Ein Europa der Räume I – Voraussetzungen

von | 15. Jun. 2020 | Philosophie & Theorie

„Unsere Quantitätsbegriffe haben sich gewaltig verändert. Nur große Staaten haben etwas Eigenes zu bedeuten, alle kleineren leben von der Ausnutzung des Streites der Großen oder müssen sich Erlaubnis holen, wenn sie eine ungewohnte Bewegung machen.“ (Friedrich Naumann)

 

„Unsere ganze europäische Kultur bewegt sich seit langem schon mit einer Tortur der Spannung, die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wächst, wie auf eine Katastrophe los: unruhig, gewaltsam, überstürzt: einem Strom ähnlich, der ans Ende will. . .“ (Friedrich Nietzsche)

Aufgrund der demographischen und machtpolitischen Bedrohung unseres Kontinents durch Asien, Afrika und Nordamerika bleibt Europas Völkern nur ein gemeinschaftliches solidarisches Handeln übrig. Die Festung Europa ist daher inzwischen Konsens unter weitsichtigen Nationalisten – eine Festung gegen Masseneinwanderung und wirtschaftlicher wie möglicher militärischer Herausforderung. Uneinigkeit herrscht in der Frage, in welcher Form solch ein notwendig koordiniertes Vorgehen zu realisieren sei. Einige Nationalisten vertrauen auf internationale Kooperation, andere träumen von einer „Nation Europa“. Die meisten konventionellen Nationalstaaten – im 19. Jh. als Ideallösung gedacht –, erweisen sich heute als zu schwach und das überschaubare Blocksystem des Kalten Krieges mit zwei imperialen Zentren als überwunden, weshalb nun neue geopolitische Akteure in einer zunehmend multipolaren Welt gefordert sind. Welche Möglichkeiten für unseren Kontinent sind vorstellbar? Welche Voraussetzungen gibt es?

Europa – das Phantom

Ein wie auch immer einheitliches Europa oder auch nur eine Art europäisches Nationalbewusstsein hat es deshalb schwer, weil es historisch einfach keine Traditionslinie gibt. Als problematisch erweist sich nicht zuletzt der unbestimmte Begriff, um was es sich bei Europa überhaupt handelt. Was umfasst denn ein geographisch, ein kulturell oder gar ein ethnisch definiertes Europa? Reicht es bis zum Ural und Kaukasus? Großer oder Kleiner Kaukasus? Gehören kulturell die frühchristlichen Staaten Georgien und Armenien dazu? Das heutige islamische Anatolien und Aserbaidschan sicher nicht mehr. Dafür wieder das weit entfernte Zypern. Ethnisch zumindest unterscheidet sich das türkischsprachige Völkergemisch Kleinasiens nicht von Südost- und Südeuropa. Was also ist Europa?

Kulturell lässt sich unser Kontinent am ehesten indoeuropäisch (nämlich: religiös, sprachlich und rassisch) definieren: in vorchristlicher Zeit durch die göttliche Dreiheit aller davon abgeleiteten heidnischen Religionen mit ähnlichem Sittenkodex und später seit der Christianisierung durch ein entorientalisiertes Christentum mit neutestamentarischem Charakter (Die USA und Südafrika sind alttestamentarisch geprägt), in dem die indoeuropäische Dreiheit unter angepassten Vorzeichen als „Dreifaltigkeit“ ebenso weiter existiert wie das alte Sittengesetz de facto weiterwirkt und heidnische Festtage nur christlich ummantelt wurden.

Aber ein vereintes christliches wie heidnisches Europa gab es nie. Stattdessen lässt es sich grob in den germanisch-protestantischen Nordwesten, den katholisch-lateinischen Süden und Südwesten, den slawischen religiös gemischten Osten und den byzantinisch-orthodoxen Balkan aufteilen. Aber auch diese Differenzierung erweist sich als ungenügend und scheitert spätestens am multikulturellen Balkan und den katholischen Exklaven des Westens und Zentrums (Irland, Polen, Litauen, Slowakei, Ungarn, Mähren, deutsche Länder). Gehören die mehrheitlich muslimischen Bosniaken und Albaner noch zu Europa? Es handelt sich immerhin um autochthone Völker und ein Drittel der Albaner bekennt sich zu einer christlichen Konfession. Nützt überhaupt die Orientierung auf eine ganz besondere Form des Christentums in Zeiten einer weit fortgeschrittenen Säkularisierung? Diese Möglichkeit scheint längst vertan. Der viel beschworene faustische Charakter Europas beschränkt sich auch nur auf die germanisch dominierten Völker und taugt nicht als paneuropäisches Wesensmerkmal. Ost- und Südeuropa sowie Balkan ergeben sich in „asiatischem“ Fatalismus.

In ethnischer Hinsicht kann – je nach Definition –, auch nicht von einem homogen weißen Kontinent gesprochen werden, da es seit jeher andere (Ur-)Völker und asiatische wie nordafrikanische Einwanderung gab. Wo beginnt und endet „weiß“? Allein im Russland diesseits des Urals leben turanische, mongolische und finno-ugrische Minderheiten und Südeuropa ist nordafrikanisch-hamitisch beeinflusst. Wer waren etwa die Etrusker, Ur-Basken und Ureinwohner der britischen Inseln? Andererseits siedeln europäische Völker auch in Australien, Neuseeland, Südafrika und den Amerikas.

Europa ist also keine Konstante, sondern hängt von geographischen, kulturellen, ethnischen oder historischen Faktoren je nach Schwerpunktsetzung und aktueller Machtpolitik ab. Das behinderte bisher ein gesamteuropäisches Bewusstsein. Wenn im Folgenden von Europa die Rede ist, dann von einem geographisch über die Meere begrenztes, das im Osten an Russlands heutigen Westgrenzen endet. Die russischen Staatsideen allein diktieren Europas Ostgrenze. (Siehe unten)

Europa – eine Erinnerungsgemeinschaft

Europa stellt bestenfalls eine Erinnerungsgemeinschaft dar, keine Schicksalsgemeinschaft, weil gesamteuropäische Ereignisse die Ausnahme waren. Dazu zählen v.a. gemeinsame Verteidigungsanstrengungen gegen asiatische und nordafrikanische Penetrierung (Hunnen-, Ungarn-, Araber- und Mongoleneinfälle), die (germanische) Völkerwanderung, pankeltische Vergangenheit, hellenische Philosophie und römische Christianisierung, die Jahrhunderte andauerte und je nach Region aus unterschiedlichen Motiven gewaltsam bis bereitwillig erfolgte.

Weitere bedeutende überregionale Ereignisse waren: die Ordnungsfunktion und der kulturelle Esprit des Römischen Reiches mit seiner Latinisierungspolitik in Südwest- und Westeuropa, das wesentlich bescheidenere (oströmische) Byzanz für den südlichen Balkan, das dezentrale Heilige Römische Reich Deutscher Nation als missionarischer Nachfolger Roms; Renaissance, Reformation, der Erste Dreißigjährige Krieg, diverse Kunstepochen, Aufklärung, Französische Revolution, Napoleons Paneuropa französischer Nation und die Befreiungskriege dagegen, der Völkerfrühling, die 1848er-Revolutionen, Heilige Allianz, Restauration und Mazzini; Bevölkerungsexplosion, Kolonialimperialismus und der Fortschrittsoptimismus des 19. Jhs..

Allerdings waren diese Ereignisse nicht von gesamteuropäischer Natur und wirkten sich unterschiedlich regional aus. Das zeigt sich an einigen Bedrohungsszenarien Asiens und Nordafrikas: Von den Osmanen war der uninteressante Balkan betroffen, weshalb das erzkatholische Frankreich und später auch die Republik Venedig sogar ein Bündnis mit den Osmanen gegen das ebenfalls erzkatholische Österreich eingingen oder Großbritannien, Österreich und Frankreich im Krim-Krieg mit dem Sultanat gegen Russland fochten. Die arabisch-maghrebinische Invasion war nach den erfolgreichen Schlachten um Poitiers nur noch Angelegenheit der christlichen iberischen Völker und die persische Bedrohung im Altertum betraf vordergründig nur die altgriechischen Stadtstaaten. Das Expansionsstreben des phönizischen Karthagos (heute Tunesien) gehört sicher auch in diese Aufzählung.

Bisher waren diverse europäische Staaten eher Bedrohungen für andere Kontinente als umgekehrt. Im mediterranen Raum (so auch Nordafrika und Levante) sahen antike Griechen wie Römer einen natürlichen Expansionsraum mit dem Mittelmeer als Drehscheibe genauso wie die neuzeitlichen Italiener, Franzosen und Spanier. Die Kolonialmächte Spanien, Portugal, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Deutschland, Italien, Frankreich, Schweden und Dänemark sahen in anderen Kontinenten mitunter einen integralen Bestandteil ihres eigenen Territoriums. Und dann gibt es noch den Sonderfall Russland, das nach Ost- und Zentralasien hineinwuchs und vorübergehend auch nach Nordamerika. Manche Geopolitiker und Kolonialideologen sahen zumindest die überseeischen Siedlungskolonien als Teil Europas. Von einem Ereignis war Europa nahezu als Ganzes betroffen: Dem Zweiten Dreißigjährigen Krieg 1914 bis 1945 mit den beiden Bruderkriegen und der Wirtschaftskrise sowie der Verbreitung totalitärer alternativer Ideologien. Vielleicht stellt die kriegerische verheerende Tradition DIE Konstante Europas dar. Die Masseneinwanderung der Gegenwart kann ein weiteres gesamteuropäisches Phänomen werden, verschont jedoch bis auf weiteres Balkan und Osteuropa. Es gibt zwar einige europäische Besonderheiten, die eine Abgrenzung zum asiatischen Mutterkontinent rechtfertigen, doch finden sich analoge auch in Afrika und den Amerikas.

Europa – ein asiatischer Großraum

Um sich Europa zu nähern sollte man die eurozentrische Brille absetzen, um ein Gefühl für Größenverhältnisse und geopolitische Analogien zu erhalten. Unser Kontinent ist nur eine Halbinsel Asiens – mit einer Besonderheit: Diese Halbinsel besteht wiederum aus mehreren zerklüfteten Halbinseln und Hochgebirgen, die eine gesamteuropäische Zivilisation verhinderten. Tatsächlich kann man Europas Größe mit Indien und der chinesischen Großen Ebene vergleichen, wobei die asiatischen Großräume eine mehr (Indien) oder weniger (China) multiethnische Zivilisation hervorbrachten, da dort die topographischen Hemmnisse weitgehend fehlen und die klimatischen Bedingungen für ein schnelleres Bevölkerungswachstum förderlich waren. Unsere mannigfaltige europäische Staatenwelt lässt sich nicht auf andere Kontinente übertragen. Die Größenverhältnisse lassen das nicht zu. Bei Russland, China, Indien, USA, Kanada, Australien und Brasilien handelt es sich nicht mehr um Staaten, sondern um eigene Kontinente bzw. kontinentale Großräume. Manche ihrer Verwaltungsregionen sind größer als Europas Großstaaten. Die EU der 25 nimmt den Weltrang sieben ein, vor Indien und nach Australien. Der größte EU-Staat, Frankreich, bringt es gerade einmal auf Weltrang 42. Selbstverständlich muss berücksichtigt werden, dass die Flächengröße eines Staates noch nichts über dessen demographisches, ökonomisches, militärisches und technologisches Potential aussagt. Bei solchen Flächenstaaten wie Kasachstan, Australien, Kanada, Algerien, Sudan, Tschad, Niger oder Mali kann nur ein sehr begrenztes Territorium besiedelt werden, gleichwohl in unwirtlichen Regionen Bodenschätze lagern. Europa entspricht also einem Großraum anderer Kontinente, vereint jedoch mehrere sich gegenseitig behindernde Staaten, die wegen begrenzter kontinentaler Expansionsmöglichkeiten nach Übersee ausweichen mussten. Auf ihrem Heimatkontinent konnte sich nie eine Macht dauerhaft durchsetzen.

Kein dominierender Volkskern in Europa

Wie schon hervorgehoben, unterscheidet sich Europa von vergleichbaren Großräumen in zwei Punkten: ein für ein schnelles Bevölkerungswachstum nachteiliges Klima und eine Isolation begünstigende Topographie. Der mit Abstand größte Teil Europas liegt auf den gleichen Breiten wie die dünnbesiedelten Regionen Nord- und Zentralasiens sowie Nordamerikas. Eine mildernde Wirkung verdankt sich dem warmen atlantischen Golfstrom, von dem allerdings nur der Nordwesten profitiert. Somit konnte sich in Europa kein dominierender Völkerkern herausbilden, der sukzessiv andere Ethnien anzog und einschmolz wie etwa in der chinesischen Großen Ebene oder teilweise in Indien oder Südostasien. Das wird an den Indoeuropäern deutlich: Gebirge, Halbinseln und Urwälder teilten und isolierten die in Wellen ankommenden Indoeuropäer und schufen so die Vorfahren heutiger Völker. Die rassisch heterogenen Ureinwohner Europas vor der indoeuropäischen Ankunft sind noch spekulativer, wahrscheinlich stammen die heutigen Samen (Lappen) und Basken von ihnen ab, während sich die überwältigende Mehrheit mit den Neuankömmlingen vermischte. Auf der Iberischen und Apenninenhalbinsel sowie dem südlichen Balkan siedelten ebenfalls nichteuropäische (hamitische?) Völker. Über die Völkerwanderung und Wikinger-Fahrten verbreitete sich das germanische Element ohne jedoch die sprachliche Prägung zu hinterlassen (außer der Vorliebe für germanische Namen in Süd- und Südwesteuropa). Auch scheiterten die Germanen im Religiösen: Der frühchristliche Arianismus konnte sich nicht halten. Eine mögliche ethnische Konstante gab es in weiten Teilen Europas: die Kelten, die wie keine andere Völkerfamilie verbreitet war. Doch selbst bei den Kelten ist nicht gesichert, ob es sich um eine rassische oder nur um eine sprachliche Gemeinschaft handelte. Überhaupt erweist sich das Verwechseln von Sprach- und Völkerfamilie als DIE Sünde ideologischer Nationalisten des 19. Jhs.: Die Ethnogenese der meisten Völker ähnelt sich, nur haben sich verschiedene Mentalitäten und Sprachen durchgesetzt, was die Nationenwerdung des 18. bis 19. Jhs. bedingte. So sind die Balkanslawen und Romanen nur dem Namen und Sprache nach slawisch bzw. romanisch und gerade die Deutschen nur teilweise germanisch.

Mehrere Europas

Bis 1918 hatten wir es mit folgenden Teileuropas zu tun:

*Das Abendland aus katholisch-lateinischer Tradition umfasste bis zur Reformation Süd-, West-, Nord- und Mitteleuropa. Kroatien, Ungarn und Polen(-Litauen) bildeten die Flanken. Wichtige Machtzentren waren Frankreich, Spanien, Polen-Litauen, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und danach Österreich(-Ungarn). Von hier stammten Renaissance, Aufklärung, Reformation und Gegenreformation (Erster Dreißigjähriger Krieg) sowie die Kolonialisierung anderer Kontinente. Der rudimentäre katholische Universalismus wurde durch die protestantische Reformation gebrochen. Von nun an dominierte ein kultureller und religiöser Süd-Nord-Gegensatz. Die Existenz zeitweise dreier! Päpste, die frühe Nations-Werdung Frankreichs und der anglikanische Sonderweg Englands zeugen von abendländischer Fragilität. Das Abendländische war und ist eher eine Geisteshaltung mit römisch-katholischer Orientierung. Die Abendland-Idee wurde nochmals zu den Hochzeiten des Kalten Krieges für den Westen (inkl. USA!) gegen den (asiatischen) Kommunismus instrumentalisiert. Vielleicht war die Teilung des Frankenreichs eine weitere Sünde Europas.

*Das Byzantinisches Reich „Hellenischer Nation“, aus der oströmischen Reichshälfte hervorgegangen, war eine orientalische Macht wegen dessen Ausrichtung auf Vorderasien und Ägypten. Es wurde nur der südliche orthodoxe Balkan integriert. Die Bulgarenreiche unterschiedlicher Größe strukturierten ebenfalls vorübergehend den südlichen und mittleren Balkan. Große Teile des Balkan wurde wegen der ca. 500jährigen osmanisch-islamischen Herrschaft und der christlich-orthodoxen Ostkirche gar nicht zu Europa gezählt.

*Osteuropa wurde bis 1918 je nach Hoheitsgebiet zum Abendland (Polen-Litauen, Preußen, Schweden, Deutschland, Österreich-Ungarn) oder Asien (Russland) gezählt. Während der Zwischenkriegszeit verbreitete sich der Begriff „Zwischeneuropa“ für die nunmehr unabhängigen Staaten des heutigen Ostmittel- und Osteuropas, was den unbestimmten Charakter dieses Raums treffend illustrierte.

*Russland war spätestens nach der mongolisch-tatarischen Besetzung ein Teil Asiens und blieb es auch unter den orientalisch anmutenden – weil an byzantinischer Tradition anknüpfenden –, orthodoxen Zaren. Die Kulturrevolution Peters des Großen und die Verlagerung der Hauptstadt nach Westen änderten die Sichtweise vorübergehend. Russland wurde als Teil Nordeuropas angesehen. Die bolschewistische Oktoberrevolution mit der neu-alten Hauptstadt Moskau machte Russland wieder zu einem hybriden Eurasien.

Es sei darauf hingewiesen, dass wegen der Teileuropas und wechselnder Grenzverläufe auch geographische Begriffe wie Ost- und Mitteleuropa sehr unterschiedlich definiert wurden und werden. Das fällt beim Perspektivwechsel der traditionellen kulturellen Konfliktlinie Süd-Nord auf, wonach Russland lange zum Norden gehörte. Seit dem Krim-Krieg verwandelte sich die Perspektive in einen West-Ost-Gegensatz, da Russland plötzlich zum negativ konnotierten asiatischen Osten wanderte und sich verstärkt auf dem Balkan engagierte.

Raum gestaltende Reichsvölker

Die überschaubaren Raum gestaltenden Reiche, die meist aus den Trümmern vorhergehender entstanden, waren immer multiethnisch, häufig multikonfessionell und durch eine Sendung bewusste Dynastie zusammengehalten. Wie jedes historische missionarische Reich auf Erden, bestimmt eine gestaltende Ethnie den Reichscharakter, dessen metaphysische, geopolitische und militärische Sogwirkung benachbarte Ethnien mehr oder weniger föderalistisch integrierte. Das Reich war dabei immer mehr als die Summe seiner regionalen, konfessionellen und ethnischen Bestandteile. Welche Reichsvölker gab es bisher?

*Die Deutschen

Die zentrale Lage und die breite rassische Zusammensetzung aus Germanen, Kelten, Slawen und vereinzelt auch Römer (gleichfalls ein Gemisch) und viel später auch Balten prädestinierten die Deutschen zum Kristallisationskern eines Reichs zu werden. Allerdings handelte es sich über Jahrhunderte bei den Vorfahren der heutigen Deutschen eher um eine sprachliche Sammelbezeichnung als ein einheitliches Volk. Der partikularistische Charakter des Reiches war gleichsam Ursache und Folge ethnischer Zersplitterung. Die slawisch sprachigen Untertanen (z.B. Vorfahren von Sorben, Polen und Tschechen) identifizierten sich über Jahrhunderte mit der katholisch-christlichen Sendung. Wie die später gebrauchte Bezeichnung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ nahelegt, waren Reich und sprachliches und später auch ethnisches Deutschtum nicht identisch, sondern nur der gestaltende Teil. Folgerichtig gab es lange keine Germanisierungsbestrebungen. Der extrem partikularistische Charakter, der Streit mit den Päpsten und die verheerende konfessionelle Spaltung machten das Reich zum Spielball innerer und äußerer Herrscherdynastien und erster sezessionistischer Bestrebungen. Höhepunkt dieser Entwicklung war der Erste Dreißigjährige Krieg, der fast nur auf Reichsboden stattfand und das Reich demographisch verheerte sowie in seiner Entwicklung um mindestens 150 Jahre zurückwarf. Als Folge erwachten ein tschechisches, niederländisches und schweizerisches Eigenbewusstsein aus konfessionellem Hader, schwacher Zentralmacht und einem verblassenden transzendenten Reichsmythos. Das Reich war bis zu seiner Auflösung durch Napoleon I. 1806 nur noch Objekt, das Geschichte erleidet. Im Kontrast dazu stehen die Raum gestaltenden und kulturellen Leistungen: Als typische Landmacht kolonisierte und befruchtete das Reich Mittel- und Westeuropa, erhebliche Teile Zwischeneuropas, den Donau- und Karpatenraum sowie über Deutschritter-Orden und Hanse Teile des Baltikums. Die hoch angesehenen Deutschen (besser Deutschsprachige) wurden häufig von fremden Herrschern als Siedlungspioniere in fremde Lande eingeladen.

Innerhalb des Reichs lassen sich ab dem 17. Jh. vier sehr unterschiedliche Motoren ausmachen: Preußen, Österreich, Bayern und Sachsen. Während die letzten beiden bald zu saturierten Kulturstaaten erstarrten, entwickelten sich Preußen und Österreich zu expandierenden missionarischen Staaten innerhalb des Reiches. Österreich blieb auch nach 1806 der übervölkischen transzendenten Reichstradition unter den Habsburgern treu, während sich das protestantische Preußen zur profanen Ordnungsmacht Ostmitteleuropas wandelte, das eher an die altrömische Republik erinnert, um dann zum germanisierenden Nationalstaat im 19. Jh. zu mutieren. Das Zweite Reich von 1871 und erst recht das sogenannte Dritte Reich von 1933-1945 haben mit dem Heiligen Römischen Reich nichts mehr zu tun. Die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs beschnitten die deutschen Gestaltungsmöglichkeiten: Deutschland wurde geteilt, erlitt erhebliche Gebietsverluste und verlor mit dem Verschwinden deutscher Siedlungsgebiete in Zwischeneuropa, Baltikum und Balkan auch dort Gestaltungsmöglichkeiten. Die Tragik der Deutschen liegt darin, dass sie als gesamteuropäisches Reichsvolk zu klein, als einfacher Nationalstaat aber zu groß sind.

*Österreich-Ungarn

Österreich wurde spätestens nach Auflösung des Heiligen Römischen Reiches zum Wahrer der Reichstradition, nachdem der Rivale Preußen endgültig zum ethnischen Nationalstaat fand. Rudimentär lässt sich der Reichsmythos mit katholisch-christlicher Sendung und übervölkischem Ordnungsauftrag noch bis 1918 finden. Die großzügige, jedoch nicht immer konsequent umgesetzte Sprachenpolitik der Habsburger sowie der Machtausgleich mit Ungarn änderten an der Wühlarbeit der Nationalismen wenig. Die zentrifugalen Kräfte schritten immer weiter fort. Dennoch war es letztlich erst die Dynamik des Ersten Weltkriegs, der die Separatisten des alten Reichs beförderte und natürlich die Niederlage, die von außen Österreich-Ungarn aufteilte. Heute bleibt ein entscheidender Umstand vergessen: Die meisten Völker wollten gar keine Sezession, sondern nur Territorial- bzw. Personalautonomie, deren Gewährung den Radikalen (meist republikanisch-liberale Freimaurer) das Wasser abgegraben hätte. Das gilt nicht zuletzt für die mächtigen Habsburger treuen Deutschnationalen, unter denen die antihabsburgischen Großdeutschen auch nur eine Minderheit darstellten.

*Die Russen

Die Russen hätten aufgrund ihrer ethnischen Sogwirkung ebenso wie die Deutschen das größte Potential zum europäischen Kern zu werden, doch gibt es zwei entscheidende Unterschiede: die periphere Lage mit weit auseinanderliegenden Stadtstaaten (in der heutigen Ukraine, Weißrussland und Russland diesseits des Urals) sowie die Übernahme der dem Abendland fremden Orthodoxie byzantinischer Prägung. Spätestens mit der mongolisch-tatarischen Herrschaft und der Verlagerung des kulturellen Zentrums in das weit entfernte Moskau, wandelte sich das Russentum zur eurasischen Macht. Das „Byzantinische Reich Russischer Nation“ integrierte zahlreiche asiatische Völker und nichtchristliche Konfessionen und expandierte ab dem 16. Jh. nach Kaukasien, Sibirien und Zentralasien (Turkestan). Gleichzeitig entfremdeten sich die westlich siedelnden Russen (die heutigen Ukrainer und Weißrussen) unter katholischer Fremdherrschaft (Polen-Litauen und Österreich).

*Westeuropa

Der topographisch bestimmte westliche Subraum mit offenem Übergang zu Mitteleuropa wird weitgehend vom französischen Staatsmodell beherrscht, lediglich das nördliche Westeuropa teilt sich heute aus machtpolitischem Kalkül und reichsdeutscher Schwäche auf Belgien, Luxemburg und Niederlande auf. Auch Frankreich entwickelte sich aus der fränkisch-katholischen Reichsidee, wobei der Westteil des Reichs Karls des Großen von einer gallo-romanischen Bevölkerungsmehrheit mit romanisierter germanischer Oberschicht bestimmt war. Bis zu Ludwig IX (dem Heiligen) im 14. Jh. kann man von den partikularistischen „Vereinigten Staaten von Frankreich“ sprechen, in dem noch eine regionale und völkische Vielfalt existierte. Mit Heinrich IV, Ludwig XIV und dann im Zuge der Französischen Revolution wurde diese Vielfalt durch Zentralisierung und Französisierung eingeebnet – Frankreich glich einer von Resteuropa isolierten Festung.

*Iberische Halbinsel

Die Halbinsel stellt durch ihre maritime Begrenzung einen Subraum par excellence dar, der durch die Pyrenäen vom Restkontinent abgetrennt wird. Mit der Meerenge von Gibraltar setzt sich Iberien nach Nordwestafrika fort. Seit Jahrhunderten teilen sich Spanien und Portugal diesen Raum. Beide sind Produkte der Reconquista gegen die maurisch-islamische Herrschaft, wobei in Spanien eine Reichsidee bestand: Das „Katholische Spanische Reich Kastilischer Nation“ – aus einem antimaurischen Defensivbündnis geboren. Ohne die maurische Bedrohung gäbe es heute wohl mehrere Staaten. Portugal verdankt seine Existenz einer sehr frühen Befreiung und isolierten Lage, weshalb es eine breite Defensivallianz nicht mehr nötig hatte.

*Nordeuropa

Die skandinavische Halbinsel stellt wie die iberische einen natürlichen kontinentalen Subraum dar, im Gegensatz zum jenen des Südwestens gibt es einen fließenden Übergang nach Osten (Finnland, Karelien) und eine Wasserbrücke nach Süden. Teile von Nord- und Ostseeraum wurden von den miteinander rivalisierenden Dänen, Norwegern und später Schweden geordnet: Das Reich Knuts des Großen im 11. Jh. stellte mit seinen britischen und estnischen Besitzungen den dänischen und das Schwedische Reich mit Teilen Pommerns, Finnlands und des Baltikums von 1560-1815 den schwedischen Höhepunkt dar. Mit der „Kalmarer Union“ (1397-1523) bestand sogar eine lose allnordische Verteidigungsallianz gegen Hanse und Deutschritter-Orden unter moderater dänischer Dominanz.

*Polen-Litauen

Mit Polen-Litauen bestand auch im sonst ungeordneten Zwischeneuropa eine Ordnungsmacht, der man zumindest während der jagiellonischen Staatsepochen echtes Reichsdenken attestieren kann. Dieses multiethnische und –konfessionelle Reich verstand sich als katholisch-abendländisches Bollwerk zunächst gegen die asiatischen Mongolen und später auch gegen das orientalische (weil byzantinische) Russentum. Die verheerende neopiastische Staatswende zugunsten einer polnischen Ethnokratie im 18. Jh. unterminierte das Zusammenleben der Reichsvölker und –stände: Echter Pole konnte nur Bürger, Intellektueller, Adliger, Offizier oder Grundbesitzer sein, ansonsten war der Rest nur noch polnischsprachig jenseits aller Nationalität. Die letzte Teilung von 1795 brachte Zwischeneuropa unter preußische, österreichische und russische Herrschaft, die wie die osmanische des Balkans willkommener war als heute dargestellt. In der Zwischenkriegszeit versuchte dann das wieder unabhängige Polen vergeblich an die Reichstradition anzuknüpfen.

*Der Balkan /Südosteuropa

Der Balkan ist die Achillesferse Europas, handelt es sich doch um ein Miniatureuropa mit verstreut siedelnden Völkern, zahlreichen Kleinstethnien und konfessioneller Vielfalt. Die römische Reichsteilung schuf zwei kulturell-religiöse Sphären. Im Gegensatz zu allen anderen Räumen Europas, fehlt(e) im Südosten ein Reichsvolk, was immer wieder zu anarchischen Zuständen führte. Deshalb wurde der Balkan leichte Beute raumfremder Mächte. Tatsächlich waren es Römer, Byzantiner, Osmanen, Österreicher und mit Abstrichen auch Ungarn, die raumordnend wirkten. Das Osmanische Reich und Österreich waren über Jahrhunderte gar nicht so verhasst, wie es nationalistische Ideologen des 19. Jhs. behaupteten. Seit 1945 sind die Deutschen als ökonomischer und administrativer Stabilitätsfaktor verloren.

Bei den dominierenden Völkern des Balkans handelt es sich um Griechen, Bulgaren und Serben, wobei Bulgaren den Südosten (und mit Mazedonien auch den Süden) und Griechen das bereits periphere Küstenland, Ägäische Inseln und Peloponnes besiedeln. Die griechischen Kolonien in Anatolien und Zypern bildeten den Übergang zum Orient. Beide Völker siedeln kompakt. Die Serben dagegen bewohnen den Südwesten und bilden erhebliche ethnische Exklaven im Nordwesten, die sich nicht ohne weiteres vereinen lassen. Keines dieser Völker ist in der Lage, den Balkan zu ordnen. Die Mehrheit der Balkanbewohner versteht sich als Sprachslawen, weshalb Griechen und Rumänen – sofern man letztere noch zum Balkan zählt –, als Integrationsmotoren gar nicht in Frage kommen. Die Gegensätze zwischen den Völkern, umstrittene Grenzverläufe, allgegenwärtige Sprach- und Konfessionsinseln machen eine allbalkanische Zusammenarbeit bisher unmöglich.

Europa und die Welt

Andere Kontinente – selbst die Amerikas (ohne Kanada), nicht jedoch Australien –, sehen Europa als geistige und manchmal rassische Einheit. Umgekehrt erscheinen Schwarzafrika, Lateinamerika oder Ostasien ebenfalls als eine solche fiktive Einheit. Im Gegensatz zu den im Sein lebenden Völkern Asiens teilt Europa mit Schwarzafrika und den Amerikas eine gewissen identitäre und transzendente Sehnsucht – ebenso wie die unfertige Völkervielfalt. Die chinesische Zivilisation (nicht der chinesische Ethnos) war schon alt, als die hellenische Antike noch jung war.

Im Vergleich zu China, Mayas oder Ägypten war Europas globale Expansion und Hegemonie nur eine kurze Phase, eine Phase aus Entdecker- und Handelsgeist heraus, weil der eigene Raum zu begrenzt war. Dennoch löste diese Phase globale Entwicklungen aus: wissenschaftliche Revolution, Erfindungen, Entdeckungen, ökonomische Revolution mit vollendeter Arbeitsteilung und Massenproduktion, medizinischem Fortschritt und Bevölkerungsexplosion, aber auch physischer und geistiger Kolonialismus mit seinen destruktiven Folgen: Zerstörung von Tradition (Schaffung neuer Eliten, Einführung der Geldwirtschaft, Ersetzung der Subsistenzwirtschaft und des Tauschhandels) und Export fremder Sprachen, Konfessionen und Ideologien sowie Naturzerstörung, Menschenhandel, Ausrottung von Tieren und Veränderung der Landschaft. Es soll hier nicht um die übliche Kolonialismuskritik mit schlechtem Gewissen gehen, handelt es sich doch bei diesen Erscheinungen um keine europäischen Errungenschaften. Es soll nur betont werden, dass Europas Nationalisten heute außereuropäischen Völkern Vorwürfe machen („Einwanderung ist Landraub“), die europäische Staaten vor gar nicht so langer Zeit selbst nicht nur praktizierten, sondern auch auf höchstem philosophischem Niveau rechtfertigten. Vielleicht wird heute verspätet das indianische Amerika gerächt. Das erbärmliche europäische Selbstmitleid unserer Tage ist das andere Extrem: es appelliert in phantastischer Leugnung der menschlichen Natur an selbstgenügsame Völker, die das kleine verletzliche überalterte Europa des Kinderschwunds bitte in Ruhe lassen sollen – schließlich gäbe es ja auch keinen Kolonialismus mehr. Es wird offensichtlich gern vergessen, auf welchem Wege die einstigen Kolonien in die vermeintliche Unabhängigkeit „entlassen“ wurden, unabhängig davon, dass Kolonialismus nicht von allen als Last empfunden wurde. Carl Schmitts „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“ widerspricht der menschlichen Natur, auf eine solche Doktrin darf sich kein Kontinent verlassen. Was sollen auch raumfremde Mächte sein? Wer bestimmt darüber?

Europa beeindruckt immer noch durch Wissenschaft, Organisation und Technik, seine seelische Armut, eine Bankrotterklärung, schreckt hingegen ab. Unser Kontinent glänzt mit Dekadenz, Entsittlichung, unnatürlicher Genderisierung und Hedonismus. Und das wird auch noch als zu verteidigende und exportierende Tugend angesehen. Hier muss angesetzt werden.

Unser alt gewordener Kontinent ist an seinem Niedergang selbst schuld, ebenso am Aufstieg der außereuropäischen Welt. Europas Bruderkriege führten dessen Angreifbarkeit vor aller Augen. Die hierbei praktizierte Kollaboration europäischer Staaten mit außereuropäischen tat ein Übriges.

Wie verhält es sich mit anderen Kontinenten? Die gleiche geographische Relativität bestimmt auch diese: Aus ostasiatischer Perspektive gehört die Staatenwelt westlich Indiens nicht zu Asien. Aus schwarzafrikanischer Sicht gehört der hamitisch-semitische Norden manchmal zu Europa, manchmal zu Asien. Machtpolitik und Kultur bestimmen, welcher Staat wohin gehört. Das politische Geoschema der UNO ist nur eine Konvention, ein Vorschlag.

Besorgte bis hysterische Nationalisten Europas sollten realisieren, dass die außereuropäische Welt auch keinen Block darstellt. Panasiatismus, Panafrikanismus, Panamerikanismus, Panarabismus usw. sind (momentan) auch ohne Chance. Das geopolitische Gebot der Stunde, Europa der Räume, passt auch auf zersplitterte Räume anderer Kontinente. Inzwischen nähert sich die außereuropäische Welt Europas Dekadenz im Zeitraffer an: Was Europa weitgehend hinter sich hat, haben andere noch vor sich: Urbanisierung mit rasanter Landflucht und wuchernden Megastädten, Erschütterung nationaler Identitäten und Gewissheiten, Geburtenrückgang (häufig noch ohne Geburtendefizit), Auflösung traditioneller Bindungen (konzentrische soziale Kreise), „Entzauberung der Welt“ (Max Weber), zunehmender Hedonismus und „Verhausschweinung des Menschen“ (Konrad Lorenz). Die sich gegenseitig verstärkenden Tendenzen sind offensichtlich. Folgende unversöhnliche Polarsierungen können schnell zu Bürgerkriegsszenarien führen:

*Politisch Religiöse vs. Säkulare

*Anhänger traditioneller Werte vs. Anhänger relativistischer Werte

*Nationalisten vs. Kosmopoliten

Beide Pole wachsen, die Moderaten dazwischen schwinden, alle Staaten der Erde ähneln sich dabei im Prinzip, unterscheiden sich nur noch graduell. Eine Welt in Auflösung.

Schlussfolgerungen

Es gab nie eine alleuropäische Tradition. Europa war nie einig, aber auch nicht uneinig, es gab immer eigentümliche Synergieeffekte. Die meisten Völker Europas sind wie Geschwister eines indoeuropäischen Elternpaares. Was umfasst geographisch Europa? Neben den Meeren soll die russische Westgrenze Europa definieren. Russland bleibt ein eurasischer Hybrid. Je nach geopolitischer Interessenlage und identitärer Ausrichtung können europäische Siedlungen in Australien, Südafrika und den Amerikas Verbündete sein. Deren fortgeschrittene Entfremdung und das wechselnde Verhältnis zwischen Nähe und Distanz verhindern eine Zugehörigkeit zu Europa. Island, Azoren, Madeira und Kanaren bleiben hingegen Vorposten.

Ein politisches Paneuropa ist vorerst nicht möglich, Europa muss sich wie seine Völker erst finden. Die historischen Teileuropas können Anknüpfungspunkte für künftige Räume sein, diese die Vorstufe eines europäischen Großraums. Es braucht eine Vision und möglichst eine Religion. Ein gemeinsamer Abwehrmythos durch gemeinsame Kampferfahrung kann Europas Geburtswehen einleiten. Erstmals teilt sich unser Kontinent nicht in Sieger und Besiegte – wir sind alles Verlierer. Der Widerspruch zwischen einem Europa der Vaterländer und einem Europa der Völker löst sich zunehmend auf. Europa wächst von seinen Völkern her – von unten – zusammen, während es sich oben – über Brüssel – entfremdet. Europa darf kein Negativmodell in Abgrenzung zu Asien sein. Unser Wertestock ist aufgebraucht, der scheinbare Siegeszug „Westlicher Werte“ kommt an seine Grenzen. Der Deutsche Sonderweg, antimaterialistisch und mystizistisch, wird dereinst zum europäischen Normalweg, wie er in allen Völkern stets schlummerte. Er wird wie das wahre, das identitäre und dezentrale Europa aus Not und Kampf geboren. Europa ist eine Vision, ein wirkungsmächtiger Mythos der Zukunft.