Die Lehren aus Christchurch

von | 24. Mrz. 2019 | Deutschland und die Welt

Es war eine Tragödie: In Christchurch, Neuseeland, erschießt ein junger Australier vorige Woche fünfzig Menschen in einer Moschee, filmt die Tat und überträgt sie live im Internet. Das Blutbad rechtfertigt er in einem zuvor ins Netz gestellten 74-seitigen Manifest. Hagen Grell und Martin Sellner heben in ihren Kommentaren zu den Geschehnissen in Neuseeland insbesondere hervor, wie sehr der Täter dem rechten Lager geschadet habe und wie ungeniert Linke das Ereignis für ihre Zwecke instrumentalisierten, wie unflätig identitäre Aktivisten und patriotische YouTuber nun in die Nähe dieses kranken Mörders gerückt bzw. sogar als geistige Brandstifter ursächlich für die Tat verantwortlich gemacht würden. Ich möchte heute hingegen danach fragen, was einen 28-jährigen Fitnesstrainer, der als freundlich und hilfsbereit beschrieben wird, dazu bringen konnte, eine so wahnsinnige Tat auszuführen. Die Psyche, das Seelenleben des Terroristen ist es also vornehmlich, das mich interessiert. Ich werde hierzu auf das Manifest des Täters zurückgreifen und versuchen, mich in ihn hineinzuversetzen. Das alleine wird schon genügen, mir den Vorwurf einzubringen, ich hegte Sympathien für den Todesschützen oder sei womöglich selbst ein potentieller Terrorist. Deshalb sage ich es jetzt noch einmal zum Mitschreiben: Ich verurteile die Tat aufs Schärfste und würde selbst nie eine solche Tat begehen, aber es ist nach keinem Gesetz der Welt strafbar, Mutmaßungen über die Motive eines Terroristen anzustellen. Es verstößt nicht einmal gegen den guten Geschmack.

 

Ich gehe dabei natürlich von der Prämisse aus, dass es sich nicht um eine False-Flag-Attacke oder eine Inszenierung mit Schauspielern gehandelt hat, wie es aus verschwörungsaffinen Zirkeln längst wieder zu vernehmen war. Dieses ganze cui bono?-Geschwätz nach jedem Terroranschlag geht mir gewaltig auf den Wecker. Eine andere Strategie, sich nicht eingehender mit dem Anschlag und dem Weltbild des Schützen auseinandersetzen zu müssen, hat Hagen Grell gewählt. Und das ist sein gutes Recht. Er postuliert, dieser Akt der Barbarei sei am anderen Ende der Welt passiert und gehe uns Rechte in Europa nichts an – zumal es undeutsch sei, auf Unbewaffnete zu schießen. Nun, ich denke nicht, dass es eine Weltgegend gibt, in der es als besonders vornehm angesehen wird, auf Unbewaffnete zu schießen. Jedenfalls nicht mehr, seit das Territorium des Islamischen Staates auf ein paar Quadratmillimeter Landkarte zusammengeschrumpft ist. Ich kann mir weiters den Luxus nicht leisten, zu ignorieren, was am anderen Ende der Welt passiert, wenn mein erweiterter Familienkreis davon betroffen ist. Zu diesem Kreis zähle ich all jene Menschen, die so aussehen wie ich, deren Vorfahren also in den letzten Jahrzehntausenden dieselbe Evolutionsgeschichte durchlaufen haben. Mein kleinster Bruder lebt in Tansania, meine Schwester in Südafrika, meine Großeltern, Cousins und Cousinen in den USA. Wenn morgen Neuseeland von China angegriffen würde, käme ich wahrscheinlich nicht umhin, mich sofort als Freiwilliger für die Verteidigung der Inseln zu melden, obwohl ich noch nie einen Fuß auf neuseeländischen Boden gesetzt habe. Es käme mir wie die Erfüllung einer selbstverständlichen Pflicht vor, einem kin country, so nannte es Samuel Huntington in seinem Kampf der Kulturen, bei der Abwehr eines fremden Aggressors beizustehen. Für mich macht es also keinen Unterschied, ob bei einem Anschlag in München oder Auckland fünfzig meiner Leute sterben, ich bin in beiden Fällen emotional gleich betroffen.

 

Nun war es aber in Christchurch ausnahmsweise einmal umgekehrt. Es sind dieses Mal nicht Europäer von muslimischen Nichteuropäern ermordet worden, sondern farbige Muslime von einem Weißen. Selbstverständlich sehe ich die Tat als furchtbar und grausam an, weil unschuldige Menschen getötet wurden, die Familienangehörige hatten, welche ihnen nahe standen. Aber ich stand ihnen nicht nahe. Ich kannte sie nicht und sie gehörten nicht zu meinem erweiterten Familienkreis. Darum kann ich die Tat nur rational verurteilen, emotional hingegen lässt sie mich vergleichsweise kalt. Ich kann mich in die Trauernden hineinversetzen, aber mich nicht mit ihnen identifizieren.

 

Dass mein Empfinden völlig natürlich ist, haben Experimente im Rahmen der Psychologie immer und immer wieder bestätigt. Es wäre nun aber völlig widersinnig, wollte man den Menschen als Produkt der Evolution für die Beschaffenheit seiner Natur tadeln.

 

Aber wir schweifen ab. Gehen wir also gleich in medias res und werfen wir einen Blick in Brenton Tarrants Manifest. Es beginnt mit folgenden Sätzen: „Es sind die Geburtenraten. Es sind die Geburtenraten. Es sind die Geburtenraten. Wenn es eine Sache gibt, von der ich möchte, dass sie euch aus diesen Schriften in Erinnerung bleiben möge, dann ist es die Tatsache, dass die Geburtenraten steigen müssen. Selbst wenn wir alle Nichteuropäer morgen aus unseren Ländern abschieben würden, befänden sich die Europäer immer noch in der Niedergangs- und letztlich in der Todesspirale.“

 

Er ist weiters davon überzeugt, dass es sich bei der sogenannten Replacement Migration um einen Genozid an den Weißen handelt und wollte mit seiner Tat Rache an den islamischen Invasoren der Gegenwart und Vergangenheit üben. Insbesondere der Anschlag vom 7. April 2017 in Stockholm, bei dem das kleine Mädchen Ebba Akerlund getötet wurde, scheint ihn derart emotional berührt zu haben, dass er glaubte, den häufigen Anschlägen nicht mehr allein mit Zynismus begegnen zu dürfen. Endgültig umgelegt hat es den Schalter bei Tarrant aber erst während einer Reise durch das multikulturelle Frankreich. Ganz egal, wohin er mit seinem Leihwagen gefahren sei, die „Invasoren“ seien schon dort gewesen. Er habe beim Anblick der kinderreichen Migrantenfamilien und den wenigen autochthonen Franzosen Wut und schiere Verzweiflung gefühlt. Als er an einem Soldatenfriedhof rechts rangefahren sei und seinen Blick über die unzähligen weißen Kreuze habe schweifen lassen, sei er in Tränen ausgebrochen. Er habe sich gefragt: „Weshalb lassen wir es zu, dass die Invasoren uns bezwingen? Uns überwältigen? Ohne dass auch nur ein einziger Schuss zurückgefeuert wird? WESHALB UNTERNIMMT NIEMAND ETWAS? Vor diesen endlosen weißen Kreuzen, vor diesen toten Soldaten, die ihr Leben in vergessenen Kriegen verloren hatten, verwandelte sich meine Verzweiflung in Scham, meine Scham in Schuld, meine Schuld in Wut und meine Wut in Rage. WESHALB UNTERNIMMT NIEMAND ETWAS? WESHALB UNTERNIMMT NIEMAND ETWAS? WESHALB UNTERNEHME ICH NICHTS? Der Bann war gebrochen. Weshalb unternehme ich nichts? Weshalb nicht ich? Wenn nicht ich, wer dann? Weshalb die anderen, wenn ich es tun könnte? Es war dort, dass ich entschied, etwas zu unternehmen.“ So weit Brenton Tarrant.

 

Er hatte vor Ausführung des Massakers eine genaue Vorstellung davon, was seine Tat bezwecken sollte. Die Art des Anschlags mit einem Sturmgewehr wählte er, weil er hoffte, dass in der Folge die Waffengesetze in den USA verschärft würden, was zu einer noch stärkeren Polarisierung der Gesellschaft führen müsse. Eine Abschaffung des zweiten Zusatzartikels zur amerikanischen Verfassung könnte, so Tarrant in seinem Manifest, zu einer Spaltung der Vereinigten Staaten entlang rassischer Bruchlinien führen. Polizisten plante er bei der Tat nicht zu verletzen und nahm sich vor ihnen im Falle eines Feuergefechts auf die Beine etc. zu zielen. Den Tod kalkulierte er bewusst ein, hoffte jedoch, die Tat zu überleben, um auf diese Weise sicherzustellen, dass die Berichterstattung über die Bluttat und den Prozess nicht abreißen würde.

 

Bemerkenswerterweise schreibt der Todesschütze in seinem Manifest, dass er Muslime, die in muslimischen Ländern lebten, nicht hasse. Das gelte auch von anderen Kulturen. Er habe viele Jahre damit verbracht, zu reisen und dabei sehr viele Länder gesehen. Fast überall habe man ihn exzellent behandelt und als Gast oder sogar als Freund willkommen geheißen. Er wünsche den verschiedenen Völkern nur das Beste, unabhängig davon, welcher Rasse, Kultur oder welchen Glaubens sie seien. Wenn allerdings dieselben Leute sich dazu entscheiden sollten, in europäische Länder auszuwandern und am Austausch der Bevölkerungen dieser Länder mitzuwirken, dann sehe er sich dazu gezwungen, sie rücksichtslos zu bekämpfen.

 

Über die Gefahr, die von unbewaffneten Invasoren ausgehe, schreibt er, und man fühlt sich sogleich an Jean Raspails Heerlager der Heiligen erinnert: „Der unbewaffnete Eindringling ist bei Weitem gefährlicher für unsere Leute als der bewaffnete Eindringling. Wir können den bewaffneten Aggressor bekämpfen, wir wissen auf welche Weise. Wir haben die Fähigkeit, wir haben die Soldaten und wir haben die Waffen, um dies zu tun. Aber wir haben keine Ahnung, wie wir mit unbewaffneten Invasoren fertig werden sollen; wir sind unfähig, sie zu attackieren oder sie in irgendeiner sinnvollen Weise abzuwehren.“

 

So viel zur Gedankenwelt des Attentäters von Christchurch. Teilweise richtige Beobachtungen und teilweise falsche Schlussfolgerungen haben ihn dazu getrieben, dieses grauenhafte Massaker anzurichten. Es ist eine Tat, geboren aus der absoluten Verzweiflung. Die einzige Hoffnung, an die sich der junge Australier klammerte, bestand bzw. besteht darin, dass sein Attentat eine Dynamik auslösen wird, die zu einer Revitalisierung der westlichen Zivilisation führen, die Weißen aus dem Dämmerschlaf reißen und Europa vor dem ansonsten sicheren Untergang bewahren wird. Dieser trügerischen Hoffnung sind fünfzig unschuldige Muslime zum Opfer gefallen. Das hat durchaus etwas zutiefst Tragisches!

 

Es gibt jedoch Abermillionen Weiße und Schwarze, Latinos und Asiaten, die auf ihre Gruppe bezogen ähnlich fühlen wie Brenton Tarrant. Außerdem gibt es Abermillionen junger Muslime, die bereit sind, für ihren Glauben zu sterben. Erst gestern saß mir einer von diesen mutmaßlichen Radikalen in der Mannheimer Straßenbahnlinie 1 gegenüber, der sich auf seinem Smartphone ein aufpeitschendes Video ansah – bezeichnenderweise auf Englisch, sodass ich jedes Wort verstehen konnte. Man muss wahrlich kein Nostradamus sein, um vorhersehen zu können, dass Tarrant nicht der letzte Weiße gewesen sein wird, der angesichts einer so gewaltig gefühlten Ohnmacht und Verzweiflung den Rubikon überschreitet und eine furchtbare Tat begeht, im Wahn, er tue das Richtige. Dass nicht jeder Rechte oder Moslem ein potentieller Terrorist ist, braucht eigentlich nicht erwähnt zu werden. Das versteht sich von selbst.

 

Aber wer das Manifest des Täters von Christchurch liest, dem wird vor allem Eines ganz klar: Der junge Mann hatte eine Motivation für sein Handeln, die von Abermillionen Menschen geteilt wird: den Wunsch nach der Bewahrung des Eigenen. Hinzu trat bei ihm die Einsicht, dass das Ruder mit Wahlen nicht mehr herumgerissen werden könne. Auch ich war in Frankreich schon den Tränen nahe, als ich nach einem Wochenende der Gelbwestenproteste mit meinen französischen Brüdern und Schwestern in Paris vor der Abreise noch einmal alleine den Louvre besuchte. Ich war von der Schönheit der europäischen Kunst und Architektur noch mehr überwältigt als Jahre zuvor in Washington, London, Rom und Athen und ich musste gleichzeitig daran denken, dass dieser Kontinuität bald ein Ende bereitet werden könnte. Aber es gibt einen Weg, auf dem wir unsere ethnokulturelle Identität als Europäer retten können, ohne dabei auch nur den Tod eines einzigen Menschen in Kauf nehmen zu müssen: Indem wir Siedlungsprojekte ins Leben rufen! Wie viele Attentate mögen in Zukunft verhindert werden, wenn den Millionen junger Menschen in ihrer Verzweiflung bewusst wird, dass es einen Ort auf der Welt gibt, an dem die weiße Rasse nicht verschwinden, sondern eine neue Blüte erleben wird! Mag das christliche Abendland untergehen, Nova Europa wird erst noch geboren!