Was ist „rechts“?

von | 01. Jan. 2017 | Philosophie & Theorie

Die Initiatoren dieses Internetblogs haben ihm bewusst den Beinamen „Plattform für rechte Metapolitik“ gegeben. Dabei kann innerhalb der deutschen Gesellschaft allerdings nicht von einem klaren Begriff gesprochen werden, wenn man das Wort „Rechts“ meint. Viel mehr wird der Begriff von Vielen völlig undifferenziert und zumeist polemisierend oder populistisch verwendet. Der Soziologe Armin Nassehi mag recht haben, wenn er dem sog. Rechts-Links-Schema eine abnehmende Bedeutung beimisst. Seiner Meinung nach schwinden die Unterschiede zwischen Rechts und Links mit zunehmender Komplexität der gesellschaftlichen Kontexte. Dennoch ist er als absoluter Kampfbegriff, als Ansage zum Streit gegen das Establishment zu verstehen. In Wirklichkeit zeigt sich hier bei Nassehi die bewusst von der Mediokratie provozierte Unsicherheit der Menschen, mit diesem Wortedualismus umzugehen. Nicht die immer komplexer werdende Gesellschaft ist als Ursache für die schwindende Bedeutung beider Begriffe zu sehen, sondern die linke Lebenswirklichkeit der innerhalb des Systems lebenden Menschen.

Was ist das System?

Zugegeben klingt es immer etwas abenteuerlich, wenn rechte oder auch linke Aktivisten von „dem System“ sprechen. Es deutet auf Rebellion gegen eine Gesamtheit von Prinzipien hin, die eine bestimmte Ordnung darstellen. Tatsächlich aber ist damit bereits des Pudels Kern entdeckt. “Das System“ sind alle das Leben der Menschen tangierenden Elemente innerhalb eines gewissen Raums, in dem das System seine Ausstrahlung entfaltet hat. Die Tangenten sind auf politischer, sozialer, soziokultureller sowie ökonomischer Ebene zu finden. Nicht wenige Philosophen und Geostrategen – so wie der renommierte russische Beobachter Alexander Dugin – sprechen von einer Unipolarisierung der Welt, die durch die zunehmende Verwestlichung gekennzeichnet ist. Sprechen wir also von „dem System“ meinen wir nicht etwa nur das politische Parteiensystem Deutschlands, sondern die den gesamten Westen umfassende Lebenswirklichkeit. Diese Lebenswirklichkeit wird – ob man will oder nicht – von dem sog. Establishment vorgegeben. Spätestens seit dem letzten Wahlkampf zur US-Präsidentschaft, die letztlich im Sieg Donald Trumps mündete, ist dieser Begriff zunehmend auch in der allgemeinen Sprache der Gesellschaft angekommen. Das Establishment umfasst eine Klasse oder bestimmte Milieugruppierung, die politischen, sozialen und ökonomischen Einfluss auf das System ausübt.

Das westliche Establishment ist links und globalistisch

Dass die Welt zunehmend unipolarisiert wird, ist keine Verschwörungstheorie, deren Verbreitung lediglich auf allgemeine Reichsbürgerstammtischgespräche beschränkt ist. Viel mehr handelt es sich dabei um die Verwirklichung des Globalismus, der globalistischen Ideologie. Der US-amerikanische Militärstratege und Politikwissenschaftler Thomas P. M. Barnett empfahl dem US-Militär in seinem 2004 erschienen Buch The Pentagon’s New Map. War and Peace in the Twenty-first Century[1] eine Geo-Politik, in der die sog. Gaps (Staaten, welche noch nicht im Core integriert sind) durch die weltwirtschaftlichen Verstrickungen – aber notfalls auch mittels Krieg und Interventionen – dem Core (alle Staaten, in denen die Globalisierung angekommen ist) angegliedert werden. Das Ziel sei eine vollkommen globalisierte Welt, in der es keine Grenzen und keine kulturellen oder völkischen Unterschiede mehr gibt. Diese globalisierte neue Ordnung soll lt. Barnett von den USA angeführt werden. Die heutigen Core-States sind jene Staaten, die allgemein dem Westen zugeschrieben werden. Heute steht dieser Begriff als Abgrenzung zum Osten – ein ähnlicher Wertedualismus wie das Links-Rechts-Schema – für eine liberale, globalisierte, angeblich demokratische Weltauffassung, in der alle totalitären sowie autoritären Elemente der Vergangenheit angehören. Diese Vergangenheit wird zumeist verhasst oder zumindest mit Scham behandelt („white guilt syndrom“).

In Deutschland hat sich spätestens seit den 1960er- und 1970er-Jahren ein linkes Establishment durch besondere Verdienste für die Globalisierung hervorgetan. Wenn die Neue Linke sich selbst auch als antiglobalistisch empfand, hat sie sich doch, in der Hoffnung auf eine Forcierung der Weltrevolution der Massen „durch die Verschärfung der Verfremdung und die Verstärkung seiner Weltdiktatur“, mit der Globalisierung engagiert (DUGIN 2013, S. 147). Somit herrscht heute in Deutschland ein linkes Paradigma vor. Dieses ist gekennzeichnet vom Hedonismus und einer Pazifizierung der Gesellschaft. Der Kampf wird von diesen Linken als ein Übel, eine faschistoide Idee wahrgenommen, die durch die vollkommen grenzenlose, ja letztlich globalisierte Welt überflüssig gemacht würde. Die Zerstörung aller Strukturiertheit, letztlich auch innerhalb der Gesellschaft und des Staates, wird zugunsten anarchischer und angeblich freier (eher libertärer) Lebensräume angestrebt. Letztlich kann dies auch in der Führungsriege des deutschen politischen und gesellschaftlichen Lebens betrachtet werden. Die Verfehlungen von Politikern sowie das leidige Spiel mit dem Appell an die emphatischen Gefühle der Menschen für das Schwache, sind kennzeichnend für diesen Zustand.

Rechts gegen links – Die Verteidigung der Tradition

Auch wenn der Begriff „Rechts“ alles andere als klar ausdifferenziert zu sein scheint, besteht er innerhalb des Sprachgebrauchs des Systems und wird daher auch für alle traditionalistisch, identitär und patriotisch ausgerichteten Kräfte interessant sein. Letztlich programmieren die Massenmedien unsere Gesellschaften zum Dualismus und schaffen eine Lebenswirklichkeit, in der es „gute“ wie „böse“ Menschen, „erwünschte“ und „nicht-erwünschte“ Ansichten bzw. Meinungen gibt. Dabei erzeugen sie eine allgemeine Wertung der beiden Begrifflichkeiten. „Links“ wird somit zu jenem Synonym für „soziale Gerechtigkeit“, „Wachstumskritik“, „Menschlichkeit“ und „Moral“. „Rechts“ wird dann zum absoluten Gegenteil dessen, was „links“ sein soll. „Links“ ist also „gut“ und „Rechts“ ist „böse“. Damit entsteht zwar eine gesellschaftliche Spaltung, die auch politisches Kalkül sein kann (divide et impera), doch handelt es sich in diesem Kampf zwischen den Meinungen um die Frage nach der Existenz, ja sogar, ob man überhaupt existieren will. Friedrich Nietzsche weist die fehlende Antwort auf das „Warum?“, das Fehlen eines Ziels als Nihilismus aus. Der Nihilismus ist somit gegeben, wenn sich „die obersten Werthe entwerthen“ (NIETZSCHE, Der Wille zur Macht, S. 14). Dieser Zustand, den er bereits im 19. Jahrhundert für die Zukunft vorhersah, ist heute mit der Vorherrschaft der Neuen Linken par excellence verwirklicht.

Die Linke ist die Entwertung der Werte. Sie ist die Verneinung des Selbst, da die Vergangenheit ausgeblendet, für unwichtig, ja gar als Ballast deklariert wird. Sie wird als hinderlich empfunden beim Fortschreiten der Moderne in die Postmoderne. Dugin beschreibt diese Postmoderne als entpolitisiert, autonomisiert, mikroskopisiert, sub- und transhumanisiert und letztlich als dividualisiert (DUGIN 2013, S. 219). Der Mensch hört damit quasi auf zu existieren.

Die Rechte kann als Widersacher dieser Postmoderne verstanden werden. Sie ist Schutzpatron der Tradition, aller übertragenden Werte aus der Vergangenheit. Sie ist die Hüterin der Jugend und Garant der Generationen. Ohne sie wird es kein Leben im klassischen Sinne mehr geben. Sie stellt sich vor allem der Vermassung der Gesellschaften und somit der Ochlokratie entgegen. Sie strebt eine Veredelung des Menschen im Sinne einer Hochzucht an. Sie sieht die Welt als Lebensraum verschiedener Völker und Kulturen. Sie erkennt somit den Ethnopluralismus an, ohne sich dabei dem Ethnozentrismus oder gar dem Chauvinismus hinzugeben. Rechts sein, bedeutet „Aussteiger“, Dissident gegenüber dem System, dem Westen, zu sein. Rechts sein bedeutet die Vergangenheit zu kennen, um die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten zu können.

 

Organischer Humanismus statt Egalitarismus

Die Linke ist schon aufgrund ihrer historischen Entstehung sowie Entwicklung als egalitär zu werten. Der Egalitarismus, dessen reinste Form wohl im Kommunismus zu finden ist, geht von der Ansicht aus, dass alle Menschen die gleichen Chancen, Möglichkeiten und Mittel zur Verfügung gestellt bekommen sollten. Das heißt, der Egalitarismus fußt auf der universalistischen Idee von einer sog. Menschheit, die eine Einheit der Menschen suggeriert. Diese Einheit zeichne sich dadurch aus, dass all ihre Mitglieder als Menschen gleich sind. Tatsächlich aber ist dieses Weltbild mit der Realität, in der wir Menschen leben, nicht vereinbar. Daniel Friberg weist die Vereinbarkeit der Weltanschauung der Rechten mit der Realität als ein Vorteil gegenüber den Linken aus, die von der Gleichheit aller Menschen ausgeht, obgleich die Verhaltensforschung, die Anthropologie und die Physiologie andere Erkenntnisse zu diesem Sachverhalt präsentieren können. Der organische Humanismus als eine Anschauung der menschlichen Natur, die Gesellschaften bzw. das gesellschaftliche, soziale Leben als lebendigen Organismus betrachtet, kann hier als Gegenmodell zum linken Egalitarismus herangezogen werden. In einer am organischen Humanismus orientierten Gesellschaftsordnung wird „die Herausbildung von Persönlichkeiten unter ihren Angehörigen, indem sie deren unterschiedliche und weitgefächerte Fähigkeiten in eine identitätsbejahende Gemeinschaft und Kultur mit einem gemeinsamen Ursprung und Schicksal hinein assimiliert“, begünstigt. (FRIBERG, 2016, S. 81)

Eine derartige Gesellschaft muss auch hierarchisiert werden. Dies aber in einem meritokratischen Sinne, d.h. die Entscheidungsträger der Gesellschaft werden nach ihrem Verdienst bzw. der Leistung für das Kollektiv entsprechend ausgewählt. So können sich Persönlichkeiten frei entfalten und je nach ihrer Leistung und ihren Anstrengungen für das Ganze entsprechend mit Verantwortung versehen werden.

Wer „rechts“ ist, ist zugleich antiegalitär und organisch humanitär. Er ist letztlich identitär.

Es geht beim Kampf gegen Rechts nicht nur darum, infantile Triebe gegen Andersdenkende auszulassen. Es geht dabei tatsächlich um die Frage nach Sein oder Nicht-Sein. Bereits die Fragestellung allein zeugt von der durch Instinktlosigkeit gekennzeichneten Zeit, in der wir leben. Eine Gesellschaft oder ein Volk, das diese Frage nicht aus reinem Instinkt her beantworten kann, ist bereits auf dem Weg in den Nihilismus. Dugin spricht hier von der Umkehrung der Zeit. Nehmen wir an, dass die Zeit zyklisch verläuft, dass sie sich also wiederholt, dann haben wir eine echte Chance auf die Abwendung dieser allgemeinen praktischen Transzendenz (ERNST NOLTE), die letztlich darin enden wird, dass der Mensch sich aufgibt, weil er sich selbst überwindet.

Literaturverzeichnis

BARNETT, T. P. M. (2016). Der Weg in die Weltdiktatur. Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Die Strategie des Pentagon (1. Auflage). J.K.Fischer-Verlag, Gelnhausen

DUGIN, A. (2013). Die vierte politische Theorie. 1. Deutschsprachige Ausgabe. Arktos Media

FRIBERG, D. (2016). Die Rückkehr der echten Rechten. Handbuch für die wahre Opposition (2. deutschsprachige Ausgabe). Europa Terra Nostra, Ungarn. Übersetzung von Nils Wegner

NASSEHI, A. (2015). Die letzte Stunde der Wahrheit. Warum rechts und links keine Alternativen mehr sind und Gesellschaft ganz anders beschrieben werden muss. Murmann Verlag

NIETZSCHE, F. Der Wille zur Macht. Hauptwerk der großen Denker. Erstes Buch: Der europäische Nihilismus. Voltmedia GmbH, Paderborn

NOLTE, E. (2011). Späte Reflexionen. Über den Weltbürgerkrieg des 20. Jahrhunderts. Karolinger Verlag, Wien

[1] Im Dezember 2016 ist dazu die deutsche Übersetzung unter dem Titel „Der Weg in die Weltdiktatur. Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Die Strategie des Pentagon.“ vom J.-K.-Fischer-Verlag herausgegeben worden.