Provokation als Taktik in der asymmetrischen Kriegsführung

von | 18. Dez. 2018 | Philosophie & Theorie

Der nachfolgende Aufsatz wurde von unserem Autor Peter Steinborn verfasst. Steinborn erweist sich hier einmal wieder als Kenner der militärischen Strategie & Taktik, dessen Studium er jedem Rechten ans Herz legt. Der Text wurde zuerst in Werk Kodex / Nr.1 – Das Magazin für deutsche Metapolitik und Kultur veröffentlicht und ist hier erhältlich.

Ziel des nachfolgenden Aufsatzes ist es, dem Leser die Möglichkeiten jener aufzuzeigen, die sich in einem asymmetrischen Verhältnis zum herauszufordernden Gegner befinden. Ohne Zweifel befindet sich die Rechte in einer solchen Situation. Zumindest bzw. insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland. Der nun folgende Text wendet sich also an rechte Aktivisten, besonders jedoch an die Strategen unter ihnen. Es fehlt innerhalb der deutschen Rechten erheblich an strategisch-taktischem Vermögen, obgleich große Potenziale vorhanden sind, die nur leider nicht genutzt werden. Aus dem lateinischen abgeleitet, bedeutet „Provokation“ eine Herausforderung. Um es genauer zu sagen, bezweckt die Provokation, den Gegner zu einer bestimmten Handlung zu verleiten. Es handelt sich also um ein berechnetes Verhalten, das als rein manipulativ angesehen werden kann, vorausgesetzt der Protagonist, sprich der Provokateur fordert den Gegner bewusst heraus.

Warum wir uns im Krieg befinden?

Eine erste grundlegende Feststellung, die gemacht werden und der sich die deutsche Rechte bewusst sein muss: Wir befinden uns im Krieg! Obgleich wir in einem scheinbar zuvor noch nie dagewesenen Wohlstandsgefüge leben und sich die Zivilisation in die entmännlichte und dem Krieg scheinbar so ferne Postmoderne bahnt, ist die Lage, in der wir uns befinden, von Schlachten und Gewalt geprägt. Es handelt sich nicht um physische Gewalt. Zumindest nicht direkt. Aber wir erleben tagtäglich, wie der Gegner, besser im Schmitt’schen Sinne der Feind, seine Instrumente auf uns richtet und einen unblutigen, dafür jedoch weitaus effektiveren Krieg gegen uns führt.

Aber fangen wir zunächst bei den Grundlagen an. Was ist Krieg? Der Begründer der klassischen Kriegsführung, General Carl von Clausewitz (1780-1831) schrieb in seinem berühmten Werk „Vom Kriege“: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Demnach sei das grundlegende Motiv jeder Entscheidung einer Gesamtheit Krieg gegen ein anderes Kollektiv zu führen, immer politischer Natur. Es handelt sich beim Krieg also um einen politischen Akt, der immer auch aus einem politischen Zustande aus herrührt. Dieses Wort von der Weiterführung der Politik, möchte ich umkehren und damit dem Leser aufzeigen, dass Politik und Krieg zwei Synonyme sind. Zwar beschreibt der große preußische General den Krieg als eine politische Folge, doch handelt es sich dabei um ein Mittel zum Zweck. Genauso wie die Politik. Beides sind Komplexe bzw. Zustände, die viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Die größte und wohl wichtigste dürfte der Zweck sein. Dieser ist Macht. Macht ist das grundlegende vorherrschende Motiv für die Belange das öffentliche Leben und die Ordnung gestaltet zu wollen. Zugleich ist jedoch auch der Krieg eine Strategie der Machthaber ihre Macht zu erhalten oder sie auszubauen. Es gibt nach dem Krieg immer eine Nach-Kriegspolitik, eine Nach-Kriegsordnung. Der Krieg wurde schließlich nur dazu geführt, das öffentliche Leben im Sinne der gewonnenen Kriegspartei zu gestalten (Politik). Nach dem Krieg wird also eine bestimmte Politik fortgeführt, die ohne den Krieg nicht verwirklicht hätte werden können. Clausewitz spricht hierbei davon, dass es lediglich darum geht, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. Auch der Akt der Gewalt, der ein herausragendes Merkmal des Krieges darstellt, dient nur diesem einen Zweck: Dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. Aus dem Althochdeutschen abgeleitet, ist der gewalttätig, der „stark ist“ oder andere „beherrschen“ kann bzw. will. „Ge-walt“ ist also die Fähigkeit  zu „walten“ von Regimentern, Untertanen oder Gefolgsleuten. Es ist ein Synonym für eine beherrschend wirkende Kraft. Dieses Phänomen, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen, können wir auch jeden Tag in der Politik beobachten. Es ist ein tägliches Ringen in der Gesellschaft und in den Parlamenten um die Mehrheiten, Ideen, Meinungen. Diese Meinungen werden nicht, wie häufig gerne behauptet, durch  Meinungspluralismus und Austausch zwischen sich gedanklich diametral gegenüberstehenden Akteuren erzeugt. Sie werden gemacht. Die Meinungen in der Gesellschaft sind Produkte raffinierter und ausgeklügelter PR-Kampagnen, die in Gehirnen von Spin-Experten entstehen. Nicht der rationale Austausch von Protagonisten führt zur Mehrheitsbildung in westlichen Demokratien, sondern der geschickte Einsatz des medialen Komplexes, seiner Instrumente und seiner Akteure, die als Vorbilder bzw. Idole[1] wirken.

Halten wir fest: Krieg ist die Fortführung der Politik, nur mit anderen Mitteln. Politik jedoch ist auch die Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln.

Die Asymmetrien der Kriegsführung innerhalb der BRD

Kein Zweifel kann also mehr bestehen. Wir befinden uns im Krieg. Die Protagonisten, mit denen wir uns auf dem Schlachtfeld zu messen haben, sind jedoch keine Soldaten, die mit Waffen und Gerät gegen uns vorrücken. Es sind PR-Experten, Schauspieler, Sportler, Fernsehmoderatoren und Journalisten. Diese Protagonisten führen einen propagandistischen Krieg, einen psychologischen Krieg gegen uns und unser Volk. Unter dem Decknamen der Political Correctness führen linke Ideologen ihre egalitären, universalistischen und kosmopolitischen Ideen jeden Tag gegen uns ins Feld und versuchen damit der Gesellschaft, den Menschen in diesem Land, ihren Willen aufzuzwingen. Der ausgebildete Schweizer Public Information Officer (PIO), Thomas A. Müller beschreibt in seinem Buch „Von Troja bis PSYPOPS – Facetten der psychologischen Kriegsführung“, dass die oben angeführte Formel  des preußischen Generals auch für alle Formen der psychologischen Kriegsführung  gelten. Ihre Waffen und Geräte sind PR-Kampagnen, PSYOPS, OPInfo und Info OP[2]. Mit den Operations Other Than War (OOTW) haben unsere Gegner eine Kriegskunst entwickelt, die zur Entscheidung einer Schlacht führt, ohne dass ein Mensch dabei zu Tode kommen muss.

„Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.“

(Sun Tsu)

 Dabei sind sie heute besser positioniert, als jemals zuvor. Die Linke ist heute Establishment. Sie ist Herrscherin und damit Gewalt über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Medien und allen anderen wichtigen Bereichen des öffentlichen Lebens. Wir, als diametrale Kraft, als Rechte, die dem Ganzen entgegensteht, sind in der Minderheit, während die Linken in der Mehrheit[3] sind. Wir sind strukturell schwach, wo sie stark sind. Sie beherrschen die Regeln, an die wir uns halten sollen. Uns steht letztlich ein riesiger auch mit physischer Gewalt gegen uns vorgehender Sicherheitsapparat gegenüber; eine gewaltige Exekutive, die jeden, der diesem System tatsächlich gefährlich wird, der Freiheit berauben kann.

Der Konflikt, der zwischen den herrschenden linken Eliten und dem  beherrschten Volk stattfindet, befindet sich in einem asymmetrischen Verhältnis.

Wir sind zu schwach. Was also ist zu tun?

Was also tun? Die bereits von Lenin (1870-1924) im Jahr 1902 gestellte Frage, als die Russische Revolution noch 15 Jahre auf sich warten ließ und die sozialdemokratischen Insurgenten noch strukturell in einer absolut schwachen Position waren[4], soll auch uns beschäftigen. Bei den Kommunisten werden wir fündig. Ihnen muss man lassen, dass sie seit Marx ein ausführliches Studium der Revolutionsgeschichte vorweisen können. Während die Rechte stets versuchte die Mehrheiten durch „vernünftige“ Argumentation  und der Anführung der „Wahrheit“ auf ihre Seite zu ziehen, beschäftigten die Marxisten aller Couleur sich mit Strategien und Taktiken, die sie ihren Zielen näher brachten.

Von Kommunisten lernen: Strategie und Taktik im asymmetrischen Krieg

Der Chinesische Bürgerkrieg von 1927 bis 1949 brachte Mao Zedong (1893-1976) hervor, der die Kommunisten letztlich zum Sieg führte. Er revolutionierte die Kriegsführung wie kein anderer und legte den Grundstein für eine neue Sichtweise des Krieges. Die Zeiten der klassischen Kriegsführung, wie sie noch von Clausewitz und Moltke postuliert wurden, schienen bereits seit dem 1. Weltkrieg vorbei zu sein. Die sog. „Hegung des Krieges“, in dem die Kriegshandlungen begrenzt und eingedämmt werden, sodass der Krieg als „humanisiert“ bezeichnet werden kann, gehörte bereits 1914 der Vergangenheit an. Das soll nicht heißen, dass die Clausewitz’schen Grundsätze gänzlich verloren gegangen sind. Die westlichen Kampfverbände folgen noch immer zumindest in Teilen diesen Grundsätzen. Dennoch werden Bevölkerungen seitdem vermehrt in Kriegshandlungen verwickelt. Sei es in einem propagandistischen Sinne oder die bewusste Zersetzung der Bevölkerung, um den Willen des Volkes zu brechen – quasi den moralischen Rückhalt der kämpfenden Einheiten zu vernichten.

Der chinesische Bürgerkrieg war ein langatmiger Krieg mit vielen Schlachten. Er ist von offensiven sowie defensiven Operationen gekennzeichnet. Vor allem ist er dadurch gekennzeichnet, dass China ein sehr großes, jedoch auch sehr armes Land war, in dem sich die Rote Armee einer scheinbaren Übermacht gegenüberstehen sah. In der Gesamtheit war die chinesische Regierungsarmee also der Roten Armee haushoch überlegen. Daraus folgte, dass eine Konzentration der Einheiten für eine frontale Offensive gegen die bewaffneten Einheiten des Staates aussichtslos gewesen wäre. Deshalb verfolgte Mao den Ansatz der Strategie eines langen Krieges, der jedoch von kurzen Schlachten gekennzeichnet war.

Die Strategie, d.h. die langfristige maoistische Ausrichtung, lautete: Kriegsführung mit einer verhältnismäßig kleinen Armee gegen eine verhältnismäßig große Arme.

Die Taktik, d.h. die Frage nach dem kurzfristigen Einsatz der Mittel, hingegen lautete: Feldzugführung mit verhältnismäßig großer Truppenstärke gegen verhältnismäßig kleineren Truppenstärken der Kuomintang.

Mao erkannte, dass die Stärke der Regierungstruppen und später der japanischen Streitkräfte gegenüber der revolutionären Armee in der Anzahl ihrer Streitkräfte sowie der strukturellen Gewalt lag, sie jedoch keinen ausreichenden Rückhalt im ländlichen Volk besaßen – und das war ein erheblicher Nachteil. Denn Mao revolutionierte den Krieg zu einem Guerillakrieg, der als Hauptfigur den Partisan kennt. Der Partisan oder Guerilla zeichnet sich dadurch aus, dass er im Verborgenen arbeitet. Es handelt sich um einen Widerstandskämpfer, der sich mitten im Volk bewegt, wie der Fisch im Wasser. Der Gegner kann ihn nicht richtig greifen und ist dazu gezwungen, das ganze Volk unter Generealverdacht zu stellen, weil sich jeder „unbescholtene“ Bürger als Partisan entpuppen könnte. Das erhöht die Repressionen gegenüber dem Volk, was wiederum zu einer erhöhten Abneigung des Volkes gegenüber dem verhassten Gegner führt. Doch auf diese Erkenntnis soll hier nicht Hauptaugenmerk gelegt werden, obgleich eine weiterführende Untersuchung für rechte Minderheiten sinnvoll wäre.

Provokation als taktisches Mittel der deutschen Rechten

Eingangs wurde bereits erwähnt, dass es hier um die taktische Überlegung des Einsatzes von Provokationen in der asymmetrischen Kriegsführung gehen soll. Provokationen sind daher taktisch zu betrachten, weil sie niemals Strategie sein können. Die Strategie wird von den Zielen bestimmt und richtet sich nach der Vision und die Richtlinien der Unternehmung aus. Sie ist immer langfristig zu betrachten, kann sich jedoch stets ändern, wenn die Rahmenbedingungen dies auch getan haben. Die Taktik hingegen richtet sich ausschließlich nach der jeweilig gerade angewendeten Strategie aus. Es gilt mit ihr die Frage nach den einzusetzenden Mitteln zu beantworten.

Nach Clausewitz handelt es sich bei der Strategie um „die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges“, während die Taktik „die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht“[5] ist.

So ist die „Provokation“, als „Herausforderung“ verstanden, für den Partisan essentiell. Er ist auf Tarn- und Täuschungsmanöver, Blendung sowie Verwirrung des Gegners angewiesen. Er hat weder viel Geld, um sich Mainstreammedien zu kaufen, noch besitzt er eine hohe Reputation im öffentlichen Raum. Im Gegenteil beherrscht der Feind die Welt der Mainstreammedien und damit auch die Steuerung über die öffentliche Meinung, die Größe des sog. „Overton Window“. Doch haben wir als rechte Insurgenten drei erhebliche Vorteile gegenüber unseren Feinden:

  1. Wir befinden uns in der Opposition und erfüllen lediglich die Erwartungen, wenn wir den Feind auch mit provokanten Mitteln angreifen.
  2. Wir wissen, wann wir eine Aktion durchführen und kennen den Zweck
  3. Wir sind (noch) in der Lage das Internet mit seinen scheinbar unerschöpflichen Möglichkeiten zu nutzen, um eine möglichst hohe Wirkung unserer Provokation zu erzielen.

Ich möchte hierbei auf den dritten Punkt etwas näher eingehen. Nach RENDULIC (1887-1971) gibt es drei Elemente, von denen die militärische Führung abhängig ist: Kraft, Raum und Zeit.[6]

Der Raum ist eine dabei sich mittlerweile – insbesondere in Bezug auf den Informationskrieg, in dem wir uns befinden (Info OP und OPInfo) – stark ausgedehnte Größe geworden. Das Internet sowie der allgemeine Paradigmenwechsel in der „Informationsgesellschaft“ mit seiner Blogospäre, dem Social Media und Content-Marketing-Möglichkeiten[7], bietet eine Plattform für jedermann, der weiß dieses von den großen Konzernen und der großen Politik nur marginal beeinflussten Werkzeug zu benutzen. Vor allem wird uns damit die Möglichkeit geboten sowohl mit dem Feind als auch dem Publikum in Kontakt zu treten. Provokationen können dabei verschiedene Zwecke erfüllen:

  1. Den Gegner täuschen,
  2. Den Gegner aus der Fassung bringen,
  3. Den Gegner ködern.

Zu 1. Den Gegner täuschen

„Lass andere mit den Karten spielen, die Du austeilst!“ Robert Greene

Tarnen und Täuschen gehört zur asymmetrischen Kriegsführung dazu, wie offene Grenzen zu Angela Merkel. Die besten Täuschungsmanöver sind dabei jene, bei denen der Gegner eine Wahl zu haben scheint. Im Grunde genommen wenden unsere Feinde gleiche Methoden gegen uns an. Z.B.  in Form von politischen Wahlen. Man täuscht uns vor, dass wir eine Wahl hätten, lässt aber nur ein gewisses Spektrum an Möglichkeiten zu. Genauso verhält es sich mit dem Overton Window. Die Etablierten täuschen den Menschen vor, sie hätten ein Recht auf eine freie Meinung. So werden Talk-Shows bei Maybritt Illner oder Anne Will veranstaltet, um dem Zuschauer zu suggerieren, dass es eine hohe Meinungsvielfalt innerhalb der Bundesrepublik gibt. In Wirklichkeit werden nur jene eingeladen, die den Kern der Staatsideologie nicht infrage stellen[8].

Wir sorgen also bildlich gesprochen dafür, dass der Gegner mit den Karten spielt, die er von uns bekommen hat. Das klingt zwar nach Taschenspielertrick, ist aber in Wirtschaft, Krieg und Gesellschaft gängige Praxis unter den Mächtigen.

Widerstand erzwingen:

So kann es bspw. sinnvoll sein den Gegner so zu provozieren, dass er den Widerstand gegen uns erhöht. Mit der Erhöhung der Repressalien gegen uns, entsteht ein natürlicher Ausleseprozess, der nur noch die wirklich Überzeugten übrig lässt. Zudem ist irgendwann einmal ein Punkt erreicht, wo der Staat auch die Gemüter des Volkes aufrüttelt und somit seine Maske fallen lässt. Denken wir dabei an Mao und seinen Guerillas, die bewusst Terror gegen den Staat verbreiteten, um den Sicherheitsapparat aus der Reserve zu locken. Damit möchte ich nicht zum Terror aufrufen. Er ist aus diversen Gründen vollkommen abzulehnen und für uns unbrauchbar. Jedoch können gezielte Aktionen durchgeführt werden, die den Gegner dazu veranlassen, die Daumenschraube zu erhöhen. Diese Daumenschrauben müssen soweit zum Drehen gebracht werden, bis sie überdreht sind und der Widerstand unnütz erscheint.

Das Spielfeld wechseln:

Das momentan dominierende Spielfeld ist jenes des Parlamentarismus. Das hat verschiedene Gründe und ist durchaus nachvollziehbar. Dennoch bewegen wir uns damit auf ein Schlachtfeld, auf dem unser Gegner die Karten ausgibt – denn er hat alles soweit eingerichtet, dass wir nur verlieren, zumindest aber nicht vollkommen siegreich sein können.

„So sucht im Krieg der siegreiche Stratege nur dann den Kampf, wenn der Sieg bereits errungen ist, wogegen jener, der zum Untergang verurteilt ist, zuerst kämpft und danach den Sieg sucht.“ Sun Tsu

Der Sieger begibt sich in eine Position, die seine Niederlage quasi unmöglich macht. Wir allerdings sind stark, wo der Gegner schwach ist: Im Populus[9]. Warum begeben wir uns dann nicht dort hin? Das Volk, meinetwegen auch im ländlichen Raum, lehnt die elitären schaulaufenden Politiker ab. Die immer stärker vom Populus entfernte Bundespolitik interessiert den Bürger zunehmend weniger. Die Konzentration der Kräfte auf das metapolitische Schlachtfeld, wäre eine sinnvolle Maßnahme zur Einbettung unseres Produktes, unserer Ideen. Eine Schlacht sollte nicht geführt werden, wenn wir sie nicht mit Sicherheit gewinnen können. Dies gilt auch für Wahlkämpfe.

Die zwei Hörner des Dilemmas:

Der für die Nordstaaten befehlende General William Sherman wendete das Konzept der zwei Hörner des Dilemmas im berühmt gewordenen Marsch durch Georgia während des Sezessionskrieges an. So wussten die Konföderierten zwar immer, in welche Richtung Sherman zog, hatten jedoch keine Ahnung, ob dieser sie von links oder rechts angreifen würde, da er seine Armee stets in zwei Flügel aufzuteilen pflegte. Wenn die Streitkräfte der Südstaaten sich von dem einen Flügel zurückzogen, wurden sie mit dem anderen konfrontiert. Der Trick dabei: Während der eine Flügel kämpf, kann sich der andere ausruhen. Für den Gegner bleibt erst gar keine Zeit sich zu entscheiden. Eine beliebte Methode auch bei guten Anwälten. Sie setzen den Zeugen zunächst stark unter Druck, bieten ihm dann zwei Versionen einer Geschichte an und zwingen ihn zuletzt sich für eine zu entscheiden. Dabei geben sie nur die Karten aus der Hand, die der Gegner verwenden soll.

Kladestine Informationsverbreitung:

In der grauen oder schwarzen psychologischen Kriegsführung ist die Verbreitung auch falscher, also unwahrer Informationen gängige Praxis. Die Herkunft ist zumeist kladestin, d.h. geheim oder der Sender wird so getarnt, dass der Gegner von falschen Tatsachen ausgeht. So hat bspw. das „Internationale Informationsbüro“ seit 1943 unter weißen, d.h. wahren Informationen auch teilweise unwahre, d.h. graue Informationen gestreut, um den Gegner zu täuschen und zu verwirren. Zu Beginn der Invasion im Juni 1944 wurde der amerikanische Sherman-Panzer von den deutschen Truppen als nicht sehr leistungs- bzw. kampffähig eingeschätzt. Das o.g. Büro brachte daher diverse Reportagen über Panzerkämpfe heraus, die den Sherman-Panzer rühmten und als besonders kampffähig lobten. Diese falsche, graue Information hatte den Zweck, die amerikanische Führung zum Weiterbau dieses Panzers zu verleiten. [10]

Wenn der Gegner mit den Karten spielt, die wir ihm gegeben haben, glaubt er sein Unglück selbst gewählt zu haben. Das ist der große Trick bei der Provokation als Mittel den Gegner in eine Falle zu locken.

„Wunden und jedes andere Übel, das sich der Mensch aus freien Stücken und aus eigener Wahl selber zufügt, schmerzen viel weniger als Wunden und Übel, welche ihm von anderen zugefügt werden. (Niccolò Machiavelli, 1469-1527)

Zu 2. Den Gegner aus der Fassung bringen

„Schlage Wellen, um Fische zu fangen!“ Robert Greene

Die wohl beste Methode seinen Gegner aus der Reserve zu locken, dürfte die provokative Herausforderung sein, die zu Wutausbrüchen auf der gegenüberliegenden Seite führt. Menschen, die auf Provokationen mit Wutausbrüchen reagieren, glauben damit ihre Macht zu bekräftigen. In Wirklichkeit ist jedoch das Gegenteil der Fall. Der Volksmund sagt: „Wer schreit hat unrecht.“ Das muss zwar nicht unbedingt stimmen, wirkt sich aber entsprechend bei den Beobachtern eines Streits oder des Wutausbruchs eines unserer Opfer aus. Reizbarkeit ist definitiv kein Zeichen von Macht, sondern von Hilflosigkeit. Wutausbrüche dienen immer nur kurzzeitig der Einschüchterung. Langfristig hingegen enttarnen die Menschen diese jedoch als Zeichen von Schwäche.

Bei den Herrschaften, die heute auf der politischen Bühne Deutschlands stehen, handelt es sich nur selten um disziplinierte ihres Selbst bewusste Menschen. Ein treffendes Beispiel dafür dürfte Sigmar Gabriel sein. Im Jahr 2016 störten Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten in Salzgitter eine Wahlkampfveranstaltung, auf der auch der damaligen Bundeswirtschafts- und Energieminister zugegen war. Die rechten Insurgenten riefen ihm zu, dass sein Vater, der bekennender Nationalsozialist war, Gutes für Deutschland tat, während er es zerstöre. Dies veranlasste ihn dazu ihnen den Stinkefinger zu zeigen. Man muss wissen, dass Gabriel sich mehrfach in der Öffentlichkeit von seinem Vater distanzierte. Diese Provokation musste also seine Emotionen aufkochen lassen. Das Netz sowie diverse Mainstreammedien stürzten sich auf Gabriel. Die Geschichte zusammen mit dem Video wurde von Bloggern, Onlinezeitungen und Experten besprochen und in Teilen massiv kritisiert. Man warf ihm schlechten Umgangston und keine Manieren vor, obgleich seine Handlung nachvollziehbar war. Gabriel sah sich sogar dazu veranlasst zu diesem Ausbruch wiederholt Stellung zu beziehen. Die rechten vor allem jungen Aktivisten hingegen hatten nichts zu verlieren. Von ihnen als Feinde Gabriels und dem System, erwartet man nichts anderes[11].

Die rechten „Störer“ schlugen Wellen in das ruhige Wasser unter dessen Oberfläche sich der Fisch gediegen bewegte. Dies veranlasste ihn höher zu schwimmen. Weitere Schläge auf das Wasser, machten ihn wütend, sodass er nach oben kam und nach allem schnappte – einschließlich des Köders.

„Nütze es aus, wenn der Gegner leicht erregbar ist, um ihn herauszufordern (…) Daher beziehen jene, die den Gegner geschickt zu Bewegungen veranlassen, Stellungen, denen sich der Gegner anpassen muss; sie bieten dem Gegner etwas, was er mit Gewissheit annehmen wird.“ Sun Tsu

Zu 3. Den Gegner ködern

„Lass die anderen zu Dir kommen – ködere sie, wenn es nötig ist.“ Robert Greene

Die Geiz-ist-geil-Kultur unserer Tage, kann paradoxerweise ein erheblicher Vorteil für uns sein. Wer geizig ist, verliert den Blick für das Wichtige. Er verliert vor allem den Überblick. Den Gegner in eine Falle zu locken, in dem wir ihn ködern, kann besonders dann sinnvoll sein, wenn wir uns in der schwächeren Position befinden. Ist der Gegner stark und wir schwach, ist es sinnvoll ihn angreifen zu lassen. Hingegen der weitläufigen Meinung, dass der Angriff die beste Verteidigung sei, ist das Warten auf den Gegner hinsichtlich der Ressourcenallokation sinnvoll. Wenn wir es schaffen den Opponenten zu uns kommen zu lassen, in dem wir ihm einen schmackhaften Köder servieren, verbraucht dieser Energien und verrät sich. Ein Köder kann dafür sorgen, dass wir das Spielfeld aussuchen, auf dem gerungen wird. Den Gegner zu sich kommen zu lassen, bedeutet, ihn in unserem gewohnten Territorium bekämpfen zu müssen. Ein Heimspiel ist besser als auswärts zu spielen. Zuhause haben wir für gewöhnlich mehr Fans, die uns moralisch unterstützen und der Gegner weiß sich in Unsicherheit auf unbekanntem Territorium, was wiederrum zur Schwäche führt.

Im Russisch-Japanischen Krieg, der von Februar 1904 bis Herbst 1905 stattfand, veranlasste der japanische Marshall Togo Heihachiro, dass falsche Informationen gestreut wurden, die die Russen dazu veranlassten mit ihrer gesamten Flotte die der Japaner anzugreifen. Die Japaner ließen die Russen im Glauben, dass sie mittels eines einzigen Überraschungsangriffs Japans Seestreitkräfte gänzlich auslöschen könnten. Da der direkte Weg über die Straße von Gibraltar und der Suezkanal im Indischen Ozean von den mit Japan verbündeten Engländern kontrolliert wurden, mussten die Russen einen 6000 Meilen langen Umweg in Kauf nehmen. Während die russische Flotte auf halbem Wege war, verbreiteten die Japaner das Gerücht, sie würden einen Gegenangriff starten. Daher blieben die Russen auf der gesamten restlichen Strecke in Kampfbereitschaft. Die Folge waren müde von der langen Fahrt und der stetigen Angst vor einem Gegenangriff gezeichnete Matrosen, die bei Ankunft im Zielhafen vollkommen aufgewühlt und nervös waren. Die Geschichte weiß die Japaner als Sieger, obgleich sie eine zahlenmäßig viel schwächere Flotte hatten, die zudem auch noch bei weitem nicht an die modernisierten Maschinen der Russen heranreichte.

Indem wir den Gegner locken, lassen wir ihn im Glauben, er hätte die Zügel in der Hand. In Wirklichkeit provozieren wir ihn zu einer Handlung, die wir von ihm erwarten. Während der Gegner sich also in Sicherheit glaubt zu wissen, ist ein Überraschungsangriff oder auch nur das Abwarten der eintreffenden Streitmächte sinnvolles Gebot. Unsere Feinde werden, sollte der Köder süß genug schmecken, blind für die Realität sein. Ihre Stärke machen wir zur Schwäche und unsere Schwäche wird zur Stärke.

Diese Masche finden wir bei Taschendieben ganz häufig. Sie sind zumeist dort anzutreffen, wo Schilder „Vorsicht! Taschendiebe!“ aufgehängt sind. Der Anblick solch eines Schildes veranlasst das Opfer nämlich nach seiner Brieftasche zu tasten. Taschendiebe wissen damit genau, wo sie hin greifen müssen, um an das Geld ihrer Opfer zu kommen.

„Wer also das Geschick besitzt, den Feind in Atem zu halten, baut Täuschungen auf, die den Feind zum Handeln veranlassen. Er opfert etwas, damit der Feind danach greift. Indem er Köder auslegt, hält er ihn in Bewegung; und mit einer Truppe schwerbewaffneter lauert er ihm auf.“ Sun Tsu, S. 48

Schluss

Die Provokation ist ein herausragendes taktisches Mittel, das jedoch gewisser Kreativität und auch Geschicklichkeit bedarf. Es ist wichtig dort provokativ zu sein, wo es angebracht ist. Die Provokation darf uns nicht in unserer Reputation diskreditieren. Sie muss so platziert sein, dass sie auch zum Ziel führt. Provokation der Provokation wegen ist nicht nur naiv, sondern kann tödlich enden. So können provokative Sprüche oder Aktionen zwar viel Aufsehen erregen, es kann sich jedoch als schädlich erweisen, wenn dadurch unsere Anhängerschaft minimiert oder verschreckt wird. Jede provokative Aktion braucht eine Abwägung. Dazu muss der Protagonist sowohl sein Opfer genau kennen, wie auch die Rahmenbedingungen, die die Aktion beeinflussen. Vor allem der Zweck muss stets klar sein. Die Provokation kann so auch zweckentfremdend wirken. Nicht jede Stadt muss angegriffen bzw. eingenommen werden. Es kann sinnvoll sein ihnen auszuweichen und sich auf jene zu konzentrieren, die einnehmbar und haltbar sind. Können wir sie nicht halten oder beherrschen wir die Instrumente oder zu besetzende Bevölkerung nicht, ist jedes derartige Unterfangen zum Scheitern zu verurteilen. Es kostet nur Energie und Ressourcen. Wir gewinnen kaum etwas, doch können wir dabei alles verlieren.

 „Eine Stadt, die nicht gehalten werden kann, nachdem sie eingenommen wurde, oder die, wenn man sie sich selbst überlässt, keine Schwierigkeiten macht, sollte nicht angegriffen werden.“ Sun Tsu, S. 75

Genauso verhält es sich mit der medialen Aufbereitung der provokativen, subversiven Aktion. Eine Aktion, die keine Nachbereitung erfuhr, ist nicht, hat nie stattgefunden. Die mediale Aufbereitung, das Setzen von Stichen, um damit Diskussionen im Netz und in der Öffentlichkeit anzustacheln, ist daher ein absolutes Muss. Das Internet bietet uns heute beste Möglichkeiten. Sie nicht zu nutzen, ist grob fahrlässig.

Merken wir: Bevor wir beliebt werden können, müssen wir erst einmal bekannt sein.

Literaturverzeichnis

CLAUSEWITZ, C. (1963). Vom Kriege. Erschienen im ROWOHLT als Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft. Deutsche Literatur – Band 12. Herausgegeben von W. Pickert & W. Ritter v. Schramm

GREENE, R. (2001). Power. Die 48 Gesetze der Macht (4. Auflage). Deutscher Taschenbuch Verlag, München

ZEDONG, M. (1966). Theorie des Guerillakrieges oder Strategie der Dritten Welt. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg

MÜLLER, T. (2011). Von Troja bis PSYOPS – Facetten der psychologischen Kriegsführung. Ididem-Verlag, Stuttgart

RENDULIC, L. (1967). Grundlagen militärischer Führung. Maximilian Verlag, Herford und Bonn

SCOTT, D. (2013). The Rules of Marketing & PR (4th Edition). John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey

SUN TSU (2015). Die Kunst des Krieges (14. Auflage). Genehmigte Lizenzausgabe für Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg, 2008

Anmerkungen

[1] Diese Vorbilder sind heute Schauspieler, Radio- und Fernsehmoderatoren, Wissenschaftler und Sportler. Bereits Edward Bernays, der prominente Spin-Doctor, empfahl dem PR-Experten in seinem berühmten Werk „Propaganda – Die Kunst der Public Relations“, sich nicht die Mühe zu machen, die Massen für sich zu gewinnen, sondern sich auf die Meinungsmultiplikatoren zu konzentrieren.

[2] Dabei handelt es sich um Psychological Operations, die ausschließlich gegen den Gegner gerichtet sind. Sie beinhalten alle Maßnahmen, die zur Beeinflussung der Bevölkerung der fremden bzw. gegnerischen Kriegspartei dienen.

[3] Auch diese Minderheit bzw. Mehrheit ist strukturell zu sehen. Im Staat sowie in den politisch-parlamentarischen Gremien ist die Linke über-, während die Rechte unterrepräsentiert ist.

[4] Lenin hielt sich zu dieser Zeit abwechselnd in diversen europäischen Ländern auf. Erst nach der Februarrevolution 1917 kam er wieder zurück in seine Heimat, um die Revolution der Bolschewiki zum Sieg zu führen.

[5] Clausewitz (1963), S. 53-54

[6] Rendulic (1967), S. 22

[7] Schlagen sie diese Wörter nach. Beschäftigen sie sich mit den Möglichkeiten des Internet für PR-Agenten, denn nicht weiter müssen wir tun: PR-Kampagnen starten. Vgl. dazu Scott (2013)

[8] Wobei sich dies mit der Einflussnahme z.B. der AfD in der Medienlandschaft etwas geändert hat. Dennoch werden auch hier 1-zu-5-Wettkämpfe suggeriert, um dem Zuschauer zu „verdeutlichen“, dass die Meinung des AfD-Diskutanten eine Minderheit im Volk darstellt. (Anm. d. Verf.)

[9] Mao Zedong: „Der Revolutionär muss sich im Volk bewegen, wie der Fisch im Wasser.“

[10] Rendulic (1967), S. 113-114

[11] Anders wäre es sicher gewesen, wenn Repräsentanten der NPD oder AfD solch eine Aktion verübten. Diesen hätte man genauso wenig Seriosität vorgeworfen wie Gabriel. Die Jungen hingegen können als Heißsporne und Unverstandene durchgehen.