Extremismus-Erläuterungen

von | 04. Mrz. 2017 | Philosophie & Theorie

Die „politische Mitte“ ist nach Ansicht des Publizisten Manfred Kleine Hartlage stets dort, „wo sich die Machthaber, deren Meinungsmanipulatoren und folglich auch die Masse des Volkes befinden“[1]. Hingegen ist „der Extremist“ nüchtern betrachtet eigentlich nur jemand, der aufgrund einer abweichenden Wahrnehmung zu anderen Schlussfolgerungen als die breite Masse findet und daher eine Alternative zur aktuellen „Mitte“ vertritt. In Zeiten, in denen sich der herrschende Linksliberalismus auf EU-Ebene jedoch in Richtung einer neuen Marxismusvariante zu entwickeln scheint, ist es keine neue Erkenntnis, dass „der Extremist“ in der politischen Rechten zu verorten und damit quasi zu verteufeln ist. Würde „der Extremist“ als Teil einer normalen politischen Einheit betrachtet werden, könnte er zwar durchaus eine wichtige Korrekturfunktion wahrnehmen und helfen, Fehlentwicklungen des Gemeinwesens zu verhindern. Doch im politischen Diskurs der BRD ist der rechte „Extremist“ eben der „innere Feind“, dessen Ansichten nicht einmal geäußert werden dürfen, sondern möglichst kriminalisiert und verfolgt werden müssen („Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“). In seinem Schlüsselwerk „Der Begriff des Politischen“ hat Carl Schmitt erkannt, dass eine derartige Bestimmung des „inneren Feindes“ je nach dem Verhalten des zum Staatsfeind Erklärten tendenziell die Auflösung eines Staates als einer in sich befriedeten politischen Einheit bedeuten muss[2].

Die Friedloslegung des „inneren Feindes“ wird dabei typischerweise dadurch vorgenommen, dass frei nach Hegels „Herrschaft des Verdachts“ für Angehörige bestimmter „extremistischer Organisationen“ ein Mangel an friedlicher und legaler Gesinnung vermutet wird: So würden die  „Rechtsextremisten“ die im Grundgesetz verbrieften Grundrechte lediglich dazu missbrauchen, „die Verfassung zu untergraben“, um diese Grundrechte dann bei der nächstbesten Gelegenheit selbst abzuschaffen. Und als „geistige Brandstifter“ sind sie freilich bereits heute für die hier und da zu verzeichnende „politische Kriminalität von rechts“ verantwortlich („Biedermann & Brandstifter“). Für das herrschende politische Establishment zeigt sich an dieser Stelle allerdings das entscheidende Dilemma: Die Abgrenzung zwischen dem Gedankengut, das „noch“ akzeptabel ist („noch innerhalb des Verfassungsbogens“) und dem „extremistischen“ Gedankengut, das bereits den „Tatbestand“ der „geistigen Brandstiftung“ erfüllt, kann niemals eindeutig und trennscharf sein. Somit wird der Willkür Tür und Tor geöffnet und die „Freiheitlich Demokratische Grundordnung“ wird ad absurdum geführt. Ausdruck dieses Irrsinns sind dann die sogenannten „Verfassungsschutzberichte“, die nicht dazu dienen, politisch motivierte Gewalt einzudämmen, sondern grundsätzlich dazu benutzt werden, zulässige Positionen zu stigmatisieren und den „deutschen Michel“ davon abzuhalten, die „falschen Akteure“ zu unterstützen.

Wie Josef Schüßlburner[3] richtig bemerkt, ist in diesem Zusammenhang auch die banale Tatsache zu berücksichtigen, dass „extremistische“ Bürger oder einzelne, randständige Organisationen die Verfassung gar nicht verletzen können, da sie weder einen Kanzler noch Gesetze verkünden würden. Woher soll in einer freien Demokratie mit vollendeter Volkssouveränität denn der innere Verfassungsfeind überhaupt herkommen? Die Verletzung der Verfassung drohe vielmehr vor allem nur durch den Staatsapparat selbst. Und tatsächlich beobachten wir heute die forcierte Abwicklung der Demokratie, die darin besteht, das Volk als staatsgebende Gewalt zugunsten einer bloßen Bevölkerung, bestehend aus verschiedenen ethnischen Minderheiten, aufzulösen. Zur Lösung der hier skizzierten „Extremismus-Problematik“ muss das politische Establishment dringend aufgefordert werden, seinen „Verfassungsschutz-Extremismus“ (Schüßlburner) zu überwinden und endlich auch in der BRD „normale“ demokratische Prinzipien unverbrüchlich zu verwirklichen. Artikel 3 und 5 des Grundgesetzes sind endlich so zu verstehen wie sie geschrieben stehen: Man darf eine politisch rechte Auffassung haben und sie in aller Freiheit auch verbreiten, um Anhänger und Wähler zu gewinnen, natürlich mit dem Ziel, Wahlen zu gewinnen, um dann parlamentarisch die Regierung stellen zu können.

Literaturhinweise

[1]Manfred Kleine-Hartlage: Die Sprache der BRD. Edition Antaios, Schnellroda 2012
[2]Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen. Duncker & Humblot, Berlin, 2009; Neusatz auf Basis der Ausgabe von 1963
[3]Josef Schüßlburner: „Verfassungsschutz“ – der Extremismus der politischen Mitte. Institut für Staatspolitik, Wissenschaftliche Reihe (Heft 30), Schnellroda 2016