Rezension „Zur Tyrannei der Werte“

von | 16. Jul. 2019 | Deutschland und die Welt

In der Neuauflage seines Buches „Zur Tyrannei der Werte“ legt der deutsche Historiker und Publizist Eberhard Straub (*1940) eine Kulturgeschichte der Wertkritik dar. Thematisch anschließend an das ebenfalls im Jungeuropa Verlag erschienene Buch „Marx von rechts“ (2018) kritisiert Straub dabei nicht nur die kapitalistische „Totalökonomisierung aller Lebensbereiche“, sondern zeigt auch ihre Geburt aus dem Geist der Moderne auf. Wie der Titel des Buches bereits andeutet, stellt der Band gleichzeitig ein Vor- und Nachwort zu Carl Schmitts (1888 – 1985) Schrift „Die Tyrannei der Werte“ (1960) dar. Beginnend mit den französischen Physiokraten des 18. Jahrhunderts kritisiert der studierte Historiker und Publizist darin eine Sakralisierung der Wirtschaft und ihres Wertbegriffes, welche mit einem gleichzeitigen Kulturkampf gegen die christlichen Tugenden und die traditionelle europäische Ordnung einherging. An die Stelle der als ewig und überzeitlich begriffenen Tugenden traten dadurch die Werte, deren Übernahme, egal ob sie als „links“, „rechts“, „bürgerlich“ oder „christlich“ definiert wurden, stets aus ideologischem und wirtschaftlichem Interesse passierte.

 

Straubs‘ Kritik am Überbürger Friedrich Nietzsche

 

Interessanterweise trifft dabei Straubs radikale Kritik des bürgerlichen Denkens, ähnlich wie bei Alexander Dugin, auch Säulenheilige der Rechten wie etwa den deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche, dessen Übermensch Straub als materialistischen „Überbürger“ enttarnt. Dabei weist Straub nach, dass Werte eben nicht um luftleeren Raum entstehen, sondern auf dem Markt gesetzt werden. Das Problem an den Werten sei dabei vor allem, dass sie nichts Überzeitliches darstellen, sondern immer dem herrschenden Zeitgeist entsprechen würden. Die nietzscheanische „Umwertung aller Werte“, welche den wertsetzenden Willen zur Macht an die Stelle Gottes setzt, führe nach Straub letztlich nicht zur Bewahrung der Schönheit vor dem Geist der Massen, wie sie Nietzsche intendiert hatte, sondern vielmehr zur Durchsetzung des ökonomischen Prinzips, welches der Prediger vom Übermenschen eigentlich bekämpfen wollte.

 

Gegen die Tyrannei der Werte, für die Rückkehr zu den Tugenden

 

Die Konkurrenz zwischen den Werten, welche mit dem Sozialdarwinismus und Vordenkern des nationalsozialistischen Rassendenkens wie Christian Ehrenfels eine neue Stufe der Radikalisierung erreichte, mündet schließlich zwangsläufig in der Tyrannei eines Wertes, der absolut gesetzt wird, über alle anderen. In den politischen Theorien der Moderne, egal ob Liberalismus, Marxismus oder Nationalismus, erkennt Straub keinen Ausweg aus der Entwürdigung des Menschen im Geiste des Werte- und Nützlichkeitsdenkens, welches ihn zum reinen Endverbraucher degradiert. Die jüngsten Kriegszüge der USA und ihrer Verbündeten im Nahen Osten im Namen „westlicher Werte“ sind somit nur als die jüngste Eskalation des Wertedenkens zu begreifen, welches außer den herrschenden Werten keine anderen Werte neben sich dulden kann. Straub sieht einen Ausweg aus dieser Krise nur in einem Weg zurück zu den Tugenden und einer Erziehung zur Freiheit, nicht im Geiste des Liberalismus, sondern der Verantwortung im Sinne José Ortega y Gassets (1883 – 1955), welche dem Menschen wieder seine Würde zurückgeben kann.

 

Eine gute durchdachte Kritik des modernen Wertedenkens, welche der Rechten den Weg aus dem Liberalismus weist.

 

Straubs Buch stellt eine gut durchdachte Kritik der Moderne und des bürgerlichen Denkens an sich dar, welche mit dem Wertdenken einen Aspekt der Moderne trifft, der bürgerlichen Linken wie Rechten gleichermaßen eigen ist. Gleichzeitig ist sein flammendes Plädoyer für eine Rückkehr zu den (christlichen) Tugenden aber auch eine logische Konsequenz aus einer traditionalistischen Geschichtsphilosophie, welche den ökonomischen Charakter des Wertedenkens durchschaut hat. Somit bildet das Buch nicht nur eine gute Ergänzung zum ebenfalls bei Jungeuropa erschienen Sammelband „Marx von rechts“, sondern stellt eine wichtige Lektüre für alle Patrioten dar, welche das Wesen des „Kulturliberalismus“ und der kapitalistischen Ökonomie besser begreifen wollen.