Die Französische Revolution als Ergebnis metapolitischer Abläufe

von | 20. Nov. 2017 | Philosophie & Theorie

Mit dem Sturm auf die Bastille brach die Revolution am 14. Juli 1789 in Frankreich aus und die Herrschaft der Bourbonen nahm damit ihr vorläufiges Ende.  In Frankreich folgte nun die Schreckensherrschaft der Jakobiner, die selbst vor Unterstützern der Revolution nicht Halt machten. „Die Revolution frisst ihre Kinder“ war ein berühmter Satz aus jener Zeit, denn es rollten buchstäblich Köpfe, die zahlreich durch die Erfindung der Köpfmaschine Guillotine vom Rumpf abgetrennt wurden. Doch soll es in der vorliegenden Abhandlung weniger um die Ereignisse der Französischen Revolution selbst gehen, dazu gibt es genügend andere Publikationen, sondern mehr um die metapolitischen Vorbereitungen, die die Revolution erst möglich machen konnten. Dominique Venner erkannte folgerichtig, dass eine Revolution nicht plötzlich und unerwartet vom Zaun bricht, sondern einer jahrelangen Planung sowie Vorbereitung bedarf.[i] Wie diese Vorbereitungen im Kontext der Französischen Revolution ausgesehen haben, wird in den nachfolgenden Schilderungen Revue passieren.

Organisation in politischen Klubs sowie Lesezirkeln

Die Ideen der Revolutionäre musste über ein Sprachrohr die Gesellschaft erreichen. Um Gehör zu finden, wurden dazu von verschiedenen Interessengruppen zunächst sog. politische Klubs gegründet. Darunter fallen beispielsweise der Jakobinerklub, die Grondisten und verschiedene Frauenklubs (Bspw. Gesellschaft der revolutionären Republikanerinnen). Diese traten zum Teil aus Lesezirkeln, Salons und Freimaurerlogen hervor.[ii]

 

Die Arbeit der Lesezirkel vor und während der Französischen Revolution

Während der Zeit der „Aufklärung“ organisierten beispielsweise Lesezirkel den Informationsfluss. So wurden handschriftliche Notizen aus Zeitungen, die auch der Aufklärung sehr nahe standen, in einer Lesemappe zusammengefasst und mehreren Zirkelmitgliedern zum Lesen übergeben.[iii] Weil die Mappe im Gegensatz zum Einzelkauf der Publikationen nur ein Zwölftel kostete, war es möglich, dass auch Nichtprivilegierte Personen mit Informationen versorgt werden konnten. Auf diesem Wege ließen sich metapolitisch aufklärerische Inhalte in die breite Gesellschaft tragen.

Politische Salons vor und während der Französischen Revolution

Anders als Lesezirkel, die der Verbreitung geschriebener Informationen dienten,  fungierten Politische Salons als  Runden, in denen zur Politik debattiert wurde. So wurde vor der Französischen Revolution mitunter in den Pariser Salons die kritische Meinungsbildung vorangetrieben. Allerdings herrschte im Salon „ein Konversationsstil vor, bei dem die Höflichkeit und der gute Ton gewahrt blieben, und die Gleichberechtigung der Gäste ein wesentliches Moment ist“.[iv] Diese Salons gingen auch als Debattierklubs in die Geschichte ein, denn während der Französischen Revolution übernahmen vermehrt Klubs die Rolle der Salons für die Meinungsbildung.

Die Freimaurerei und die Französische Revolution

Die Freimaurerei spielte ebenso eine Rolle im Geschehen der Französischen Revolution. Manche messen ihr gar den Hauptanteil am Ausbruch der Revolution  bei, doch werden solcherlei Behauptungen schnell in die verschwörungstheoretische Ecke verbannt. Zugegebenermaßen kann der Nachweis, dass die Französische Revolution ein absolutes Produkt der Freimaurerei war, nicht erbracht werden. Dennoch kann nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass zumindest Ideen der Freimaurerei in die Revolution hineingetragen wurden. Diesbezüglich soll an die revolutionären Ideale „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ erinnert werden, an denen schon lange Zeit vor der Revolution die Freimaurerei festhielt.[v] Die personellen Verflechtungen von Revolutionären in politischen Klubs sowie Salons und in der Freimaurerei lassen sich ebenso wenig von der Hand weisen. Dabei wäre an Protagonisten wie Jean-Paul Marat und Jacques Danton zu denken, die bei den Jakobinern aktiv waren.[vi] Im „Internationalen Freimaurerlexikon“ von Eugen Lennhoff werden beide sogar als Führer der Französischen Revolution betitelt.  Zudem bauten viele politische Klubs von Revolutionären mitunter auch auf Organisationsformen der Freimaurerei auf.[vii]  Aufgrund der Tatsache, dass Ideale der Freimaurerei von Revolutionären, teils mit Logenzugehörigkeit, übernommen wurden, kann zumindest angenommen werden, dass die Freimaurerei als Ideengeber sowie Denkfabrik fungierte.[viii] Immerhin befanden sich in Freimaurerlogen nicht wenige Adlige und Akademiker, die Verfechter der Aufklärung waren und metapolitischen Einfluss auf Staat und Gesellschaft ausüben konnten.[ix]

Revolution von „unten“?

Die Französische Revolution wurde in der Historiographie häufig als Revolution des Dritten und letzten Standes postuliert. Bei genauerer Betrachtung der Ereignisse rund um die Revolution fällt jedoch auf, dass nicht selten Rädelsführer aus dem Adelsstand und Großbürgertum vertreten waren.[x] Das „Proletariat“, wie Karl Marx das einfache Volk in seiner Analyse bezeichnet, wurde erst durch die obig genannten Protagonisten in die Revolution hineingezogen, indem sie das Proletariat metapolitisch auf die einfachsten menschlichen Bedürfnisse hinwiesen, dessen sie sich vorher nicht bewusst waren. Aber um die Volksmasse bei dem Staatsumbruch auch als Unterstützer gewinnen zu können, bedurfte es natürlich an vorigen Versprechungen und Zugeständnissen für das gemeine Volk.[xi] Zur Überzeugung der Massen spielten auch politische Missstände in Frankreich den Anführern der Revolution geradezu in die Hände, denn der Staat war enorm verschuldet und aufgrund von wetterbedingten Missernten stiegen die Preise von Lebensmitteln.[xii] Nach dem Sturz der alten Herrschaften bei Revolutionen der neueren Zeit sorgten allerdings erst radikalere Gruppen dafür, dass die Errungenschaften bzw. staatlichen Reformen auch umgesetzt wurden. Waren sie dann gesichert, verschwand der radikalere Teil der Revolutionäre wieder schnell von der Bildfläche. So verhielt es sich auch bei der Französischen Revolution. Somit war die Revolution von 1789 eine Revolution einer Minorität, nämlich der Bourgeoisie, die die alte monarchische Minoritätengruppe ablöste. Dass sich überhaupt Adlige als Verbündete des gemeinen Volkes anschlossen, dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sie bereits durch Ludwig XIV. an Macht verloren, da er die Gewalt auf seine Person zentralisierte. Mit der Beseitigung der ständischen Selbstverwaltung durch den Sonnenkönig verlor der Adel eben die politischen Funktionen.[xiii]

Die Revolution von 1789 nur als Auftakt

Zwar brachte die Revolution von 1789 nicht die erhofften grundlegenden Veränderungen für die Unterschicht ein, dennoch war sie ein Auftakt für weitere Revolutionen, die etappenweise zu einem Umschwung im Sozialgefüge in ganz Europa führten. Die weiteren „Revolutionen“ bedeuteten jedoch nicht, dass sie ausschließlich gewaltsamer Natur waren, denn die schrittweise erkämpften Errungenschaften wurden auch auf friedlichem Wege metapolitisch genutzt, um eine erneute Etappe zu erreichen, die dem gewünschten Endziel näher rückte. Beispielsweise war die französische Verfassung, welche erstmalig 1791 in Kraft trat und den französischen Absolutismus durch eine konstitutionelle Monarchie ersetzte, durchaus ein metapolitisches Instrument für Vertreter des letzten Standes. Hierdurch stand ihnen ein Mitspracherecht – wenn auch nur eingeschränkt – zur Verfügung, das von nun an gesetzlich festgeschrieben war. Zumindest ließ es sich als Sprachrohr für Ideen des Dritten Standes einsetzen. Durch die Revolution von 1789 bzw. 1791 wurden „linke“ Themen salonfähig. Die Jakobiner bildeten in der Gesetzgebenden Nationalversammlung den linken Flügel. Diese sozialpolitischen Ideen der Linken breiteten sich später dann in Europa aus, weshalb es wiederholt zu gewaltsamen revolutionären Aufständen kam. In Frankreich wurde 1830 und 1848 erneut der Anstoß gegeben und trug sie weiter nach Deutschland. Zwar endeten diese gewaltsamen Aufstände für die Revolutionäre zumeist in einer Niederlage, dennoch wurden der Adel und Klerus erneut erschüttert, wie Marx zum Ausdruck bringt.[xiv] Durch die wachsende Zahl der aufsässigen Volksmasse des Dritten Standes sahen sich immer mehr europäische Länder dazu genötigt, konstitutionelle Monarchien zu gründen. Darin wurden auch allgemeine Stimmrechte verankert, die die Arbeiterschaft benutzten, um Vertreter in den Reichstag zu bringen. Auch wenn Sozialistengesetze, die die Opposition der Arbeiterbewegung einschränken sollten, in Preußen eingeführt wurden, hatten sie damit eine „Tribüne, von der herab sie mit ganz anderer Autorität und Freiheit zu ihren Gegnern im Parlament wie zu den Massen draußen sprechen konnten als in der Presse und in Versammlungen.[xv] Die Arbeiterbewegung sah eben dadurch auch ein, dass revolutionäre Aufstände kaum zu Siegen führten und die vom Staat geschaffenen Einrichtungen Handhaben boten, dieses Staatssystem mit den eigenen Mitteln metapolitisch zu bekämpfen. Auch in Frankreich erkannten die Sozialisten, dass die metapolitische Arbeit im Parlament und in Form der Propaganda einem gewaltvollen Handstreich vorzuziehen wäre.[xvi] Wie Marx konstatiert, passierte es zum Leidwesen der Bourgeoisie, denn lieber hätten sie die oppositionelle Arbeiterbewegung legal in einem Aufstand den Garaus gemacht. Doch die vom Staat geschaffene Tribüne, wie Nationalversammlung und Reichstag, konnte die führende Herrschaft der Opposition nicht ohne weiteres nehmen, ohne dazu Gesetze brechen zu müssen.[xvii] Marx schildert, dass beispielsweise Vertreter der Ordnungsparteien in Frankreich die Meinung vertraten,  die Gesetzlichkeit sei ihr Tod.[xviii]

Zusammenfassung

Die revolutionären Aufstände, beginnend mit dem Aufstand von 1789, können nicht als abgeschlossene Einzelrevolutionen bewertet werden, sondern als eine Gesamtrevolution, die auch die ruhigen Phasen zwischen den Aufständen einbezieht, in der die Oppositionsparteien durch Parlamentsarbeit und Aufklärung agierten. Es könnte nämlich hierbei durchaus die Behauptung aufgestellt werden, dass in dieser Phase die folgenden Revolutionen metapolitisch vorbereitet wurden. So fand die Revolution in Perioden bzw. Etappen statt.[xix] Der Aufstand von 1789 läutete eine Etappe ein, auf der dann der Weg zur nächsten revolutionären Etappe aufgebaut wurde. Mit der französischen Verfassung und der verfassungsgebenden Nationalversammlung von 1791 beispielsweise wurde ein Fundament geschaffen, auf welchem die 2. Verfassung, die mehr Veränderungen bzw. Zugeständnisse für den Dritten Stand bedeuten sollte, verabschiedet werden konnte. Auch wenn diese nicht in Kraft trat, wurde mit jedem errungenen Etappensieg allmählich der Weg zum Paradigmenwechsel gebahnt, bis in einigen Ländern, allen voran die damalige Sowjetunion, das Proletariat gänzlich die Macht übernahm. Die Französische Revolution war also nicht nur eine rein französische Angelegenheit, denn immerhin veränderte sie nachhaltig nahezu den gesamten europäischen Kontinent.

Literaturhinweise

[i] Vgl. D. Venner, Für eine positive Kritik, übers. von B. Kaiser, Dresden 2017, S. 34.

[ii] Vgl. S. Büttner (27.06.2006), Politische Clubs und Parteiungen. Aus: Die Französische Revolution – eine Online-Einführung: Politische Kultur, https//www.historicum.net/purl/3ez11m/ (abgerufen am 20.10.2017).

[iii] Vgl. B. Stollberg-Rilinger, Europa im Jahrhundert der Aufklärung, Stuttgart 2000, S.122.

[iv] Vgl. R. Köthe, Vor der Revolution geflohen. Exil im literarischen Diskurs nach 1789, Diss., Wiesbaden 1997, S. 96.

[v] Vgl. Büttner.

[vi] Vgl. E. Lennhoff u.a., Internationales Freimaurerlexikon, München 2006, S. 203 u. 545.

[vii] Vgl. Büttner.

[viii] Vgl. Stollberg-Rilinger, S. 130.

[ix] Vgl. E. Lehnert (06.08.2015), Metapolitik und Aufklärung, in: http//sezession.de/53095/metapolitik-und-aufklaerung (Abgerufen am 21.10.2017).

[x] Vgl. Stollberg-Rilinger, S. 146.

[xi] Vgl. K. Marx/F. Engels, Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Bd 1, Berlin (Ost) 1985, S. 114 u. 122.

[xii] Vgl. Stollberg-Rilinger

[xiii] Vgl. M. Bochow, 1789 – Das Ende des Frankenreiches, in: Revolutionen der Weltgeschichte I, hrsg. von W. Bley, S. 265-275, 269.

[xiv] Vgl. Marx/Engels, S. 114. 

[xv] A.a.O., S. 119.

[xvi] Vgl. a.a.O., S. 123.

[xvii] Vgl. a.a.O., S. 125.

[xviii] Vgl. a.a.O., S. 124.

[xix] Vgl. a.a.O., S. 112.