Aristokratie und die Dialektik gesellschaftlicher Steuerung

von | 16. Apr. 2021 | Philosophie & Theorie

Bei dem nachfolgenden Text handelt es sich um eine Zusendung unseres Lesers Arnold Rolant. Darin behandelt er den Zusammenhang zwischen elitären Kreisen und der Steuerung einer Gesellschaft.  Der Autor befasst sich hier mit den beiden sich einander bedingenden Polen die strukturelle Organisation und das strukturlose Netzwerk und zeigt auf, wie die Eliten Einfluss auf die Bildung von Kollektiven nehmen. Die Redaktion

Es gibt zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Einflussnahme auf gesellschaftliche Systeme: die strukturelle Steuerung und die strukturlose Steuerung.

Von struktureller Steuerung spricht man, wenn Steuerungsprozesse durch offiziell benannte Akteure verwirklicht werden, denen aufgrund der ihnen zugewiesenen Rolle bestimmte Steuerungsbefugnisse zugeschrieben werden, z.B. Präsident, Vorstandsvorsitzender oder General. Typisch für die strukturelle Steuerung sind festgelegte Zuständigkeiten innerhalb einer Rangordnung, durch die eine Befehlskette festgelegt ist, etwa bei einem Staat, in einer Firma oder beim Militär.

Anders bei der strukturlosen Steuerung. Hier werden Steuerungsprozesse von Menschen gemeinschaftlich vorangetrieben, die äußerlich in keiner geregelten Verbindung zueinander stehen. Dennoch handeln diese Menschen koordiniert und zielgerichtet, weil sie in einem informellen, d.h. strukturlosen Kontakt miteinander stehen, gleiche Ziele verfolgen und diese gemeinschaftlich anstreben.

Eine einfache strukturlose Steuerungseinheit wäre beispielsweise ein Freundeskreis, in dem sich einflussreiche Persönlichkeiten treffen und absprechen. Wenn sich etwa ein Minister und mehrere Konzernchefs am Wochenende im Golfclub treffen und gemeinsam einen Gesetzentwurf so formulieren, dass er den Interessen der Konzerne entgegenkommt, dann handelt es sich um einen Fall von strukturloser Steuerung, hier einem Eingriff des Privatsektors in die Regierungsgeschäfte.

Es könnte aber auch sein, dass der Minister eine Frau oder Geliebte hat, die ihn in seinen Entscheidungen beeinflusst. Das kann auf natürliche Weise unabsichtlich und nebenbei geschehen, oder aber auch bewusst und zielgerichtet durch die Frau betrieben werden. Darum war es für Geheimdienste und Schattenorganisationen immer schon reizvoll, ihre Agentinnen als Geliebte oder Ehefrauen hochrangiger Politiker zu platzieren.

Ebenso können religiöse oder spirituelle Autoritäten Einfluss auf die Politik gewinnen, wenn sie Verbindungen zu Entscheidungsträgern der strukturellen Steuerung pflegen. Beispielhaft wären hier der Prediger Rasputin im zaristischen Russland zu nennen und Donald Trumps Tochter und Beraterin Ivanka, die wie ihr Ehemann Jared Kushner Mitglied der Chabad-Bewegung ist.

Bei der strukturlosen Steuerung ist auch die Frage, wer die Macht hat, eine relative Angelegenheit. Denn wer ist mächtiger? Der König, der ein Gesetz erlässt, oder der Hofnarr, der ihn auf die Idee gebracht hat?

Der Archetyp der strukturellen Steuerung ist die Organisation, der Archetyp der strukturlosen Steuerung ist das Netzwerk. Während Organisationen stets geplant und bewusst strukturiert sind, ergeben sich Netzwerke einfach aus zwischenmenschlichen Beziehungen und dem daraus folgenden Informationsaustausch. In der Praxis gibt es aber vielfältige Verflechtungen von Organisationen und Netzwerken sowie Mischformen. Dennoch sind Organisation und Netzwerk im dialektischen Sinne zwei gegensätzliche aber sich ergänzende Pole. Auch hier ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile.

Im Gegensatz zur starren Hierarchie einer Organisation ist ein Netzwerk flexibler und anpassungsfähiger. Während in einer Organisation eine bestimmte Aufgabe von dem ausgeführt wird, der kraft seines Amtes dafür zuständig ist oder von der übergeordneten Ebene einen Befehl erhält, so wird innerhalb eines Netzwerkes die Aufgabe entweder freiwillig übernommen oder es wird ausgehandelt, wer sie übernimmt. Ein Netzwerk setzt also auf Freiwilligkeit und Übereinkunft, während eine Organisation üblicherweise nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam arbeitet.

Festgelegte und eingespielte Zuständigkeiten lassen eine Organisation mitunter schneller reagieren als ein Netzwerk, wo erst eine Absprache zwischen den Mitgliedern stattfinden muss. Andererseits bremst eine vielschichtige Rangordnung die Eigeninitiative auf den untergeordneten Ebenen, was Organisationen einfallslos und starr werden lässt. Eine starre Organisation kann man schon allein dadurch handlungsunfähig machen, dass man die Befehlskette unterbricht.

In einem Netzwerk wird der Ausfall eines einzelnen Mitglieds oder Netzwerkknotens durch die redundanten Verbindungen zu den anderen Mitgliedern aufgefangen. Dies ist die ursprüngliche Idee des Internet. Wenn es aber um die gemeinschaftliche Verwirklichung konkreter Projekte geht, ist innerhalb von Netzwerken der Koordinationsaufwand höher als in einer Organisation, in der bereits alle Zuständigkeiten geregelt und alle Abläufe eingespielt sind. Im Bestreben diesen dialektischen Widerspruch aufzulösen, neigen Netzwerke dazu, Organisationen zu bilden – wenn auch vielleicht nur projektbezogen und vorübergehend.

Organisationen können zwar stabil und langlebig sein, sind aber anfällig für Aufstiegskämpfe und ziehen, durch die Möglichkeit in der Rangordnung Macht über andere ausüben zu können, schließlich auch machtbesessene Psychopathen an. Organisationen können zum Selbstzweck werden, wenn der Korporatismus den Idealismus übersteigt.

Netzwerke sind weniger festgelegt, dafür in jeder Hinsicht flexibler und anpassungsfähiger. Auch können Netzwerke verschiedenste Charaktere und Meinungen eher verbinden und eingliedern als eine Organisation, die an einen starren Konsens oder Kodex gebunden ist.

Welche Bedeutung hat diese Dialektik der Steuerung nun für das Wirken einer Neuen Aristokratie?

Schauen wir uns die heutigen Eliten an, so erkennen wir ein Netzwerk aus Familiendynastien und Klans, deren Mitglieder in den Führungsgremien aller möglichen staatlichen und überstaatlichen Organisationen sowie Konzernen tätig sind. Das Netzwerk ist unsichtbar für jene, die mit den Namen und Stammbäumen nicht vertraut sind. Die Mitglieder dieses Netzwerkes, oder deren Mittelsmänner, besetzen Schlüsselpositionen in wirtschaftlichen, politischen und geistlichen Organisationen und haben so einen weitreichenden Einfluss in diesen Bereichen. Das Netzwerk ist also den Organisationen übergeordnet, ohne offiziell als Lenker oder Herrscher in Erscheinung zu treten. Hier zeigt sich ein Vorteil der strukturlosen Steuerung: Solange das Netzwerk unerkannt und namenlos bleibt und seine Mitglieder ihm nicht zuordenbar sind, bleibt seine Existenz verborgen.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie strukturlose Steuerung umgesetzt wird, ist der von den Linken erfolgreich durchgeführte „Marsch durch die Institutionen“, dessen Ergebnis wir heute in Politik und Medien beobachten können. Über Jahre und Jahrzehnte sind die Linken in alle Strukturen der Gesellschaft eingesickert und haben mehr und mehr Gesinnungsgenossen nachgezogen. Allerdings brauchten sie bis an die Spitze der BRD ganze 30 Jahre, wenn man von der 68er-Revolution bis zum Regierungsantritt Gerhard Schröders rechnet. Hieran sieht man, dass die Übernahme der strukturellen Steuerung auf strukturlosem Wege sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann, da die Netzwerker erst in die gesellschaftliche Steuerungsstruktur hineinwachsen und dort aufsteigen müssen.

Wenn diese Übernahme der strukturellen Steuerung jedoch in aller Breite und Tiefe gelungen ist, dann hat das Netzwerk direkten Zugriff auf alle Ebenen des Staates. Jedoch muss man gleichzeitig auch die Medien und den Kulturbetrieb mit eigenen Leuten besetzen, um diese so wichtigen Instrumente der Volkserziehung ebenfalls auf Linie zu bringen. Die Linken und Marxisten haben es vorgemacht.

Was aber, wenn man auf die staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen nicht oder nur eingeschränkt zugreifen kann? Es bleibt dann nur die strukturlose Steuerung, also eine indirekte Einflussnahme auf die Menschen, den Zeitgeist und schließlich auf die Politik. Diese Strategie wird unter der Bezeichnung „Metapolitik“ bereits versucht. Hierbei geht es vor allem um die Prägung des politischen Vorfeldes in Kunst, Kultur und Bildung.

Dazu muss ein positives Gegenmodell zum herrschenden Zeitgeist erschaffen werden. Denn die Menschen, vor allem die jungen, brauchen positive Vorbilder, denen sie nacheifern können. Diese Vorbilder sind idealerweise Menschen aus Fleisch und Blut, die durch das Beispiel ihres Lebens, durch ihr Wesen, ihr Können und ihre Taten andere begeistern, es ihnen gleichzutun. Solche Menschen könnte man zurecht als Aristokraten bezeichnen.

Dabei sind viele Menschen bereits Aristokraten, ohne es zu wissen. Es sind jene, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, einfach weil sie spüren, dass das Ganze ein Teil von ihnen selbst ist. Auch sind es jene, die aus einem inneren Drang heraus nach dem Wahren, Schönen und Guten, nach Vollkommenheit, ja dem Göttlichen streben. Gerade uns Deutschen scheint dieses Streben im Blut zu liegen.

Einen Aristokraten erkennt man auch an jenem unerschütterlichen Gleichmut, der die Schlechtigkeit der Welt würdevoll an ihm abperlen lässt, wie man es auch vom Schwan kennt, dessen Gefieder selbst in schlammigem Gewässer weiß bleibt. Darum wurden die Gralsritter auch Schwanenritter genannt, da der Schmutz der Welt an ihrem Wesen abperlte, das in sich ruhend auf das Göttliche ausgerichtet war. Wer sich für die Spiritualität hinter Adel und Königtum interessiert, dem sei dieses Buch empfohlen.

Eine weitere Möglichkeit, durch Vorbild zu führen, ist der Einsatz beispielhafter Figuren in Literatur und Film, die ein aristokratisches Ideal verkörpern, dem die Menschen nacheifern können. Wer sich schon einmal dabei ertappt hat, wie er Sprüche oder Verhaltensweisen eines Leinwandhelden übernahm, der weiß um die Macht solch virtueller Vorbilder.

Hier sind alle schreibkundigen und kreativ gestalterischen Köpfe gefragt, das aristokratische Ideal in Literatur-, Kunst- und Filmprojekten darzustellen und zu vermitteln. Dabei dürfen die Charaktere nicht zu perfekt sein, denn es sind gerade die kleinen Unzulänglichkeiten, die dafür sorgen, dass sich der Leser oder Zuschauer in den Helden wiedererkennt. Wer sich jetzt angesprochen oder inspiriert fühlt, künstlerisch tätig zu werden, dem sei wärmstens empfohlen, sich mit den Archetypen der Heldenreise vertraut zu machen.

Der alte Adel legte großen Wert auf Familienbande und Kindererziehung. Aus gutem Grund! Nicht nur weil die Kindererziehung ein Feld der strukturlosen Steuerung ist, allein der Nachwuchs an sich hielt die Adelsgeschlechter über Generationen am Leben. Darum muss auch eine Neue Aristokratie ihre alleinstehenden Männer und Frauen zusammenbringen und somit Ehen und schließlich Familien ermöglichen, die ihre Kinder im aristokratischen Geiste erziehen.

Da Männer in rechten Kreisen in der Überzahl sind, gilt es vermehrt junge Frauen in diese Kreise aufzunehmen. Hier leistet der Corona-Wahn unverhoffte Schützenhilfe, denn viele kritisch denkende Frauen erleben gerade, dass ihnen ihr vertrauter Freundeskreis wegbricht. Diese heimatlos gewordenen Frauen freuen sich über neue Kontakte zu anderen kritisch denkenden Frauen, die es in rechten Kreisen ja glücklicherweise gibt. Vielleicht könnte man solchen von ihrem Umfeld enttäuschten Frauen einen neuen Freundeskreis und eine neue Heimat bieten.

Es braucht heute eine lebensbejahende, stammesbewusste und aristokratische Parallelgesellschaft, deren lebendige wie virtuelle Vorbilder aufzeigen, dass Tradition und Moderne vereinbar sind, dass eine andere, eine bessere Zukunft möglich ist. Alle, die den aristokratischen Weg beschreiten, sind Leuchtfeuer gegen die Irrlichter des Verfalls und des Niedergangs. Bleiben wir im Strom der Lemminge standhaft und bahnen wir unseren eigenen Weg, fort von den Klippen, hinauf zu den Gipfeln!