Aristokratie-Debatte (2): Bendel antwortet Steinborn

von | 27. Jan. 2019 | Debatte

Im Nachfolgenden veröffentlichen wir eine Replik als Antwort von Wolfgang Bendel an die Rezension von Peter Steinborn zu seiner Streitschrift „Aristokratie“. –

Die ausführliche Kritik an meiner Aristokratieschrift von Peter Steinborn verdient eine längere Replik. Zunächst aber will ich dem Autor für seine Überlegungen danken, denn eine sachliche und konstruktive Kritik hilft immer weiter und ermöglicht es, Unklarheiten, Missverständnisse und auch Fehler zu beseitigen und das Thema, dialektisch betrachtet, auf eine höhere Ebene zu stellen.

Was ich unter der Dekadenz der Demokratie verstehe, will ich an dieser Stelle noch einmal verdeutlichen. Jedwedes System, beispielsweise auch ein physikalisches, gerät automatisch in seine dekadente, absteigende Phase, wenn es seinen Höhepunkt und seine größte Ausdehnung erreicht hat. Dies gilt in unserem Fall für die Demokratie an sich und ist keineswegs auf ein bestimmtes Staatswesen, sei es Deutschland, Brasilien oder irgendein anderes Land beschränkt. Das Scheitern der Demokratiebewegung in China und des Arabischen Frühlings markiert hier die entscheidende  Zäsur. Allerdings befindet sich die Demokratie erst am Beginn ihrer dekadenten Phase und nicht in deren Endstadium. Sollte mein Text hier nicht eindeutig genug gewesen sein, so lag das nicht in meiner Absicht. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen, meiner Einschätzung nach befindet sich die Demokratie global in ihrer Dekadenzphase. Ihr Ende steht nicht kurz bevor, es ist nur eingeleitet, schreitet aber unaufhaltsam voran.

Die Tatsache, dass man es in Ländern wie Deutschland oder Frankreich aufgegeben hat, den Argumenten der Opposition inhaltlich etwas entgegenzustellen, also Überzeugungsarbeit zu leisten und stattdessen die Repressionsschraube weiter zudreht, ist ein an Deutlichkeit nicht mehr zu überbietendes Signal für eine Gesellschaftsordnung im Abstieg. Gewalt anstelle von Argumenten, Repression statt Dialog standen immer am Ende und nie am Anfang eines politischen Herrschaftssystems. Wenn die Menschen nicht mehr aus innerer Überzeugung gehorchen, muss man sie einschüchtern, in Angst versetzen.

Die kürzlich erfolgten Wahlen in Brasilien widersprechen nicht der These von der Dekadenz der Demokratie. Bevor überraschend Bolsonaro zum Präsidenten gewählt wurde, war die Zustimmung zur Demokratie seitens der Brasilianer auf ein Minimum gesunken, weil viele Menschen in dem tropischen Großreich dachten, durch demokratische Wahlen werde und könne sich nie etwas ändern. Erst seine Wahl gab der Zustimmung zur Demokratie wieder einen gewissen Auftrieb. Dies entbehrt nicht einer gewissen Ironie, als alle Demokraten, innerhalb und außerhalb des Landes, wirklich jedes Mittel in Bewegung gesetzt hatten, um die Wahl Bolsonaros zu verhindern. Trotzdem wird sein Sieg der Demokratie nur zu einer Atempause verhelfen, was deren Akzeptanz durch die Bevölkerung betrifft. Sollte Bolsonaro nämlich scheitern oder gar die Linke wieder an die Macht kommen, dürfte dies der Glaubwürdigkeit der Demokratie einen verheerenden Schlag versetzen: „Es ist egal, wen man wählt, das Ergebnis ist immer dasselbe.“  Und sollte Bolsonaro sich dauerhaft durchsetzen, dann wäre Brasilien keine Demokratie mehr, wie wir sie kennen.

Fassen wir den Themenbereich Dekadenz der Demokratie zusammen. Auf die Frage von Steinborn, ist diese demokratische Gesellschaft dann etwa ein globalumfassendes Kollektiv, also die Zusammenfassung aller Gesellschaften, die eine „demokratische Kultur“ pflegen?“ ist die Antwort klar und eindeutig „Ja!“. Und das Ende der Demokratie als Herrschaftsform ist unwiderruflich eingeleitet. Wann ihr endgültiger Zusammenbruch erfolgen wird, hängt dabei auch vom subjektiven Faktor Mensch ab. Wir können den Kollaps des Systems nicht auslösen, die Entwicklung in diese Richtung dagegen beschleunigen schon.

Kurz zwei andere Bemerkungen. Das Beispiel Barock wählte ich nicht, weil ich diese Zeit idealisieren wollte, sondern weil dessen Erbe noch für jedermann sicht- und hörbar ist. Es ist keine Vergangenheit, die fast schon legendenhaft in den Gestaden der Zeit verschwunden ist wie die Antike oder das Hochmittelalter. Mit dem Beispiel Barock wollte ich nur nachweisen, dass frühere Zeiten keineswegs so schlimm waren wie die heutigen Zeiten angeblich toll sind. Übertragen auf die Aristokratie bedeutet dies, dass diese Staatsform nicht automatisch der Demokratie unterlegen ist. Es mehren sich stattdessen die Indizien, dass das Gegenteil richtig ist.

Den Begriff Meritokratie vermied ich bewusst, weil er im Gegensatz zum Wort Aristokratie noch nicht im Sprachschatz der großen Bevölkerungsmehrheit verankert ist. Außerdem bekam das Wort Meritokratie inzwischen ein einseitig merkantiles Geschmäckle, was meinem ganzheitlichen Ansatz widerspricht. Vor allem dann, wenn Meritokratie mit „wirtschaftlich erfolgreich“ gleichgesetzt wird.

Lange überlegte ich, ob ich darauf eingehen soll, wer denn diese neuen Aristokraten sein sollen, woher sie kommen und wer sie als solche anerkennen wird. Das unterließ ich dann in der Hoffnung, Sätze wie diese lesen zu können:

„Es fehlt die konkrete Beschreibung dieses neuen Typus, in dem der Archetyp des Heros, des Kriegers, des “aristoi“ wiederbelebt wird. Trotzdem wird in dem Buch das Bestreben nach einer echten Rechten thematisiert, und diese ist letztlich aristokratisch oder besser meritokratisch. Sie ist auf Hierarchien bedacht und bewertet die Dinge danach, was sie für die eigene Gemeinschaft bringen. Kurz gesagt: Der rechte Adel, die echte Rechte handelt so, als würde allein von ihr die Zukunft des eigenen Landes abhängen. Der neue Adel muss also auch ein gewisses Sendungsbewusstsein, einen gewissen Sinn des Auserwähltseins haben. Dieser Gedanke des Auserwähltseins hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Im Gegenteil, der Adelige ist bescheiden. Jedoch ist ihm bewusst, dass nur er die Macht besitzen kann, sein Volk zu führen.“

„Es gilt nun, diese Vision eines neuen Adels weiter auszureifen und der Jugend ein Vorbild zu liefern, wie sie in der NEUEN Zeit sich selbst die Zukunft Bahn brechen kann. Diese Jugend wird die Zukunft selbst gestalten müssen. Wenn sie sich von diesem aristokratischen Gedanken führen lässt, wie er hier von Wolfgang Bendel beschrieben wird, dann kann frohen Mutes auf das Morgen geblickt werden.“

Es ist immer besser, wenn die Menschen von selbst auf die richtigen Gedanken kommen, als sie von anderen zu übernehmen. Denn dann kann man Dritte viel besser überzeugen ;-).