Wolfgang Bendel auf den Spuren einer neuen Gesellschaftsform

von | 16. Jan.. 2019 | Debatte

Eine Rezension zu der erst kürzlich im Jungeuropa Verlag erschienenen und auch in unserem Shop erhältlichen Streitschrift Aristokratie, verfasst von Peter Steinborn.

Im November des letzten Jahres erschien im Jungeuropa Verlag, der bisher eher hauptsächlich durch Übersetzungen ausländischer Werke auffiel, das Werk Aristokratie. Der Autor Wolfgang Bendel, der auch schon mehrfach auf diesem Blog publizierte – in letzter Zeit häufiger über brasilianische Verhältnisse – bleibt sich damit seiner provokativen und zugleich humoristischen Art politische Inhalte zu vermitteln treu. Aristokratie ist, wie es im Untertitel des Buches auch heißt, eine Streitschrift.

Mit einem Zitat des kolumbianischen Philosophen Nicolás Gómez Dávila wird der geneigte Leser passend in die Thematik eingeführt: „Die Liebe zum Volk ist eine aristokratische Berufung. Der Demokrat liebt es nur im Wahljahr.“

Alternativlose Demokratie und die Verantwortungslosigkeit der Demokraten

Mit diesen einleitenden Worten eines selbsternannten Reaktionärs wird bereits von Beginn an deutlich, auf welche Reise der Leser hier mitgenommen werden soll. So schreibt Bendel bereits in der Einleitung auf Seite 7: „Gesellschaftsformen, die ihren Zenit überschritten haben und die Menschen nicht aus sich selbst heraus überzeugen können, also in ihre Dekadenzphase eingetreten sind, erkennt man daran, dass sie repressiver, alternativloser und regulativer daherkommen. Sie haben ihren Charme verloren, und der eigentliche Zweck jeder Form von Herrschaft, die Machterhaltung der sie tragenden Klasse, tritt deutlicher und ungeschminkter in den Vordergrund. Denkverbote und Gängelung, Tabus und Propaganda ersetzen die ursprünglich vorhandenen Ideale, Zwang und Einschüchterung die Freiwilligkeit und innere Überzeugung. Politische und wirtschaftliche Korruption dehnen sich aus und werden epidemisch. Die Gleichheit vor dem Gesetz wird zur inhaltslosen Phrase.“

Wer bei diesen Worten an das System Merkel denkt, welches ja nur beispielhaft da steht für den gesamten Zustand der westlich-liberalen Hemisphäre, der wird sich über diese Lektüre erfreuen können. So verdeutlicht Wolfgang Bendel exemplarisch seine zu Beginn getätigten Worte mit der Apologetin der Alternativlosigkeit schlechthin: Angela Merkel. Immer wieder trete die Bundeskanzlerin im Zeichen der Alternativlosigkeit auf und verbitte sich eine Diskussion darüber, ob bspw. ihre Ausländerpolitik richtig oder falsch sei.

Interessant ist, dass Bendel als Zeitgenosse und quasi Augenzeuge – er lebt die meiste Zeit in Brasilien – seine Eindrücke über die kleptokratischen[1] und korrupten brasilianischen Verhältnisse in dem Buch wiedergibt. So geht er zunächst auf ein prägnantes Beispiel ein, das im Kern die Wahrheit des demokratischen Brasiliens[2] verdeutlicht. Der Leser liest hier von Korruptionsskandalen, die selbst für bundesrepublikanische Verhältnisse á la Doktortitelfälschung, VW, Ergo und ADAC vollkommen unglaubwürdig klingen, jedoch Jahrzehnte zum demokratischen Alltag Brasiliens gehörten. Doch spannt der Autor in einem zweiten Beispiel einen Bogen zur bundesdeutschen Wirklichkeit, wo Gleichschaltung und Gedankenkontrolle bereits zu regulären taktischen Mitteln der Regierung gehören. Der “Fall Kandel“, die Absetzung eines Verfassungsschutzpräsidenten und die allgemeine Berichterstattung zum Flüchtlingsthema werden hier exemplarisch herangezogen, um zu verdeutlichen, inwieweit die demokratische Wirklichkeit längst im bundesdeutschen Alltag einhielt.

Demokratie im Fall begriffen: Dekadente Zustände

Wolfgang Bendel zufolge befindet sich die Demokratie bereits im Endstadium der Dekadenz. Dabei meint das Wort, abgeleitet vom lateinischen “cadere“ so etwas wie “fallen“, “sinken“, “sich im Fall befinden“. Um mit Oswald Spengler zu sprechen, hat die Demokratie bereits einen Zustand nahe dem Tod erreicht. Der Autor beschreibt hier – ähnlich dem Lebenslaufzyklus einer Hochkultur – das Leben bzw. die Vitalität einer Gesellschaft anhand einer Kurve, die zunächst monoton steigend bis zu einem Höhepunkt (Scheitelpunkt) und ab da monoton fallend verläuft. Laut Wolfgang Bendel befand sich dieser Scheitelpunkt in den „Achtziger- und Neunzigerjahren des vorherigen Jahrhunderts“ (S. 38). Leider wird der Autor nicht deutlich, welche Gesellschaft er meint. Handelt es sich um die brasilianische oder die deutsche Gesellschaft? Oder geht Bendel tatsächlich von einer demokratischen Gesellschaft aus? Ist diese demokratische Gesellschaft dann etwa ein globalumfassendes Kollektiv, also die Zusammenfassung aller Gesellschaften, die eine „demokratische Kultur“ pflegen?

Für den in Brasilien lebenden Buchautoren ist dieser oben beschriebene Fall nicht nur ein kultureller Niedergang, sondern für ihn umfasst der Begriff der Dekadenz – ähnlich wie im Marxismus – den Verfall auf allen Ebenen, also ebenfalls im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich.

Wenn Bendel also von der Dekadenz der Demokratie oder der demokratischen Gesellschaft schreibt, so meint er das bevorstehende Ende derselben.

Eine Aristokratie neuen Typs

Der Begriff “Aristokratie“ stammt vom griechischen “arete“ und bedeutet so viel wie Tüchtigkeit, Tapferkeit oder auch Tugend. „Derjenige“, so schreibt Bendel auf Seite 59, „der über ‚arete‘ verfügt, wurde als ‚aristoi‘ bezeichnet. Von diesem Wort wiederum stammt der Ausdruck ‚Aristokrat‘ ab.“

Der Suffix “kratie“ stammt ebenfalls aus dem Griechischen (kratein=mächtig sein, herrschen) und bedeutet so viel wie “Herrschaft“. Die Aristokratie ist demnach die “Herrschaft des Tapferen, der Tapferkeit oder auch der Tugend“. Sie wird auch als “Herrschaft des Adels“ beschrieben, was Bendel dazu veranlasst, den Leser darauf hinzuweisen, welcher Adel oder welche Aristokratie nicht gemeint ist. Nachdem er die Frage stellt, welche “Aristokraten“ also nicht zu diesem neuen Typ der Gesellschaftsform gehören, antwortet Wolfgang Bendel auf Seite 60 ziemlich deutlich „…dass der Personenkreis, der heutzutage die Seiten der Yellow Press (auch als „Regenbogenpresse“ bezeichnet, beschäftigt sich in erster Linie mit dem Hochadel und dem Showbusiness; Anm. d. Verf.) bevölkert und unter dem Begriff ‚Europäischer Hochadel‘ subsumiert wird, sich nicht dazu eignet, eine neue Aristokratie zu formen.“

Jedoch konstatiert Bendel, dass „einige Wenige stets besser (sind) als die breite Mehrheit“ und diese sollen auch herrschen, eben weil sie besser sind und damit das Zeug haben, das Volk zu führen. Dabei hält er dem demokratischen Zeitgeist auf Seite 63 entgegen: „Da die Welt nun einmal schlecht ist (…), erinnert alles Geschwätz vom ‚mündigen Bürger‘, von der ‚Zivilgesellschaft‘, von der ‚geläuterten Demokratie‘, vom ‚aus der Geschichte lernen‘ in seiner Inhaltslosigkeit, um nicht zu sagen Infantilität, lediglich an die von Comicfiguren abgesonderten Sprechblasen.“

Daraus schlussfolgert er etwas weiter unten: „Es führt wohl kein Weg daran vorbei: Wir brauchen eine neue Aristokratie (…) Die Herrschaft der Mittelmäßigen muss durch die Herrschaft der Besten abgelöst werden.“

Der Barock als Vorbild und integraler Traditionalismus

Wolfgang Bendels Herrschaft der Besten soll sich an den Zeiten des Barock orientieren, also jene Epoche, die vom späten 16. Jahrhundert bis etwa 1770 anhielt. Es wird deutlich, dass der Autor sich hier insbesondere vom katholischen Geistesleben dieser Epoche inspiriert fühlt. Diese sei dem Fortschrittglauben entgegengesetzt und daher sei eine Rückkehr in diese Zeitepoche essentiell. Durch eine ständisch-hierarchische Gesellschaft ausgezeichnet, wäre der Barock der Neuzeit wohl nach Bendel die Alternative zur demokratisch-liberalen Moderne, die bereits beginnt, in die Postmoderne überzutreten.

Hier erweist sich Bendel als Anhänger einer zyklischen Lebens- und Zeitauffassung wie es ein René Guénon oder ein Julius Evola war. So plädiert Bendel für die Rückkehr, um ähnlich wie bei Alexander Dugin die Zeit umzukehren.

Hier klingt ein integraler Traditionalismus heraus, der davon ausgeht, dass die Zeit umkehrbar sei und nur so eine kontinuierliche Linearbewegung gen Postmoderne zu verhindern sei. Leider beschreibt Bendel hier nicht weiter, wie nun dieser Adel oder diese Aristokratie konkret aussehen soll, welche Eigenschaften er hat und was ihn berechtigt ein neues Zeitalter einzuleiten? Warum will Bendel zudem ausgerechnet in die Zeit des Barock zurück und nicht noch weiter in Zeiten um das 8. Jahrhundert herum, wie es auch die Duginisten fordern?

Eine Meritokratie statt eine Ochlokratie

Was Bendel hier leider nur in groben Zügen beschrieben hat, ist – interpretiere ich es richtig –eigentlich eine Meritokratie, also eine Herrschaft der Leistenden, die aus meiner Sicht auch durchaus erstrebenswert ist. Die Ochlokratie, die also die Herrschaft des Pöbels oder eben der “Mittelmäßigen“ ist, befindet sich tatsächlich im Niedergang und schon bald wird das Wort Demokratie wahrscheinlich nur noch den Geschichtsbüchern mit den Zusatz zu entnehmen sein: „Die Endphase des Unterganges des Abendlandes“. Spengler beschrieb in seinem ersten Band zum Untergang des Abendlandes, dass die Dekadenz, also der Niedergang unserer Kultur, bereits seit 1500 voranschreitet. Damit wäre die von Bendel angestrebte Zeitepoche in der Dekadenzphase – zumindest nach Spengler – inbegriffen.

Ich glaube vielmehr, dass wir uns tatsächlich in die Zukunft richten sollten, nicht aus einem schnöden Fortschrittglaubens heraus, sondern um das Kommende zu gestalten. Das ist keine transzendente Haltung, sondern sie verlangt vom Einzelnen, etwas dafür zu tun, dass die Zukunft besser wird. Diese wird jedoch nicht automatisch besser, weil wir in alten Erinnerungen schwelgen, die letztlich ihrer Zeit auch nicht verhinderten, dass der Niedergang eintrat. Tatsächlich scheint mir die Geschichte Zeugnis eines gewissen Zyklus zu sein. Schließlich treten gewisse Dinge immer wieder in irgendeiner Form hervor. Dominique Venner hat in diesem Zusammenhang von einem unterirdischen Strom gesprochen, der hin und wieder an die Oberfläche herausbreche. Dieser Strom ist das innere Kerneuropa, sozusagen unser kultureller Kern. Der Virtus, die Tapferkeit, das Männliche Prinzip also ist diesem Strom immanent.

Unsere Völker waren immer dann groß, wenn sich geadelte, d. h. tapfere, pflichtbewusste und verantwortungsvolle Männer ihres Selbst bewusst wurden, die Zügel in die Hand nahmen und ihre Zeit – wohlgemerkt nicht eine andere – gestalteten.

Schlussbetrachtung

Wolfgang Bendel liefert dem Leser auf jeden Fall einen guten Einstieg in ein wichtiges Thema, gerade in Zeiten, wo auch innerhalb der Rechten bürgerlich-demokratischer Patriotismus Hochkonjunktur feiert. Es ist tatsächlich mehr eine Streitschrift, so wie es der Jungeuropa Verlag auch verspricht, als ein Grundlagenwerk. Es fehlt die konkrete Beschreibung dieses neuen Typus, in dem der Archetyp des Heros, des Kriegers, des “aristoi“ wiederbelebt wird. Trotzdem wird in dem Buch das Bestreben nach einer echten Rechten thematisiert, und diese ist letztlich aristokratisch oder besser meritokratisch. Sie ist auf Hierarchien bedacht und bewertet die Dinge danach, was sie für die eigene Gemeinschaft bringen. Kurz gesagt: Der rechte Adel, die echte Rechte handelt so, als würde allein von ihr die Zukunft des eigenen Landes abhängen. Der neue Adel muss also auch ein gewisses Sendungsbewusstsein, einen gewissen Sinn des Auserwähltseins haben. Dieser Gedanke des Auserwähltseins hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Im Gegenteil, der Adelige ist bescheiden. Jedoch ist ihm bewusst, dass nur er die Macht besitzen kann, sein Volk zu führen.

Es gilt nun, diese Vision eines neuen Adels weiter auszureifen und der Jugend ein Vorbild zu liefern, wie sie in der NEUEN Zeit sich selbst die Zukunft Bahn brechen kann. Diese Jugend wird die Zukunft selbst gestalten müssen. Wenn sie sich von diesem aristokratischen Gedanken führen lässt, wie er hier von Wolfgang Bendel beschrieben wird, dann kann frohen Mutes auf das Morgen geblickt werden.

Anmerkungen

[1] Von „Kleptokratie“, also „Herrschaft der Diebe“. Eine Anspielung auf die Korruptheit vieler demokratischer Politiker.

[2] Hier sind keinesfalls die Brasilianer im Allgemeinen gemeint, sondern das demokratische Establishment im ehemaligen König- und Kaiserreich.