Von der Ohnmacht der deutschen Rechten

von | 15. Jul. 2017 | Debatte

In nahezu allen Staaten Europas feiern Parteien der Rechten Wahlerfolge, gewinnen an gesellschaftlichem Einfluss, erschüttern das linksliberale Meinungsklima oder beteiligen sich sogar an Regierungskoalitionen. Solche Parteien können oft nicht in einem weltanschaulichen Zusammenhang gebracht werden, suchen keine Verbindung untereinander – grenzen sich sogar von einander ab. Dennoch gibt es eine entscheidende Gemeinsamkeit: Die Angriffe ihrer vereinten Feinde, die eine Erschütterung des bequemen Status quo fürchten.

Eine vergleichbar erfolgreiche Rechtspartei gibt es in Deutschland nicht. Die inzwischen als solche wahrgenommene aufstrebende „Alternative für Deutschland (AfD)“ kann (noch) nicht dem Nationalen Lager zugerechnet werden. Zu sehr befindet sich die junge Protestkraft in einer Selbstfindungsphase rivalisierender Flügel und Führungspersönlichkeiten ähnlich den frühen Grünen. Im Gegensatz etwa zu Österreich weist das deutsche Nationale Lager eine unübersichtliche Vielfalt an Organisationen, Zeitschriftenprojekten und weltanschaulichen Strömungen auf. Das rechte Denken Österreichs teilt sich demgegenüber immer noch weitgehend auf das katholisch-konservative (z. T. monarchistische) und das national-freiheitliche (z. T. großdeutsche und pronazistische) Lager. Die FPÖ übernimmt auf der national-freiheitlichen Rechten die integrierende Rolle der deutschen „Linkspartei“. Parteien jenseits der FPÖ fristen ein Schattendasein und müssen sich radikalisieren, um sich erfolgreich abzugrenzen. Nahezu die gesamte rechte Infrastruktur (Medien, Vorfeldorganisationen) oszilliert um FPÖ-Strukturen.

In Deutschland lastet das historische Erbe besonders schwer, legitimiert sich doch die BRD genau wie DDR als antifaschistischer Staat. Dieser antifaschistische Konstitutionalismus diskreditiert jeglichen konstruktiven Ansatz der Politischen Rechten. Immer und überall lauert die „Faschismus-Keule“. Es soll aber in dieser Darstellung nicht um schon häufig analysierte Repressalien und Behinderungen durch den Staat gehen, sondern um hausgemachte Defizite deutscher Patrioten.

Gibt es ein Nationales Lager?

Eine monolithische Rechte Szene oder Nationales Lager gibt es freilich nicht. Wer dazu gehört oder auch nicht, entscheiden der politische Gegner und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dennoch existiert noch rudimentär ein rechtes Milieu: Trotz aller persönlichen Animositäten und ideologischen Gegensätze kennt sich die Szene, Sympathie und Gegnerschaft lösen schnell einander ab. Irgendwie rauft man sich aber wieder zusammen. Politisches, Geschäftliches und Privates sind kaum zu trennen. Letztlich ist die Szene auch ein rentabler Markt für Devotionalien, Musik und Bücher. Das politische Engagement kann sich so schnell zum handfesten wirtschaftlichen Interesse wandeln. Überhaupt stellt das Lager eine starke Wirtschafts- und Kaufkraft, aber auch Kontaktbörse dar.

Charakterliche Defizite

Besonders schwer wiegt hierbei der Teufelskreis, der durch die linksliberale Hegemonie ausgelöst wurde und so bis in die 1970er noch nicht bestand: Das Nationale Lager seit etwa den 1980ern rekrutiert sich nicht selten aus lichtscheuen Elementen, Eierdieben und Radioaktiven, die von durchaus idealistischen ehrenwerteren intellektuellen Missionaren umworben werden. Weil das Bekenntnis zu rechten Positionen rufschädigend und gefährlich für Leib und Seele werden kann, bleiben v.a. Vertreter des deutschen Mittelstandes mit eigener Familie und beruflicher Existenz (z.B. Staatsbedienstete) abseits – man hat schließlich einiges zu verlieren. Diese mentale Hürde existiert für Personen nicht, denen ihr Ruf egal ist bzw. deren Ruf schon ruiniert ist – aus welchen Gründen auch immer. Tendenziell findet somit eine personelle Negativauslese statt: Der rechte Dorftrottel wird mit „den Rechten“ identifiziert, der beliebte örtliche Handwerksmeister dagegen mit einer anderen Parteifamilie. Wenn das Nationale Lager überproportional aus zweifelhaften Figuren besteht, schreckt das immer mehr integere Interessierte ab. Der Teufelskreis ist entfacht.

Masse statt Klasse?

Leider wird von vielen nationalen Akteuren vergessen: Klasse statt Masse. Stattdessen herrscht die irrige Meinung vor: Bevor wir keine tauglichen Leute finden, müssen wir uns mit dem begnügen, was wir bekommen. Zum Plakate kleben und Verteilen von Flugzetteln reichen die allemal. Welch ein kurzsichtiger Irrtum! Das wirkt sich besonders dann verheerend aus, wenn sich doch einmal Wahlerfolge einstellen. Mögliche Mandate müssen dann durch untaugliches Personal gedeckt werden. Streitereien, Blamagen und Abspaltungen sind die logische Folge. Gerade bei rechten Mandatsträgern wird jede Schwäche gnadenlos ausgenutzt. Bei unzureichender Personaldecke darf an Wahlen einfach nicht teilgenommen werden! Die peinliche DVU-Fraktion im Magdeburger Landtag 1998 mit fast 13% hat verbranntes Land hinterlassen. Der Normalbürger unterscheidet eben nicht zwischen den verschiedenen rechten Gruppen.

Endstation Ghetto

Mit der Zeit entsteht eine Art rechtes Ghetto, von der Restgesellschaft isoliert. Man „bewegt sich eben nicht im Volk wie der Fisch im Wasser.“ Aus diesem Grund beschäftigen sich Angehörige des Nationalen Lagers mit sich selbst, diskutieren über die immer gleichen Themen, bestärken sich in ihren Ansichten und isolieren sich weiter. Paranoia, Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien verbreiten sich wie ein Flächenbrand. Gerade letztere geben bequeme Antworten auf die eigene Ohnmacht. Schuld an der eigenen Stagnation sind staatlicher Geheimdienst, Berufsantifaschisten, Juden, Freimaurer usw.

Zur Lieblingsbeschäftigung gehört die exotische Themenpflege wie der Neuschwabenland-Mythos, der immerhin Trost und Hoffnung verspricht, aber auch UFOs und alternative Lebensformen. Gerade der Esoterik-Markt findet in rechten Aktivisten lohnenswerte Kunden.

Einseitige Themen

Einseitige Themen sind aber auch Geschichtsrevisionismus und speziell die Holocaustleugnung, beides höchst heikel und im Grunde wirkungslos. Den betreffenden Personen ist es natürlich eine Herzensangelegenheit und sie wollen ihr oftmals vorhandenes Gerechtigkeitsempfinden zum Empfinden aller machen. Tatsächlich interessiert sich der überwältigende Teil des deutschen Volkes herzlich wenig für Geschichte und Holocausterei. Kaum jemand erträgt deren ständige Thematisierung und Instrumentalisierung, egal in welcher Art, egal von wem. Eine „Schlussstrich-Mentalität“ ist allseits vorhanden – da kann man vielmehr ansetzen. Dass Geschichtsrevisionismus eine ganz wichtige Aufgabe ist, steht außer Frage. Entscheidend bleiben die Gewichtung im politischen Kampf und der Zeitpunkt. Viele Revisionisten gehen nämlich irrtümlich davon aus, sollten ihre Thesen zum Allgemeingut werden, dann gebe es einen Aufstand, nach dem Motto: Wir wurden ja belogen! So war das also!

Freizeitgemeinschaft und Anti-Programmatik

Das mangelnde intellektuelle Niveau und die regelrechte Lernunwilligkeit der Szene sorgen dafür, dass kaum brauchbare Aktivisten zu finden sind, die organisieren, sich artikulieren und qualifizierte Arbeiten (z.B. in Fachausschüssen, evt. Mandatswahrnehmung, Behördengänge) ausführen können. Stattdessen erfreuen sich rechte Aktivisten am äußeren Habitus historischer Vorbilder. Mit deren Inhalten beschäftigen sich die wenigsten. Eine Form von rechter Spaß- und Freizeitgesellschaft mit Konzertbesuchen, Abenteuerdemos und martialisch-pathetischen Kameradschaftsabenden herrscht vor. Der integrative Aspekt ist vollkommen gerechtfertigt und notwendig, nur dürfen sich politische Aktivitäten nicht darauf beschränken.

Mangelnde geistige Alternativen verleiten häufig dazu, den Erfolg im blinden Aktionismus zu suchen. Man macht etwas, um etwas zu tun. Das beruhigt so manches Gewissen. Durchaus lobenswerte Aktionen verpuffen ohne wirklichen Inhalt. Bleibt dann der Erfolg aus, resignieren die einstigen Aktivisten: „Für wen tun wir das eigentlich? Das Volk hat es ja nicht anders verdient!“

Die überschaubaren Zirkel intellektueller Geister beschränken sich wiederum auf die Analyse des zu überwindenden Status quo. Sie erklären überzeugend, wie es zu dieser allgemeinen Degeneration kommen konnte, vernachlässigen jedoch den positiven Gegenentwurf. Besonders in konservativen Kreisen herrscht diese Anti-Programmatik vor. Man macht aus seiner visionslosen Not eine Tugend: Für Utopien und Phantastereien sei die Linke zuständig, man ist ja realistisch. Es wird vergessen, dass ja jede erfolgreiche Idee durch das Stadium der Einsamkeit und Lächerlichkeit gehen musste. Im Zeichen allumfassender Orientierungslosigkeit braucht es wirkungsmächtige Visionen, Mythen und zukunftsträchtige Konzepte. Das hat mit dem berühmten gesellschaftlichen Konstruieren am isolierten Schreibtisch nicht zwingend zu tun.

Nationaler Tunnelblick

Das Ausland zeigt durchaus geistige Alternativen auf. In Italien, Frankreich und Russland gibt es mehrere originelle Denkschulen, die eine bestimmte Idee pflegen. Andere Länder orientieren sich daran und passen diese Gedanken ihren Traditionen an. Freilich muss darauf geachtet werden, dass Denkschulen nicht zur Angelegenheit literarischer Salons verkommen dürfen. Neben Skandinavien und Niederlande zeigt sich aber Deutschland besonders resistent gegen Denkschulen und die Pflege geistiger Traditionen. Gerade die „Konservative Revolution“ (im Sinne Mohlers) findet in Osteuropa und Frankreich großen Anklang, fristet aber in ihrem Heimatland ein Schattendasein. Solche fundamentalen Themen wie Geopolitik (vielleicht die deutscheste aller Disziplinen) und Wirtschaftsalternativen werden seit Jahren in Italien, Frankreich und Russland auf höchstem Niveau diskutiert, in Deutschland dagegen ignoriert. Man soll sich nicht täuschen, ausländische Gesinnungsgenossen beobachten uns aufmerksam und bedauern dieses geistige Defizit.

NS-Nostalgie

Aus dem Mangel an tragfähigen und anziehenden Alternativen heraus stürzen sich erhebliche Vertreter des Nationalen Lagers auf die nationalsozialistische Vergangenheit. Diese Zeit wird kritiklos glorifiziert. Durchaus nachvollziehbar: Über das Dritte Reich gibt es greifbare Dokumente und Zeugnisse. Das fängt mit Filmen an, geht über Symbole und Zeitzeugen und endet mit „behakenkreuzten“ Briefmarken. Hitler hatte zeitweise Erfolg, die langweiligen Vertreter der „Konservativen Revolution“ kann man nur Anhand ihrer Schriften erfassen. Die NS-Vergangenheit ist also greifbar und sichtbar. Das Beste aber ist: man kann herrlich provozieren. Für den BRD-Staat ist die Zeit zwischen 1933-1945 das schlimmste, was es auf Erden gab, also muss es für System-Gegner folgerichtig der Idealzustand sein. Diese Nostalgie führt in die Sackgasse: die Zeiten haben sich nämlich geändert, das Dritte Reich war nicht fehlerlos und sein höchster Repräsentant – der letzte demokratisch gewählte Reichskanzler -, lebt nicht mehr. Neue Lösungen für neue Probleme in einer neuen Zeit müssen her! Ansonsten ist man genauso historisch wehleidig wie DDR-Nostalgiker.

Das Dritte Reich hatte in seinen sechs Friedensjahren gar keine Möglichkeit, ein starkes Profil zu entwickeln, Hitler musste stattdessen zwischen den verschiedensten Strömungen und Einzelinteressen vermitteln. Er selbst vertrat bescheiden den kleinsten gemeinsamen Nenner, um nicht anzuecken. Eine solche Dauerphase des Experimentierens und Umherlavierens kann nicht als programmatisches Fundament dienen. Daher ist auch die Bezeichnung Neonazi falsch – was ist das Neue? Das europäische Ausland setzt zum großen Teil auch auf historische Vorfahren, hat diese aber wesentlich weiterentwickelt.

Vertrauen auf ein neues „1933“

Der Glaube an ein neues „1933“ ist auch außerhalb des NS-Milieus zu finden. Ähnlich dem Geschichtsdeterminismus Orthodoxer Marxisten des ausgehenden 19. Jh. gehen zahlreiche rechte Aktivisten davon aus, ihre Tätigkeit sei zum Erfolg verdammt. Gerade während der größten Wirtschaftskrise sucht man Parallelen in der Vergangenheit: Was haben unsere Ahnen getan? Wirtschaftskrise + unausweichliche Soziale Krise + höchstwahrscheinliche Systemkrise treibt die Massen nach rechts. Aus Kameradschaftsführern von heute werden Staatslenker von morgen. Möglich, aber keineswegs sicher. Das Nationale Lager hält sich für besonders wissend und aufgeklärt. Auch hier der Anti-System-Reflex: Alle Informationen etablierter Medien sind per se falsch, verlogen und manipuliert. Demnach: Alle Informationen und Behauptungen aus der Szene sind per se richtig. Die abstrusesten und widersprüchlichsten Behauptungen werden zum rechten Allgemeingut. Die Freimaurerei ist so streng geheim, dass es trotzdem Unmengen an Aufklärungsliteratur gibt. Irgendein anonymer Aussteiger gibt genaueste Auskunft über jüdische Weltherrschaftspläne.

Unterschätzen religiöser Fragen

Ein großes Problem ist das Unterschätzen religiöser Fragen. Ein großer Teil – auch aus dem konservativen Lager -, äußert sich kaum zur Religion. Unter pronazistischen Gruppen ist es dagegen Mode, Christentum und Kirchen abzulehnen und ein germanisches Heidentum zu reaktivieren. Ersteres sei artfremd und jüdisch, letzteres die adäquate deutsche Religion. Dabei sind überzeugte Heiden Mangelware, ein zur Schau gestelltes Heidentum mit Sonnenwendfeuer, das sich in antichristlicher Rhetorik selbst genügt, dagegen die Norm. Dabei war der deutsche Nationalismus seit den antinapoleonischen Befreiungskriegen meist überkonfessionell, aber nicht atheistisch oder antichristlich. Im Gegenteil: Gerade Protestantismus und Katholizismus hatten ihren festen Platz. Allein im deutschen Kaiserreich bevorzugte man die protestantische Konfession. Protestanten und Katholiken müssen unbedingt ihren festen Platz im Nationalen Lager erhalten, sonst überlässt man Millionen christlicher Patrioten den linksliberalen Gutmenschen beider Amtskirchen. Dagegen bietet sich die germanisch-christliche Synthese geradezu an. Ernst Moritz Arndt empfahl die Errichtung einer neuen Irminsul als Symbol für die Gefallenen der antinapoleonischen Befreiungskriege. Die Irminsul repräsentiert dabei den freiheitsliebenden heidnischen Germanen (im Kampf gegen die Römer) und den christlichen Deutschen (im Kampf gegen die Franzosen).

Exkurs: Neuheidentum

Bei Deutschlands Neuheiden muss zwischen zwei Gruppen unterschieden werden: Die Primärreligiösen und die Primärpolitischen. Bei letzteren handelt es sich um Verlegenheitsheiden, die ihre politische Programmatik religiös (als Ethno-Religion) legitimieren und der Christlichen Internationale eins auswischen wollen. Die Primärreligiösen sind dagegen eine eigene heterogene Subkultur, die ich näher betrachten will.

Das religiöse Wissen unserer Ahnen speist sich häufig aus römischen und christlichen Quellen. Die damit unvermeidliche parteiische Sichtweise und Verfälschungen werden so zur Realität, authentische Quellen sind ja Mangelware. Eine bemerkenswerte Ausnahme finden wir in den ariosophischen Schriften, die sich aus zweifelhaften Quellen mit einer urzeitlichen ario-germanischen Hochkultur befassen. Für einen wirkungsmächtigen nationalen Mythos reicht das als Grundlage einer religiösen Neugeburt dagegen nicht. Die Existenz der Irminsul (truncus ligni) ist auch nicht geklärt, das Symbol entstammt dem Felsrelief der Externsteine, dennoch wird es von einem Großteil mangels Alternative übernommen. Das germanische Heidentum war wie alle Religionen nicht statisch, sondern setzte verändernde Schwerpunkte (z.B. welche Gottheit im Zentrum der Verehrung steht). Man darf nicht unterschätzen, wie sehr das heidnische Europa im Christentum, v.a. im Katholizismus konserviert wird. Damit Europa christlich wurde, musste sich das junge Christentum entorientalisieren. „Das Heidentum ist das andere Alte Testament der Kirche“ (Dávila). Europa ist im Grunde immer heidnisch geblieben, nur die äußere Form ist christlich. Die heidnisch-christliche Synthese wird im mittelalterlichen Rittertum offensichtlich. Was hat Europa dem Christentum nicht alles zu verdanken? Selbst unser Adler-Wappen entstammt dem römisch-imperialen Vorbild. Otto III. führte es ganz  im Geist der deutschen Renovatio Imperii Romanorum ein. Warum bekennen wir uns nicht wie Briten, Russen, Japaner und Franzosen zu unserer gesamten Geistestradition?

Es fehlt an Inhalt und Spiritualität, die rudimentären Rituale wirken sehr akademisch: Aus einem Ritus ist niemals ein Glaube entstanden, sondern genau umgekehrt. Ein Ritual vergegenwärtigt sakrale Ereignisse der Vorzeit. Die heidnischen Vordenker unserer Tage erinnern mehr an Freizeithistoriker als an spirituelle Wegweiser. Sie kritisieren am Christentum Dogmatik und Intoleranz, sind aber selbst sehr dogmatisch und zänkisch. Bis heute scheiterte jeder Versuch, einen geeinten Dachverband zu gründen oder sich auf eine gemeinsame Jahreszählung zu einigen. Alles wirkt künstlich und konstruiert. Viele Neuheiden sind eher säkularisierte Christen, die sich äußerlich heidnisch geben. Das theologische Defizit behebt man mit buddhistischer oder indianischer Spiritualität (Der edle Indianer hat es uns Deutschen besonders angetan), Meditation, Alternativmedizin, fleischlose Ernährung und autarken Siedlungsprojekten. Das Neuheidentum besteht folgerichtig häufig aus Aberglauben, Blutsmythos, Verehrung von Elementarwesen und New-Age-Esoterik, dagegen fehlen Formen von Initiation und metaphysischem Streben.

Die Primärreligiösen – nicht die Primärpolitischen -, sind ironischerweise von allen Rechten am wenigsten naturverbunden. Sie erinnern stark an die GRÜNEN: Stadtmenschen, hoher Frauenanteil mit dem unvermeidlichen Doppelnamen, hohe Akademikerrate, wohlhabend und noch mehr vom Volk entfernt als jede andere rechte Subkultur. Wer einer Veranstaltung dieses Klientel beiwohnt, fühlt sich unwillkürlich an Hippies erinnert. Die Primärpolitischen erinnern dagegen eher an puritanische Amish People. Das Neuheidentum der BRD erscheint lächerlich und besonders hoffnungslos. Neuheiden sind die Trotzkisten der deutschen Rechten. Dass es auch andere respektablere Formen gibt, zeigen die Beispiele in Skandinavien, Osteuropa, Baltikum und Großbritannien. Um das erkennen zu können, muss man aber den nationalen Tunnelblick überwinden.

Fehlen einer charismatischen Persönlichkeit

Das wohl größte Problem für schnelle Erfolge stellt das völlige Fehlen einer charismatischen Integrationsfigur dar. Potentielle Volkstribune gab es ab und an schon, versagten aber ihrer Eitelkeit oder intellektueller Defizite wegen. Eine solche Integrationsfigur à la Le Pen oder Haider personifiziert für die breite Masse das politische Wollen. Dahinter sollte es jedoch ein moderierendes Direktorium geben, das in der Tradition altrömischer Triumphwagenlenker ständig mahnt: „Bedenke, dass Du ein Mensch bist!“ Auch für Vor- wie Negativbilder kann das Ausland reichliche Beispiele geben.

Imponierende Persönlichkeiten gibt es zwar, doch verstehen sich diese als Goebbels-Imitatoren, Sonnenkönige und von der Vorsehung erwählte Führer. Vertreter dieser Gattung hätten durchaus ihren festen Platz, wenn sie sich selbst nicht so wichtig nehmen würden. Es sind dann verletzte Eitelkeiten und  persönliche Animositäten, die ein Zusammenarbeiten scheitern lassen. Entsprechend dominieren in der „rechten“ Nachrichtengestaltung auch Klatsch- und Tratschgeschichten à la BILD und BUNTE. Die abgenutzten Begriffe „Kameradschaft“ und „Volksgemeinschaft“ wurden gerade dadurch versaut.

Mangelnde Kenntnis der Politischen Linken

Es ist zudem ein Gebot der Stunde, die Politische Linke neu zu bewerten. Längst hat diese marxistische Positionen weitgehend über Bord geworfen, stattdessen werden utopische soziale Wohltaten à la „Reichtum für alle“ eingefordert, ohne den sozioökonomischen Status quo anzutasten. Ein großzügiger Antifaschismus dominiert die neulinke Programmatik. Von dieser Seite sind in schweren Krisenzeiten keine Antworten zu erwarten.

Das Nationale Lager sollte sich dringend mit DDR-Nostalgikern auseinandersetzen, das Hauptklientel der „Linkspartei“. Diese wird in Mitteldeutschland in erster Linie gewählt, weil sie als Regionalpartei und Anwältin des Ostens wahrgenommen wird. DDR-Nostalgiker verklären ihren untergegangenen Staat nicht als marxistischen Versuch einer besseren Gesellschaftsordnung, sondern haben vielmehr konservative Motive. „In der DDR gab es Recht und Ordnung. In der DDR konnten unsere Frauen nachts durch den Park spazieren. In der DDR gab es Solidarität und Gemeinschaftssinn. Und: In der DDR gab es kein Ausländerproblem.“ Warum also, muss man dieses Potential dem weltanschaulichen Feind überlassen. Schließlich haben die heutigen Aushilfskommunisten ihr Proletariat verloren,  stattdessen setzen sie lieber auf sexuelle, ethnische und religiöse Minderheiten. Mit dieser Verlegenheitslösung lässt sich jedoch nichts mehr erreichen. Letztlich wird die Linke über Einwanderungsproblematik und Nation stolpern, wie sooft in ihrer Geschichte.

Ausblick

Man darf sich keiner Illusion hingeben. Ein geschlossenes, geeintes Nationales Lager hat es im In- und Ausland zu keiner Zeit gegeben und wird es auch nicht geben. Organisatorische und weltanschauliche Zersplitterung führen ja erst zu Erneuerung und Profilschärfe – Einheit und stete Erfolge lähmen. Momentan streiten verschiedene Geistesströmungen und Persönlichkeiten um die Hegemonie, doch es drängt die Zeit. Solche fundamentale Fragen nach alternativem Staatsaufbau, Staatsform, Europabild, Verhältnis zur Islamischen Welt und USA und Wirtschaftsalternativen sind unbefriedigend diskutiert und verlangen nach einem festen Standpunkt.

Das Nationale Lager mit seinen Subkulturen wird durchaus breiten Zulauf erhalten, seine Sozialstruktur und Mentalitäten aber verlieren. Bestehende Strukturen nehmen nicht einfach an Unterstützung zu und momentane Kader, die sich schon als Regionalfürsten sehen, erhalten nicht einfach neue Schäfchen, sondern das Lager wird übernommen und ein Großteil des bestehenden Personals hinausgedrängt oder degradiert. Es bleiben die herausragenden Persönlichkeiten und ausgefeilten Programme. Die Szene taugt heute lediglich als Kontaktbörse für Idealisten und ernsthafte Denker. Das ist ihr eigentlicher Wert.

Es empfiehlt sich darum die Schaffung mehrerer Denkschulen. Ob diese einer Partei nahe steht oder nicht, hat gravierende Vor- wie Nachteile und kommt auf den Fall an. Fundamentalopposition darf nicht an eine Partei gebunden sein, da Parteifunktionäre kompromittierende Forderungen verhindern müssen, um gewählt zu werden. Jede Denkschule braucht feste allgemeine Prinzipien, um sich von anderen abzugrenzen. Innerhalb solcher Integrale muss es einen großzügigen Spielraum mit mehreren Strömungen geben, um Erstarrung und Sektiererei auszuschließen. Sie entwickeln sich zu Quellen weltanschaulicher Alternativen, die zu gegebener Zeit gefragt sein werden. Denkschulen ersetzen keine breiten Organisationen, sondern geben ihnen erst das Ziel vor. Jede erfolgreiche Idee muss durch das Stadium der Einsamkeit und Lächerlichkeit.