Das Euro-Desaster: Das Ende einer Ära

von | 06. Apr. 2020 | Philosophie & Theorie

Wir leben in spannenden Zeiten. Viele glauben, dass Corona zur Zäsur des uns bekannten etablierten Systems wird. Tatsächlich ist das sich pandemisch ausbreitende Virus nur ein Auslöser einer längst überfälligen Korrektur. Die Finanzpolitiker glaubten, den schumpeterschen Grundsatz der schöpferischen Zerstörung aushebeln zu können. In Wirklichkeit bildete sich eine Blase, die nun kurz davor ist zu platzen. Das Resultat könnte ein Währungscrash sein, der in eine politische Krise mündet.

Das Fiat-Money und warum es den tiefen Glauben benötigt

Wir leben in einem Fiat-Geldsystem. Das bedeutet, dass das Geld, mit dem wir unsere Waren und Dienstleistungen bezahlen, keinen intrinsischen, also inneren Wert besitzt. Der Begriff ist aus der Bibel abgeleitet. In Genesis 1:3 kommt die lateinische Phrase fiat lux vor, was allgemein mit „Es werde Licht“ übersetzt wird. Auf das Fiat-Geldsystem angewendet, könnte man daher sagen: „Es werde Geld“. Denn in einem Fiat-Geldsystem wird Geld quasi aus dem Nichts geschöpft, ohne dass dieses an einen konkreten Wert gekoppelt ist. Das Gegenteil von Fiat-Geld ist Warengeld, also Gold, Silber oder auch andere Waren wie Getreide, Tabak, Alkohol usw., die als Tauschmittel gegen andere Waren oder auch Dienstleistungen dienen. Diese Waren besitzen einen intrinsischen Wert, d. h. wir sprechen ihnen einen Wert zu, der ihnen innewohnt. Nach Marx könnte man sagen, dass Tabak, Getreide, Mehl, Alkohol usw. einen entsprechenden Gebrauchswert besitzen, der als Basis für den Tauschwert dient: Also der Preis, den wir letztlich für die Ware bezahlen.

Unser Geld, das Fiat-Geld, besitzt allerdings keinen Gebrauchswert oder zumindest lediglich einen verhältnismäßig geringen. Denn die Euroscheine bestehen aus Baumwolle, womit sich vielleicht Wände gut tapezieren lassen, ansonsten aber keinen Mehrwert liefern. Im Grunde genommen basiert unser Geldsystem daher ausschließlich auf dem Glauben der Menschen, dass sie damit entsprechende Waren und Dienstleistungen kaufen können. Sinkt dieser Glaube in das Fiat-Geld jedoch, dann schwindet der Tauschwert, den der Fiat-Schein besitzt, auf seinen inneren Wert, also den Gebrauchswert – und der geht gegen null. Sollte der Glauben in das uns bekannte Geld verloren gehen, wären demnach die Euro-Münzen wahrscheinlich werthaltiger, weil sie aus diversen Metallen bestehen, die zumindest in der Wirtschaft Verwendung finden. Von den Scheinen allerdings bleiben dann nur noch die hübschen bunten Bilder. Die Amerikaner haben dann wenigstens noch ihren geliebten Wahlspruch: „In God we trust!“. Kurz gesagt, wer auf das Fiat-Money, also auf Euro, Dollar und Pfund schwört, der muss tief im Glauben stehen – insbesondere in der heutigen Zeit.

Im Internationalen allerdings wird der Wert jeder Fiat-Währung in Form von Wechselkursen ausgewiesen. Diese Wechselkurse zwischen zwei Währungen sind der Preis für die jeweilige Währung. Der Preis, also der Tauschwert einer jeden Währung lässt sich dabei durch das alte und natürliche marktwirtschaftliche Prinzip von Angebot und Nachfrage erklären. Ist die Nachfrage nach einer Währung hoch, steigt auch der Preis derselben. Für die Errechnung solcher Wechselkurse gibt es verschiedene theoretische Modelle, die wir hier nicht weiter ausführen müssen.

Das Geld, wie wir es kennen, womit wir tagtäglich bezahlen, ist allerdings nichts weiter als ein Versprechen, das uns die Banken und wir uns als Gesellschaft geben. Denn einzig der Glaube, morgen noch etwas für den Zehneuroschein zu bekommen, lässt uns an ihn glauben. Natürlich spielt hierbei auch der Zwang des Staates, der normalerweise das Währungsmonopol innehat, eine wichtige Rolle. Wer die Kontrolle durch Emission einer Währung hat, der besitzt auch eine immense Macht. Der Gründer einer der reichsten und mächtigsten Familiendynastien Mayer Amschel Rothschild soll einmal treffend gesagt haben: „Gib mir die Kontrolle über das Geld einer Nation und es interessiert mich nicht, wer dessen Gesetze macht.“

Stagflation oder gar Rezflation?

Gehen wir doch noch einen Schritt tiefer in die Geldtheorie rein. Dies ist wichtig, um zu verstehen, was hier gerade passiert und vor allem was die Maßnahmen der Bundesregierung sowie der Währungshüter in Frankfurt am Main für Folgen haben werden. Dazu müssen wir uns erst einmal folgende Grundlagen zu eigen machen:

  1. Wie sich die Wirkungen von wirtschafts-, finanz- oder währungspolitischen Maßnahmen zeigen, hängt sehr stark von den Erwartungen der Wirtschaftssubjekte, also der Marktteilnehmer (Privathaushalte, Unternehmen) ab. D. h., erwarten diese z. B. eine Inflation, also den Anstieg von Marktpreisen, so übt dies Druck auf die Löhne und damit auch auf Preise aus. Die Inflation ist dann eine logische Folge, quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung der Erwartungen. Andersherum schieben die Markteilnehmer ihre Ausgaben eher auf, wenn sie einen Preisverfall, also Deflation erwarten. Diesen Effekt hat sicher schon einmal jeder beim Tanken erlebt. Wer auf fallende Spritpreise spekuliert und noch einen halbvollen Tank hat, der verlagert die Entscheidung vollzutanken ggf. in die Zukunft. Das ist eine vollkommen normale Sache.
  2. Erwarten die Wirtschaftssubjekte nur geringe Preissteigerungen, kann dies sogar für einen expansiven Impuls sorgen, der auch zu einer steigenden Nachfrage bei sinkender Arbeitslosigkeit führt. Die sog. Phillips-Kurve ist dafür ein unter Ökonomen beliebtes Beispiel, das diese Vorstellung stützt, dass also Inflation zu einer sinkenden Arbeitslosigkeit führen kann. Die vom britische Ökonomen Alban Phillips stammende Kurve wies eine Korrelation zwischen den Löhnen in einer Gesellschaft und der Beschäftigung auf. Bei hoher Arbeitslosigkeit fielen die Löhne (und damit auch die Nachfrage) und umgekehrt stiegen die Löhne (und damit auch die Nachfrage) mit steigenden Beschäftigungszahlen. Dies wurde von der Hypothese, dass die Beschäftigten in einem Umfeld geringer Arbeitslosigkeit eine bessere Position in Lohnverhandlungen innehaben, noch unterstrichen. Höhere Löhne führen jedoch auch zu einer höheren Nachfrage, also Menge von Geld im Markt. Das führt wiederum zu allgemeinen Preissteigerungen – nicht zuletzt, weil die unternehmerischen Gestehungskosten für Waren und Dienstleistungen ja teurer werden (da Personalkosten steigen). Es dauert dann nicht lange, und die Marktteilnehmer bemerken diesen Effekt, was zu einer Veränderung ihres Verhaltens führt. Die Folge daraus ist eine Wiederholung dieses expansiven Impulses, also die gesteuerte Inflation.
  3. Diese wiederholte Anwendung von gesteuerter Inflation führt jedoch auf Dauer zu einer Stagflation. Eine Stagflation ist der genaue entgegengesetzte Effekt, d. h. mit zunehmender Inflation kommt es zu einer Stagnation der Beschäftigung. Denn durch die allgemeine Inflation, also des Anstieges eines großen Teils der Güterpreise, erhöhen sich auch die Produktionskosten für Unternehmen, die zur Gestehung ihrer Waren und Dienstleistungen Personal und Rohstoffe oder Halbzeuge benötigen. Wenn die Einkaufspreise dieser steigen, müssen sie auch ihre Verkaufspreise erhöhen. Das führt jedoch dazu, dass die Produktionsmengen zurückgefahren, weniger Leute angestellt werden und somit der Trend umgekehrt wird: Die Arbeitslosigkeit steigt.

Wir erleben seit geraumer Zeit in unserem Fiat-Geldsystem eine Art Keynesianismus, dessen Vertreter sich jedoch nicht auf die Grundlagen des Ökonomen John Maynard Keynes berufen wollen. Keynes vertrat in seiner „Allgemeine(n) Theorie der Beschäftigung, der Zinsen und des Geldes“ die Position, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage die entscheidende Größe für Produktion und Beschäftigung sind. Demnach sei die Steuerung dieser der Schlüssel einer stabilen Wirtschaft. Durch eine expansive Geldpolitik könne schließlich die Nachfrage, wie wir oben gesehen haben, gesteuert werden. Die Neu-Keynesianer allerdings haben mit Keynes‘ Theorie heute nur noch insoweit zu tun, dass sie die Rigidität von Löhnen und Preisen anerkennen. Ansonsten räumen diese Vertreter dem Zins eine entscheidende Rolle ein, über den der Kreditmarkt gesteuert werden könne. Genau dieses Modell haben wir heute in unserem Geldsystem. Die Notenbanken, oder besser heute die Zentralbank in Frankfurt am Main, drucken nicht direkt Geld, sondern versorgen die Kreditmärkte, also die Geschäftsbanken mit frischem Geld, dessen Preis sich durch den von der EZB ausgewiesenen Leitzins ergibt. Diese Geschäftsbanken sollen dann nach eigenem Gutdünken die Wirtschaft mit Krediten versorgen, deren Preise (also der Zins) sich am Leitzins orientieren.

Die Null- und Negativzinspolitik der EZB sowie der Fed (Federal Reserve System, US-Zentralbank) stehen für diese neu-keynesianische expansive Geldpolitik, um die Nachfrage, d. h. die Konjunktur über die von den Geschäftsbanken emittierte Geldmenge zu steuern. In ihrer Zwei-Säulen-Strategie versucht die Europäische Zentralbank deshalb jährlich eine Inflationsrate von knapp unter 2 Prozent zu gewährleisten, um die Wirtschaft entsprechend 2. (siehe oben) zu stimulieren. Dies führt, wie wir jetzt unmittelbar sehen können, zu 3., also einer zunehmenden Stagnation durch eine allgemeine Preiserhöhung (Inflation). Nach einem dadurch etwa einem Jahrzehnt anhaltenden Wirtschaftswachstum kommt es nun zum Bust-Moment. Was wir heute erleben, ist das Ende des „Boom-and-Bust-Zyklus“, also des Eintretens einer Rezession durch plötzlichen Kapitalrückzug nach einer jahrelang anhaltenden Hochphase. Denn in Wirklichkeit ist diese Hochphase von keinem echten Wirtschaftswachstum begleitet worden, denn die Beschäftigtenzahlen sind mit diesem Wachstum gestiegen. Echtes Wirtschaftswachstum zeichnet sich allerdings durch Innovation und Produktivität aus. D. h. die wirtschaftliche Leistung eines Landes wächst dann, wenn Unternehmen es schaffen ihre Produktivität und ihre Effizienz zu steigern. Was jedoch in der Europäischen Union und auch in Deutschland passierte, ist die Schaffung von Vollbeschäftigung durch Geldgeschenke (Nullzinspolitik) an die Banken. Dies hat dazu geführt, dass viele Unternehmen, die im Grunde genommen der schumpeterschen schöpferischen Zerstörung zum Opfer gefallen wären, heute eine zu hohe Liquidität aufweisen. Was wir seit dem 19. Februar 2020 erleben, ist eine längst überfällige Korrektur. Viele Investoren zogen ihr Kapital aus den Märkten ab, zum einen, weil sie aufgrund von Margin Calls Verbindlichkeiten ausgleichen müssen, was mit Aktienverkäufen gewährleistet werden kann, und zum anderen, weil sie in diesem Umfeld kein Vertrauen mehr in die Unternehmen bzw. in das System haben.

Sollte der Bust anhalten, käme es im Zuge der Inflationierung unserer Währung auch zu einer Verstärkung der Rezession, also des Rückgangs der Konjunktur („Rezflation“).

Finanzspritzen und Helikoptergeld

Jahrzehnte sah es so aus als ob die Kurse nicht mehr fallen würden. Jedes Jahr konnten wir Wirtschaftswachstum verzeichnen. Zwischen 2014 und 2018 hatten wir ein Wachstum des BIP per annum zwischen 1,5 und 2,2, Prozent. Doch bereits letztes Jahr deutete sich die Stagnation der Konjunkturkurve in Deutschland mit gerade einmal 0,6 Prozent an. Dennoch schien der DAX keine Abwärtsbewegung mehr zu kennen. Die Börsianer vertrauten einfach auf den berühmten Magier in Frankfurt am Main, nach dem heute sogar ein Effekt benannt ist: Der Draghi-Effekt. Mario Draghi war von November 2011 bis Oktober 2019 der dritte Präsident der EZB. Am 26. Juli 2012 verkündete dieser nämlich auf der Global Investment Conference in London: “Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough[1]. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um die zwei teuersten Sätze der EU-Geschichte, denn die Folge daraus war eine Mentalität des risikofreien Spekulierens an den Finanzmärkten. Die Geldhäuser konnten sich sicher sein, dass ganz gleich was passieren würde, der große Zauberer aus Frankfurt am Main kommen wird, um sie zu retten. Dirk Müller, alias Mr. Dax hat dies in einer aus meiner Sicht sehr schönen Metapher ausgedrückt[2]: Und zwar ist die Börse der letzten Jahre mit einem Casino zu vergleichen, in dem die Spieler mit ungedeckten Chips Roulette spielen und dabei immer nur auf die Farbe schwarz setzen mussten, denn unter dem Roulettetisch befand sich ein Magnet, der dafür sorgte, dass die Kugel immer nur auf dieser einen Farbe landete. Und wenn die Kugel tatsächlich mal auf Rot hielt, dann setzte der Croupier aus Frankfurt am Main die Kugel einfach wieder auf Schwarz. Somit sind auch konservative Spieler eingestiegen, die nun auch etwas von dem sicheren Stück Kuchen abhaben wollten. Doch plötzlich werden die Magnete auf Knopfdruck abgeschaltet und die Kugel landete nun ganz natürlich auf Rot. Während die Spieler nun vollkommen vom Glauben abgefallen in die Röhre gucken, weist der Croupier nun alle Schuld von sich ab und tut so, als wären das nun mal die Gesetze des Spiels der freien Kräfte.

Die EZB hat durch sukzessive Leitzinssenkungen bzw. der Erhöhung des Negativzinses auf Einlagekonten ganz im Sinne neu-keynesianischer Wirtschaftspolitik versucht, auf die Finanzmärkte Einfluss auszuüben. Die Geldpolitiker haben damit über Jahre hinweg durch die dadurch entstandene „Whatever-it-takes“-Mentalität die Märkte beruhigen können. Denn die hochverschuldeten Südländer innerhalb der Eurozone Spanien, Griechenland, Portugal und Italien wären gewaltig in die Bredouille gekommen. Die Nullzinspolitik und das Draghi-Versprechen bedeuteten jedoch billige Kredite. Diese Länder haben die von Draghi geschaffenen Fakten voll ausgenutzt und sich weiterhin verschuldet, anstatt wichtige fiskalpolitische Reformen anzustoßen. Doch im Zuge des externen Schocks durch die COVID19-Pandemie wirken diese Aktionen der EZB nur wie ein Placebo. Das Pulver verpufft im Lauf, ohne dass ein Geschoss aus demselben austritt. Was könnte die EZB, nachdem sie die Zinsen ja bereits auf null Prozent gesenkt hatte, auch anderes tun. Weiterhin Staatsanleihen ankaufen? Das mag in einem leicht deflationären Umfeld Sinn ergeben, ist aber in einem inflationären Markt eher schädlich denn nützlich. Zudem wurde das unter dem Begriff „Quantitative Easing“ bekannte Instrument bereits die letzten Jahre angewandt. Die QE-Programme dienten dazu, die Märkte mit frischem Geld über indirekte Anleihekäufe zu versorgen, um eine Deflation zu verhindern bzw. eine leichte Inflation als Impuls für expansive Beschäftigung zu gewährleisten. In Wirklichkeit haben sie jedoch eine bereits in der EU immer größer werdende Blase erschaffen, die nun geplatzt ist.

Mit der neuen Bazooka der Bazookas, dem erst kürzlich von Christine Lagarde angekündigten PEPP (Pandemie-Notfall-Kaufprogramm)[3] werden die Märkte mit weiteren 750 Mrd. Euro geflutet. Die EZB-Präsidentin kündigte bereits an, dass die Zentralbank damit auch Staatsschulden Griechenlands ankaufen könnte. Diese Maßnahmen werden allerdings zu einer Verstärkung der sich ohnehin abzeichnenden Inflation führen, da dadurch die Geldmenge erhöht wird – und dass in einem Umfeld mit einem Angebotsschock.

Wie weit diese Krise bereits vorangeschritten ist, zeigen die aktuellen Diskussionen über eine Maßnahme, die aus der Feder des Neoliberalisten und Monetarismustheoretikers Milton Friedman stammt: Das Helikoptergeld. Darunter versteht man die Schöpfung von Geld aus dem Nichts, welches dann an die Privathaushalte vergeben wird, z. B. indem Schecks ausgeteilt werden oder die Banken direkt Geld auf private Konten überweisen. Sie werden bereits seit Tagen in Amerika diskutiert und auch hierzulande melden sich immer mehr Mainstream-Ökonomen zu Wort, die diese Maßnahme als letzten Ausweg sehen. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine reine Verzweiflungstat, die nur deshalb ins Gespräch kommt, weil die Geldpolitiker sämtliche Instrumente, selbst fernab ihrer Mandatskompetenz, ausgeschöpft wurden. Die Zinssenkung um 100 Basispunkte durch die Fed im März auf null Prozent zeigt deutlich, dass die Maßnahmen die Wirkung des berühmten Tropfens haben, der auf einem heißen Stein landet. Dieser Tropfen, so müssen wir uns das vorstellen, verdampft jedoch bereits, ehe er den Stein berührt.

Im Grunde genommen sind die Geldgeschenke an die Unternehmen in Deutschland, die Soforthilfe, bereits eine Art Helikoptergeld. Keine Frage, dass diese Unternehmen das Geld bitter nötig haben, doch in Wirklichkeit wird damit die Lage noch befeuert und die Inflation vorangetrieben.

Der Lockdown und die galoppierende Inflation

Ich möchte mich hier nicht großartig über die gesundheitspolitischen Maßnahmen auslassen. Man bekommt derzeit das Gefühl, dass sich viele nach dieser Krise an der Berliner Charité als Epidemiologen oder Virologen melden sollten. Zumindest bekommt man den Eindruck, dass sich viele gerne als Hobby-Mediziner sehen. Es mag Gründe geben, die Maßnahmen für zu überzogen zu halten. Ich für meinen Teil weiß es nicht zu hundert Prozent, weil ich kein Mediziner bin. Als Ökonom kann ich jedoch etwas über die wirtschaftlichen Folgen sagen, die diese Maßnahmen bedeuten.

Denn obgleich es vor allen den kleineren und mittelständischen Unternehmen gegönnt sei, dass der Staat nun versucht zu helfen, doch die Finanzspritzen werden vier negative Effekte mit sich bringen:

  1. Die Inflation wird durch das zur Verfügung stellen von Geldgeschenken und billigen Krediten weiterhin befeuert, vor allem nach Auflösung des Lockdowns.
  2. Die Unternehmen werden aufgrund der Vergabe von Krediten mit hohen Verbindlichkeiten aus dieser Krise herausgehen. Wir werden eine Vervielfachung der unternehmerischen Schulden bekommen.
  3. Auch die Mieter, die vielleicht aufgrund wegbrechender Einkommen die Mieten aussetzen dürfen, verschulden sich bei ihren Vermietern.
  4. Die Vermieter müssen dabei mit Umsatzeinbrüchen rechnen, und dass bei laufenden Kosten (Kredit, Zinsen, Instandhaltung). Dies kann zu einem massenweisen Ausverkauf von Immobilien führen. Zwangsversteigerungen könnten die Folge sein.

Der Lockdown, also die Ausgangsbeschränkungen und das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens auf ein Minimum, führen logischerweise auch dazu, dass die Wirtschaft runterfährt. Friseurläden haben geschlossen. Ins Kino können wir derzeit auch nicht. Gastronomische Einrichtungen sind nur noch für den Drive-In geöffnet. Von der Tourismus- und Reisebranche brauchen wir erst gar nicht mehr sprechen. In vielen produzierenden Unternehmen stehen derzeit die Produktionsstätten still. In der Landwirtschaft sowie der Lebensmittelindustrie, wo man auf die vielen Saisonarbeiter aus Osteuropa angewiesen ist, fehlen Arbeitskräfte. Dadurch wird es zu Ertragsminderungen bei den Ernten kommen.  Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern erleben wir weltweit. Europa steht still, die Welt steht still. Dadurch brechen auch Lieferketten ein. Es kommt zu Versorgungsengpässen. Die Bauern rufen bereits um Hilfe. Vielen wird plötzlich klar, dass es Berufe gibt, die systemrelevant sind. Fragt sich, ob dieses Bewusstsein auch noch nach der Krise anhalten wird.

Was wir soeben mit Beispielen belegt haben, nennt man in der Ökonomie Angebotsschock, d. h. dass es durch gesamtwirtschaftliche Störungen zu erhöhten Produktionskosten kommt. Diese sorgen für eine Angebotsknappheit. Die Maßnahmen, die nun in vielen Ländern ergriffen werden, so auch die 156 Mrd. Euro Neuverschuldung in Deutschland, um die Unternehmen zu retten, kommen einem Nachfrageschock gleich. Ein Nachfrageschock ist eine von außen kommende Störung in der Gesamtwirtschaft, die zu einer Erhöhung der Nachfrage führt, z. B. durch eine Angebotsknappheit. Auf den Konsumgütermärkten haben wir also einen Angebotsschock, der ohnehin durch die daraus folgende Angebotsknappheit (einbrechende Lieferketten, stillstehende Produktionsstätten) zu einem Nachfrageschock (Konserven, Toilettenpapier, Brot, Hefe, Mehl) führen. Mit einem künstlichen Nachfrageschock durch Geldspritzen und Helikoptergeld (denn dies wird schließlich gemacht, um die Menschen zum Kaufen zu verleiten) dem Angebotsschock zu begegnen, gleicht einem Himmelfahrtskommando. Deshalb sind diese Maßnahmen reine Verzweiflungstaten, die sich in blindem Aktionismus ausdrücken.

Diese Konsumgüterinflation dürften wir bereits jetzt haben. Allerspätestens wird diese jedoch massiv nach dem Lockdown eintreten. Sobald der Lockdown aufgelockert oder vollends aufgelöst wird, wir also wieder zum Friseur, ins Kino oder in die Kneipe gehen können, wird es zu einer Nachfrageflut kommen. Denn erstens sparen die Menschen aufgrund des Lockdowns derzeit ihr Geld (eine hohe Geldmenge sammelt sich an, die sich in Nachfrage ausdrücken wird) und zweitens werden wir nach dem Lockdown weiterhin auf eine Angebotsknappheit stoßen. Die Lieferketten und Produktionsstätten können in vielen Branchen nicht einfach so wieder angeschmissen werden wie ein Dieselmotor. Sie werden einige Zeit brauchen, Wochen, vielleicht sogar Monate, bis sie wieder auf voller Leistung laufen. D. h. eine verhältnismäßig große Geldmenge (Nachfrage) stößt auf eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Waren (Angebot). Das ist quasi der Inbegriff von Inflation.

Die Franzosen, das Ruhrgebiet und die Inflation von 1923

Wir haben sogar ein historisches Beispiel, aus dem wir lernen und absehen können, was uns erwartet. Als die Franzosen im Zuge von fehlenden Reparationszahlungen seitens des Deutschen Reiches das Ruhrgebiet besetzten, kam es zu einem Lockdown, ähnlich wie wir ihn heute haben. Im Januar 1923 besetzten französische Truppen das Ruhrgebiet, um die fehlenden Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches durch die dortige Kohle- und Koksproduktion zu kompensieren. Es kam jedoch zum Ruhrkampf, Generalstreiks der Arbeiter gegen die Besatzung, die Verwaltung, Verkehr und Industrie lahmlegen sollten. Im Zuge dieser Generalstreiks und des von der Reichsregierung verordneten Lockdowns kam es zum Wegbrechen von Umsätzen. Da die Unternehmen die Personalkosten nicht mehr hätten tragen können, wurden selbige vom Staat gezahlt. Die Arbeiter bekamen also weiterhin ihre Löhne und sparten diese an, da ja alle Geschäfte, ähnlich wie heute, unter dem Lockdown geschlossen wurden. Nachdem die Streiks und der Lockdown beendet wurden, kam es zu einer galoppierenden Inflation, die in einer Währungsreform mündete.

Das Ende des Euro?

Nicht wenige Ökonomen melden u. a. aufgrund der von mir oben geschilderten Entwicklungen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein müsse, bis der Euro gegen eine andere Währung ausgetauscht wird. Tatsächlich ist das Helikoptergeld ein sicherer Indikator dafür, dass eine Währungsreform bevorsteht. Noch gibt es dazu keine klaren Beschlüsse oder Aussagen der Spitzenpolitiker. Dennoch wies ich ja bereits oben darauf hin, dass die jetzt getroffenen Maßnahmen dem Helikoptergeld ähnlich sind. Die Anleihekaufprogramme, nicht zuletzt die geführten OMT-Programme, die nun zum Tragen kommen könnten, sind deutliche Hinweise darauf. Die alte Debatte von Eurobonds, die den Geld- und EU-Politikern noch ein bisschen Zeit verschaffen könnten, ist nun wieder aufgeflammt. Noch sind sich die EU-Mitgliedsstaaten uneinig darüber. Frankreich, Italien, Spanien und weitere hochverschuldete Mitglieder pochen nun auf die in der Öffentlichkeit als Corona-Bonds gehandelten Gemeinschaftsschulden. Hier flammen alte Konflikte insbesondere zwischen den beiden Kernstaaten Deutschland und Frankreich wieder auf. Frankreich fürchtet zu Recht den Wegfall der Italiener, bei denen die Notenbank viele Staatsanleihen gekauft hat. Bricht eines der Mitglieder weg, fällt das komplette Euro-Finanzsystem wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Und da sind wir wieder bei unserem eingangs erwähnten Fiatgeld, das einzig auf dem Glauben der Wirtschaftssubjekte basiert. Derzeit kann diese Glaubwürdigkeit, die die Währung noch genießt, gerne in Frage gestellt werden. Wer Jahrzehnte lang eine expansive Geldpolitik betreibt, sein Pulver vollends verschossen hat und nicht einmal eine Kugel aus dem Lauf herauszupressen vermag, der wirkt nicht gerade vertrauenswürdig. Das „Whatever-it-takes“ mag von Mario Draghi ehrlich gemeint gewesen sein. Es mag sein, dass auch er tief im Glauben an diese Währung stand. Doch der Glaube allein hilft hier nicht weiter. Es bedarf jetzt klarer Entscheidungen, die die finanzpolitische Ordnung in Europa wiederherstellen. Nicht wenige Ökonomen glauben heute, dass dies die Rückkehr zu den Nationalwährungen sein wird. Von den derzeitigen Akteuren können wir wohl nicht viel erwarten. Doch ob die dann noch an den Schalthebeln sitzen, kann bezweifelt werden. Mario Draghi jedenfalls hat seine Amtszeit absolviert und braucht sich um solcherlei Fragen nicht mehr zu kümmern.

Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen?

Der Euro ist nicht nur angeschlagen, sondern verfällt zunehmend mit den geldpolitischen Maßnahmen, die nun einen Höhepunkt erreichen. Wie lange wir noch mit dem Euro in dieser Konstellation zahlen, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Dass er früher oder später gegen eine andere Währung, in einer anderen Konstellation, ausgetauscht wird, gilt als sehr wahrscheinlich. Wahrscheinlich wird es zuvor noch zu einem massiven Schuldenschnitt kommen. Das ersparte Geld wird dann dahin sein oder zumindest erheblich an Wert verloren haben. Ehrlich gesagt, hat es das aufgrund der expansiven Geldpolitik ohnehin die letzten Jahre schon. Wer gut beraten sein will, sollte sich, wenn nicht schon längst getan, nach Ersatzwährungen umschauen. Auf jeden Fall steckt in diesen Ereignissen, neben den materiellen Verlusten, die zu erwarten sind, auch politisches Kapital. Die Währungshüter und mit ihnen all die Demokratisten und Eurokraten erweisen sich nun, für jedermann erkennbar, als unfähig. Sie scheinen unter Dyskalkulie zu leiden, d. h. sie können einfach nicht zählen. Die Zeit wird dadurch immer reifer für eine neue Geldpolitik. Die Monetaristen à la Milton Friedman und seinen Chicago Boys melden sich schon für die Übernahme an. Deren Ideen sind im Kern jedoch die gleichen und sind nur auf eines ausgerichtet: Die Interessen des Finanzkapitals.

Eine Abkehr vom Finanzkapitalismus hin zu einer kleinteiligen Wirtschaftsordnung, in der die Wirtschaftssubjekte sich in Leistungsgemeinschaften in kleinen Wirtschaftskreisläufen organisieren und die Kopplung des Geldes an echten Werten, sind das Gebot der Stunde. Das Geld hat der Wirtschaft zu dienen und diese dem Menschen. Nicht umgekehrt.

[1] Z. Dt.: „Im Rahmen unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“

[2] U.a. zu finden auf https://finanzmarktwelt.de/dirk-mueller-ueber-boersencrash-den-oelpreis-und-das-coronavirus-160151/ (Stand 06.04.2020)

[3] Pandemic Emergency Purchase Program