Europa, ein wehrloser Kontinent?

von | 24. Sep. 2023 | Deutschland und die Welt

Teil 1: Vom Untergang des Westens

„Die Einigung Europas gleicht dem Versuch, ein Omlett zu backen, ohne Eier zu zerschlagen.“

Paul Lacroix (1806-84), frz. Schriftsteller

 

Es ist Krieg in Europa. Für viele Zeitgenossen war es ein Schock, als am 24. Februar 2022 russische Truppen ukrainisches Staatsterritorium betraten und ein nun offener Krieg zwischen zwei Parteien auf europäischem Boden ausbrach. Dieser Krieg war allerdings nicht unvorhersehbar, sondern gehörte durchaus zu den wahrscheinlicheren Szenarien. Im Grunde genommen fand bereits seit 2014 ein Konflikt mit niedriger Intensität statt, in dem Menschen getötet wurden, in denen Menschen aufeinander schossen und in dem auch wie immer Unschuldige sterben mussten. Damit ist die europäische Friedensordnung vollkommen auseinandergebrochen. Die Weltordnung löst sich ebenfalls allmählich auf. Dieser Krieg in der sarmatischen Tiefebene ist ein Kampf zwischen mehreren Entitäten, die um die Vorherrschaft auf der Eurasischen Weltinsel miteinander konkurrieren. Die bisher unangefochtene „einzige Weltmacht“ (Zbigniew Brzeziński) USA mischen sich nicht nur in diesen Konflikt ein, sondern scheinen eine federführende Rolle auf westlicher Seite zu spielen. Gleichzeitig beobachtet China die Ereignisse aus der Ferne und zündelt selbst im Indopazifik, was die Weltordnung weiterhin auf die Probe stellen dürfte. So leidvoll diese Entwicklungen für die Menschen in der Ukraine sein mögen, haben sie auch nicht nur negative Auswirkungen auf Europa. Denn in Krisenzeiten zeigt sich wie stabil ein System, eine Ordnung tatsächlich ist.

 

Papiertiger EU

Der österreichische Kabarettist Werner Schneyder soll einmal gesagt haben, dass Europa aus Staaten bestehe, „die sich nicht vorschreiben lassen wollen, was sie selbst beschlossen haben“. Zwar etwas plakativ, jedoch ein treffendes Bild über die europäische Wirklichkeit. Europa wird politisch meist fälschlicherweise gleichgesetzt mit der EU, doch nicht einmal zwei Drittel der zu Europa gezählten Länder gehören zu der Europäischen Union. Die Fläche aller EU-Mitgliedsstaaten umfasst gerade mal zwei Fünftel des gesamten Kontinents, wobei in dieser Berechnung Kasachstan komplett und Russland (mit knapp 4 Mio. km2) zum Teil zu Europa gezählt werden, obgleich sie bereits an der Schwelle zu Asien stehen. Insbesondere Russland kann als Entität nicht eindeutig Europa oder Asien zugeschrieben werden. Das ist höchstens eine rein kartografische Einteilung, hat mit den politischen Wirklichkeiten jedoch kaum etwas zu tun.

Die Europäische Union ist, wie ich das bereits in der letzten Ausgabe der AGORA Europa[1] versucht habe zu skizzieren, ein instabiles System, dem zwar gerne in der eurokritischen[2] und eurokratischen Propaganda ein bundesstaatsähnliches Konstrukt bescheinigt wird, in Wirklichkeit jedoch nicht einmal dem Papier nach Bundesstaat oder Konföderation[3] ist.

Der ehemalige Präsident des EU-Parlamentes, Martin Schulz, drückte es einmal in einem Spiegel-Interview so aus: „In der EU wird der Erfolg nationalisiert und der Misserfolg europäisiert“.[4] Die EU ist lediglich eine Vertragsgesellschaft, in der sich die Vertragspartner regelmäßig über ihre Vertragsposition und über den Vertragsgegenstand streiten.[5] Die meisten Mitglieder sind nur aus reinen nationalen Eigeninteressen Bestandteil des Vertrages. Sobald die nationalen Interessen mit denen der Europäischen Union auseinandergehen, kann es zu Austritten wie zuletzt mit dem BREXIT kommen. Letztlich bietet die EU für einige ihrer Mitglieder enorme wirtschaftliche Vorteile. Der finanzielle Tropf ist es, der die EU derzeit noch am Leben hält.[6]

 

Die NATO und die Deutschen

Als die NATO gegründet wurde, brachte ihr erster Generalsekretär, der Brite Lord Ismay[7], den Zweck auf den Punkt. Sie diente in erster Linie dazu, die Amerikaner drin, die Russen draußen und die Deutschen am Boden zu halten. Diese Aussage bezog sich auf Westeuropa, das sich bis 1990/1991 geopolitisch klar in der US-amerikanischen Einflusssphäre befand. Auch heute sind die Vereinigten Staaten die mit Abstand größte Militärmacht des Bündnisses. Exemplarisch kann dafür die Anzahl der Kampfpanzer[8] aller einzelnen NATO-Mitgliedsstaaten herangezogen werden. Ein Blick auf die ersten zwölf Staaten im Vergleich zeigt den Abstand deutlich.[9]

Abbildung 1: Anzahl der Kampfpanzer der einzelnen NATO-Mitgliedstaaten im Jahr 2023.[10]

Genauso verhält es sich mit der Truppenstärke der US-amerikanischen Streitkräfte. Die USA beschäftigten im Jahr 2022 fast so viele Streitkräfte wie die Türkei, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien, Polen und Spanien zusammen, wie der nachfolgenden Aufstellung entnommen werden kann.

 

Abbildung 2: Truppenstärke der Streitkräfte der NATO nach Staaten von 1990 bis 2022 (in 1.000).[11]

 

Es ist somit klar, dass militärisch gesehen ein gewaltiges Ungleichgewicht zwischen den USA und den anderen Bündnispartnern vorherrscht. Das NATO-Bündnis entsprach bisher und auch noch nach dem Zusammenfall der Bipolaren Weltordnung eher einem Bündnis zwischen teil- oder halbsouveränen Staaten und ihrem Lehnsherrn (Suzerän). Das ist keine Übertreibung, sondern wurde insbesondere im Fall Nord Stream II deutlich. Der US-Präsident bekräftigte immer wieder, dass dieses Projekt nicht abgeschlossen wird und der sich immer stärker auftuende Verdacht einer Beteiligung aus US-amerikanischen, ukrainischen und/oder polnischen Regierungskreisen an der Sprengung am 26. September 2022 schürt massives Misstrauen innerhalb der NATO.[12]

Unter Trump wurden insbesondere die europäischen Bündnispartner angezählt und immer wieder auf die militärische Schwäche derselben hingewiesen. Anstatt dem ukrainischen Staat und anderen Entitäten gegenüber dem Konkurrenten Russland beizustehen, orientierte man sich stärker gegen China und forderte einen Handelskrieg heraus. Das hat immer wieder für Missgunst innerhalb der NATO gesorgt. Letztlich werden insbesondere zwischen den baltischen Staaten inklusive Polen auf der einen Seite und den westeuropäischen Entitäten auf der anderen immer wieder Unstimmigkeiten deutlich. Während vor allem erstere sich vor dem einstigen Hegemon fürchten und daher den Schutz der USA suchen, halten sich die hinter einem Puffer zu Russland in Sicherheit wiegenden Staaten bedeckter und kompromissbereiter.

Frankreich, das sich bereits während der Zeit des Kalten Krieges auch immer eine Brücke gen Moskau offengehalten hatte, positioniert sich heute wiederholt autonomistisch gegenüber der einzigen Weltmacht.[13]Auch die Türkei[14] sowie Ungarn[15] und auch Teile des Westbalkan[16] forcieren eine von der Rest-NATO abweichende Russland-Beziehung. Trotz der NATO-Norderweiterung (Finnland, Schweden)[17], hat das Bündnis mehr Risse, als augenscheinlich sichtbar. Die NATO droht vielleicht nicht gerade zu zerbrechen, wie ich es von der EU erwarte, aber sie ist instabiler als viele wahrhaben mögen.

 

Im Westen was Neues

Auch der Westen löst sich allmählich auf bzw. ist fraglich, ob es einen solchen jemals gab. Die Unterteilung der Welt in Westen und Osten besteht in drei Dimensionen:

  1. Die kartografische, rein geografische Ebene, die die beiden Hälften durch den Nullmeridian voneinander trennt.
  2. Die geopolitische Ebene aus Sicht des US-amerikanischen Exzeptionalismus.
  3. Die ideologische Unterteilung zwischen dem meeresbezogenen Westen und dem im Land verankerten Osten.

Für die weiteren Betrachtungen im Sinne geopolitischer Machtverschiebungen sind die beiden letzten Dimensionen relevant.

Geostrategen wie Henry Kissinger[18], Thomas P. M. Barnett, John M. Mearsheimer[19] oder auch Zbigniew Brzeziński[20] haben Russland, Indien, China sowie einige der anderen im geografischen Osten liegenden Entitäten durchaus im Einflussbereich US-amerikanischer Vormacht und damit des „Westens“ gesehen. Barnett ist mit seiner „The Pentagon’s New Map“ dabei der absolutistische und zugleich aus einer US-amerikanisch-machiavellistischen Brille betrachtet optimistischste der oben genannten Theoretiker.

 

Abbildung 3: Die Neue Karte des Pentagons nach Thomas P. M. Barnett.

 

Ihm nach teilt sich die Welt in einen Kern („core“) und in eine Lücke („gap“), bestehend aus den Ländern, die noch nicht dem US-amerikanischen Lifestyle, der Menschenrechtsideologie oder dem militärisch-wirtschaftlichen Einfluss der Vereinigten Staaten unterstehen. Wie der Karte in Abbildung 3 deutlich zu entnehmen ist, gehören Russland, Indien und China definitiv zum Kern – die Außenseite der gestrichelten Linie.[21]

Kissinger und Brzeziński betrachteten die Einbeziehung Russlands und China eher als Notwendigkeit, aus einer pragmatischen Weitsicht, während Barnett eher einen ideologischen Begriff vom „Westen“ hat, den er hier als Kern bezeichnet.

Die Karte von Barnett allerdings wird den Ukraine-Krieg nicht überdauern, zumindest wird sie danach keine Entsprechung in der realen Welt besitzen. Ja, bereits jetzt löst sich diese Vorstellung auf. Nachfolgend einige prägnante Entwicklungen, die gegen die weitere globale Ausbreitung des „Westens“ sprechen:

* Der Westen ist moralisch an einem Tiefpunkt. Dekadente Erscheinungen sowohl im kulturellen wie auch wirtschaftlichen Bereich stehen dafür.

* Damit einhergehend ist ein massiver Werteverfall und eine zunehmende Säkularisierung sowie Störungen in der Identität (Was sind westliche Werte? Was ist der Westen? Wer gehört dazu?)

* Der Amerikanische Exzeptionalismus und die von Brzeziński aufgebrachte Idee des Tittytainment[22] haben an Anziehungskraft verloren. Immer mehr Entitäten betrachten dies als Kulturimperialismus.

* Die USA wenden sich zunehmend Asien und Afrika zu und kehren den europäischen Partnern den Rücken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich immer mehr Europäer von ihrem großen Seniorpartner im Stich gelassen fühlen werden.[23]

* Die Ent-Dollarisierung[24] führt zum Wegfall einer der beiden Stützpfeiler der einzigen Weltmacht. Neben der gewaltigen militärischen Überlegenheit ist der Dollar als Weltleitwährung die wichtigste Waffe Washingtons. Immer mehr Öl- und Gasfördernde Länder bieten ihre Rohstoffe gegen alternative Währungen zum Dollar an.[25] Des Weiteren sinken die weltweiten Reserven in US-Dollar bereits seit 1999 und liegen heute nur noch bei knapp 60 Prozent (1999 lagen diese bei über 70 Prozent).[26]

* Der Anteil am weltweiten BIP nimmt ab, während er bei den BRICS[27] steigt.[28]

* Alle westlichen Länder sind massiv vom Geburtenrückgang betroffen bei gleichzeitiger Masseneinwanderung von raumfremden Volksgruppen. Die G7-Staaten machen heute nur noch 10 Prozent der Weltbevölkerung aus, während die fünf BRICS-Staaten bereits rund 41 Prozent repräsentieren.[29]

* Klare Machtverschiebungen auf der Afro-Eurasischen Weltinsel durch den Aufstieg Chinas, Indiens und einiger anderer Zwischen-Staaten mit zunehmendem Charakter einer regionalen Ordnungsmacht führen zu einer Multipolarisierung.[30]

Auch in Hinblick auf die ideologische dritte Dimension der Ost-West-Dichotomie ist der Westen in Form der Globalisierung auf dem Rückzug. Ich habe hierzu bereits in der AGORA Europa III einige Anmerkungen verfasst. Demnach befindet sich die Welt in einem Renationalisierungs-Modus. Das Szenario der Isles, welches der National Intelligence Council in seinem Zukunftsreport[31] warnend benennt, gehört zumindest in Teilen zu den wahrscheinlichsten Entwicklungen.

Der Westen löst sich sowohl geopolitisch wie ideologisch auf und zieht sich auf das US-amerikanische Kernland und ggf. noch in Teilen Westeuropas zurück. Die globale Agenda der Menschenrechtsideologie und eines überspannten Humanismus empfinden immer mehr Akteure als überhebliche Anmaßung einer in sich zerfallenden Zivilisation[32].

 

Europa, ein wehrloser Kontinent? Teil 2: Europäische Neugeburt möglich

 

 „In der Außenpolitik ist man als Realist ohne Phantasie ein Tropf. Wer aber in der Außenpolitik nicht auch Realist ist, der ist ein Träumer.“

Willy Brandt

 

Die Europäische Friedensordnung bröckelt

So leidvoll der Krieg insbesondere für die Ukrainer ist, hat er jedoch auch wie alles sein Positives. Denn wie Helmut Schmidt schon wusste: „In der Krise beweist sich der Charakter.“ Mit der militärischen Intervention auf das ukrainische Staatsterritorium in 2014 begann die europäische Ordnung, welche auf die Schlussakte von Helsinki (1975)[33] und die Charta von Paris für ein neues Europa (1990)[34] zurückgeht, sich aufzulösen. In der Schlussakte wurden insgesamt zehn Prinzipien vereinbart, von denen mit dem Einmarsch im Februar 2022 mindestens acht gebrochen und damit obsolet wurden.[35]

Die europäische Friedensordnung wurde damit zum wiederholten Male komplett in Frage gestellt:

* Es sei an die Balkankriege von 1991 bis 2001 mit hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen erinnert. Ab 1992 waren UN-Friedenstruppen auf Grundlage der Friedensmission UNPROFOR in Jugoslawien im Einsatz.

* 1999 mischte sich die NATO, angeführt von den USA im Kosovokrieg unter dem Decknamen Operation Allied Force (OAF) ein. Bis heute sind die KFOR-Truppen vor Ort.

* 2008 stellte die Föderation Russland das erste Mal mit dem Einmarsch in Georgien die internationale und insbesondere die von den USA dominierte europäische Friedensordnung in Frage.

* Mit der Intervention Russlands in der Ostukraine und der „Annexion“ der Krim im Jahre 2014 wurde die Ordnung zum wiederholten Male massiv erschüttert.

* Der offene Ukraine-Krieg, der einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland darstellt, dürfte die Friedensordnung nach der Pariser Charta vollends zur Auflösung führen.

Wie bereits oben gezeigt wurde, sind nicht alle global einflussreichen Größen der US-amerikanischen Politik an einer Ausweitung des Krieges interessiert. Zuletzt hat die graue Eminenz Henry Kissinger auf dem Davoser WEF-Treffen im Januar 2023 erklärt, dass verhindert werden müsse, den „Krieg zu einem Krieg gegen Russland selbst“ werden zu lassen. Demnach müsse Moskau die Perspektive gegeben werden wieder Teil des internationalen Systems zu werden.[36]

Merkmal NATO* Nur USA** NATO ohne USA Russland* Überhang / Defizit NATO ohne USA
Personal
Militärisches Personal insgesamt 5.817.100 1.832.000 3.985.100 1.330.900 2.654.200
aktive Soldaten 3.358.000 1.390.000 1.968.000 830.900 1.137.100
Reserve 1.720.700 442.000 1.278.700 250.000 1.028.700
Paramilitärische Einheiten 738.400 738.400 250.000 488.400
Luftstreitkräfte
Luftwaffe insgesamt 20.633 13.300 7.333 4.182 3.151
Jagdflugzeuge/ Abfangjäger 3.398 1.914 1.484 773 711
Flugzeuge für Bodenangriffe 1.108 843 265 744 -479
Transportflugzeuge 1.506 962 544 444 100
Spezialflugzeuge (z.B. Aufklärung) 970 731 239 147 92
Tankflugzeuge 615 568 47 19 28
Hubschrauber insgesamt 8.614 5.584 3.030 1.531 1.499
Kampfhubschrauber 1.439 983 456 537 -81
Landstreitkräfte
Kampfpanzer 12.408 5.500 6.908 12.566 -5.658
gepanzerte Fahrzeuge 1.004.844 303.553 701.291 151.641 549.650
selbstfahrende Artillerie 4.532 1.000 3.532 6.575 -3.043
geschleppte Artillerie 6.554 1.339 5.215 4.336 879
selbstfahrende Raketenwerfer 3.272 1.716 1.556 3.887 -2.331
Seestreitkräfte
Militärschiffe insgesamt 2.151 484 1.667 598 1.069
Flugzeugträger 16 11 5 1 4
Helikopterträger 13 9 4 0 4
Zerstörer 112 92 20 15 5
Fregatten 135 135 11 124
Korvetten 55 22 33 86 -53
U-Boote 143 68 75 70 5
Patrouillenboote 295 10 285 59 226
Minenboote 151 8 143 49 94
Nuklearwaffen
nukleare Sprengköpfe¹ 5.943 5.428 515 5.977 -5.462

Abbildung 4: Vergleich der Militärstärke der NATO und Russland[37] (mit eigenen Berechnungen).

 

Sollten sich die USA mittelfristig aus dem Konflikt zurückziehen, wäre Europa damit auf sich allein gestellt. Dies würde bedeuten, dass selbiges quasi dem russischen Bären fast schutzlos ausgeliefert wäre. Ein Blick auf die reinen Zahlen hinsichtlich der Militärstärke der NATO, den USA sowie Russland, zeigen an wesentlichen Stellen ein quantitativesDefizit der NATO ohne die USA ggü. Russland auf. Auffällig ist vor allem die nukleare Stärke Russlands, die sich rein zahlenmäßig mit den USA in etwa auf einer Höhe befinden. Hinzukommen qualitative Unterschiede in den Waffentechnologien sowie den militärischen Erfahrungen der Truppen. Auch wenn Russland im Zuge des Kriegsverlaufs viel an Reputation verloren haben mag, darf nicht vergessen werden, dass insbesondere russische Truppen und auch die Generalität viel mehr Erfahrungen gesammelt haben, als die meisten der europäischen NATO-Mitglieder. Zudem verdeutlichen Abbildung 1 und 2 wie stark das Ungleichgewicht innerhalb der NATO ist. Mit der Türkei ist einer der militärisch wichtigsten Staaten des Bündnisses zugleich ein Akteur, der zunehmend einen Balanceakt zwischen Moskau und Brüssel versucht.

 

Souveränität durch Waffen

Vollständige Souveränität ist kein völkerrechtlich garantierter Status, sondern das Ergebnis von Machtpolitik. Dazu gehören wirtschaftliche sowie militärische Stärke. Die USA besitzen momentan noch beides, was sie auch zur einzigen Weltmacht werden ließ. Deutschland besitzt nur die wirtschaftliche Stärke, während Russland in erster Linie eine militärische Macht darstellt. Aufgrund dieses militärischen Defizits sind sowohl Deutschland, wie auch andere NATO-Staaten dazu verdammt sich anderen Entitäten anzuschließen, von denen sie Schutz gewährleistet bekommen. Um mittel- bis langfristig aus diesem Dilemma zu entkommen, bedarf es, dass die Staaten in Europa im Allgemeinen aufrüsten und sich militärisch verstärken, um eine Gleichstellung zu den USA herzustellen. Der Botschafter a. D. Dr. Eckhard Lübkemeier beantwortet dieses Dilemma mit seiner, meiner Meinung nach für Europa sehr passenden, Definition von Souveränität: „Souverän ist, wer Interdependenzen durch ein Gleichgewicht der Abhängigkeiten symmetrisch halten kann oder in der Lage ist, Abhängigkeiten zu akzeptablen Einbußen an Sicherheit und Wohlstand zu beenden.[38]

Lübkemeier zielt darauf ab, dass die europäischen Staaten in dieser multipolaren Weltordnung nur dann Souveränität genießen können, wenn sie sich als ein Akteur begreifen. Ähnlich wie es zur Zeit der Ordnung nach dem Wiener Kongress war, müsste eine europäische Sicherheitsarchitektur für eine Balance nicht nur auf dem eigenen Kontinent, sondern auch ggü. den Großmächten außerhalb der Einflusssphäre – namentlich Russland, China und die USA – sorgen.

Das in Abbildung 4[39] verdeutlichte Defizit auf dem Gebiet der Kernwaffen fällt dabei besonders auf. Damit die europäischen Entitäten tatsächlich gleichberechtigt und selbstbewusst ggü. den Großmächten auftreten können, bedarf es vor allem der Schaffung bzw. der Absicherung einer nuklearen Abschreckung. Derzeit besitzen nur zwei europäische Staaten außer dem eurasischen Russland Atomwaffen: Großbritannien und Frankreich. Ersteres ist der einzige „Juniorpartner“ US-Amerikas, der tatsächlich auf Augenhöhe mit demselben interagiert und daher aus europäischer Sicht als wenig zuverlässig betrachtet werden kann. Zweiter hegt mit Deutschland eine massive Konkurrenz und einen Wettstreit um die europäische Vormachtstellung. Zudem haben französische Präsidenten schon des Öfteren Avancen zur Rolle einer atomaren Schutzmacht für Europa gemacht.[40] Emmanuel Macron tat dies als amtierender Präsident u.a. am 15.02.2020 in einem ausgedehnten Interview mit Wolfgang Ischinger auf der Münchner Sicherheitskonferenz.[41] Da die Franzosen entgegen der Bundesrepublik starke eigene nationale Interessen verfolgen, muss eine deutsche Regierung stets Vorsicht vor Paris wahren. Die Erweiterung oder gar die Anschaffung von Atomwaffen ist gem. dem Atomwaffensperrvertrag jedoch untersagt. Die etwa 300 französischen Sprengköpfe, welche zudem auf nur wenige Trägersysteme verteilt sind, reichen nicht aus, um nuklearen Schutz zu gewährleisten. Zwar sind Nuklearwaffen keine Duellwaffen, wie das bei konventionellen Systemen der Fall ist, doch bedarf es einer nennenswerten Größe, um tatsächlich abschreckend zu wirken und den Schutz Europas vor den anderen atomaren Großmächten aus Amerika und Asien zu gewährleisten. Es muss demnach in einem deutsch-französischen Dialog auch erörtert werden, ob die Kündigung des Atomwaffensperrvertrages zu Gunsten einer europäischen atomaren Schutzmacht eine Option darstellt. Solch ein Akt hätte jedoch wahrscheinlich für die Beziehung mit den USA weitreichende Folgen.[42]

Die Abrüstung oder gar Abschaffung von Atomwaffen mag edel sein, ist jedoch naiv, da vollkommen aussichtslos. Keine souveräne Macht verzichtet auf Atomwaffen, ohne dabei zumindest eine kalkulierbare alternative Schutzmacht sicher zu haben.

Neben dem Ausbau eines atomaren europäischen Schutzschirms sind auch konventionelle Waffensysteme essentiell, zum einen für die Gewährleistung von Schutz, und im Zweifelsfalle auch zur Intervention im Sinne europäischer Interessen. Dass dies leistbar und finanzierfähig ist, zeigt u.a. eine Studie des International Institute for Strategic Studies (IISS) aus dem Jahr 2019. In der Studie wird davon ausgegangen, dass die USA aus dem NATO-Bündnis austreten und das dadurch entstehende Vakuum von den europäischen Partnern kompensiert werden muss. Die Autoren gehen von zwei Szenarien aus:

  1. Gewährleistung des Schutzes von global essentiellen Seeverbindungen
  2. Brennpunkt Baltikum: Angriff Russlands auf Litauen und Polen

Im Szenario 1 lägen die Kosten zwischen 94 und 110 Milliarden US-Dollar, in Szenario 2 sind es 288 bis 357 Milliarden US-Dollar, wobei von einem Zeitraum von etwa 20 Jahren zur Anschaffung der Waffen ausgegangen wird.[43]

In einer prosperierenden Region wie der Westeuropas bedarf es lediglich des politischen Willens zur Ausgestaltung der eigenen Macht, um als Pol innerhalb der Multipolaren Weltordnung zu fungieren.

 

Ein Vereintes Europa oder eine Vereinigung von Räumen?

Wie bereits mehrfach verdeutlicht, halte ich die Europäische Union aus verschiedenen Gründen für überschätzt und im Kern instabil. Der Wesentlichste besteht in der Tatsache, dass sich die Entitäten weniger als Europäer, dafür aber umso mehr als Nationen verstehen. Die EU hat keinen wahrhaftigen Mythos und sie ist wenig sinn- bzw. identitätsstiftend. Eine Währungsunion aufzubauen in der Hoffnung, dass daraus eine politische Union gezwungenermaßen entsteht, war von Anbeginn zum Scheitern verurteilt. Hingegen ist eine militärische Zusammenarbeit zum Schutz der eigenen nationalen Interessen auf Grundlage einer Vertragsgemeinschaft durchaus vielversprechend. Denn dabei geht es um existenzielle Fragen, die eine supranationale Interaktion begünstigen. Sollten die USA sich tatsächlich weiter von Europa entfernen und die Bestrebungen, wie zuletzt durch die Äußerung des französischen Präsidenten über die Vasallenschaft ggü. den USA verdeutlicht, weiter anwachsen, würde eine derartige vertraglich gesicherte Allianz wahrscheinlicher werden. Auf jeden Fall ist eine Militärunion durchaus attraktiver für alle Staaten in Europa.

Für Deutschland, welches am wenigsten Souveränität ggü. der Siegermacht USA besitzt, ist es zudem ratsam, zunächst im Windschatten der Franzosen zu fahren. Eine Union in Europa ist mittelfristig eher unwahrscheinlich. Selbst ein eigenes Militärbündnis neben der NATO ist noch in weiter Ferne, kann jedoch durch einen „Schwarzen Schwan“, wie weiteren militärischen Auseinandersetzungen in Europa oder der möglichen Ausweitung des Ukraine-Krieges eintreten.

Am wahrscheinlichsten ist eine mittel- bis langfristige, jedoch langsam sich entwickelnde Raumordnung mit mehreren Polen innerhalb Europas. Dominik Schwarzenberger hat hierzu in seinem Fachartikel „Europa der Räume“[44] erste wertvolle Überlegungen dazu gesponnen. Das würde bedeuten, dass mehrere Großraum-Nationen[45] auf der Halbinsel entstünden und in Interaktion zueinander treten würden. Alleine schon aus Sicht auf die rivalisierenden Beziehungen zwischen den Entitäten ist dies am wahrscheinlichsten. Deutschland und Frankreich sind beide Treiber und Gestalter der Europäischen Ordnung. Sie sollten und werden auch Gestalter der kommenden Friedensordnung sein. Eine Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass beide nicht mehr miteinander rivalisieren. Anstatt auf die Vernunft beider Staaten zu hoffen ist es daher zielführend, beiden Staaten die Möglichkeit der Vormacht innerhalb ihrer Großraum-Nationen zuzusprechen. Frankreich wird als Atommacht genauso ein Interesse haben weiterhin mit der Wirtschaftsmacht Deutschland zusammenzuarbeiten. Ein Europa der Räume würde diese Allianz zumindest nachhaltig begünstigen.

Deutschland wird seine Pflicht als Ordnungsmacht auf der Eurasischen Halbinsel leisten, wie es Frankreich tun wird. Dazu müssen nationale Egoismen jedoch den europäischen, vielleicht zunächst Großraumnationalen Interessen weichen.

Europa als ein Machtpol in einer Multipolaren Weltordnung zwischen Russland, China und den USA muss kein Traum bleiben.

Dieser Artikel ist in unserem Heft AGORA EUROPA – Die Zukunft des Krieges erschienen. 

[1] Siehe dazu Steinborn, P. (2022, S. 55). Quo vadis, Europa? Europäische Zukunft aus Sicht der CIA und amerikanischer Geostrategen. Erschienen in AGORA Europa, Ausgabe 3, Dezember 2022. MetaPol Verlag & Medien, Berlin.

[2] Insbesondere die eurokritische Rechte verkennt den Einfluss der EU-Institutionen und die Manifestation von Vertragswerken. Die EU ist ein Papiertiger. Innerhalb der Europäischen Union ist eine Renationalisierung der Mitgliedsstaaten erkennbar.

[3] Einige wollen allerdings in der EU einen Staatenbund sehen. Vgl. hierzu das Maastricht-Urteil des BVerfG vom 12.10.1993.

[4] Schulz, M. (2009). In einem Interview auf www.spiegel.de. „Eine verkopfte Sache“. Verfügbar unter: https://www.spiegel.de/politik/eine-verkopfte-sache-a-0a0291e3-0002-0001-0000-000065489957 (16.04.2023).

[5] Man denke z.B. an den Streit im Umgang mit Flüchtlingen. Abkommen und Gesetzgebungen zur EU-Asylpolitik haben in einigen Ländern kaum bis gar keine Rolle gespielt.

[6] Im Grunde genommen handelt es sich dabei um ein französisch-deutsches Projekt, wie ich bereits in der letzten Ausgabe der AGORA Europa ausführte. Steinborn, P. (2022, S. 10). Ein Platz an der Tafel der Könige Teil 1 – Europa: Machtzentrum oder Brückenkopf?

[7] Hastings Ismay, 1. Baron Ismay (1887-1965) war ein britischer General und Politiker, der in Indien und Somaliland bei der Zerschlagung der Derwische-Aufstände diente. Später wurde er persönlicher Stabschef des Premierministers Winston Churchill. Er war von 1952 bis 1957 der erste NATO-Generalsekretär.

[8] Die Anzahl der Kampfpanzer lässt nicht zwingend auf die gesamte militärische Stärke einer Nation schließen (wie auch am Bsp. Russland zu erkennen), ist aber zumindest ein Indiz für Größenverhältnisse im Bereich der militärischen Ausstattung. In anderen Bereichen sieht es analog aus. Die von Global Fire Power ermittelten Zahlen beinhalten nicht für das Jahr 2023 zu produzierende, sondern ausschließlich die vorhandenen Einheiten, wobei nicht ersichtlich ist, wie viele davon tatsächlich einsetzbar und in welchem Zustand sie sind.

[9] Auch die Türken besitzen demnach mehr als achtmal so viele Panzereinheiten wie die größte Volkswirtschaft Europas. Der militärisch zweitstärkste und zahlenmäßig die anderen NATO-Staaten weit überlegene Bündnispartner ist ebenfalls kein Mitglied der EU bzw. ist die Zugehörigkeit zu Europa sowohl kulturell als auch kartografisch strittig.

[10] STATISTA (2023). Anzahl der Kampfpanzer der einzelnen NATO-Mitgliedstaaten im Jahr 2023. Erschienen bei Statista im Februar 2023. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1296884/umfrage/kampfpanzer-der-einzelnen-nato-mitgliedstaaten/(16.04.2023).

[11] STATISTA (2022). Truppenstärke der Streitkräfte der NATO nach Staaten von 1990 bis 2022. Erschienen bei Statista im Juni 2022. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36914/umfrage/streitkraefte-der-nato/ (17.04.2023).

[12] Vgl. dazu TELEPOLIS (2023). Nord-Stream-Ermittlungen: Lag Seymour Hersh doch richtig? Erschienen auf der Internetpräsenz www.telepolis.de am 08.04.2023. Verfügbar unter: https://www.telepolis.de/features/Nord-Stream-Ermittlungen-Lag-Seymour-Hersh-doch-richtig-8729812.html (17.04.2023).

[13] An dieser Stelle sei an Macrons Auftritt in China erinnert, in dem er eine den USA vollkommen konträre Position zur China-Politik vertrat und sogar davon sprach, dass Frankreich kein Vasall der USA sei.

[14] Die Türkei lenkte zuletzt zwar zunehmend ein, hat dies aber sicherlich nicht ganz freiwillig getan, Erdogan steht kurz vor den Wahlen, hat innenpolitische Probleme und ist auf US-amerikanisches Geld angewiesen.

[15] Auch der ungarische Ministerpräsident Victor Orban weicht immer wieder von der NATO-Hauptlinie ab und forciert einen Balanceakt zwischen Moskau, Washington und Brüssel.

[16] Hierzu vgl. KAS (2022). Länderberichte: Der Russische Angriffskrieg gegen die Ukraine – Reaktionen auf dem Westbalkan. Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung am 09.03.2022. Verfügbar unter: https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/der-russische-angriffskrieg-gegen-die-ukraine-reaktionen-auf-dem-westbalkan (17.04.2023).

[17] Finnland ist am 04.04.2023 offiziell der NATO beigetreten und Schweden steht zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes kurz davor.

[18] Siehe vor allem Kissinger, H. (2014). Weltordnung, 3. Auflage. C. Bertelsmann Verlag, München oder Kissinger, H. (2019). China. Zwischen Tradition und Herausforderung, 3. Auflage, C. Bertelsmann Verlag, München.

[19] Der wohl wichtigste Vertreter des Neo-Realismus hat sich wiederholt kritisch zum Ukraine-Krieg sowie zu dem Verhalten Washingtons ggü. Moskau geäußert.

[20] Siehe dazu u.a. Brzeziński, Z. (2017, S. 245 ff.). Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Kopp-Verlag, Rottenburg.

[21] Barnett, T. P. M. (2016, S. 227-283). Der Weg in die Weltdiktatur. Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Die Strategie des Pentagon, 1. Auflage. J. K. Fischer Verlag, Gelnhausen/Roth.

[22] Unter Tittytainment verstand der Geostratege Zbigniew Brzeziński die Herrschaft durch Softpower mittels Unterhaltung, bei der niedere Instinkte angeregt und ausgenutzt werden, um die beherrschten Völker unter Kontrolle zu behalten. Oft wirkt der amerikanische Lebensstil mit seinem Fast Food und der Pornografie als einhergehend mit dem Tittytainment.

[23] Obwohl sich die USA stark in Osteuropa engagieren, kehrt zunehmend die Auffassung im Pentagon zurück, dass die Weltinsel von Übersee aus nicht beherrscht werden kann. Es geht vielmehr nur noch darum zu verhindern, dass eine einzelne oder ein Zusammenschluss von Entitäten Eurasien unter ihre Kontrolle bringen können. Diese Politik wurde unter Trump besonders deutlich und hat auch unter Biden keine Kehrtwende erfahren. Die USA pflegen keine Beziehungen zu einem Europa, sondern lediglich zu einzelnen europäischen Staaten.

[24] Ich halte diesen Prozess jedoch für eine mittel- bis langfristige Entwicklung. Der Yuan wird den Dollar kurzfristig nicht ablösen. Eher erwarte ich eine „Multipolarisierung“ der Währungen, die jedoch schleichend kommt. Wie instabil China tatsächlich ist, kann in dem Interview zwischen Dominik Schwarzenberger und mir auf Gegenstrom nachgelesenen werden. Verfügbar unter: https://gegenstrom.org/das-grosse-china-interview-mit-dominik-schwarzenberger-iii-das-ende-der-weltordnung/ (06.05.2023).

[25] Der Euro, das Pfund und der Yen, aber vor allem Rubel und Renminbi/Yuan sind zunehmend beliebte Währungen geworden. Saudi-Arabien, das wichtigste Ölfördernde Land der Welt, könnte auf Abwicklungen in US-Dollar komplett verzichten.

[26] Vgl. hierzu Eichengreen, B. et al (2022). The Stealth Erosion of Dollar Dominance: Active Diversifiers and the Rise of Nontraditional Reserve Currencies. Working Paper vom IMF. Ausgabe WP/22/58. Verfügbar unter: https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2022/03/24/The-Stealth-Erosion-of-Dollar-Dominance-Active-Diversifiers-and-the-Rise-of-Nontraditional-515150 (09.06.2023)

[27] Obwohl der ökonomische sowie demografische Anteil weltweit steigen, sind alle BRICS-Staaten innenpolitisch sehr gespalten und von instabilen Gesellschaften bewohnt. Die BRICS werden sich erst beweisen müssen, weshalb zunächst vor Überbewertung gewarnt sei.

[28] Der Anteil am weltweiten BIP aller G7-Länder beträgt heute nur noch 31 Prozent. Siehe dazu DESTATIS (2023). G7 Wirtschaft und Finanzen. Statistisches Bundesamt. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/allgemeines-regionales/G7/Wirtschaft/_kapitel_eins.html (22.04.2023).

[29] Vgl. STATISTA (2022). G7 repräsentieren nur 10% der Welt. Veröffentlicht am 27.06.2022 von Mathias Brandt auf statista.com. Verfügbar unter: https://de.statista.com/infografik/27683/anteil-der-g7-staaten-an-weltbevoelkerung-und-am-weltweiten-bip/(22.04.2023).

und Länderdaten (2023). Die 5 BRICS-Staaten. Verfügbar unter: https://www.laenderdaten.info/staatenbuendnis/brics-staaten.php(22.04.2023)

[30] An dieser Stelle sei gesagt, dass der Aufstieg der genannten Entitäten nicht überbewertet werden darf. Von einer Ablösung der USA durch eine der Mächte kann nicht die Rede sein. Jedoch können Projekte wie die Belt and Road Initiative oder der International North-South Transportation Corridor (INSTC) zu massiven Wechseln führen. Siehe zur INSTC u.a. auf ARIC (2023). International North-South Transport Corridor (INSTC). Asia Regional Integration Center. Verfügbar unter: https://aric.adb.org/initiative/international-north-south-transport-corridor (22.04.2023).

[31] Es handelt sich um NIC (2017). Global Trends. Paradox of Progress. Erschienen Januar 2017. Verfügbar unter: https://www.dni.gov/files/documents/nic/GT-Full-Report.pdf (22.04.2023).

[32] Ich will darauf hinweisen, dass ich den Westen keinesfalls als eine Zivilisation betrachte. Jedoch sind alle im Westen verhafteten Zivilisationen im Zerfall begriffen.

[33] Die Schlussakte wurde am 01.08.1975 von 31 europäischen Staaten, der Türkei, den USA, Kanada und der Sowjetunion in Helsinki unterzeichnet. Sie ist eine Folge der seit 1973 anhaltenden Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die 1995 in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mündete.

[34] Die Charta beinhaltet vor allem die Schaffung einer neuen friedlichen Ordnung in Europa nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der später eingetretenen Beendigung des Kalten Krieges.

[35] Über den Bruch der Prinzipien VII und IX lässt sich streiten. Siehe dazu OSCE (1975, S. 4-10). Schlussakte von Helsinki. Verfügbar unter: https://www.osce.org/files/f/documents/6/e/39503.pdf (23.04.2023).

[36] Die Rede von Kissinger ist hier komplett veröffentlicht worden: WEF (2023). A Conversation with Henry Kissinger: Historical Perspectives on War | Davos 2023. YouTube-Kanal des World Economic Forum. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=lbCFnn_g_MI (24.04.2023).

[37] Die Zahlen stammen von STATISTA (2023A). Vergleich der Militärstärke von NATO und Russland im Jahr 2023. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/379080/umfrage/vergleich-des-militaers-der-nato-und-russlands/ (24.04.2023) und STATISTA (2023B). Kennzahlen zur militärischen Stärke der USA im Jahr 2023. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1086471/umfrage/militaerische-staerke-der-usa/ (24.04.2023).

[38] SWP (2020, S. 5). Europa schaffen mit eigenen Waffen? Chancen und Risiken europäischer Selbstverteidigung. Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Autor Eckhard Lübkemeier, Berlin.

[39] Hier sei angemerkt, dass nicht endgültig gesagt werden kann, welche Waffentechnik Russland bereits im Krieg aufgebraucht hat und in welchem Zustand im Allgemeinen die auch zum Teil aus der Sowjetunion stammenden technischen Einheiten sind. Derzeit fehlt Russland zudem die industrielle Kapazität, um die womöglich enormen quantitativen Verluste zu kompensieren.

[40] Eine kurze Darstellung der Avancen kann nachgelesen werden bei DGAP (2020). France and Germany Need a Dialogue on Nuclear Policy. No More Talking Past Each Other. Ein Kommentar von Shahin Vallée bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Angelegenheiten. Verfügbar unter: https://dgap.org/sites/default/files/article_pdfs/dgap-commentary-2020-07-vallee.pdf (24.04.2023).

[41] Das Interview ist u.a. einsehbar auf der Website der Münchner Sicherheitskonferenz. Veröffentlicht am 15.02.2020. Verfügbar unter: https://securityconference.org/mediathek/asset/chairmans-interview-20200215-1115/ (24.04.2023).

[42] Lübkemeier untersucht diese Frage in SWP (2020, S. 18-35).

[43] IISS (2019, S. 35-41). Defending Europe: scenario-based capability requiremnets for NATO’s European members. Erschienen im April 2019 bei The International Insitute for Strategic Studies, London, Washington, Singapore, Manama.

[44] Erschienen in der AGORA Europa III, S. 68-72.

[45] Obgleich Carl Schmitt den Nationsbegriff scharf von dem Großraum trennte, kann auch ein Großraum einen nationalen Charakter haben. D.h. die Bewohner dieses Großraums fühlen sich einer Nation zugehörig. Beispiele gibt es reichlich aus der Geschichte. Rom ist ein sehr prägendes. Ein multiethnisches Weltreich, in dem sich die Bewohner in erster Linie als eine Nation, als Rom verstanden haben.