 2017, also vor der letzten Bundestagswahl, einen durchaus interessanten Text auf dem Blog von Sven Skoda, Rhein-Rausch-Randale, in dem er seine Leserschaft davor warnte, Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) zu wählen. Skoda skizziert dem Leser recht eindrucksvoll, welche Geschichte das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland genommen hat. So geht er zurück bis in die 1970er, als maßgeblich durch Franz Josef Strauß Diskussionen über eine vierte und dabei rechts von der CDU stehenden Partei im Bundestag entbrannt wurden. Skoda unterstellt FJS dabei reines Machtkalkül, das keine weltanschauliche Grundlage erfuhr. Des Weiteren hebt er die alten Erfolge längst todgedachter einst patriotischer Parteien wie die der Republikaner (REPs) hervor und weiß auch die NPD noch 1969 als eine quantitativ wie qualitativ stärkere Kraft zu bezeichnen. Sie verpasste damals den Einzug in den Bundestag nur knapp. Das Scheitern an der 5-Prozenthürde führte zu einer tiefen Krise, in die die NPD danach fiel. Ein langwieriger Veränderungsprozess vor allem weltanschaulich-ideologischer Natur war die Folge. Auf die Frage hin, warum er eine Episode der etablierten Parteiengeschichte streift, gibt Skoda gleich selbst die Antwort:

„Weil diese Diskussion und die dahinterstehende Idee, nämlich Menschen im ‚demokratischen Spektrum‘ zu halten, Menschen weiter im Moloch dieses Systems gefangen zu halten, bis heute aktuell ist für die Mächtigen dieser Republik.“

Der Autor dieses Zitats geht also davon aus, dass es sich bei dem Parteiensystem um einen bewusst vom System konstruierten „Moloch“ handelt, in den die vermeintlichen Alternativen, die ggf. auch außerhalb des demokratischen Spektrums stehen, hineingezogen und darin weltanschaulich verwässert werden. Tatsächlich deutet Skoda hier auf das von Robert Michels bereits Anfang des 20. Jahrhunderts untersuchte „eherne Gesetz der Oligarchie“. Darüber habe ich bereits in einem älteren Artikel unter dem Titel „Von ausgetrampelten Pfaden. Oder: Warum Parteien keine Ewigkeitsgarantie haben“ geschrieben und will es daher keineswegs leugnen. Jede Partei neigt ab einer gewissen Größe – und die kommt ab einem entsprechenden Erfolg früher oder später wie von selbst – zur Bürokratisierung aus Effizienzgründen. Daraus bildet sich eine bürokratische Elite, die aufgrund ihrer innerhalb des Bürokratismus notwendigen Fähigkeiten eine Vormachtstellung einnimmt, die sie dann um jeden Preis behalten möchte und bereit ist, dafür Intrigen zu spinnen und ggf. auch Betrug zu begehen.

Das allerdings ist, wie Michels in seinen soziologischen Untersuchungen richtig konstatierte, ein natürlicher, gar automatisierter Prozess, der nicht aufzuhalten ist. Er kann lediglich hinausgezögert werden. Das heißt, diese Entwicklung muss jede größere Organisation – vor allem Parteien – durchmachen. Es ist quasi ihr Schicksal. Das sind einfache Gesetze der Macht.

Die Quintessenz des Artikels von Skoda jedoch lautet: „Lasst Euch nicht mit dem Teufel ein!“ Und dieser Teufel ist das System. Was dieses System genau sein soll, das scheint er dem Leser zu überlassen. „Das System“ ist ein sehr abstrakter Begriff, den ich zugegebenermaßen auch gerne verwende. Er deutet auf eine Systematik, einen Automatismus, ein Netz hin, das durch verschiedene auf den ersten Blick nicht eindeutig feststellbare Punkte und Stellen miteinander verbunden ist. Das System ist nach dieser Auffassung quasi alles, womit unser Leben gekoppelt ist. Dies würde allerdings bedeuten, dass es eine Art Verschwörung gibt. Alle Stellen innerhalb dieses vermeintlichen Systems sind also miteinander vernetzt, auch wenn dies zunächst gar nicht so wirkt. Es gibt Absprachen, Vereinbarungen, die bereits getroffen sind, ehe wir etwas davon mitbekommen können. In einem gewissen Sinne ist das sicherlich so. Das demokratische Parteiensystem funktioniert sicherlich nach diesem Muster. Dadurch macht sich nicht selten Fatalismus breit. Doch vergessen viele, dass auch ein System Fehler aufweisen kann – vor allem, wenn Menschen daran beteiligt sind. Dies ist hier sogar das prägnanteste Merkmal. Das System funktioniert nur insoweit die sich darin befindlichen Menschen ihre Rollen ausfüllen. Weichen sie davon ab, kommt es zu Störungen. In der Automobilindustrie oder generell im produzierenden Gewerbe weiß man ausgeklügelte japanische Modelle zu verwenden, die „idiotensicher“ sind. Die Quote durch Menschen verursachter potenzieller Fehler wird dadurch massiv reduziert. Das ist hier nicht so. Politiker, PR-Agenten, Religionsführer, Unternehmer usw. sind die entscheidenden Akteure und können daher massive Störungen verursachen.

Nach Skodas Auffassung lässt derjenige sich mit dem Teufel ein, der sich der aus seiner Sicht „vermeintlichen Alternative“ hingibt. Die AfD sei demnach nur ein Gestell wie die REPs oder Pros, die sich im Laufe der Zeit im Parteiensystem verwässern haben lassen. Konkret beschreibt er das in seinem Text so: „Die AFD ist keine einzigartige Chance in der Geschichte unseres Volkes, sie ist ihrem Wesen nach eine tief in dieser Republik verankerte neue Hure des System. Sie will kein neues Deutschland, sondern zurück zu den Zuständen, als die BRD noch nicht ganz so weit nach links gekippt war und im Vergleich zu heute wie ein besserer Ort wirkt. Das ist die Positionierung der AFD, nicht meine Deutung davon…

Es gibt nicht die AfD!

Ich möchte hierbei näher auf die o.g. Aussagen über die AfD eingehen. Erst einmal muss festgehalten werden, dass es nicht die eine AfD gibt. Es gibt keinen einheitlichen Block, der sich Alternative für Deutschland nennen kann. Genauso wenig gibt es nur die eine NPD, die eine Die Rechte oder den Dritten Weg. Es gibt in all diesen Organisationen – einschließlich der blauen Alternativen – diverse Strömungen, Abspaltungen, Vorfeldorganisationen und ideologische Absonderungen. So gibt es innerhalb der Alternative für Deutschland den „Flügel“, der sich um Alexander Gauland und Björn Höcke versammelt. Es gibt dort wirtschaftsliberale, ordoliberale, teilweise sogar soziale bis sozialistische Tendenzen. Besonders die AfD, die wie keine andere Partei in der bundesrepublikanischen Geschichte so schnell gewachsen ist, ist also von dieser Zersplitterung betroffen. Hier davon zu sprechen, dass die gesamte Partei ein Auswurf des Parteiensystems wäre und sie wie eine „Hure“ missbraucht wird, ist einfach nicht haltbar. So gibt es diverse Akteure in der Blauen Partei. Es ist ein Sammelsurium von Realos und Fundis, von teilweise liberal-konservativen bis hin zu teilweise rechtsextremen, wahrscheinlich sogar streng nationalistischen Gruppen und Einzelpersonen. Nicht nur Glücksritter und Apparatschiks, sondern auch Überzeugungstäter und Idealisten fühlen sich in der AfD zu Hause – ähnlich wie in den anderen rechten Parteien.

Von der Nützlichkeit der Erfolge der AfD für die Deutsche Rechte

Ich habe bereits kurz nachdem bekannt wurde, dass die AfD nun drittstärkste Partei im Bundestag sein wird, in einem anderen Artikel auf diesem Blog beschrieben, dass dies zur Resonanzraumerweiterung der möglichen Meinungen, des Sagbaren führen kann. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass dies eintreten wird, wenn nicht längst passiert ist. Auch der Wahlsieg der ÖVP und FPÖ in Österreich für den Nationalrat am 15. Oktober 2017 ist solch ein Etappensieg auch für jene, die abseits dieses konservativen, sich im „demokratischen“ Spektrum befindlichen Gruppen stehen. Sie sorgen dafür, dass das Overton Window wieder nach rechts verschoben wird, auch wenn es sich dabei um Parteien handelt, die noch viel verwässerter sind, als es Skoda von der AfD glaubt zu wissen.

Ich möchte nicht leugnen, dass es auch nach dem Abgang des Petry-Pretzell-Pärchens aus der Bundestagsfraktion noch Leute gibt, die den Weg der „Realos“ folgen und lediglich zu den westdeutschen Zuständen der 1970er zurückwollen. Vermehrt äußerten AfD-Politiker, dass sie lediglich das Vakuum füllen wollten, das CDU und CSU hinterließen. Das ist wahr. Wahr ist auch, dass wer sich in die Schlangenhöhle begibt, selber Gift spritzen muss, um darin bestehen zu können. Das ist eine klassische Beobachtung, die überall dort gemacht werden kann, wo es gilt Macht zu halten bzw. zu erweitern. Das war und ist nicht anders und wird auch nie anders sein. Das sind Regeln, Gesetze, deren Nichtbefolgung zum Verlust der Macht führt. Dennoch kann dies bei allen Parteien beobachtet werden und würde genauso mit der NPD oder Die Rechte passieren, würden diese Einfluss in der Bundespolitik gewinnen. Später mehr dazu!

Doch viel wichtiger als der Erfolg der AfD ist doch die Tatsache, dass offensichtlich mehr und mehr Deutsche sich vorstellen können, auch eine rechte Partei in den Bundestag zu wählen. Angesichts der gewaltigen Repressalien und medialen Hetze, die sich die Alternative ausgesetzt sieht, ist das Ergebnis von 12,6 Prozent bundesweit und 21,9 Prozent im Osten sensationell. In Ostdeutschland hat sie damit quasi der Partei Die Linke den Rang als Arbeiterpartei abgelaufen. Sie ist mit insgesamt 16,2 Prozent im Osten nun auf Platz drei gerutscht. Ähnlich verhielt es sich mit der Nationalratswahl in Österreich, wo die FPÖ, eine in den Medien als rechtspopulistische bis gar rechtsradikal gehandelte Partei, der SPÖ mittlerweile den Status als Arbeiterpartei abgerungen hat. So ergaben Umfragen, dass 59 Prozent der Arbeiter unter den Wählenden die FPÖ gewählt haben. Der allgemeine europäische Trend, sich zunehmend auch für rechte bzw. rechtspopulistische Parteien zu entscheiden, hat sich nun auch im deutschsprachigen Raum vollends durchgesetzt. Diese gewaltigen Erfolge haben sicherlich diverse Ursachen. So fühlen sich viele Menschen in Ostdeutschland von dem Establishment abgehängt und betrogen. Die erwünschte Wende 1990 blieb aus. Zwar besitzen jetzt alle Deutschen Reisefreiheit, doch gilt das dennoch nur für jene, die sich die Reisen auch leisten können. Zwischen dem Osten und dem Westen existiert noch immer eine Mauer – und die ist ökonomischer Natur. Unter anderem führte dies zu dieser Proteststimmung. Die AfD wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit von vielen aus Protest gewählt, doch zeigt dies deutlich, dass die Menschen langsam für eine deutsche Rechte mitten im Bundestag bereit sind. Die Mitte, die auf der eindimensionalen geometrischen Achse zunehmend nach links gerutscht war, erfährt allmählich wieder eine Korrektur.

Es ist allerdings nachvollziehbar, dass Skoda und seine Partei sich wenig für die bürgerliche Mitte interessieren. Besitzt sie doch keinerlei revolutionäre Kraft. Anders, als es sich viele Konservative gerne wünschen, ist das Bürgertum nicht revolutionär, sondern wie der Konservatismus „erhaltend“, also „konservierend“ eingestellt. D.h., sie strebt die Konservierung des Status Quo an. Es gibt nichts, was mehr als Revolutionsbremse bezeichnet werden kann. Skoda geht sogar so weit, dass er den Bürgerlichen eine den Status Quo erhaltende Rolle beimisst:

„Das bürgerliche Lager ist, zumindest was die Legitimation des Systems und der Regierung angeht, also ein Eckpfeiler dieser Republik.“

Dem kann ich auch gar nicht widersprechen. Besonders die bürgerliche Mitte schielt lediglich auf den Wohlstand, bleibt oberflächlich und weiß sich aus allen Konflikten rauszuhalten. Auch hier greift wieder das von Dominik Schwarzenberger beschriebene „eherne Gesetz des Mangels“. Solange es keine Krise, keinen Mangel gibt, werden diese Menschen versucht sein, den Status Quo zu erhalten und jede diametral-wirkende Agitation bekämpfen wollen.

Dennoch sehe ich auch in der „Bespaßung“ dieser „Brot-und-Spiele“-Gesellschaft durch oberflächlichen Rechtspopulismus eine sinnvolle Aufgabe. Die AfD sowie die anderen in Europa verankerten rechtspopulistischen Parteien sprechen zwar selten den Kern der in dem politischen System verhafteten Probleme an, doch locken sie die Mitte auf der eindimensionalen geometrischen Achse weiter nach rechts. Das rechtsradikale Milieu, die dritte Position mit ihren für die Mitte häufig abstrus wirkenden ideologischen Vorstellungen, ist einfach zu weit davon entfernt, um hier eine Platzverschiebung zu erwirken. Alleine die Sprache der extremen Rechten – ich weiß, dass viele mit diesem Begriff nichts anfangen können, doch verwende ich ihn hier trotzdem als Arbeitsbegriff – ist für die bürgerliche Mitte, gar für die heutige Zeit zu abwegig. Die Nationalen Sozialisten oder Nationalsozialisten z.B. wirken mit ihrem Postulat nach der „Stimme des Blutes“ für diese vom linken Mainstream vereinnahmte Mitte viel zu sektiererisch. Das soll nicht heißen, dass ich dazu aufrufen möchte diese Überzeugung abzuwerfen – soweit man sie überhaupt hat. Es soll nur verdeutlichen, dass der Abstand zwischen der extremen Rechten – also auf der Achse ganz rechts außen – und der mittlerweile immer weiter nach links gerückten Mitte zu weit auseinanderliegt, um eine Disparität zwischen dem versendeten und dem empfangenem Signal herzustellen. Parteien wie die AfD können das aber, da sie Kristallisationspunkt für viele rechte bzw. patriotische Lager sind. Dadurch ziehen sie die Akteure auf dieser Achse immer weiter nach rechts. Jahrelang schien es innerhalb der CDU/CSU nur marginal sich auswirkende ideologische Grabenkämpfe zu geben. Das hat sich mit dem Eintreten des Erfolges der AfD verändert und wird auch weiterhin für eine Entwicklung gen rechts sorgen. Gleichzeitig wandern andere Akteure wie die SPD weiter nach links ab, um sich besser abzugrenzen. Zunehmende Erfolge der AfD werden letztlich dazu führen, dass auch die etablierten Parteien ihre alt eingefahrenen Kurse verlassen werden und sich weiter auf eine der beiden Seiten auf der eindimensionalen geometrischen Achse positionieren. Das wird von innerparteilichen Debatten begleitet werden müssen. Auch wenn dies alles wie eine Volkstherapie wirken mag, führt es letztlich dazu, dass die Gesellschaft sich weiter auseinanderdividiert. Und das ist auch gut so.

Nichts ist so tödlich für eine Gesellschaft als eine anhaltende starke Mitte. Die Polarisation derselben führt zur Weiterentwicklung. Es kommt zu kontroversen Auseinandersetzungen, die wiederrum dazu führen, dass die Gesellschaft wieder zu ihren Werten zurückfindet und anfängt, eine eigene Identität zu entwickeln, die ihrer Zeit und ihrem Raum entsprechend ist.

Die Ruhe, die es in der Bundesrepublik und vor allem im Hohen Hause über Jahre gegeben hat, ist dadurch nun endlich vorbei. Konflikte, Debatten und intellektuelle Auseinandersetzungen leiten eine Entwicklung ein, auf die das bundesrepublikanische Parteiensystem auch nur reagieren kann. Wir sind also nicht mehr länger nur Getriebene, sondern treiben die anderen vor uns her. Letztlich führt die Resonanzraumerweiterung dazu, dass auch die extreme Rechte eine bessere Ausgangsposition hat als es noch vor dem Auftreten der AfD der Fall war.

Die gemäßigte konservative Rechte ist der Türöffner

Dadurch ermöglichen sich auch noch bisher ungeahnte Entwicklungen. Die für die Rechte gute Stimmung, vor allem im Osten Deutschlands, sorgt dafür, dass nicht nur neue Debatten angestoßen werden können oder Parteien sich gezwungen sehen aus ihrer ideologischen Verhaftung auszubrechen, sondern auch, dass einzelne vom linken Establishment gebrandmarkte Personen der deutschen Rechten wieder eine bessere Ausgangslage haben. So werden die Berührungsängste nicht nur zu diesen Themen, sondern auch zu Aktivisten einschlägig bekannter rechter Organisationen und Gruppen geringer ausfallen. Das kann dazu führen, dass auch verbrannte Akademiker und Führungspersönlichkeiten am Businessleben wieder teilhaben können. Die Angst vor einem Outing sollte durch die „Landnahme“ der Rechtspopulisten und identitärer Aktivisten rapide gefallen sein. Zudem haben sich die linken Provokateure und Störer vermehrt auf diese eben benannten erfolgreichen Akteure eingeschossen, während die eher weit rechts-außen verorteten Gruppen eine Feuerpause erhalten. Die neurechten Akteure können zuweilen mit den linken Querulanten viel besser umgehen. Der phänomenal gescheiterte Versuch eine Lesung mit den beiden identitären Aktivisten Mario Müller und Martin Sellner von Seiten linker Störer zu verhindern sowie der gekonnte zivile Ungehorsam eines Götz Kubitschek und seiner Anhänger gegen den Betreiber auf der Frankfurter Buchmesse 2017, war ein prägnantes Ereignis für die Deutsche Rechte. Es ist nicht zu übersehen, dass sowohl die Etablierten als auch die antifaschistischen Steigbügelhalter vermehrt Fehler machen. Die subversiven Aktionen, und die guerillaartige Vorgehensweise der neurechten Akteure sind der Türöffner auch für die revolutionäre Rechte. Zuerst kommt die gesellschaftliche Paradigmenverschiebung, dann die Ideologie.

Die konservativen Rechten öffnen die Türen, durch die die revolutionären Rechten nur noch durchgehen müssen.

Die AfD in Zukunft

Es bleibt jedoch letztlich abzuwarten, was bei dem nächsten Bundesparteitag passiert. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Häutung der AfD ist groß. Diese so schnell gewachsene Partei kann sich genauso gut zu einer echten zumindest parlamentarischen Alternative entwickeln. Dies kann jedoch niemand vorhersagen. Die Geschichte dieser Partei ist noch lange nicht geschrieben. Sie fängt gerade einmal an geschrieben zu werden. Nach dem Austritt von Petry und Pretzell könnten weitere folgen. Viele werden den Ausgang des nächsten AfD-Bundesparteitages abwarten. Die meisten der Mitglieder sprachen sich in einer internen Befragung dafür aus, aus dem Delegierten- einen Mitgliederparteitag zu machen. Das Interesse an der Entwicklung der Grabenkämpfe innerhalb der Partei scheint sehr groß zu sein. Tatsächlich wäre es möglich, dass sich unter der Führung von Björn Höcke der bewegungsorientierte gegenüber dem realpolitisch ausgerichteten Flügel durchsetzt. Höcke steht bekanntlich für einen weitaus radikaleren Kurs und macht mit teilweise sehr rabiaten, politisch inkorrekten Aussagen auf sich aufmerksam. Eine Abspaltung eher gemäßigter, gar wirtschaftsliberaler Parteimitglieder wäre unter diesem Zeichen sehr wahrscheinlich. Andersherum könnte der Parteitag auch zu einer weiteren Eskalationsstufe der ideologischen Auseinandersetzungen dieser zutiefst innerlich gespaltenen Partei führen. Wie bereits oben betrachtet, handelt es sich bei der AfD Mitnichten um einen einheitlichen politischen Block. Parteien haben immer rechte wie linke Flügel. Während Petry zuzeiten des LKR[1]-Mitbegründers Bernd Lucke noch rechts auf der innerparteilichen eindimensionalen geometrischen Achse zu verorten war, rückte sie nach der ersten Häutung weiter nach links. Durch den Austritt Luckes wurde der linke Platz neben Petry frei, den sie selber einnahm. Alexander Gauland sowie auch Jörg Meuthen haben sich seit dem weiter nach rechts bewegt. Höcke selbst gilt neben dem Fraktionsvorsitzenden im Magdeburger Landtag, André Poggenburg, als weit außen rechts auf dieser Achse. Es ist alles möglich. Ganz gleich, wie sich die AfD weiterentwickeln wird, die anderen rechten Parteien sollten diese Entwicklung sehr aufmerksam verfolgen, da davon abhängig sein wird, welche Strategie sie fahren müssen, um weiter am parlamentarischen Ball zu bleiben oder ihn überhaupt erst zu bekommen.

Probleme des Rechtspopulismus

Ich möchte allerdings dennoch Skodas Kritik würdigen, da ich darin eine gewisse Berechtigung erkenne. Die erfolgreichen rechten Parteien in Europa bedienen sich des Populismus. Das heißt, sie sprechen mit dem Mund des Volkes, vielleicht manchmal sogar des Pöbels. Das klingt jetzt zwar etwas elitär, aber genauso ist es letztlich. Ich bin zuvor vermehrt auf die Eigenschaften der Massen, insbesondere aber der heterogenen Massen eingegangen und denke aufgezeigt zu haben, dass sie, wie es uns Gustave Le Bon in seinem berühmten Werk „Psychologie der Massen“ illustriert, dieselbe kaum urteilsfähig ist. Ganz gleich welche Konstellation die Masse erfährt, sie ist ein wankelmütiges Wesen, das einen Hang zu Dramatik, Hysterie und Euphorie hat. Das alles sind Eigenschaften, die in der Politik nützlich für denjenigen sind, der sie weiß einzusetzen und sich selber soweit im Zaun zu halten vermag, dass er auf seine eigene Propaganda nicht reinfällt. Diese heterogene Masse ist tatsächlich nicht mit intellektuellen Argumenten zu überzeugen. Es möchte keiner wahr haben, aber die Masse, ja das Volk will belogen werden. Sie wollen keine komplexen Lösungen für komplexe Probleme. Sie wollen einfache Lösungen und mit den Problemen der Politik möglichst gar nicht erst konfrontiert werden. (Lesen Sie dazu meinen Artikel „Propaganda – metapolitisches Mittel im Informationskrieg“!) Das ist eine bittere Pille für die Idealisten, für jene, die sich der Wahrheit verschrieben haben. Das Volk will die Wahrheit nicht kennen. Die Wahrheit zu erkennen, heißt sich mit seinem Gewissen auseinandersetzen zu müssen. Wer die Wahrheit kennt und dennoch in diesem Spielchen mitmacht, braucht schon eine verdammt gute Erklärung dafür, um nicht daran zu erkranken. Wer es jedoch nicht besser weiß, der folgt gehörig.

Die bürgerliche Mitte folgt dem Leitsatz: „Unwissenheit ist ein Segen.“ Das ist eine Wahrheit, die man erkennen und akzeptieren muss. Ansonsten ist man verloren.

Das führt allerdings natürlich auch dazu, dass Parteien wie die AfD die Probleme nicht wirklich benennen oder ein falsches Feindbild erzeugen. So müssen z.B. der Islam und die muslimische Glaubensgemeinschaft als Feind herhalten, den es  auszumerzen gilt. Die Probleme auf eine Religion oder Kultur zu reduzieren ist gefährlich und kann fatale Folgen haben. Der Islam oder besser gesagt die Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland sind nicht das Problem, sondern lediglich ein Symptom. Gerade Nationalisten sollten das erkennen. Wer, wenn nicht der Islam ist heute noch traditionsstiftend, wertekonservativ und nicht selten nationalgesinnt, obgleich Mohammed eine eschatologisch-multikulturelle Ideologie predigte. Natürlich ist das immer vom Standpunkt der Muslime aus zu betrachten. Aber der Islam in Westeuropa ist ein klares Bollwerk gegen die Verwestlichung, soll heißen Amerikanisierung. Wäre da nicht die biologische Uhr, die für die vor allem deutschsprachigen Völker tickt, könnte er glatt ein Verbündeter der Deutschen Rechten sein. Dieses Thema werden wir später in einem anderen Post noch einmal aufgreifen. Hier allerdings würde es den Rahmen sprengen.

Kurz gesagt: Rechtspopulismus kratzt nur an der Oberfläche und bringt die Fische mit seinen Schlägen auf das Wasser an die Oberfläche, wo auch der Köder sich befindet. Rechtspopulismus muss provokativ sein, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Rechtspopulismus muss in der „Diktatur der Belanglosigkeit“ (Thor von Waldstein) ein stückweit mitspielen, um die Fische näher an den Köder zu bringen. Rechtspopulismus hat zwar alle Freiheiten innerhalb der Propaganda, jedoch ist er eingeschränkt in der nicht unwesentlichen Theorie.

Was die revolutionäre Rechte tun kann

Um selbst nicht in diesem Spiel der Macht mitspielen zu müssen – und wer Macht erhalten oder ausbauen will, muss sich dabei auch perfider Mittel bedienen – sollte man dieses Feld den Populisten überlassen. Die Idealisten, die es ehrlich meinen und für ihre Wahrheit kämpfen, müssen nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Daher sollten sie nicht zu weit weg vom Köder stehen. Wenn die Fische durch die Schläge auf das Wasser an die Oberfläche strömen, sind sie zunächst aggressiv. Sie werden aggressiver, je öfter man auf das Wasser schlägt. Wenn jedoch der erste große Sturm vorüber ist und auch der Köder sich als nicht schmackhaft erweist, dann sollte jemand da sein, der die Fische wieder zu neuen Ufern führt. Die geballte Energie, die zuvor noch in der Aggression akkumulierte, kann jetzt für neue Wege freigemacht werden. Dazu muss sich der Revolutionär jedoch im Volk bewegen, wie der Fisch im Wasser (Mao Zedong). Er darf denjenigen, der seine Aufgabe als „Wasserschläger“ wahrnimmt, nicht verschmähen, sondern sollte dankbar dafür sein, dass er ihm die schwere „Drecksarbeit“ abnimmt. Dazu bedarf es allerdings eines Überblicks und einer ganzheitlichen Anschauung. Weltanschauung und  Populismus lassen sich nur schwer miteinander verknüpfen. Wenn jedoch jeder seine Aufgabe versteht, dann gibt es für alle beteiligten einen großen Eimer schöner Fische.

Anmerkung

[1] Bis November 2016 ALFA (Allianz für Fortschritt und Aufbruch), heute LKR (Liberal-Konservative Reformer).