Jörg Baberowski und die ewige Linke

von | 13. Jul. 2017 | Deutschland und die Welt

Jörg Baberowski ist Professor für die Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität zu Berlin und er „vertritt rechtsradikale Positionen“[1], zumindest, wenn es nach dem Allgemeinen Studierendenausschauss (AStA) der Universität Bremen geht. Diese Behauptungen wurden auf einer geplanten Besprechung über Baberowskis Buch „Räume der Gewalt“ von Studenten, die dabei maßgeblich von der AStA unterstützt wurden, verbreitet. Nun ist es nicht unbekannt, dass Universitäten schon lange linke Freiräume bilden[2][3], doch auch ein nach dem Humboldtschen Bildungsideal lehrender Professor[4] scheint vor Angriffen nicht mehr sicher zu sein. Seine Vorlesung musste an einem anderen Ort stattfinden.

Jörg Baberowski klagte gegen diesen Rufmord und das Kölner Landgericht verbot daraufhin, ihn einen Rassisten nennen zu dürfen, allerdings dürfe er weiterhin als rechtsradikal bezeichnet werden. Der errungene Teilerfolg wurde aber von der nächsthöheren Instanz aufgehoben. Nachdem Baberowski selbst die einstweilige Verfügung zurückgezogen hatte, darf er nun weiterhin mit den genutzten Attributen bezeichnet werden[5]. Wie aber kam es zum Konflikt um Baberowski?

Baberowskis Werdegang

Baberowski wurde 1961 geboren und studierte von 1982 bis 1988 Geschichte an der Universität Göttingen. 1994 promovierte er und sechs Jahre später folgte die Habilitation an der Uni Tübingen. Seit 2002 hat er seinen Lehrstuhl an der Berliner Humboldt-Universität inne. In seiner Jugend war er Anhänger des „Kommunistischen Bundes Westdeutschland“ (KBW). Der Schritt ins linke Lager erfolgte aus dem allgemeinen Rebellentum gegen die Eltern, wohl aber auch aus dem gesellschaftspolitischen Kontext der Zeit heraus. Er selbst sagt, dass eine Kampfschilderung seines Vaters im 2. Weltkrieg zur Abwendung von ihm geführt hätte. Aus diesem Grund studierte er Geschichte und Philosophie, da er sich nicht erklären könne, wie der liebende Vater gleichzeitig ein gewissenloser Mörder sein kann[6].

Jörg Baberowski suchte nach Erklärungen für die Handlungen der Kriegsgeneration. Dabei nutzte er intensiv russische Archive, die er ab 1991 regelmäßig durchforstete. Im Laufe der Zeit wurde er ein  angesehener Stalinismus- und Gewaltforscher. Seine Entwicklung erinnert ein wenig an die Ernst Noltes, den er 2014 mit folgender Aussage entlastete: „Nolte wurde Unrecht getan. Er hatte historisch recht“[7]. Im Folgenden wollen wir herausfinden, was Baberowski veranlasste, den diskreditierten Nolte nicht mehr aus dem wissenschaftlichen Diskurs heraus halten zu wollen.

Ernst Noltes Leben und Werk

Ernst Nolte wurde 1923 im Ruhrgebiet geboren. Seine Kindheit und Jugend wurden durch die politischen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten in der Weimarer Republik und durch das 3. Reich geprägt. Er war wegen der Behinderung, ihm fehlten an der linken Hand 3 Finger, nicht kriegstauglich und studierte während des Krieges. In den frühen Jahren seiner Tätigkeit als Historiker, was zunächst nur in der Freizeit erfolgte, da Nolte noch als Lehrer arbeitete, setzte er sich viel mit marxistischen Schriften auseinander. Das 1963 erschienene Buch „Der Faschismus in seiner Epoche“ machte ihn über Nacht zu einem der bekanntesten deutschen Historiker. Sein Werk unterschied sich dadurch, dass er eine Vielzahl von politischen Bewegungen zwischen den Weltkriegen unter dem Begriff Faschismus summierte. Damit stärkte Nolte eine linke These, da die Kommunisten sich ja als Antifaschisten betrachten, und es verwundert nicht, dass er zu dieser Zeit als Linker bezeichnet wurde.

Im Jahr 1986 wurde Ernst Nolte zu einem der umstrittensten Historiker in Deutschland. Sein Artikel „Vergangenheit, die nicht vergehen will“[8] löste eine zweijährige Diskussion, den Historikerstreit, aus, an dessen Ende der Sieg der ideologisierten über die freie Wissenschaft stand. Fortan wurde Nolte als rechts oder revisionistisch bezeichnet.

Doch weshalb kam es zu den Anfeindungen gegen Nolte?

Noltes Theorie des kausalen Nexus war den 68ern ein Dorn im Auge, weil sie ihre ideenpolitische Vorherrschaft gefährdete. Der kausale Nexus nimmt an, dass die faschistischen Bewegungen nur eine Reaktion auf den Bolschewismus gewesen seien. In dem Zeitungsartikel beschrieb es Nolte so: „Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine ‚asiatische‘ Tat vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer ‚asiatischen‘ Tat betrachteten? War nicht der ‘Archipel GULag‘ ursprünglicher als ‚Auschwitz‘? War nicht der ‚Klassenmord‘ der Bolschewiki das logische und faktische Prius des ‚Rassenmords‘ der Nationalsozialisten?“[9].

Seine Gegner sahen darin nicht weniger als die Relativierung des Holocausts. Dementsprechend war es ein Leichtes, seinen Namen zu beschmutzen. Die Ideologisierung der Debatte führte dazu, dass der Historikerstreit immer mehr zu einer „geschichtspolitischen statt einer geschichtswissenschaftlichen“[10] Auseinandersetzung wurde.

Es ist bezeichnend, dass gerade Noltes Kritiker ihm Relativierung, verbunden mit politischen Absichten, unterstellten. Sprach doch sein größter Gegenspieler im Historikerstreit, Jürgen Habermas, von einer „Vertreibung von 7 Millionen Kulaken unter Stalin“[11]. Nolte war immer um Objektivität bemüht, er drückte es einst selbst passend aus als er sagte, er hätte sich selbst nicht verändert, sondern die Gesellschaft um ihn herum sei eine andere geworden. Mit dieser Aussage verdeutlichte Nolte, was immer erkennbarer wurde, nämlich die metapolitische Vorherrschaft der Linken, die auch vor dem wissenschaftlichen Diskurs nicht halt machte, weshalb er bereits 1970 den „Bund Freiheit der Wissenschaft“ ins Leben rief.

Der Fall Babrowski

Zurück zu Baberowski. Nicht nur durch die Aussage über Nolte und seine Publikationen machte er sich die Linken zum Feind, auch eine kritische Sicht auf die Masseneinwanderung im Jahr 2015 war für seinen Ruf nicht gerade förderlich. Der Höhepunkt wurde wahrscheinlich 2014 erreicht, als Baberowski den Trotzki-Biografen Robert Service zum Doktorandenkolloquium einlud. Service ist ein Historiker, der darlegt, dass der Kommunismus unter Trotzki nicht weniger gewaltsam hätte sein müssen, als er tatsächlich unter Stalin war. Trotzki als Vertreter der permanenten- und Weltrevolution verfolgte letzten Endes nur eine andere Strategie als der Stählerne Generalsekretär.

Der AStA der Uni Bremen arbeitete bei der Aktion im Oktober 2016 mit der International „Youth and Students for Social Equality“ (IYSSE) zusammen. Diese ist die Jugendorganisation der „Sozialistischen Gleichheitspartei“ (SGP), die sich wiederum als Teil des „ internationalen Komitees der Vierten Internationale“ sieht[12].

Bei so viel Gleichheit, Sozialismus und Internationalität weiß man schon, woher der Wind weht, doch in der bundesdeutschen Presselandschaft ist jeder gern gesehen, der an der Realität vorbei schaut. Ihre Agitation von Militarismus und Arbeiterklasse und dass diese sich jetzt weltweit erheben müsse, um den 3. Weltkrieg zu verhindern, zeigt uns, wie realitätsfern jemand ist, der in Ideen des 19. Jahrhunderts verharrt.

Wer die SGP nun aber als unbedeutende radikale Splittergruppe innerhalb der Linken sieht, der täuscht sich. Zum einen zeigt die Schmierenkampagne[13] gegen Baberowski, wie effektiv solche Nadelstiche sind, die unliebsame Personen aus dem öffentlichen Diskurs drängen wollen. Dabei werden neben der etablierten Qualitätspresse auch eigene Netzseiten genutzt, die den eigenen Anhängern zu Schulungszwecken dienen[14]. Gerade die „World Socialist Web Site“ (WSWS), für die der SGP und IYSSE Aktivist Christoph Vandreier schreibt, verdeutlicht das Netzwerk, was hinter zahllosen „unabhängigen“ Organisationen steckt. Betreiber der WSWS ist David North, ein großer Kritiker von Robert Service. Mit dieser Erkenntnis wird das Zusammenspiel der Einzelakteure deutlich.

Zum anderen hat die SGP einen Einfluss auf größere linke Parteien und Organisationen. Die linke Selbstzerfleischung in der Öffentlichkeit, also die Kritik an den Sozialdemokraten seitens der Linken und Grünen, während diese wiederum von radikalen Kräften, wie der SGP, angefeindet werden, darf nicht dazu verleiten, die jeweiligen Organisationen als geistig völlig unterschiedlich zu betrachten. Worin unterscheidet sich beispielsweise die Antikriegskampagne der SGP von der der Linkspartei? Auch auf militante Antifas wirkt die Arbeit der SGP. Und diese stellen sich mit der Zivilgesellschaft gern in den Dienst, wenn zum „Kampf gegen Rechts“ mobilisiert wird.

[1]http://www.berliner-zeitung.de/berlin/prozess-in-koeln-berliner-professor-darf-als-rechtsradikal-bezeichnet-werden-27749396

[2]http://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/studentenproteste-afd-treffen-nach-boellerwurf-abgebrochen

[3]https://www.youtube.com/watch?v=cSMz0pcrM18

[4]https://www.youtube.com/watch?v=s2J77x3mFUs

[5]http://www.tagesspiegel.de/wissen/rechtsstreit-ums-rechtssein-hu-professor-unterliegt-gegen-den-bremer-asta/19893490.html

[6]http://www.zeit.de/2017/16/joerg-baberowski-humboldt-universitaet-studenten-streit-rechtsextremismus

[7]Dirk Kurbjuweit, „Der Wandel der Vergangenheit“, in: Der Spiegel 7/2014, S. 115, 116.

[8]https://www.staff.uni-giessen.de/~g31130/PDF/Nationalismus/ErnstNolte.pdf

[9]https://www.staff.uni-giessen.de/~g31130/PDF/Nationalismus/ErnstNolte.pdf

[10]Gerlich, Siegfried: Ernst Nolte- Portät eines Geschichtsdenkers.

[11]http://podcast.jungeuropa.de/von-rechts-gelesen-sondersendung-nachruf-auf-ernst-nolte/

[12]http://www.gleichheit.de/resolutionen/umbenennung/

[13]https://www.youtube.com/watch?v=xUSB1Hz7edA

[14]https://www.wsws.org/de/articles/2015/09/12/babe-s12.html