Ein bisschen Machiavelli schadet nicht

von | 29. Mrz. 2017 | Philosophie & Theorie

Wer sich in der Wirtschaft oder der Politik in höhere Sphären begeben möchte, wird an ihm nicht vorbeikommen: Niccolò Machiavelli. Der im Jahre 1469 geborene Florentiner begründete seinerzeit mit seinem Werk „Il Principe (Der Fürst)“  die Staatsphilosophie. Wahrscheinlich kann bei ihm getrost von einem der bedeutendsten Staatsphilosophen der Neuzeit gesprochen werden. Obwohl der Machiavellismus oft besonders von rechten Kreisen kritisiert wird, glaubt der Autor dieser Zeilen, in dem italienischen Philosophen einen Wegbereiter und Freund auch rechter Strategien gefunden zu haben. Durch die anhaltenden Erfolge der Globalisten und linken Meinungsmacher hat sich innerhalb der Rechten eine gewisse „Elitenfeindlichkeit“ aufgetan. Der Begriff des Machiavellismus wird in diesen Kreisen nur selten wertneutral verwendet. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Begrifflichkeit, die häufig in einem kritischen Zusammenhang aufkommt. Dabei handelt es sich nach Auffassung des Autors um eine der wichtigsten Aspekte jeder strategischen Planung innerhalb der Politik. Wer den Machiavellismus ausblendet, wird früher oder später an seinem Vorhaben, Politik zu machen, scheitern müssen.

Vom Wesen der Politik

Politik ist mit anderen Worten die Gestaltung des öffentlichen Lebens. Diese Definition klingt für jeden verlockend, der der Gesellschaft bzw. dem öffentlichen Leben seinen Stempel aufdrücken möchte. Dies kann sicherlich auch edle Beweggründe haben. Bismarck sprach hierbei allerdings von der „Kunst des Möglichen“ und machte damit bereits Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich, dass Politik nicht mit der Umsetzung eines Ideals oder einer Idee gleichzusetzen ist. Vielmehr hat sie ihre eigenen Regeln und neigt dadurch dazu, denjenigen, der sich ihr bemächtigen will – um ggf. seine Ideale umzusetzen – als Spielball zu missbrauchen. Wer Politik machen will, der wird sich schnell – zumindest als Idealist – den Realitäten ausgesetzt sehen und feststellen müssen, dass es besonders innerhalb politischer Kämpfe andere Regelwerke gibt, als es der „Vernunft des Einzelnen“ beliebt. Der erfolgreiche Politiker wird sich nur selten seiner Vernunft bedienen, wenn er die Massen versucht von seinen Vorstellungen, die oftmals seinen eigenen Interessen gleichkommen, zu überzeugen. Gustave Le Bon, an den in diesem Blog bereits mehrfach verwiesen wurde, hat bereits in seinem Buch „Psychologie der Massen“ deutlich gemacht, dass die Massen ungehemmt, affektiv und unfähig zur Mäßigung sind. Tatsächlich schwächt jede besonders heterogene Masse die intellektuelle Leistung des Individuums. Nun ist die Politik, besonders in einem westlich-demokratischen System, auf diese heterogenen Massen angewiesen. Es handelt sich bei der Wahlmasse um eine Menschengruppe mit einem sehr hohen Grad an Diversität und somit zum Hang zur „Unvernunft“. Nach Wilfred Trotter ist der Mensch allgemein ein Herdenwesen, welches zugunsten der Gruppe, der er angehört, seinen individuellen Willen instinktiv aufgibt. Wer hier an den homo oeconomicus glaubt, dem wird der Erfolg innerhalb der Politik verwehrt bleiben. Der wird nach den Erkenntnissen der Massen- und Gruppenpsychologie früher oder später in einer „isolierten Situation“ (Sun Tsu) enden, aus der er nur noch durch das „Anwenden einer List“ herauskommen kann.

Propaganda in westlichen Demokratien

Der Machiavelli der Public Relations, Edward Bernays, leitet sein berühmtes Werk „Propaganda – Die Kunst der Public Relations“ mit folgenden Worten ein: „Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur logische Folge der Struktur unserer Demokratie: Wenn viele Menschen möglichst reibungslos in einer Gesellschaft zusammenleben sollen, sind Steuerungsprozesse dieser Art unumgänglich.“

Der 1891 in Wien geborene und später nach Amerika emeritierte Spin-Doctor macht damit deutlich, dass es in westlichen Demokratien in Wirklichkeit keine freie Entfaltung der Menschen im Sinne eines aufklärerischen Gedankens geben kann. Tatsächlich handelt es sich demnach bei dieser Regierungsform, angesichts der landläufigen Definition, um eine zwar schön klingende, jedoch nicht weniger utopische Vorstellung vom Zusammenleben großer Menschengruppen, wie sie die heutige Massengesellschaft zu genüge hervorzubringen vermag. In rechten Kreisen – besonders in jenen, die auf die Organisierung innerhalb von Parteien bedacht sind – wird dieser Aspekt aufgrund von blindem Idealismus ausgeblendet. Keineswegs möchte der Autor den Akteuren, die eine derartige Organisationsform vorziehen, böse Absichten unterstellen. In Wirklichkeit glaubt er vielmehr, dass die Beteiligung bei solchen westlich-demokratischen Prozessen immer dazu führen wird, dass der Akteur sich diesen Regeln unterwerfen muss, will er echten Erfolg – und das heißt für Parteien immer die gewonnenen Wahlkämpfe – verbuchen. Jede Partei, jede politische Organisation, mag sie nun parlamentarisch oder außerparlamentarisch organisiert sein, wird nicht an dem Wesen der Politik und der westlichen Demokratie vorbeikommen. Es geht in diesem Treiben ausschließlich um die Beantwortung der Frage, wie man möglichst viele Stimmen erhaschen und Mitglieder hinter bzw. um sich scharen kann. Dazu werden auch jene geneigt sein, die ursprünglich von edlen Gedanken motiviert wurden, sich einer solchen Gruppe anzuschließen. Anderenfalls würde dies den zunehmenden Verlust an Bedeutung für eine solche Gruppe bedeuten.

Machiavellismus und Idealismus – Zwei Gegensätze? Sei Fuchs, aber sei auch Löwe!

Napoleon, Hitler, Stalin, Bismarck, ja selbst Friedrich der Große hat ihn bewusst oder unbewusst verinnerlicht. Machiavelli hat mit seinen Ratschlägen für den Fürsten jedem Staatsmann, jedem Herrscher und Strategen ein Regelwerk gegeben, eine Art Gebrauchsanweisung, die ihm aufzeigt, wie mit einem Volk in welcher Situation zu verfahren ist, wie man einen Staat kreiert und auf welchen Grundfesten die Macht eines Herrschers aufgebaut sein muss. Für viele ist diese Denkweise in feinkalkulierten Strukturen, um zur Herrschaft zu gelangen oder sie zu erhalten, etwas befremdlich. Dennoch ist sie für jeden, der sich auf die Macht einlässt, essentiell. Machiavelli vergleicht die Macht und das Schicksal, ein Stück der Macht abzubekommen mit der Göttin Fortuna, der Göttin des Glücks. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Fortuna das Rad des Glückes wieder herumreißt und damit für neues Chaos sorgt, das jedoch wiederum neue Chancen ermöglicht, welche jene ergreifen können, die nach der Macht streben. So verlangt der italienische Staatsphilosoph in seiner Schrift, die dem Herrscherhaus der Medici gewidmet war, von dem Kenner der Macht innere Disziplin als Strategie, Kontrolle bzw. Abstinenz bezüglich der eigenen Machtgier, die immer wiederkehrende Hinterfragung der eigenen Motive und die letztlich wichtigste Tugend eines Herrschers oder Revolutionärs, Geduld. Dennoch dürfen jene, die sich der Macht bewusst sind, nicht davor zurückschrecken, alle Mittel einzusetzen, um sich an der Macht zu halten. Wer Macht will, der muss sich ihrer auch bewusst werden. Daher muss die Entschlossenheit, Macht zu erlangen absolut und konsequent in der Ausführung sein. Machiavelli rät dem Fürsten oder jenem, der es noch werden will, die persönliche Tugendhaftigkeit hinten anzustellen und dafür reine Professionalität, reines Machtkalkül gepaart mit leidenschaftlicher Risikofreude zu entfalten. Dazu dienen ihm zwei Prinzipien:

  1. Schutz der eigenen Macht ohne Rücksicht auf Verluste
  2. Flexibilität schaffen, in dem sich der Fürst gewisse Freiräume gestaltet, die seine Beweglichkeit erhalten und möglichst viele Entscheidungsalternativen gewährleisten.

Doch diese Vorgehensweise wird von den meisten Rechten, die mittlerweile zu einer gewissen „Elitefeindlichkeit“ neigen, abgelehnt. Sie halten es für nicht vereinbar mit ihren Prinzipien. In rousseau’scher Manier sehen sie im Menschen stets das Gute und weigern sich, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Tatsächlich bleiben sie dadurch „bessere“ Menschen als jene, die sich die Macht nach einem gut kalkulierten und niederträchtigen Plan sichern. Dennoch werden sie immer auf der Verliererseite stehen, weil sie dem Gegner stets unterlegen sind. Nun ist diese kleine Abhandlung keine Aufforderung zum Tabubruch oder dazu, seinen Idealismus zu verraten. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Frage, die leider zu selten konstruktiv behandelt wird. Nämlich die Frage danach, ob Idealismus und reine Kalkulation, welche auf dem Willen zur Macht basiert, miteinander kompatibel sind. Gibt es einen Mittelweg? Oder bewegen wir uns hier auf einer Gradwanderung, die ins Unbekannte, vielleicht sogar Gegensätzliche führt?

Machiavelli unterscheidet zwei Typen des Fürsten: Der Fuchs und der Löwe. Dabei ist der Fuchs jener, der sich durch List und Intelligenz Vorteile verschafft. Der Löwe ist ein starker Krieger. Er setzt sich durch und beweist sich und seine mannhaften Tugenden stets durch den Kampf aufs Neue. Nun ist der starke Löwe natürlich in der Männerwelt – die Herrscherwelt ist eine Männerwelt – bewundernswert, jedoch wird auch er sich ohne scharfen Verstand nicht lange an der Macht halten können. Daher mahnt er auch den Löwen zum Gebrauch der Mittel des Fuchses. Der Idealtyp wäre eine Mischung aus beiden.

Damit auch Rechte wieder siegen können

Wer sich in der Politik engagieren möchte und nach Erfolg strebt, wird, wie bereits oben mehrfach deutlich hervorgehoben, nicht daran vorbeikommen, sich der Regeln und Methoden zu bedienen. Zu Zeiten Machiavelli waren die Gesellschaften patriarchalisch und im Allgemeinen weniger demokratisch als es heute der Fall ist. Den Massen wird durch geschickte Public Relation Strategien suggeriert, dass sie in einer Gesellschaft leben, in der es eine freie Meinungsäußerung und freie Informationsbeschaffung gibt. In Wirklichkeit kontrollieren die Massenmedien die Meinungen der Menschen. Sie überlassen ihnen nicht das Denken, da man – wie es Bernays als renommierter PR-Stratege deutlich machte – den Massen eine solche Aufgabe nicht zutrauen kann. Letztlich besteht lt. Bernays in der „modernen Demokratie“ das große Problem darin, selbst die „Politiker zum Führen zu bewegen“. Es handelt sich hierbei also auch um einen psychologischen Krieg, den die Rechten führen müssen. Mit rationalen Argumenten ist dieser Kampf nicht mehr zu gewinnen. Wenn man versteht, dass der Mensch nicht nach dem Adam Smith’schen Prinzip des homo oeconomicus handelt, sondern ein emotionales Wesen ist, welches gleich den Tieren seinen Instinkten folgt, dann ist diese Strategie der Rechten zum Scheitern verurteilt. Wer Großes erreichen will, der muss anfangen auch groß zu denken. Besser gesagt: Wer Großes erreichen will, der muss es wagen eine Vision zu schaffen, einen Mythos zu gründen und einen auch irrational-wirkenden Geist zu versprühen. Das ist der Löwe, nach dem sich die Männerwelt sehnt. Doch muss dieser Löwe dazu in der Lage sein, seine Angreifer und Konkurrenten notfalls auch mit dem listigen und scharfen Verstand eines Fuchses zu bekämpfen. Der Feind hat uns in eine „gefährlich isolierte Position“ manövriert, welche schon lange anhält. Sun Tsu rät hier: „Wenn du eingeschlossen wirst, mußt du eine Kriegslist anwenden. Wenn du in einer hoffnungslosen Position bist, mußt du kämpfen.“ Das heißt, wenn sich die Rechte oder zumindest Teile der Rechten entscheiden, in diesem Spielchen mitzuspielen, dann müssen sie sich zunächst mit dem Regelwerk vertraut machen. Dazu gibt es keinen Weg an Machiavelli, Bernays und Le Bon vorbei. Der Leser sei hier darauf aufmerksam gemacht, sich mit solchen Schlüsselwerken zu befassen. Fangen wir endlich an, eine Strategie zu entwickeln! Lernen wir endlich wieder, wie wir der Rechten zum Sieg verhelfen können!