Die (Ohn-)Macht des Arguments

von | 17. Feb. 2019 | Philosophie & Theorie

Basiswissen von alten Griechen, Misanthropen und Marketingexperten mit Black-Metal-Hintergrund vermittelt.

„Man muß die Welt nicht unbedingt verstehen. Wichtiger ist, ihr gewachsen zu sein.“

– Oswald Spengler

Von Thor von Waldstein stammt das Bonmot, dass eine „Talkshow […] mit dem Zauber eines Zwiegesprächs unter Selbstdenkern soviel zu tun [hat] wie ein Pornofilm mit einer echten Liebesbeziehung.“[1] Das ist mehr als richtig und überrascht besonders in den Sphären der Politik nicht, wo, wenn es um Macht bzw. die eigenen Pfründe geht, auch die sonst so verständnisvollsten grünen Bessermenschen mit Bandagen kämpfen, die von Machiavelli oder Sun Tzu persönlich angelegt scheinen. Doch auch der normale Querdenker von rechts kann sich einer ausreichenden argumentativen Wappnung nicht völlig entziehen, will er nicht in sozialen Netzwerken, Videoportalen, auf der Arbeit oder im Kreis der Freunde und Familie untergehen. Besonders den in den erstgenannten multimedialen Plattformen anzutreffenden Aktivisten werden, wenn sie die Feder mit dem Andersdenkenden kreuzten, die Erfahrung mit rhetorischen Manipulationstechniken wie dem Strohmann-Argument oder der Ad- Hominem- Attacke bewusst oder unbewusst gemacht haben. Bei unseren Beispielen handelt es sich um so genannte Sophismen, also Scheinargumente, die logische Fehler oder keinerlei Aussagekraft beinhalten. Entwickelte sich die Entzauberung substanzloser Argumente in den Vereinigten Staaten von Amerika fast zu einer Art Volkssport mit einer Unzahl an Veröffentlichungen, scheint das Thema hierzulande, wenngleich mehr als ausreichend wissenschaftlich erforscht, eher von untergeordneter Rolle zu sein, wenngleich es durch das Phänomen der „YouTuber“ auch an Reichweite gewann. Außerhalb dieses Universums dürfte es allenfalls Studenten der Philosophie, angehenden Juristen oder Wirtschaftswissenschaftlern (z. B. bei dem Denkfehler der „Versunkenen Kosten“) näher bekannt sein.

Von Sokrates zu Tode befragt – von den Anfängen der Wahrheitsfindung bis in das Zeitalter des ‚Meme-War’

Seinem Schüler Platon hat es Sokrates zu verdanken, dass seine Methodik oder besser Geburtshilfe (siehe Mäeutik) des zielführenden Fragens bei der Wahrheits- oder Erkenntnisfindung als der „sokratische Dialog“ in die Annalen der abendländischen Geschichte eingegangen ist. Mit seiner Apologie, der tragischen Schilderung des Prozesses gegen seinen Lehrmeister, lieferte er dann darüber hinaus nicht nur ein bedeutendes Exempel der Kunst von Rede und Gegenrede, sondern auch ein klassisches Argument gegen die Herrschaft der Massen. Zu dieser Zeit populär im Diskurs war die Eristrik der Sophisten, die Platon aber zu ungenau und beliebig erschien. Ihm entgegen setzte er die fundierte Dialektik, die man als „Weg des Denkens in Begriffen mit entgegengesetzter Bedeutung[2] umschreiben kann. Eine theoretische bzw. genaue analytische Ausgestaltung erfolgte dann durch seinen Schüler Aristoteles, dem Schöpfer der Logik. Die von ihm in der Topik geschaffene Argumentform des Syllogismus, definiert der Duden als einen „aus zwei Prämissen gezogener logischer Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere[3] und hat Bestand bis in unsere Gegenwart, genau wie viele seiner in den „Sophistischen Widerlegungen“ aufgelisteten Scheinargumenten. Interessanterweise entwickelte sich parallel eine logische Denkschule in Indien, die sich bis zum Abriss des Kontaktes durch die gewaltsame Expansion des Islams im fruchtbaren geistigen Austausch mit Europa befand.[4]

Für uns von größerer Bedeutung ist aber das 1830 niedergeschriebene Manuskript ‚Eristische Dialektik’ von Arthur Schopenhauer. Darin findet er durchaus anerkennende Wort für die Leistung des Aristoteles, kritisiert aber dessen oft unscharfe Trennung von ernsthafter Wahrheitssuche und reinem Geltendmachen der eigenen Positionen als Zweck der Dialektik, sein zu starkes Verharren in der starren Form (was ihm selbst bei Betrachtung des Inhalts noch widerfahre) und das zu lange Erörtern von Selbstverständlichkeiten, ohne sich wirklich erschöpfend dem Thema gewidmet zu haben. Dem setzt er folgendes entgegen: „Um die Dialektik rein aufzustellen, muß man, unbekümmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie bloß betrachten als die Kunst, Recht zu behalten, welches freilich um so leichter sein wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat. Aber die Dialektik als solche muß bloß lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche verteidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet ohne sich selbst zu widersprechen und überhaupt ohne widerlegt zu werden.“[5]

Waren die Abhandlungen des Aristoteles Bücher der weißen Magie, so war Schopenhauers Niederschrift ein Ausflug in die schwarzen Künste – Beschwörung und Bannspruch in einem. Ihm selbst beliebte wohl mehr das Gleichnis einer „geistigen Fechtkunst“[6]. Seine vom Wesen her Ad Rem (auf die Sache bezogen) oder Ad Hominem (auf den Menschen bezogen), Kunstgriffe, wie Ablenkungen, Erweiterungen oder Verengungen bei der Argumentation, Reizen/Erzürnen des Gegners, um ihn zu unüberlegten Handlungen zu treiben, werden uns so oder in abgewandelter Form auch bei unseren modernen Beispielen begegnen.

Auch wenn er sich später von seinem Werk distanzierte, so schärfte es doch gleichzeitig unseren Blick und richtete ihn gleichsam auf die Logik bzw. auf die Struktur des Arguments, als auch auf die Dialektik, den Inhalt betreffend aus. Diese Unterteilung hat sich heute im englischsprachigen Raum als die der formal und informal fallacies in unsere Zeit gerettet. Besondere Bedeutung erlangte sie besonders bei den Präsidentschaftswahlen 2015/2016 in den Vereinigten Staaten. Logische Fehlschlüsse wurden in sogenannten Memes (nach einer Wortschöpfung durch Richard Dawkins) sowohl aufgezeigt als auch gezielt genutzt, um den weltanschaulichen Gegner nicht selten humorvoll bloßzustellen. Ein Meme ist dabei nichts anderes als eine Art der Informationsübermittlung, die in unterschiedlicher Form beispielsweise als Video, Bild oder in einfachen Sätzen rasche Verbreitung findet. Der Schlüssel dabei ist ihre Simplizität. Über die Grenzen Nordamerikas fand dabei besonders die mit Unterstützern des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump assoziierte Figur von ‚Pepe dem Frosch’.

Die Macht der Sprache

„Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.“

– Gustave Le Bon

Sprache ist ein Herrschaftsinstrument, mit ihr kann man den Diskurs beherrschen. 1922 schrieb Walter Lippmann in ‚Public Opinion’ folgende berühmte Sätze: „Wir werden über die Welt bereits unterrichtet, bevor wir sie sehen. Wir stellen uns die meisten Dinge vor, bevor wir unsere Erfahrungen damit machen. Und diese vorgefaßten Meinungen beherrschen aufs stärkste den ganzen Vorgang der Wahrnehmung.“[7] Diese Prozesse seien kontrolliert durch die ‚Torwächter’ der öffentlichen Meinung, die gewissermaßen die Spielregeln aufstellen. Der Doktor der Philosophie S. Morries Engel fasst in seinem Buch ‚With Good Reason“ zusammen: „Wir haben gesehen, dass die in jeder Aussage verwendete Sprache, die Bedeutung dieser Aussage bestimmt. Der Sprache wurde eine intime Beziehung zum Denken zuerkannt, sogar eine formgebende. (…) Die Tendenz, Wörter entsprechend ihrer Symbolik nach zu werten, wurde gezeigt, um Schwammigkeiten in der Bedeutung zu begünstigen und Euphemismen hervorzurufen, bei denen die Dinge neue Namen erhalten, um negative Eigenschaften zu verschleiern.“[8]

Einen weiteren genialen Beitrag verdanken wir dem Diplom-Sozialwissenschaftler Manfred Kleine-Hartlage, welcher 2005 in „Die Sprache der BRD“ eine Art Wörterbuch für die auch im Kleinen den Diskurs bestimmende Phraseologie des Systems lieferte. Zu den wichtigsten rhetorischen Mitteln, die uns auch bei den Beispielen der informellen logischen Fehlschlüsse begegnen werden, zählt er dabei:

  • Die orwellsche Verdrehung

Pervertierung von Wortbedeutungen, welche ihren Namen durch den Schöpfer des Romanes ‚1984’ erhielt. So hat das von bundesdeutschen Politikern benutzte Wort ‚Demokratie’ nicht mehr seine ursprüngliche Bedeutung inne und wird argumentativ eher gegen eine wirkliche Mitbestimmung des Volkes ins Feld geführt. Oder nehme man das Beispiel der Vergangenheitsbewältigung: Bei ihr geht es mitnichten darum, mit der eigenen Vergangenheit abzuschließen, um selbstbewusst in die Zukunft gehen zu können, sondern vielmehr um die Etablierung einer Zivilreligion, in der die Vergangenheit als eine Art mystifizierter Wiedergänger permanenten Bannritualen unterworfen ist.

  • Das Trojanische Pferd

Sprachverwirrung. Wie in Schopenhauers Kunstgriff Nr. 6 unter anderem Namen firmieren, um die Empfänger zu täuschen. Zum Beispiel über die Aktionen der Antifa sprechen, den Begriff Antifa dabei aber vermeiden und stattdessen von ‚zivilgesellschaftlichen Gruppen’ sprechen.

  • Den Ohrwurm

Exzessive Verbreitung eines nützlichen Kampfbegriffes, obwohl dessen Wahrheitsgehalt äußerst strittig ist. Beispiele des Autors: Klimawandel, Fachkräftemangel, Migranten haben unser Land aufgebaut

  • Die Tantensprache

Versuch der Einlullung durch süße Wortschöpfung und das Heucheln von Interesse bzw. dem Formulieren wohlgemeinter Absichtserklärungen. Im Grunde wird bereits bei ihrer Benutzung der eigentliche Sinn klar: Die Entmündigung des Bürgers

  • Das Reframing (siehe Red Herring)
  • Die „Anti“-Sprache

Schopenhauers 12. Kunstgriff:„Ein Redner verrät oft zum voraus seine Absicht durch die Namen, die er den Sachen gibt“[9] Hier ist dies aber nur für den Kundigen sofort erkennbar. Genau wie Engel es weiter oben beschrieb, haben wir es bei der Anti-Sprache mit einem rhetorischen Mittel zu tun, bei dem die Dinge neue Namen erhalten, um negative Eigenschaften zu verschleiern. Zwei der größten Zweige der Abtreibungsindustrie in Nordamerika und Deutschland heißen beispielsweise „Planned Parenthood“ und „Pro Familia“.

  • Geßlerhutbegriffe

Ernst Jünger notierte einst: „Die geistige Unterwerfung vollzieht sich durch die Annahme der Fragestellung, gleichviel, ob man die Antwort bejaht oder verneint“[10]. Auch bei den Geßlerhutbegriffen liegt die Intention darin, Konformität zu erzwingen. Prominentes Opfer wurde u. a. Andreas Gabalier, welcher sich 2014 bei einem Formel-1-Rennen in Spielberg erdreistete, den von 1947 bis 2012 gültigen Text („Heimat bist du großer Söhne“) der Bundeshymne , anstelle der vom Parlament beschlossenen geschlechterneutralen Änderung („Heimat großer Töchter und Söhne“) zu singen. Auch nach fast fünf Jahren darf seitdem in fast keinem Artikel über Gabalier dieser Hinweis fehlen, wobei die Vertreter des linksliberalen Medienmonopols dabei auch gerne an der Formulierung feilen, um den Eindruck entstehen zu lassen, er hätte irgendein schlimmes rückwärtsgewandtes Liedchen aus den 1930er Jahren geträllert…

  • Pawlowsche Glöckchen (siehe Ad Hominem Atacke, Brunnenvergiften)
  • Verschleiernde Anglizismen

Nur noch wenigen ist bekannt, dass der Begriff multicultural eigentlich eine Bezeichnung für den gescheiterten melting pot (Schmelztiegel) ist. Würde man seine eigentliche Bedeutung somit korrekt ins Deutsche übertragen, müsste man viel eher das Wort ‚Parallelgesellschaften’ verwenden. Dies jedoch wäre mehr als verräterisch. Weiteres Beispiel des Autors: Gender Mainstreaming (deutsch: Geschlechtergleichmacherei)

  • Das Totschlagwort (siehe Ad Hominem Attacke, Godwins law)

Beispiele informeller Fehlschlüsse

Da wir im Streitgespräch hauptsächlich auf informelle Fehlschlüsse treffen, soll ihnen das Hauptaugenmerk dienen. Bei der Auflistung einer selektiven Auswahl werde ich 16 Beispiele präsentieren und auch auf deren Schwachstellen eingehen. Mehr Wert legte ich dabei auf den Inhalt und die Alltagstauglichkeit und so litt manchmal ein wenig die Form. In vielen Beispielen lasse ich in dem von Person B aufgeführten Sophismus das von Person A präsentierte Argument ableiten. Da die Lehrmeinungen sowohl bei der Zuordnung einzelner Logikfehler als auch bei der Präsentation adäquater Beispiele teilweise auseinandergehen, bitte ich um Nachsicht bei etwaigen Streitfällen oder Überschneidungen.

 1. Strawman (Strohmann-Argument)

Beispiel: „ Also sollen alle Frauen wieder an den Herd und als Gebärmaschinen fundieren?“

Natürlich war das nicht gemeint als Person A zu Person B sagte: „Wir müssen überdenken, ob es den Interessen der meisten Frauen wirklich dienlich ist, in einer von Männern erdachten Berufswelt tagtäglich ihren Mann stehen zu müssen.“ Allerdings hatte Person B auf dieses wirklich feministische Anliegen keine Antwort parat und baute für die Widerrede einen leichter zu besiegenden Strohmann. Vielleicht bekommen es die Zuhörer in der Runde ja gar nicht mit? Beliebt ist dies auch bei Eurokraten, um Kritik an der EU bzw. ihren Institutionen als anti-europäisch abzutun.

 2. Argumentum Ad Hominem (Ad Hominem Attacke)

Beispiel: „Du hast Dein ganzes Leben nach Deinem Studium zu Hause bei deinen Kindern verbracht. Was willst Du mir denn Bitteschön über Feminismus erzählen?“

Ein Angriff, der eher auf die Person direkt oder deren Vergangenheit abzielt, um sie in Misskredit zu bringen. Gerne wird ihr dabei auch unterstellt, sie würde relativieren oder sei sonst wie ideologisch verblendet. Auf die Stichhaltigkeit des Argumentes hat dies jedoch wenig Einfluss. Handelt es sich allerdings um eine böswillige Verleumdung oder Beleidigung ohne Wahrheitsgehalt, spricht man nach Schopenhauer von Argumentum Ad Personam.

Eine weitere Unterart dieses Typs ist das Brunnenvergiften. Sinn dieser Attacke ist es, den Gegner frühzeitig vom Diskurs auszuschließen bzw. moralisch zu disqualifizieren, indem man ihn gezielt mit Dreck bewirft. Irgendetwas davon wird dann schon hängenbleiben.

Beispiel 1: „Wer jetzt die Meinung eines Verschwörungstheoretikers und Rassisten hören will, dem wünsche ich viel Spaß“

Beispiel 2: „Die Gegnerschaft zu unseren Plänen zum Aufbau einer Planwirtschaft mit Überführung aller Betriebe ins Volkseigentum hat dadurch nur gezeigt, wie korrumpiert sie noch von der Bourgeoisie und dem Kapital ist.“

3. Genetic Fallacy (Genetischer Trugschluss)

Beispiel: „Der Autor dieses von Dir präsentierten Buches ist in einer umstrittenen Burschenschaft organisiert. Über den Inhalt jetzt noch weiter zu sprechen, erübrigt sich für mich damit.“

Wie unschwer zu erkennen ist, benutzt man diesen Taschenspielertrick, um einer sachlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Ein weiterer wichtiger Antrieb ist das Lagerdenken, also die Überzeugung, die eigene Gruppe hätte die Wahrheit für sich gepachtet und der Angehörige der anderen Gruppe könne deswegen nur irgendwelche finsteren, unmoralischen Absichten vertreten (siehe auch Ad Hominem Attacke). Für diese Personen stellt es keine Doppelmoral dar, wenn sie bei dem Vortrag eines tibetanischen Mönches, welcher vor dem drohenden Verlust bzw. der Zersetzung der tibetanischen Identität durch die chinesische Einwanderungs- bzw. Umsiedelungspolitik warnt und Schutzmaßnahmen fordert, applaudiert, am Tag darauf aber die Vortragsveranstaltung eines deutschen Autoren, der Deutschland ähnlich bedroht sieht, zu sprengen versucht. Besonders entlarvend für den Anwender des Genetischen Trugschlusses (Person B) wird es, wenn sein Gegner (Person A) seine Aussagen auf eine Person aus dem Lager von Person B stützt. Meist versucht sie dann diesen Umstand zu leugnen oder unterstellt eine böswillige Fehlinterpretation. Wird Person B nun weiter in die Enge getrieben, unterlässt es aber aufzugeben, kann man oft je nach deren Gruppenidentität (Weltanschauung, Religion, Rasse etc.) entweder den Vorwurf hören, der Querschläger sei ein abtrünniger Verräter (siehe auch No true scotsman) oder ein ‚Onkel Tom’ (domestiziertes Hausschwein) und habe den Kampf für seine Rechte gegen ein Helotendasein unter der Herrschaft des Feindes eingetauscht.

 4. Tu quoque (Du auch)

Diese Argumentationsweise ähnelt dem als Diversion (Ablenkung, persönlicher Vorwurf) verwendeten Kunstgriff Nr. 29 (Schopenhauer) und eigentlich mehr eine Unterart der Ad Hominem Attacke. Ein etwas zwiespältiger Fehlschluss, da er den berechtigten Versuch darstellen kann, beim Gegenüber Heuchlerei oder Doppelmoral aufzuzeigen. Das kann nämlich mit dem Verweis auf grüne Klimaretter, die all ihre Wege aber mit dem Flugzeug oder in Karossen mit großem Hubraum erledigen, seine Berechtigung haben, auf den Sachverhalt inwieweit der menschengemachte CO2-Ausstoß nun relevant für das Klima ist, hat er keinen Einfluss. Somit ist unser Beispiel eher mit dem Kunstgriff Nr. 5, den Gegner mit seiner eigenen falschen Denkart zu schlagen, verwandt.

Der dieser Form zugehörige Whataboutism ist eine Gegenfrage, um zu relativieren bzw. auf ein anderes Schlachtfeld auszuweichen.

Beispiel: „Die Zahl der von Islamisten getöteten Europäer ist doch gering im Vergleich zu den Massengräbern, die die Nato-Bombardements in den Heimatländern der Attentäter angerichtet haben.“

 5. Guilt by Association (Schuldig durch Assoziationen)

Beispiel: „Die Nation wieder in den Mittelpunkt bringen. Na, damit stehst du ja in bester Tradition zu wahnsinnigen Massenmördern.“

Auch hier wird die Überschneidung zu den vorherigen Illusionen deutlich: Welchen Einfluss hat es auf mein Argument, nur wenn es von Person X in gleicher oder ähnlicher Form verwendet wurde? Im Umkehrschluss käme ja niemand auf die Idee, den Grünen die Nähe zur Ideologie des Nationalsozialismus zu unterstellen, weil sie immerhin vorgeblich für Naturschutz eintreten. Wenn ich mich mit den Ideen des gewaltfreien Widerstandes eines Mahatma Gandhis identifiziere, identifiziere ich mich dann auch automatisch mit seinen rassenchauvinistischen oder frauenfeindlichen Ansichten? Diese spezifische Form der Scheinargumentation läuft zwangläufig auf einen Nazi-Vergleich hinaus und findet sich früher oder später in den meisten Auseinandersetzungen politischer Natur (siehe Godwin´s law). Oft kann die „Guilt by Association“ auch genutzt werden, um einen Abbruch des Disputes durch gespielte moralische Entrüstung zu erzielen. Ein Beispiel könnte das von einer weiblichen Person mit Migrationhintergrund während einer Integrationsdebatte geäußerte:„Ich rede mit niemandem mehr, der meinen Kindern und mir das Lebensrecht abspricht!“ sein. Natürlich entbehrt dieser Anwurf jeglicher Grundlage…

6. Red Herring (Roter Hering)

Beispiel: „Wir schwafeln hier über die Erweitung des Rechtes der Frau zum Schwangerschaftsabbruch und somit über nichts anderes als das Schicksal von Zellhaufen, während im Jemen täglich massenweise Kinder verhungern!“

Etymologisch zurückzuführen auf den Irrtum, Heringe wären in der Lage, die Witterung von Jagdhunden zu beeinflussen, beschreibt diese Methode ein Ablenkungsmanöver bzw. das Ausweichen auf ein anderes Kampfterrain. Natürlich ist es schlimm, dass im Jemen Kinder verhungern, aber was hat das mit der Abtreibungspraxis in Deutschland zu tun? Man beachte das Reframing bei dieser Aussage: Geschickt lenkt die Person in dem Beispiel den Fokus von den Rechten des ungeborenen Kindes zu angeblichen Frauenrechten. Ähnlich dem Kunstgriff Nr.18 (Verschiebung der Streitfrage).

7. Slippery Slope (Dammbruch-Argument)

Beispiel: „Wenn diese Partei die Wahl gewinnt, werden wieder Konzentrationslager errichtet.“

Was für ein Blödsinn. Aber was sollte er auch sonst tun, denn sachlich war dem Argument seines Gegners nicht beizukommen. Die Lösung kam, indem er ein apokalyptisches Szenario heraufbeschwor.

Auch diese Masche gehört bei Linken zum Standartrepertoire. Wir erinnern uns: Sollte nicht mit dem Wahlsieg Donald Trumps die Welt untergehen? Und was geschah mit der britischen Wirtschaft nach dem Brexit-Referendum? Sie ist nicht, wie prognostiziert, eingebrochen. Obwohl es sich natürlich um einen logischen Fehler der schlimmsten Sorte handelt, darf hier eines nicht vergessen werden, dass hier auch der Keim der Salamitaktik liegt. So können kleine als legitim oder vernünftig erscheinende Forderungen längerfristig natürlich auch als Türöffner mit unvorhersehbaren Folgen dienen: Wer hätte beispielsweise gedacht, dass mit der Streichung des § 175 Paraden wie der Christopher-Street-Day auf den Straßen oder Homosexuellenpropaganda in Kindergärten Einzug halten?

Wer hätte gedacht, dass die Einbeziehung therapeutischer bzw. sozialisierender Maßnahmen in das Strafrecht schließlich irgendwann in einer Art Kuscheljustiz gipfelt, bei der eine Verschiebung des Fokus von dem Opfer auf den Täter stattfindet? Ernst Jünger hierzu: „Wo der Liberalismus seine äußersten Grenzen erreicht, schließt er den Mördern die Tür auf.“[11]

Wer hätte es für möglich gehalten, dass aus von der Wirtschaft angeworbenen GASTarbeitern oder temporären Bürgerkriegsflüchtlingen die mit einem Nimbus der Unantastbarkeit ausgestatteten Bevölkerungsgenossen werden, während der Autochthone „schon länger hier Lebende“ wie ein uraltes Möbelstück aus unerfindlichen Gründen noch weiter existieren darf. Dass der Kampf um „Gleichheit“, in Anlehnung an Peter Furth, einem Troja gleicht, dass nicht aufhört zu brennen, beschrieb Sophie Liegnitz in ihrem sehr lesenswerten Kaplaken-Band ‚Tote Weiße Männer lieben’.[12]

8. No true scotsman (Kein echter Schotte)

Beispiel: „Der Attentäter war einfach ein Irrer. Echte Muslime tun so etwas nicht.“

Dies ist ebenfalls ein äußerst beliebtes „Argument“ bei Linken und Feministen. Person B besitzt natürlich nicht die alleinige Deutungshoheit darüber, wer ein echter Moslem ist oder nicht…

9. Non Sequitur („Daraus folgt nicht…“)

Prämisse 1: „Waffen spielen bei den Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent eine wichtige Rolle.“

Prämisse 2: „Deutschland ist einer der Top 5 Waffenexporteure.“

Schlussfolgerung: „Deutschland ist Schuld an den Kriegen auf dem Subkontinent.“

Hier lässt sich die Schlussfolgerung nicht aus der oder den Prämisse(n) herleiten. Ein Krieg entsteht ja nicht unmittelbar durch das Vorhandensein von Waffen und kann auch ohne sie ausgeführt werden. Doch treiben wir das Spiel noch weiter:

Prämisse: „Kriege werden zwischen Nationen geführt.“

Schlussfolgerung: „Ohne Nationen, keine Kriege mehr!“

Auch hier ist dies eine schwache Prämisse: Selbst bei der utopischen Vorstellung, totale Gleichheit unter allen Menschen zu erreichen, was auch bedeutet Vielfalt und Freiheit, kurz alles Menschliche aufzugeben, ist dieser Ausgang noch lange nicht gewiss. Was die Errichtung eines Weltstaates als angeblichen Platz ohne Kriege anbelangt, so lieferte Oswald Spengler wohl die treffendste Kritik[13].

Wir sehen an beiden Beispielen die nur sehr unklaren Vorstellungen von den wirklichen Ursachen des Problems, die unsere Beispielpersonen haben.

10. Appeal to emotion (An die Gefühle appellieren)

Beispiel: „Ich fühle, dass es richtig ist, Menschen vor die Wahl zu stellen, ihr Geschlecht selber zu wählen.“

Wie sich jemand fühlt, hat aber keinerlei Einfluss auf die Validität eines Arguments. Sehr oft mischen sich dabei auch Mitleid („Hätte der Räuber meiner Handtasche nicht ein Deutscher sein können. Jetzt habe ich dem armen Kerl ja noch mehr Ärger eingebrockt.“) oder Neid darunter („Die Weißen sind unrechtmäßig zu ihrem Besitz gekommen!“).

11. Appeal to tradition (An die Tradition appellieren)

Beispiel: „Wir müssen über diese Beschneidungsrituale hinwegsehen, denn sie sind Teil der Tradition dieser Kultur. Wer gibt uns überhaupt das Recht darüber zu urteilen?“

Wir Europäer haben das Recht für unsere Länder sogar sehr klar ausgearbeitet und in unserem Rechtsempfinden handelt es sich um eine strafbare Handlung. Leider grassieren in unseren Breitengraden aber seit einiger Zeit Kulturrelativisten, die uns einreden wollen, dass es so etwas wie das Maß aller Dinge nicht gäbe und man für alles grenzenloses Verständnis zeigen sollte. Doch bewegen wir uns jetzt von diesem doch recht deutlichen Beispiel weg und widmen uns einem anderen Aspekt: der Schwachstelle dieses logischen Fehlschlusses. Wie u. a. Konrad Lorenz ausarbeitete, ist  der Nutzen gewisser traditioneller Handlungen und Riten nicht immer rational erfassbar und doch hat er wie Mircea Eliade für die Religion herausstellt, eine das Individuum und die Gemeinschaft (respektive das Gemeinwesen) stabilisierende bzw. stützende Wirkung.

12. Appeal to popularity (An die Popularität appellieren)

Beispiel: #WIRSINDMEHR

Dies ist auch als bandwagon oder Mitläuferargument bekannt. Mehrheiten können sich verschieben. Was heute als populär gilt, kann morgen schon verabscheut werden. Die Geschichte zeigt: Die Massen sind wankelmütig und beeinflussbar. Achtung: Das Argumentum Ad Populum bezeichnet einen Populisten.

 13. Appeal to authority (Berufung auf die Autorität)

Beispiel: „Dieser von dir zitierte Professor ist mit seinen Ansichten völlig isoliert in seiner Zunft. Blödsinnig sich damit noch näher auseinanderzusetzen.“

Auch hier sagt die Tatsache, dass die Erkenntnisse des zitierten Professors unter seinen Kollegen wenig Zustimmung finden, nichts über deren Stichhaltigkeit aus. Wie viele Forscher wurden belächelt oder diffamiert, bevor ihre Arbeit Anerkennung fand? Außerdem ist das romantische Zerrbild eines selbstlosen nur der Wissenschaft/Menschheit verpflichteten Forschers streng zu hinterfragen, denn der Konformitätszwang macht vor ihm nicht Halt. Wer entscheidet über die Bewilligung der Mittel und wer vergibt Lehrstühle? Ist im Zeitalter des Nihilismus nicht außerdem die Tendenz, lieber die Früchte des Tages zu ernten, anstatt Überzeitliches zu schaffen, stärker verbreitet? Werden Studien nicht in Auftrag gegeben, um im Sinne des Auftraggebers nutzbar zu sein?

14. Begging the question (Das Zirkelschluss-Argument)

Beispiel: „Wenn es nicht strafbar wäre, dies zu äußern, so hätte es wohl kaum seinen Platz im Strafgesetzbuch gefunden.“

Hier wurde die Schlussfolgerung zur Stützung der Prämisse verwendet. Ein weiteres Beispiel: Bei Moslems ist es besonders beliebt, sich auf den Koran zu berufen. Wenn man dann nach einem Argument fragt, wieso denn gerade dieses Buch verbindlich für unser Handeln sein soll, folgt die Antwort: „Es ist das Wort Gottes!“

15. Fallacy of Anecdotal Evidence (Fehlschluss der Anekdoten-Beweisführung)

Beispiel: „Ich kann Sarrazins Ausführungen absolut nicht bestätigen! An meiner Schule erzielen ausländische Schüler bessere Ergebnisse als die deutschen.“

Fangen wir zuerst mit der groben Verallgemeinerung an, die die Person in dem Beispiel aus den Thesen Sarrazins begangen hat. Natürlich sprach Sarrazin nicht von „den Ausländern“ sondern differenzierte in diesem Personenkreis sehr genau, aber ein Strohmann seiner Position bot sich als leichterer Gegner an. Der eigentliche Fehler liegt aber vielmehr in der Art, wie unsere xenophile Lehrkraft aus den eigenen Erfahrungen und mit einem verengten Blick an einer Schule mit exklusivem Zugang (Gymnasium) ein Gegenargument ableiten wollte.

16. The Texas Sharpshooter (Der Zielscheibenfehler)

Beispiel: „Karl Marx ist das größte Genie aller Zeiten. Es gibt kein besseres und so geschlossenes philosophisches System – er gab damit das Werkzeug, um den Menschen aus seinem geknechteten Dasein zu befreien!“

Diese Form des logischen Fehlurteils pickt sich die Rosinen heraus. Zweifellos hinterließ Karl Marx so etwas wie ein geschlossenes philosophisches System, wenngleich höchst theoretisch und kompliziert und sicher keine stringente Handlungsanweisung. Jemanden, der allenfalls einige interessante Ideen und Beobachtungen lieferte, in seinen Analysen und den daraus abgeleitetet Lehren aber teilweise schon zu Lebzeiten widerlegt wurde, als Genie zu bezeichnen, ist aber harter Tobak. Was von ihm blieb, ist nicht viel mehr als ein Zerstörer, der schuf, was er an anderer Stelle kritisierte: eine weitere Erlösungsreligion.

Schlusswort wider einen falschen Pessimismus

„Nur Pessimisten schmieden das Eisen solange es heiß ist. Optimisten vertrauen darauf, dass es nicht erkaltet.“

– Peter Bamm

Nun, wäre der Mensch ein rein auf Vernunft basiertes Wesen, so hätte ich mir die Ausführungen freilich sparen können. Schopenhauer drückt es wie folgt aus: „Wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgeh’n, die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert ob solche unsrer aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichgültig[…][14]

Da dies nun aber nicht der Fall ist, gilt es genau abzuschätzen, wo und mit wem man sich auf Diskussionen einlassen sollte, gleich einer einfachen Kosten-/Nutzenrechnung und unter Ausschluss des eigenen Gesichtsverlustes. Sicher ist es aber für einen Erfolg auf breiter Ebene von Nöten, dem Gegner nicht das Feld zu überlassen und ihn schon beim Aufbau der eigenen Schlachtordnung zu stören, wo es nur geht. Ich beobachte seit Jahren mit einiger Genugtuung, wie schnell Linke aus der Fassung geraten, wenn man sie an Orten, wo sie es nicht erwarten, offensiv mit ihrem eigenen ideologischen Blödsinn konfrontiert und dabei auch zu Mitteln greift, die ihre heiligen Galionsfiguren selbst ab 1968 für den „politische Diskurs“ etablierten. Die eigene Medizin scheint ihnen nicht sonderlich zu schmecken. Jedoch ist auch hier eine Unterscheidung notwendig: Manfred Kleine-Hartlage teilte dieses Lager in „Betrogene“ und „Betrüger“ ein. Einen Disput mit dem Betrüger führt man nur wegen der Zuhörer, er selbst ist nicht zu gewinnen, denn er sitzt an irgendeiner Stelle der Macht und hat es sich dort bequem gemacht. Wenn der Wind sich merklich dreht und ihnen das Wasser bis zum Halse steht, entdecken viele dieser Leute erfahrungsgemäß ein anderes Herz in ihrer Brust, davor jedoch, in der Wiege der vermeintlichen Sicherheit, ist ihnen nicht wirklich beizukommen. Im Umkehrschluss wird ihm aber auch mit wachsender Widerrede und Widerstand aus dem Volke heraus diese Sicherheit genommen, bis er beginnt, seine Nächte schlaflos zu verbringen. Nachsichtiger sollte man hingegen mit dem Betrogenen sein, über den Kleine-Hartlage am Beispiel seines eigenen Weges von links nach rechts ausführt; dass „sie, genau wie ich, auf Widersprüche stoßen, wo keine sein sollten, sich mit Überraschungen konfrontiert sehen, die es nicht geben dürfte, und dabei zu Einsichten gelangen, die sie sich kaum einzugestehen, geschweige denn irgend jemanden mitzuteilen wagen.“[15] Im ständigen Kampf „die Realitäten, die sie wahrnehmen, irgendwie mit ihrem linken Weltbild unter einen Hut zu bringen“[16] fürchten sie sich eigentlich nur noch vor „dem Sprung ins Dunkle“ und dem Eingeständnis „einem Betrug aufgesessen zu sein“[17]. Dieser Personenkreis ist aber nicht determiniert, ewig den Betrügern weiter auf den Leim zu gehen. Was den Rest der Menschen betrifft, sofern sie noch nicht Teil des patriotischen Lagers sind, so kann man folgende Feststellung unterstreichen: „Die Menschen neigen dazu, zu den meisten wichtigen Fragen keine (oder keine sehr starke) Meinung zu haben, solange es keine ausreichend starke Krise gibt, um die Bildung einer starken Meinung zu katalysieren und die Entscheidung für eine Seite zu erzwingen.[18]Der Mann, der diese Worte niederschrieb heißt Alex Kurtagić, ein Brite mit sowohl spanischen als auch slowenischen Wurzeln. Sie stammen aus seinem Essay „Mastery of Style Trumps Superiority of Argument“ (deutsch: Meisterschaft im Stil sticht Überlegenheit des Arguments), welches, wie die Überschrift schon besagt, auf weitere Schwächen einer allein auf Logik, Argument und Fakten ausgerichteten Strategie eingeht. Als ehemaliger Betreiber eines nicht unbekannten Black-Metal-Labels, Musiker dieser Szene und Graphiker ließ er all seine Erfahrung in diesen Aufsatz einfließen. Seine zentrale These dabei ist, „dass Menschen weniger daran liegt, recht zu haben, als daran, bei der richtigen Clique >>in<< zu sein.“[19]

Um dieses zu untermauern, stützt er sich auf die soziale Identitätstheorie, die besagt, „dass die Interaktion zwischen dem angeborenen menschlichen Bedürfnis nach Zugehörigkeit und dem angeborenen menschlichen Bedürfnis nach Selbstwertgefühl dazu führt, dass Individuen ihre soziale Identität auf Basis von Wertungsgrößen auswählen, die bestätigen, wer sie sind, weil sie in diesen Wertungsgrößen wahrscheinlich gut abschneiden werden.“[20]

Ich erinnere mich gut, wie zu Beginn der Grenzöffnung im Jahre 2015 meine Mutter ihren Geburtstag feierte und das Thema irgendwann auf die aktuellen Geschehnisse gelenkt wurde. Obwohl in meinen Eltern schon damals ein Unbehagen demgegenüber erkennbar war, trauten sie sich nicht, sich bei der Diskussion auf die Seite ihrer Nachbarn zu schlagen, weil diese sowohl sozial als auch von den Bildungsabschlüssen her nicht mit ihnen und den restlichen Diskutanten konkurrieren konnten. Damit handelten sie sogar bewusst gegen die eigenen Interessen. Kurtagić schließt aus dieser Verhaltensweise folglich, „daß das lebenswichtigste Element in jeder Strategie, die darauf abzielt, einer beliebigen Zahl von Menschen eine unkonventionelle Idee zu verkaufen , nicht so sehr die Qualität der Idee an sich ist (oder der zu ihrem Verkauf eingesetzten Argumente) als vielmehr die Qualität der Verpackung und das Potenzial von letzterer, das Selbstwertgefühl des Konsumenten in einem sozialen Kontext zu heben.[21] Seine Empfehlung für Patrioten: „Blendendes graphisches Design, Stil, bei dem einem der Mund offen bleibt, wohlgestaltete Prosa, ansteckende Schlagworte und ein unverwechselbares Erscheinungsbild, das Qualität und Persönlichkeit ausstrahlt, wird Konvertiten viel schneller und effektiver gewinnen als jede Debatte, jedes politische Traktat oder Manifest.“[22] Stil alleine sichert aber nicht unbedingt den Erfolg, aber „Stil mit Substanz ist eine unwiderstehliche Kombination.“[23]

Als letztes möchte ich noch zu bedenken geben, dass es in diesem Ringen um die Seelen der europäischen Völker sowohl eine äußerlich sichtbare Ebene als auch eine verborgene im Inneren zu geben scheint. Vieles, was in den vergangenen Jahren von uns als Paradigmenwechsel wahrgenommen wurde, konnte zwar auch äußerlich in seinen Ursachen erfasst werden, will man diese Phänomene gänzlich erklären, so kommt man doch nicht ohne Verweis auf das „Unbewusste“(im Sinne von C. G. Jung) im Inneren des Menschen aus.

In einer anderen seiner raren Übertragungen ins Deutsche sieht deshalb auch Kurtagić wenig Grund für Niedergeschlagenheit: „Ein chaotisches Zeitalter bietet Möglichkeiten für diejenigen, die das Talent haben, einen neuen Traum zu >>verkaufen<<. Obwohl das gegenwärtige liberale, egalitäre, progressive Establishment geradezu unbesiegbar erscheint, steht doch keine einheitliche, monolithische, totalitäre Ordnung dahinter. Im Zustand des eskalierenden Durcheinanders wird sich auch der unpolitische Durchschnittsbürger neuen, exotischen, sogar quichottischen Ideen öffnen.“[24]

Diese Träume beginnen im Kleinen Gestalt anzunehmen, wie auch Revolutionen „mit Kritzeleien beginnen“, die wiederum mit Tagträumen beginnen. Der Lauf der Geschichte ist noch offen, aber „wenn wir nicht jetzt damit beginnen, die metapolitische Basis unserer neuen Ordnung zu gestalten, wenn wir nicht jetzt eine virile Gegenkultur errichten, die diese Ordnung errichten kann, dann könnte es passieren, dass uns eines Tages, nach dem Wechsel der Gezeiten, andere weit voraus sind, weil wir zu lange daran gezweifelt haben, ob er jemals kommen wird.“[25]

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Literaturverzeichnis:

[1] Thor von Waldstein: Metapolitik, S.45.

[2] Der neue Brockhaus, 1941

[3] DUDEN

[4] Dies beschrieb der Philosoph und Computerpionier Charles Leonard Hamblin in Kapitel 5 seines Standardwerkes zur formalen Logik – „Fallies“ (S.177 ff). Besonders die Nyaya Sutra von Gotama ist hier als beispielhaftes Werk zu nennen. Zwar übersetzten und studierten die Araber die Texte Aristoteles’, einen Zugang zu der Indischen Schule fanden sie jedoch nicht. Tatsächlich brachte ihr Vordringen diese Denkschule fast an den Rand der Zerstörung und so sind viele der uns bekannten Sanskrit- Texte Rückübertragungen aus tibetanischem Besitz. Mit dem Buddhismus fanden diese Texte Verbreitung bis nach China.

[5] Arthur Schopenhauer: Die Kunst, Recht zu behalten, S. 20.

[6] ebd., S.22.

[7] Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung, S.68.

[8] S. Morries Engel: With Good Reason (Übertragung ins Deutsche durch den Autor), S.68.

[9] Arthur Schopenhauer: Die Kunst, Recht zu behalten, S. 49.

[10] Ernst Jünger: Epigramme

[11] ebd.

[12] Das Konzept von >>Gleichheit<< verfügt über keine eingebaute Bremse, oder, wie Luhrmann gesagt hätte, >>Stopformel<<.(…) Nach Erfüllung politischer Forderungen läuft der Prozess zwangsläufig weiter, indem immer weitere Gleichheitsdefizite entdeckt werden und immer weitere Forderungen auftauchen.“ Sophie Liegnitz: Tote weiße Männer lieben, S.24/25.

[13] „Der Friede ist ein Wunsch, der Krieg eine Tatsache, und die Menschheitsgeschichte hat sich nie um menschliche Wünsche und Ideale gekümmert.(…) Man kann den einzelnen, der Gewalt anwendet, einen Verbrecher nennen, eine Klasse revolutionär oder Landesverräter, ein Volk blutdürstig, aber das ändert nichts an der Tatsache. Der heutige Weltkommunismus bezeichnet seine Kriege als Aufstände, Kolonialreiche als Befriedung fremder Völker, und wenn die Welt ein Einheitsstaat wäre. würde man die Kriege Aufstände nennen.“ aus „Ist der Weltfriede möglich“, Zyklen & Cäsaren – Mosaiksteine einer Philosophie des Schicksals, S.411

[14] Arthur Schopenhauer: Die Kunst, Recht zu behalten, S. 10

[15] Manfred Kleine- Hartlage: Warum ich kein Linker mehr bin, S.18.

[16] ebd.

[17] ebd.

[18]Alex Kurtagić: Ja, Afrika muß zur Hölle fahren S.16.

[19] ebd.

[20] ebd.

[21] ebd., S.17

[22] ebd., S.18.

[23] ebd. S.19.

[24]Alex Kurtagić: Warum Konservative immer verlieren, S.29/30.

[25] ebd., S.31