Während die Europäische Union osteuropäische Mitgliedsstaaten wegen „fehlender Kooperation“ mit Sanktionen zu überziehen sucht, entsteht ein tiefer Riss und es scheint sich ein europäischer Dualismus zwischen den Visegradstaaten und Westeuropa anzubahnen. Auch wenn Visegrad bisher ein halboffizielles Binnenbündnis zwischen den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten darstellte, droht es zu einem nicht unerheblichen machtpolitischen Gegenpol innerhalb der EU zu werden.
Aufnahmezwang von „Flüchtlingen“ erhärtet Polarisierung
Die Gründe für die Polarisierung innerhalb der EU dürften wohl hauptsächlich darin liegen, dass die Eurokratie den Mitgliedsstaaten vorschreibt, wie viele „Flüchtlinge“ sie aufzunehmen haben, was die osteuropäischen Länder strikt ablehnen.[1] Sie machen von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch, das ihnen nun zu ihrem Verhängnis werden soll. So hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen diese Länder eingeleitet. Auch EU-Fördergelder sollen entzogen werden, verlangt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ungarn und Polen nehmen bei der Weigerung der Flüchtlingsaufnahme die Vorreiterrolle ein. Erst in einem Treffen der Visegradstaaten mit den Beneluxländern unterstrichen erstere ihre Ablehnung zur Aufnahme von weiteren „Flüchtlingen“ erneut und begründeten ihre Haltung mit der Sicherung der EU-Außengrenzen.[2] Und erst jüngst signalisierte Polen, dass es selbst bestimme, wer Polen betreten darf und wer nicht.
Ungarns Heranrücken an Russland
Die Polarisierung innerhalb der EU ist auch an Ungarns Haltung zu Russland zu sehen, die sehr kooperativer Natur zu sein scheint. So wird Ungarn von Washington gar als militärische Hintertür zur EU bezeichnet. Tatsächlich pflegt Ungarn ein gutes Verhältnis mit Russland. Das trifft auf Polen jedoch weniger zu, denn Polen unterstützt immerhin die Mobilmachung der Amerikaner und anderer NATO-Kampfeinheiten nahe der russischen Grenze.[3] Trotz der verschiedenen Verhältnisse zu Russland scheinen die Beziehungen der Visegradstaaten allerdings nicht gestört zu sein. Im Gegenteil, erst Anfang 2018 zeigten Ungarn und Polen Solidaritätsgesten.[4]
Visegrad gegen „EU-Imperium“
Ebenfalls zum Jahresbeginn 2018 hatten die Visegradstaaten bei einem Treffen nochmals ihre ablehnende Haltung zu einem EU-Superstaat zum Ausdruck gebracht. „Wir brauchen nicht ein (EU-) Imperium, sondern einen Bund freier Nationen“, betonte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban nach dem Visegradgipfeltreffen. Erst Mitte Mai besuchte der frisch wiedergewählte ungarische Ministerpräsident Orban Polen, wo er gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki den Ausbau der Kooperation zwischen den Visegradnationen abermals betonte. Allerdings geht es bei Visegrad neben der politischen Behauptung gegenüber Brüssel zugleich um wirtschaftliche Macht und weitestgehende Unabhängigkeit. So verdeutlichten sie das Ziel, die Nord-Süd-Transportwege von Polen bis Bulgarien und Griechenland ausbauen zu wollen, statt die Ost-West-Verbindungen zu stärken, die vor allem der deutschen Wirtschaft helfen. Dadurch will das Bündnis bis zum Jahr 2030 wirtschaftlich den EU-Durchschnitt erreichen, womit sie in absehbarer Zeit Nettozahler werden. Das Ziel sei, unabhängiger zu werden und nicht mehr mit Drohungen eines Entzugs von EU-Geldern „erpressbar“ zu sein.[5] Im Visegradbündnis kann also durchaus ein machtpolitischer Block gesehen werden, der zu einer ernstzunehmenden Bipolarität innerhalb der EU und damit zum weiteren Auseinanderreißen führt.
Quellen
[1] Vgl. D. Drewes (24.02.2018), Aufnahme von Flüchtlingen. Merkel bringt Osteuropa gegen sich auf, in: https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Aufnahme-von-Fluechtlingen-Merkel-bringt-Osteuropa-gegen-sich-auf-id44313241.html (Abgerufen am 30.05.2018).
[2] Vgl. Unbekannt (20.06.2017), Visegrad-Länder weiter gegen EU-Flüchtlingsquoten, in: https://rp-online.de/politik/eu/visegrad-laender-weiter-gegen-eu-fluechtlingsquoten_aid-17893919 (Abgerufen am 30.05.2018).
[3] Vgl. Unbekannt (02.02.2017), Orban pflegt Sonder-Verhältnis zu Putin, in: http://www.handelsblatt.com/politik/international/ungarn-und-russland-spezielles-internationales-umfeld/19336908-2.html (abgerufen am 30.05.2018).
[4] Vgl. D. Doering (12.02.2018), Wie gefährlich ist der Block um Polen und Ungarn für die EU? In: https://www.focus.de/politik/experten/visegrad-gruppe-wie-gefaehrlich-ist-der-block-um-polen-und-ungarn-fuer-die-eu_id_8454166.html (Abgerufen am 30.05.2018).
[5] Vgl. B. Kálnoky (14.05.2018), Gemeinsam gegen den Rest der EU, in: https://www.welt.de/politik/ausland/article176347522/Orban-in-Polen-Gemeinsam-gegen-den-Rest-der-EU.html (Abgerufen am 30.05.2018).