Die Europäische Zivilisation – Gibt es für uns Europäer Zukunft zwischen dem Westen und Eurasien?

von | 25. Mai. 2018 | Philosophie & Theorie

Wenn man heute im liberalen Mainstream die Frage danach stellt, was Europa ist, lautet die Antwort vielfach „Menschenrechte plus westliche Demokratie und Freie Marktwirtschaft“. Die einzige Antwort auf diese Frage, welche für europäische Menschen Patrioten noch schockierender  ausfallen kann geht dann in die Richtung „Was, Europa? Das ist doch die EU!“.

Diese Antworten stehen symbolisch für den Zustand, in dem sich die Europäische Zivilisation heute befindet: Einerseits wird sie komplett mit dem Liberalismus gleichgesetzt, welcher heute nicht nur die USA und die angelsächsische Welt, sondern auch den europäischen Kontinent dominiert. Andererseits umfasst die EU heute jene Länder, in denen unter der Herrschaft Karls des Großen genau diese Europäische Zivilisation entstanden ist, die sich heute in einer tiefen Krise befindet: Frankreich, Deutschland, Italien und die historischen Niederlande. Somit sind die Antworten auf die Frage, was Europa ist, nicht einmal grundlegend falsch: Vielmehr bilden sie die tiefe geistige Krise ab, in der wir uns befinden.

Denn wenn Europa sich nur über liberale Werte und eine supranationale Staatenunion definiert, welche einerseits die europäischen Völker gegen Einwanderer aus dem globalen Süden austauschen und andererseits die kulturellen Wurzeln unseres Kontinents bis hin zur traditionellen Geschichtsschreibung auslöschen wollen, um Europa wirklich für jeden Menschen dieser Welt zur „Heimat“ machen zu können, dann gibt es Europa nicht nur als geopolitischen Akteur nicht mehr, sondern auch als Zivilisation. Dann sind auch wir letzten Europäer, die sich noch ihrer Geschichte und Traditionen bewusst sind, nur ein Teil des aufgeklärten, amerikanisierten Westens.

Während im Westen das „Ende der Geschichte“ nicht nur im Sinne eines alternativlosen Liberalismus nach Francis Fukuyama, sondern auch im Sinne eines Endes des europäischen Menschen heran zu brechen scheint, liegen die Dinge in Russland, welches die Eurasische Zivilisation verkörpert, anders: Hier können wir seit der außenpolitischen Wende Wladimir Putins 2008 den Wiederaufstieg einer Zivilisation betrachten, welche von vielen westlichen Beobachtern noch in den 1990er Jahren als „Regionalmacht“ abgeschrieben worden ist. Dementsprechend müssen wir uns die Frage stellen, was uns als Europäer ausmacht und was uns vom Westen unterscheidet, wenn wir eine Zukunft haben und die europäische Geschichte fortsetzen wollen. Es ist aber auch wichtig, was uns von Eurasien unterscheidet, mit welchem wir uns eine kontinentale Landmasse teilen und wo die Kooperationsmöglichkeiten mit dieser Zivilisation liegen. Dann schließlich können wir im Sinne der Vierten Politischen Theorie als universalem Konzept die Frage beantworten, ob und wie eine unabhängige europäische Zivilisation wieder möglich sein kann.

Die Wurzeln Europas – die Geburt der Europäischen Zivilisation im Mittelalter

Während der Begriff Europa schon bei den Alten Griechen auftauchte und einen Teil des Peloponnes und in der Mythologie eine phönizische Prinzessin, welche von Zeus in Gestalt eines Stieres entführt wurde, bezeichnete, taucht der Begriff Europa im Sinne der Europäischen Zivilisation erst im Mittelalter auf. In der Herrscherpropaganda Karls des Großen wurde dieser als „Pater Europae“, Vater Europas, bezeichnet. Tatsächlich gelang es dem Frankenherrscher unter seinem Schwertarm das heutige Frankreich, Deutschland und Italien zu vereinen, also einen bedeutenden Teil der damaligen christlichen Welt sowie gleichzeitig bedeutenden Teil der westlichen Hälfte des Römischen Reiches. Mit der „Translatio imperii“ in der Kaiserkrönung Karls des Großen durch den Papst wurde nicht nur die römische Herrschaftsform des Reiches auf die europäische Zivilisation übertragen, sondern auch die Bedeutung der Einheit von geistiger und weltlicher Herrschaft. Geistig war Europa dabei von Anfang an durch das Christentum definiert, welches das geistige Erbe des Antiken Griechenlands über den Neo-Platonismus in das Abendland brachte. Ethnisch und sprachlich gesehen trat die Europäische Zivilisation das Erbe der Indoeuropäer an: So wurden Germanen, Romanen und Slawen im fränkischen Reich vereint.

Durch die (Re-)Christianisierung verschoben sich die Grenzen der Europäischen Zivilisation nach Norden, Osten und Südwesten: Die Iberische Halbinsel wurde im Zuge der Reconquista Teil Europas, Skandinavien missioniert und das Baltikum vom Deutschen Orden für das Abendland gewonnen. An seine Grenzen geriet Europa dabei nicht nur im Widerstreit mit dem eigentlichen Römischen Reich, welches noch bis 1453 bestand, also dem was wir heute als Byzanz bezeichnen (und das später von den Osmanen in geopolitischer Weise beerbt wurde), aber auch von Russen sowie den Mongolen im Osten.

Die Europäische Zivilisation war darüber hinaus von den indoeuropäischen Vorstellungen des Kastenwesens geprägt, welche das Ständewesen hervorgebracht haben: An seiner Spitze standen die Priester (die Kirche), gefolgt vom Kriegeradel und schließlich den Bauern. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ waren nicht teil der Europäischen Zivilisation. Diese bestand vielmehr aus einer hierarchischen Ordnung, die als gottgewollt galt. Die Priester predigten das Wort Gottes, der Adel gewährte den Bauern Schutz und Schirm, die Bauern kümmerten sich um die Wirtschaft. Die christliche Religion dominierte das Leben der Menschen und gewährte sowohl Sinnstiftung, Orientierung als auch moralische Führung – allesamt Dinge, welche im heutigen Europa weitgehend fehlen.

Zwar fehlte den Menschen der Komfort der Moderne oder eine scheindemokratische Mitbestimmung am Herrschaftswesen, dies hielt sie jedoch nicht davon ab ihre Kultur zu bewahren, ihre Heimat gegen Bedrohungen von außen zu verteidigen und ihre Kultur und Traditionen weiterzugeben. Das Leben war hart, aber gleichzeitig spornten seine Entbehrungen und Prüfungen die Menschen zu Höchstleistungen auf allen Gebieten an. Ohne die Konfrontation mit falschen Bedürfnissen in Werbung und Magazinen, Glücksversprechen und Karrierezwang waren die Menschen in sich zufrieden. Dementsprechend war das Mittelalter keine dunkle Zeit, wie uns die Aufklärung glauben machen will – es war vielmehr die Blüte der Europäischen Zivilisation.

Der Verlauf der Entstehung unserer Zivilisation zeigt ganz klar: Unser kulturelles Erbe liegt im holistischen Welt- und Gemeinschaftsbild des Christentums begründet, nicht in den aufgeklärten Welt- und Gesellschaftsbildern des Westens. Eine Rückkehr zu unseren Wurzeln muss also ganz klar eine Absage an den Liberalismus und die Aufklärung bedeuten.

Moderne, Kapitalismus und Liberalismus kann man dabei als einen Dekadenz- und Niedergangsprozess verstehen, der bis heute anhält: Indem Europa über die Naturwissenschaft das christliche Weltbild zerstört hat, hat es sich ein Stück weit selbst zerstört. Indem man die aufkommende Bourgeoisie die Priester erniedrigen, den Adel töten und die Bauern entwurzeln ließ, wurde das traditionelle Europa zerstört. Humanismus und Protestantismus, die zwangsläufig im Materialismus enden mussten, waren der erste Schritt in diese Richtung.

Amerika, welches als Kind dieses kranken Europas entstand, steigerte diese Perversionen des europäischen Geistes schließlich ins Extreme, um mit der Staatswerdung der USA 1776 die westliche Zivilisation ins Leben zu rufen, die es 1945 schließlich schaffte, Europa einzugemeinden.

Anders im Osten:

Die Russen, welche sich im Streit zwischen Rom und Byzanz für Konstantinopel entschieden hatten, wurden durch die Pax Mongolica über einen längeren Zeitraum von Europa abgetrennt. Zwar bewahrten sie ihr indoeuropäisches Erbe, welches sie mit Europa vereint ebenso wie das Christentum, jedoch entwickelten sie durch den Kontakt mit den Mongolen ihre eigene Zivilisation samt dazugehörigen Reichsvorstellungen. Durch ihre Expansion nach Süden und Osten schufen sie ein Reich, welches in seinem Selbstverständnis zum Dritten Rom wurde. Die Russen dominierten als tonangebendes Volk im Reich und das Christentum orthodoxer Prägung im religiösen Sinne. Auf die Herausforderung des westlichen Imperialismus reagierte Russland zunächst mit einer teilweisen Selbstverwestlichung ab Peter dem Großen, welche zu einer tiefen Entfremdung zwischen Volk und Aristokratie führte, die schließlich in der Oktoberrevolution gipfelte, um im Zuge einer defensiven Modernisierung Eurasien gegen die Übernahmeversuche des Westens retten zu können. Zwar bedeutete die kommunistische Herrschaft Millionen Tote, im Gegensatz zur liberalen Konsumgesellschaft im Westen führte sie nicht zum Ende der russischen Kultur und Traditionen. Nach den Jahren der Wirren unter Jelzin, können wir daher Zeugen eines Wiederaufstiegs Eurasiens werden, der sich etwa auch in der russischen Intervention in Syrien zeigt. Eine konservative Erneuerungsbewegung innerhalb Russlands, welche durch die Eurasische Bewegung, aber auch die Orthodoxe Kirche verkörpert wird, arbeitete lange, um die ersten zarten Früchte ihrer Bestrebungen ernten zu können.

Wie können wir Europäer angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen unsere Zivilisation vor dem Abstieg in die Hölle retten, wo sie, um George Bataille zu paraphrasieren, anscheinend ihr Herz sucht? Zunächst gilt es, den Liberalismus in all seinen Ausprägungen zurückzuweisen und unser kulturelles wie religiöses Erbe wiederzuentdecken. Darüber hinaus brauchen gerade die Menschen im wohlstandsverwahrlosten Europa wieder einen neuen Adel, der die Völker dabei anleitet, sich nach Jahrzehnten der Herrschaft verantwortungsloser Parteienkartelle wieder seine Würde zurückzugeben.

Wenn wir als Europäer aus unserer gegenwärtigen Existenzkrise ausbrechen wollen, müssen wir nur auf die Frage nach „Sein oder Nichtsein“ mit Sein antworten. Wollen wir, dass Deutschland das Land der Deutschen bleibt? Dann müssen wir dementsprechend leben, unsere Kultur und unsere Geschichte offensiv verteidigen und fortführen. Das selbe gilt für Europa. Es bringt nichts, andauernd darüber zu jammern, dass alles verloren ist, es nichts mehr zu retten ist und wir eigentlich nur noch auswandern können, weil genau diese Haltung und Einstellung davon zeugt, dass man sich selbst, sein Volk und seine Zivilisation schon aufgegeben hat.

Wenn Europa eine Zukunft haben soll, dann darf der allgegenwärtige Defätismus keinen Platz mehr in den Kreisen derer haben, die ihm diese geben wollen. An dieser Kopfsache müssen wir etwas ändern, ansonsten bedeutet dies das Finis Europa. Kein Ethnostaat oder Kollektiv namens „Weiße Rasse“ kann uns als Simulacrum des Liberalismus aus dieser Krise retten, an keinem anderen Ende der Welt. Eine Reconquista ist möglich, nur beginnt sie bei uns selbst. Wenn wir die selben Taten wie El Cid, Prinz Eugen oder Karl der Große vollbringen wollen, dann müssen wir auch daran arbeiten selbst diesen Vorbildern in jeder Hinsicht nachzueifern.

Gelingt uns dies, kann die Europäische Zivilisation einen Platz in einer multipolaren Welt haben. Das bedeutet, dass Europa wieder zu einem Reich wird und sich von der Europäischen Union als Antieuropa und geschmacklose Imitation der USA verabschiedet. Dazu müssen wir uns vom Westen und damit explizit vom Liberalismus in jeder Form befreien, um unsere Geschichte wiederzugewinnen und Volk sein zu können. Dabei gilt es, die Vielfalt der  Völker Europas zu bewahren und nicht den jakobinischen Fehler der Uniformierung allen Daseins zu wiederholen. Dies bedeutet nicht nur die Verteidigung unserer Grenzen, sondern vor allem die geistige Mobilmachung im Sinne einer Verwerfung der Moderne und einer moralischen Erneuerung, ohne die eine Reconquista Europas nicht möglich sein wird. Schließlich muss sich Europa von der westlichen Vorstellung einer Eingemeindung Eurasiens verabschieden und hin zu einer Kooperation mit Russland umdenken. Gelingt uns dies, wird es eine Zukunft für die Europäische Zivilisation geben. Scheitern wir an dieser Aufgabe, wird dies auch das Ende Europas bedeuten.