Von rechter Strategie und rechtem Denken – Teil II: Reconquista und Metapolitisches Wegprogramm

von | 03. Sep. 2024 | Standpunkte

Im zweiten Teil der Reihe befassen wir uns mit Martin Sellners Strategieentwurf in „Regime Change von rechts“. Auch hier werden in der kritischen Analyse Gedanken aus unserem vergangenen Seminar deutlich. Zudem werden Ideen und Inhalte angedeutet, welche im kommenden Spätsommerseminar vertieft werden. 

Die Redaktion

 

„…alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht…“

Mephisto in Goethes Faust

Ein weitaus ausdifferenzierteres und in sich geschlossenes Konzept als bei Kaiser finden wir bei Martin Sellner in Form seiner Reconquista, die der Leser ausführlich in seinem „Regime Change von rechts“ findet. Sellner macht hierbei den Versuch ein komplettes strategisches Konzept zu liefern, dem eine umfangreiche Analyse bestehender rechter Ansätze vorausgeht. Er identifiziert neben seiner eigens vorgeschlagenen Reconquista weitere drei Leitstrategien:

  1. den Parlamentarismus
  2. die Militanz
  3. die Strategie der Sammlung

Insbesondere mit 1. und 2. setzt er sich jeweils in einem ganzen Kapitel kritisch auseinander, und schlussfolgert, dass sie als Leitstrategien für die Rechte untauglich sind, während zumindest 3. zwar weniger eine politische Leitstrategie ist, dafür aus seiner Sicht ein evtl. Plan B sein könnte. Die Strategie der Sammlung beinhaltet den „Erhalt der ethnokulturellen Identität (…) durch vorstaatliche private Maßnahmen“, wenn die Erreichung staatspolitischer Gestaltungsmacht aussichtslos geworden ist. Dieser Ansatz wäre dann der Fall, wenn der demographische Kipppunkt erreicht ist und eine Remigration und Regeneration zumindest auf absehbare Zeit nicht mehr realistisch erscheint.[1]

Weiters spricht er von Non-Strategien, die aufgrund ihrer Untauglichkeit für die Erreichung des rechten Hauptziels von vornherein verworfen werden können, wobei er sich allerdings die Mühe macht in einem Kapitel auf jeder dieser „Nicht-Strategien“ einzugehen und seinen Standpunkt begründet. Für unsere Ausarbeitungen ist es nicht zwingend erforderlich dies hier alles wiederzugeben, da wir zumindest weitestgehend mit Sellner übereinstimmen, was seine Einschätzung zu den Non- und den üblichen Leitstrategien anbelangt. Lediglich sei hier der Vollständigkeit halber nochmal betont, dass der junge Österreicher die Beteiligung der Rechten am parlamentarischen Kampf nicht gänzlich verwirft. Er hält den Parlamentarismus als Leitstrategie nur nicht für geeignet, u.a. aus Gründen, die sich aus einer gesetzmäßigen Oligarchisierung von Parteien, insbesondere, wenn sie am parlamentarischen Geschehen teilnehmen, ergeben. Wo Benedikt Kaiser uns also zu viel auf die Partei und den Parlamentarismus setzt, warnt Sellner vor diesem regelrecht und betont den Aufbau einer weltanschaulich gefestigten Bewegung, räumt aber der Partei ebenfalls einen zentralen Platz ein, der jedoch nicht unstrittig bleiben soll.

Was Sellners Überlegungen so interessant macht, ist seine Analyse zum Zustand des Systems und der Rechten, die er mit dem eigens herausgegeben Hauptziel verbindet. Wir wollen diese Punkte nun im Einzelnen herausheben und einer weiteren kritischen Betrachtung unterziehen.

 

Das Hauptziel und die identitäre Einheitsfront

Neben der klaren Unterscheidung zwischen Strategie und Taktik, definiert Sellner vor allem zuerst einmal ein Hauptziel der Rechten, womit zugleich die Aufgabe derselben gesetzt wird. Dieses lautet „Erhalt der ethnokulturellen Identität“. Es geht also darum „eine radikale Wende der Identitäts- und Bevölkerungspolitik“ hervorzurufen, „die den Bevölkerungsaustausch aufhält[2]. Dieses soll das Ziel der Ziele sein. Das bedeutet, dass jegliche Tätigkeit rechter Akteure, ganz gleich welcher Art, in erster Linie diesem Ziel „dem Erhalt der ethnokulturellen Identität und Substanz“, zu dienen habe. Alle anderen Ziele sind diesem unterzuordnen. Was genau diese ethnokulturelle Identität ist, bleibt Sellner hierbei seinen Lesern schuldig. Generell ist der Begriff der Ethnie zwar schon um einiges enger gefasst, als Kaisers Formel des „Das Eigene bewahren“, aber auch dieser erfährt unterschiedliche Konnotationen. Geht Ethnie über den Sprachgebrauch hinaus? Hat dieser Begriff eine biologische Komponente? Könnte ein gut deutschsprechender Mensch anatolischer Abstammung, der auch zu Hause bei seiner ebenfalls anatolisch stämmigen Familie ausschließlich deutsch spricht und sich kulturell dem deutschen Volk zugehörig fühlt, ethnisch als deutsch bezeichnet werden? Gehört ein autochthoner deutscher Muslim dazu?

Tatsächlich finden wir, dass dieses von Sellner ausgegeben Hauptziel, wenn dann einen Minimalkonsens darstellt. Die Rechte ist zu vielfältig als das sie auf ein einziges Hauptziel heruntergebrochen werden kann. Vor allem behaupten wir, dass die Ethnie, insbesondere im biologischen und kulturellen Zusammenhang zwar eine wesentliche, jedoch nicht die einzige Bezugsgröße der Rechten ist. Hinzukommen Tradition, Religion, Althergebrachtes und Erhaltenswertes, das über das ethnisch-biologische hinausgeht. Es ist ein ganzes Wertesystem, das auf einer alten höheren Ordnung basiert, die es zu erhalten gilt. Der Rechte ist also davon überzeugt, dass wenn gegen diese höhere Ordnung insurgiert wird, der Mensch sich strafbar macht und versündigt[3]. Dazu gehört auch eine geistige Ebene. Das Argument lautet, und auch da wollen wir grundsätzlich nicht widersprechen, dass es keinerlei Gründe mehr geben wird, deutsches Kultur- und Geisterzeugnis erhalten zu wollen, wenn es dafür keine substanzielle Basis, also ein Trägervolk gibt. Nun mag dies stimmen und aus strategischer Sicht ist es tatsächlich sinnvoll diesen Minimalkonsens zum Hauptziel, zumindest fürs Erste, zu erheben. Doch darf dabei nicht vergessen werden, dass auch ein Trägervolk, das weiterhin am Nihilismus festhält, eben kein Volk mehr ist. Wir wollen hierbei unter Volk eine ethnische Gemeinschaft von Menschen gleicher Abstammung, Kultur, Geschichte und einem gemeinsamen Lebens- und Wirkraums verstehen. Der gemeinsame minimale Grundsatz der Echten Rechten muss lauten: „Was meinem Volke nützt, ist gut, was ihm schadet, ist schlecht“. Dazu bedarf es aber auch einer grundlegenden Erörterung, was „Volk“, was „Ethnie“ ist. Solange diese Grundbegriffe innerhalb der Rechten nicht geklärt sind, ist auch Sellners Minimalkonsens obsolet, weil man gar nicht weiß, worum es geht.

Sellner geht so weit, dass er jene „Spielarten“ der Rechten, die rechtslibertärer, rechtskonservativer oder rechtssozialistischer Ideologie angehören, andere Hauptziele verfolgen und damit „nicht den Kern des rechten Lagers“ vertreten.  Allerdings schließt er vorrübergehende Allianzen nicht aus. So postuliert er eine „identitäre Einheitsfront“, in der „niemand seine Überzeugungen aufgeben“ muss. „Rechte verschiedener (…) politischer Couleurs einigen sich darauf, daß das identitäre Hauptziel Vorbedingung für ihr jeweils weiterführendes Ziel ist“, wobei er zugleich konstatiert, dass „einige danach weiterklettern und den Erhalt der ethnokulturellen Identität nur als Basislager für einen weiteren Aufstieg sehen“ sollten. Diese Bündelung aller rechter Kräfte unter dieses hehre Hauptziel wird damit zur wichtigsten Aufgabe, um „die nötige kritische Masse“ zu erreichen. Der Versuch durch binnenpolitische Kulturkämpfe eine Mehrheit innerhalb der Rechten in einem Flügel zu realisieren, ist aus seiner Sicht der sichere Weg in eine weitere Spaltung und muss daher bekämpft werden. [4]

Die Rechte wird damit per Hauptziel definiert. Wer die Erreichung dieses Hauptziels nicht uneingeschränkt als dringendste Aufgabe anerkennt und seine Ressourcen eben auf dieses setzt, wird ausgeschlossen und gehört nicht zum Kern der Rechten. Gleichzeitig will Sellner durch eine möglichst anschlussfähige Darstellung rechter Inhalte auch lagerübergreifend für das Hauptziel werben[5]. Und hier stoßen wir auf das gleiche Problem, das wir schon bei Kaiser hatten: Dies setzt ein gemeinsames Bewusstsein voraus, das lagerübergreifend einend wirkt. Diese Idee einer rechten Einheitsfront ist nicht neu und wird alle paar Jahre wieder von Akteuren postuliert, die sich wenig bis gar nicht mit Gesellschaftsstrukturen auseinandersetzen. Sellner beweist ein sehr hohes analytisches Verständnis, wenn er in seiner Systemanalyse einen „sanften Totalitarismus[6] (Soft-Power) und den „Fließkreis der Macht“ (siehe Abb. 1) ausfindig macht. Wir geben ihm vollkommen Recht, dass „Ziel einer rechten Revolutionstheorie“ sein muss „die Meinungsklimaanlage zu sabotieren und die Fenster des Treibhauses zu zerschlagen[7], also mittels Metapolitik das Overton-Window nach rechts zu bewegen. Dies ist Kern jeder rechten Metapolitik, dass also der Resonanzraum des Sagbaren nach rechts ausgedehnt wird und somit ein besseres „Meinungsklima“ für die Platzierung rechter Ideen im Volk entsteht. Nun glauben wir aber nicht, dass dies über eine Einheitsfront vonstattengeht und weisen den Leser auf unsere zuvor gemachten Aussagen hinsichtlich der Milieuzugehörigkeit hin. Indem die heterogenen und zu einem Großteil stark unabhängig voneinander agierenden rechten Akteure sich vereinheitlichen lassen, auch wenn Martin Sellner jedem zugesteht irgendwie nach seiner Façon selig zu werden und die eigenen Überzeugungen nicht aufgeben zu müssen, verlieren sie ihre Schlagkraft und Motivation. Wir wollen hier wieder betonen, dass eben genau diese Heterogenität, diese Vielfalt die Stärke der Deutschen Rechten ist. Und sie wird ihre Kräfte nur dann wirklich entladen können, wenn die einzelnen Akteure vollkommen bewusst und durchaus in einem ideologischen Binnenkampf einander konkurrieren. Wir wollen dies nun näher begründen.

Abbildung 1 Fließkreis der Macht, übernommen von Sellner, M. (2023, S.46). Eigene Darstellung.

 

Heterogenität als Stärke

Wo Kaiser den Leser relativ im Unklaren darüber lässt, was denn genau dieses Vorfeld sein soll, wird Sellner ziemlich konkret, in dem er ein ganzes metapolitisches Wegprogramm skizziert, mit dem die Reconquista realisiert werden soll. Er erkennt auch eine Arbeitsteilung innerhalb der Rechten in eine rechte Massenpartei, die Bewegung, die Gegenöffentlichkeit, die Gegenkultur und die Theoriebildung. Auf Grundlage des gemeinsamen identitären Minimums, das in konkreter Form in das Hauptziel mündet, entstünde eine Solidarität miteinander, wobei jede Abteilung sich auf seine Ressourcen konzentriert, um die People Power, die metapolitische Wirkung der geballten Kräfte aller oppositioneller Ressourcen in Richtung Social Change bzw. Regime Change zu forcieren.

Abbildung 2 Das rechte Lager und das metapolitische Wegprogramm, Darstellung übernommen von Sellner, M (2023, S. 55)

 

Die Akteure

Wie Kaiser sieht Sellner die Partei an der Spitze, obgleich er die Gefahr des Parlamentarismus als Leitstrategie erkennt und selbige daher immer wieder zügeln will. Die Aufgabe der Zügelung die Massenpartei “auf Linie zu halten“ sieht er genauso wie Kaiser nicht bei einer korrigierenden Konkurrenzpartei, sondern im Bereich der außerparlamentarischen Metapolitik.[8]

Unter der Bewegung versteht Sellner „den (außerparlamentarisch, Anm. Red.) organisierten, metapolitisch wirksamen Teil des rechten Lagers“, wobei er diese in eine meist jugendliche aktionistische Avantgarde und „massenbasierte Bürgerbewegungen“ unterteilt. Die Bewegung versteht er als eine Art Korrektiv der Partei, die also sicherstellt, dass der Diskurs stets gestört und die „Nonkooperation mit der herrschenden Ideologie“ sichtbar wird.[9]

Unter der Gegenöffentlichkeit versteht der Neurechte Aktivist die Summe aller „Medien, sozialen Plattformen, Influencer und sonstigen Meinungsmultiplikatoren, die sich dem gegnerischen Mainstream entgegenstellen und tendenziell das rechte Hauptziel teilen“.[10]

Der Theoriebildung weist er die Aufgabe zu, Ideen zu bilden sowie zu rezeptieren und gleichzeitig Wissen zu vermitteln, was durch „Zeitschriften, Verlage, Akademien und Einzelpersonen gewährleistet wird“. Konkret bedeutet dies, dass sie erstens „das Hauptziel (…) aus dem großen Feld rechter Weltanschauung destilliert und möglichst anschlußfähig und verständlich formuliert“ und zweitens die die Ausarbeitung von Revolutionstheorie verwirklicht.[11]

Die Gegenkultur umfasst „alle künstlerischen, belletristischen, kulturellen, subkulturellen und lebensreformerischen Aktivitäten des rechten Lagers“. Dabei betrachtet er vor allem diesen Bereich als ein sehr weit und flexibel gefasstes Feld, auf dem gemäß der oftmals extravaganten und sehr eigensinnigen Charaktere solche Künstlernaturen viel Freiraum gelassen werden muss und das Auftreten derselben oftmals gar keinen offensichtlich politischen Habitus besitzt.[12]

Die „Orbanisierung“ als Beispiel für Ideologischen Binnenkämpfe

Sellner betont in seinen Ausführungen immer wieder, dass das Hauptziel nur dann erreicht werden kann, wenn zwar der Inhalt der von den rechten Akteuren entfalteten Aktivitäten (inkl. Theorie-, Kultur- und Medienarbeit) einem identitär-weltanschaulichen Minimum entspricht, gleichzeitig aber möglichst anschlussfähig ist[13]. Hier besteht die auch von ihm erkannte Gefahr einer Verwässerung der Weltanschauung und letztlich damit auch der Hauptzielsetzung. Er erkennt zwar den Vorteil von Vielfalt in den Bereichen „Gegenkultur und Theoriearbeit“, da diese „das rechte Lager anschlussfähig“ macht, „eine Vielfalt an Massen- und Avantgardebewegungen, vor allem aber an Parteien“ sieht er als „eher schädlich“. Sie würden die Synergieeffekte reduzieren und nur „sinnlose Bruderkriege“ provozieren[14]. Doch in Wirklichkeit ist es doch so, dass das auch von Sellner hier herausgegebene Hauptziel viel besser erreicht werden kann, wenn hier sogar mehrere Akteure miteinander konkurrieren. Wir haben dies oben bereits im Fall Krah gesehen. Würde es im Europaparlament eine andere deutsche rechte Partei geben, dann hätte dieser nun zumindest die Alternative zur Alternative. Die Rechte willkürlich auf das identitäre Minimum, das von Sellner wahrscheinlich sogar bewusst so abstrakt und weich in der Definition gehalten wird, zu begrenzen, kommt einer starken Vereinfachung, ja einer Reduzierung gleich, die nicht die Realität widerspiegelt. Uns ist kein Land auf dieser Welt bekannt, in dem es nur eine rechte oder auch linke Partei mit mittel- bis langfristiger Beteiligung an einer Regierung gab (ausgeschlossen Ein-Parteien-Staaten), die sich als Einheitsfront begreift. Es gibt keine Partei mit Monopolstellung im Parlamentarismus, sondern immer mit ideologisch verwandten Konkurrenten. Schon deshalb, weil der Zugang zum Politischen Komplex relativ leichtfällt. Personelle Rivalitäten werden gern ideologisch verschleiert. Auch haben wir oben bereits aufgezeigt, dass Parteien keinen monolithen Block ausmachen. Sie sind Biotope rechter Vielfalt. Dieser Fehler zieht sich bei Sellner und bei Benedikt Kaiser durch das ganze Konzept wie ein Kaugummi. Es mag vielleicht nur eine rechte Massenpartei geben, aber sie bedarf eines unseretwegen kleineren radikaleren Korrektivs, um die Positionen immer wieder auszutarieren und ideologisch auf Spur zu behalten. Das gleiche gilt für die Bewegung, die Sellner ganz bewusst und auch von der Partei trennt. Als Paradebeispiel bringt er die sog. Orbanisierung an, die wir hier eher als Gegenbeispiel heranziehen wollen. Die Fidesz wurde ihrerzeit von radikaleren Kräften parlamentarisch wie außerparlamentarisch vor sich hergetrieben. Man erinnere sich an viele sehr spektakuläre Eklats im ungarischen Parlament zwischen der 2003 gegründeten Jobbik und der Fidesz[15]. Auch der Spiegel wusste noch 2013 darüber zu berichten, wie die Fidesz permanent Inhalte der viel radikaleren Jobbik übernahm, um die noch rechtere Konkurrenz bei den Wahlen auszustechen[16]. Denn die Orban-Partei war ursprünglich eine für ungarische Verhältnisse sogar ziemlich liberale Organisation, die sich erst in den letzten Jahren konservativer positionierte, was mit den sich ändernden objektiven Verhältnisse mehr zu tun hat, als einer konservativen Weltanschauung des Ceasaristen Viktor Orban. An dem Verhältnis zwischen Fidesz und Jobbik können wir auch sehen, was mit Parteien passiert, die versuchen „anschlussfähiger“ zu werden[17]. Die Bewegung, die gewissermaßen bei Sellner die Funktion des bei Kaiser definierten Vorfelds übernimmt, kann nicht als Korrektiv wirken, sondern lediglich als Transmissionsriemen zwischen den Parteien, den Aktivisten und den im metapolitischen Raum tätigen Akteuren. Und auch hier, also innerhalb der Bewegung und ihrer Gesamtheit an unterschiedlichen Arbeits- und Aufgabenbereichen, gibt es eine Heterogenität, die sich letztlich auch aus verschiedenen Weltanschauungen speist. Das Hauptziel kann und wird dabei eben nur Minimalkonsens, der kleinste gemeinsame Nenner sein.

Der Vorschlag von Sellner im Zweifel aus der avantgardistischen Bewegung heraus eine Korrektiv-Partei zu gründen, sollte verworfen werden. Aufgrund der dem Parteiensystem und solcher Apparate immanenten Mechanismen, könnte diese Bewegung ihre wichtige Aufgabe der Metapolitik gar nicht mehr betreiben, ohne selber komplett zu verwässern und zu oligarchisieren. Denn eine Avantgarde zeichnet sich eben nicht nur durch ihre „aktionistische“ Tätigkeit aus, wie es Sellner hier vereinfacht darstellt, sondern vor allem durch ihren Anspruch der Bewegung den ideologischen Kern auf fundamentale Art und Weise zu liefern.

Die Erfahrung als Wurzel jeder Aktivität

Dies ist eng verwurzelt mit dem von Lenin so schön bezeichneten „grundlegende(n) Gesetz aller großen Revolutionen[18]: Die Masse muss zunächst politische Erfahrung sammeln, der die Erfahrungen der Avantgarde vorausgehen. Radikalere Kräfte machen andere Erfahrungen im politischen Geschäft als Gemäßigtere. So gibt es z.B. AfD-Abgeordnete, die es vollkommen ablehnen Massenaktivitäten zu entfalten, weil sie dies für zu revolutionär, für die bürgerliche Ordnung zu störend halten. Sie selbst können das Bewusstsein für das gesamte Ausmaß der hasserfüllten Feindschaft der politisch Herrschenden gar nicht erlangen, ohne dass sie die entsprechenden Erfahrungen dazu machen. So finden wir auf der anderen Seite auch heute viele Personen in und um die AfD sowie neurechter Strukturen, die zuvor bereits in anderen sog. „altrechten“ Strukturen gewirkt haben. Diese üben heute nicht selten wichtige Funktionen aus, da sie aufgrund ihrer politischen und weltanschaulich beeinflussten Sozialisation entsprechende Erfahrungen gemacht haben, von der auch heute eine sich von der Altrechten distanzierenden Identitären Bewegung z.B. profitiert. Rechte verschiedener Radikalität und unterschiedlicher weltanschaulicher Spielarten machen auch unterschiedliche Erfahrungen und entwickeln dabei unterschiedliche Theorien, Strategien und Gespür für die bestehenden Verhältnisse. Ob wir es wollen oder nicht, ob wir weltanschaulich damit einhergehen können oder nicht, sie sind und sie werden ihre Rolle auch in den kommenden Verhältnissen spielen. Die Geschichte zeugt davon deutlich. Jede große Revolution hat unterschiedlichste Facetten an Akteuren, die sich einander gegenseitig mal mehr bewusst, mal mehr unbewusst beeinflussen. Sie widersprechen einander, wodurch die Bewegungen (hier im dialektischen Sinne) einen gewaltigen Vorschub bekommen. Wer die rechte Einheit anstrebt, so idealistisch und gutgemeint dieses Ziel auch motiviert sei, der versündigt sich an der organisch gewachsenen Vielfalt der Rechten, die wenn zumindest die Avantgarde sich dieses Umstandes bewusstwird, gewaltige Kräfte entfalten kann. Eine Einigung wäre nur über eine straffe übergeordnete Koordination möglich. Wie sollte diese sich bilden, wie legitimiert werden?

Lenin formulierte es einmal so: „Licht, mehr Licht! Wir brauchen ein riesengroßes Orchester, wir müssen Erfahrungen sammeln, um in diesem Orchester die Rollen richtig zu verteilen, um dem einen die sentimentale Geige, dem andern die grimmige Bassgeige, dem dritten den Dirigentenstab zu geben.[19]. Der russische Revolutionär verweist hier auf die Vielfalt der sozialistischen Gruppierungen in der Russischen Revolution, die in Wirklichkeit von 1905 bis 1917[20] ihre Energie in massiven Klassenkämpfen freisetzte. Das Orchester zeichnet sich durch die vielen verschiedenen Instrumente aus, die zur rechten Zeit mal alleine, mal in Zusammenspiel mit anderen Instrumenten erklingt. Das sind teilweise von der Art sehr unterschiedliche Instrumente, die eben auch teilweise vollkommen scheinbar divergente Funktionen innerhalb des Orchesters einnehmen. Würden sie wild drauf losspielen, könnte sich niemand ihres Klangs erfreuen. Wir würden ihm eine musisch-kunstvolle Unterhaltung absprechen. Erst durch den Dirigenten wird daraus ein harmonisches Kunstwerk. So hatten eben die Sozialrevolutionäre (Die Narodniki, später auch Trudowiki), die sich großenteils aus jüdischen Intellektuellen speisten, die besonders unter der Zarenherrschaft leiden mussten, sich anders als andere sozialistische Gruppen auf das Landvolk ausgerichtet. Sie setzten sich als erste für die Bauern ein, während sich die Sozialdemokratie auf das Proletariat konzentrierte. Genauso gab es liberal-bürgerliche Elemente (wie die Kadetten), die sich vom Feudalismus lossagen wollten und ebenfalls Schnittmengen mit den Sozialisten hatten. Auch innerhalb der radikaleren Sozialdemokratie gab es neben den Bolschewiki die Menschewiki, die auch das Proletariat adressierten, aber auf eine oberflächlichere Art als dies erstere getan haben. Lenin hat sie deshalb als „Ökonomisten“ bezeichnet. Sie waren aus seiner Sicht nicht weltanschaulich gefestigt genug, weshalb sie bei rein wirtschaftlichen Forderungen blieben, ohne die Gesellschaftsordnung in ihren Grundfesten aufheben zu wollen. Doch all diese Positionen wurden nicht nur geduldet, sondern die ideologische Auseinandersetzung sogar gefördert. Das bekannteste Beispiel stellt die Iskra (z.Dt. „Funke“) dar. Sie war eine hochgradig ausdifferenzierte Theoriezeitschrift, in der Denker der verschiedenen linken Fraktionen in der russischen Sozialdemokratie miteinander teilweise richtig heftig diskutierten. Es ging dabei darum eine gemeinsame Bewusstseins-Plattform zu schaffen, was nicht möglich gewesen wäre, hätten sie diese Auseinandersetzungen in der Sache nicht richtig hart geführt. So wurde auch über das Hauptziel und die dringendsten Aufgaben der Bewegung immer und immer wieder kontrovers diskutiert, ja regelrecht gestritten. Das bekannte Schlüsselwerk „Was tun?“ ist das Ergebnis dieser Arbeit. Lenin hat die meiste Zeit während des vorrevolutionären Jahrzehnts im Ausland verbracht. Er studierte die verschiedenen Positionen und beobachtete die Aktivitäten wie ein Zaungast und analysierte permanent die Lage. Das wichtigste Etappenziel, hatte er später in seinen Ausführungen über den „Linken Radikalismus, die Kinderkrankheit des Kommunismus“ (1920) so formuliert: „Die proletarische Avantgarde ist ideologisch genommen. Das ist die Hauptsache. Ohne diese Vorbedingung kann man nicht einmal den ersten Schritt zum Sieg tun.[21]

Die Avantgarde selbst muss also ihre Erfahrungen sammeln. Dies geschieht ideologisch sowie organisationsübergreifend innerhalb der Rechten. Ein Bewusstsein aller Akteure wie es sich Sellner und Kaiser wünschen, ist nur unter dieser Avantgarde möglich. Und aufgrund ihrer Überzeugungen in der Sache, handelt es sich dabei nicht um der Masse zugehörige Personen. Es sind Überzeugungstäter.

Die Klasse schafft das Milieu, das Milieu die Erfahrungen und umgekehrt

Erst also durch diese Erfahrung, die die Rechten verschiedener Couleur machen, können wir Wissen sammeln, gemäß nach dem alten Management-Prinzip Trial-and-Error (Versuch und Irrtum). Wir lernen quasi via negativa, also aus den Fehlern, die gemacht werden und was also eben nicht zu tun ist. Die Rechte muss diese unterschiedlichen Erfahrungen machen. Jede Person ist aufgrund seiner Klassenzugehörigkeit in einem bestimmten Milieu eingewoben und sein Denken wird dadurch zumindest zum Teil geprägt, was wiederrum Handlungen bestimmter Güte provoziert. Wir wollen hierbei nicht die angeborenen Eigenschaften leugnen oder geringschätzen, aber wir erkennen an, dass das gesellschaftliche Sein, welches durch die ökonomischen Verhältnisse determiniert wird, das Bewusstsein bei den Menschen schafft. Das ist eine einfache Objekt-Subjekt-Dialektik. Die objektiven und damit nicht direkt beeinflussbaren Verhältnisse, wirken auf die innerhalb dieser Verhältnisse lebenden Subjekte, sind also Notwendigkeiten, von denen sie sich nicht lossagen können. Auf dieses Bewusstsein folgt ein bestimmtes Verhalten, das wiederum auf die Verhältnisse zurückwirkt. Oder anders: Wenn die Verhältnisse zunehmend schlechter werden, gibt es immer mehr Bedürfnis (Bewusstsein) für die Notwendigkeit einer Veränderung der Verhältnisse. Es bilden sich Oppositionen bis hin zu revolutionären Kräften aus, die durch ihr Verhalten anfangen die bestehenden Verhältnisse zu ändern.

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse speist sich in erster Linie aus dem Berufsstand, der eng verwoben ist mit den ökonomischen Verhältnissen. Im ersten Teil hatten wir bereits beleuchtet, dass bspw. ein Industrieller, also ein „Kapitalist“ (Kapitaleigner) in der Regel andere Interessen vertritt als ein Angestellter, der eben mit den Kapitalien (in Form von Produktionsmitteln) des Eigners arbeiten muss, um Geld zu verdienen. So können wir dies auch sehr gut anhand von Parteien beobachten. Die AfD stellt heute in erster Linie die Partei des Kleinbürgertums und der Handwerker dar. Es sind also jene, die am meisten unter der vorherrschenden Politik zu leiden und zu verlieren haben. Deshalb wählen nicht wenige gut integrierte Migranten auch die AfD. Hingegen wird das Bündnis Sahra Wagenknecht wahrscheinlich von der Klasse der Werktätigen und Arbeiterschaft[22] (Produktions- und Industriearbeiter) gewählt[23]. Andere rechte Parteien wie Die Heimat (ehem. NPD) oder die Freien Sachsen werden wahrscheinlich eher von Werktätigen und Arbeitern gewählt, die eine weitaus radikalere Position gegenüber dem System vertreten. Der Dritte Weg hingegen repräsentiert wieder eher sozialistisch ausgerichteten Rechte. Kleinstparteien können aufgrund der geringen Größe nicht als Repräsentanten einer Klasse bezeichnet werden, sind dennoch Ausdruck eines offenbar trotzdem vorherrschenden Bedürfnisses in der Rechten.

Wir verwenden hierbei ganz bewusst den Begriff der Klasse. Es ist eine gewaltige Schwäche rechter Strategen und Analysten die Klassentheorie als marxistisch und für die rechte nicht brauchbar zu verwerfen. Denn wenn wir etwas an Marxens Theorie anerkennen müssen, dann sind es seine scharfsinnigen Erkenntnisse aus gesellschaftswissenschaftlichen Beobachtungen. Wir halten seine Diagnose des Zustands also durchaus für treffend, wenn auch die darauffolgenden Therapieansätze abzulehnen sind. Wir sind keine Marxisten oder Leninisten. Wir sind lediglich „Rosinenpicker“, die übernehmen, was erhaltenswert ist und verwerfen, was nicht erhaltenswert ist. Aber wir gehen mit dem Philosophen Gottfried Stiehler mit, wenn er uns sagt: „Die Persönlichkeit wird im hohen Maße durch die (…) Verhältnisse geprägt, wie sie sie konkret in dem Arbeits- und Lebensbedingungen der Kollektive vorfindet. Es tritt eine Dialektik des Allgemeinen und des Besonderen ein. Das Allgemeine bestimmt die allen Bereichen gemeinsamen sozialen Charakteristika, aber es ist nicht deren bloßer Durchschnitt, sondern tritt auch als Norm und Erfordernis in Erscheinung, dem die Mikrobereiche der Gesellschaft in unterschiedlicher Weise entsprechen (…) Durch sie (die Arbeits- und Lebensbedingungen, Anm. d. Red.) wird das Individuum in seinem Denken und Verhalten beeinflußt.“[24]

Die Anerkennung der Klassen- und Milieuzugehörigkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzung ernsthafter und objektiver Analysen. Die Klassen sind die Subjekte jeder geschichtlichen Entwicklung.

Die Theoriearbeit als Voraussetzung jeder Aktivität

Eine weitere Kritik, die wir an Sellners Konzept üben müssen, ist sein Rollenverständnis von Theoriearbeit, der wir uns selber als MetaPol zugehörig sehen. Die Reduzierung auf die beiden oben genannten Aufgaben, wird dem Theorie- und damit Ideengebenden Bereich nicht gerecht. Sie hat eben nicht nur die Aufgabe das Hauptziel zu definieren, was Sellner ja bereits innerhalb seines Universums mit dem Buch getan hat. Sie ist vor allem dafür zuständig neue Ideen zu produzieren und alte Ideen auf ihre Gültigkeit abzuklopfen. Ohne sie gibt es keine Aktivität. Genauso wie der Aktivist seine Erfahrungen im politischen Kampf machen muss und die gegebenen Verhältnisse sowie Notwendigkeiten, die Grenzen sowie die Möglichkeiten im praktischen Sinne immer wieder austestet, muss der Theoretiker diese Erfahrungen unter möglichst objektiven Voraussetzungen erfassen, einschätzen und immer wieder hinterfragen. Dabei darf er eben nicht, wie es Sellner fordert, von der Bewegung korrigiert werden, weil er wie der „Intellektuelle habituell zum Tunnelblick auf eine fixe Idee“ neigt. So sollen Themen wie Geopolitik, Theologie, Wirtschaft- und Sozial- oder Umweltpolitik in den Hintergrund geraten, weil sie der People Power angeblich schaden würden.[25]

Diese Forderung ist sehr kurzsichtig und wird der Realität einfach nicht gerecht. Was ist denn dann noch die Aufgabe von Theoretikern? Mal abgesehen davon, dass Sellner ähnlich wie Kaiser kaum den Begriff der Denkfabrik verwendet, verkennt er hier die Dringlichkeit sich eben solchen Fragen zu widmen. Denkfabriken, und genau das verstehen wir als die Organisationsform von Theoretikern, von Denkern und Vordenkern, haben die ureigene Aufgabe sich eben mit Fragen, die über das Alltägliche hinausgehen, zu befassen. Wir sind z.B. immer wieder gefragt worden, warum wir uns so viel mit Geopolitik befassen. Unsere Antwort darauf lautet: Es ist unsere Pflicht über den nationalen Tellerrand hinaus zu blicken und unserem Volk eine alternative Außenpolitik anzubieten. Warum sollten sie uns Rechten Vertrauen schenken, wenn sie nicht einmal in Ansätzen eine Vorstellung davon bekommen, welche Konsequenzen für das Ausland eine rechte Regierungsbeteiligung haben kann. Insbesondere heute sehen wir, dass außen- und geopolitische Positionen bei den Wahlen eine gewaltige Bedeutung spielen. Angesichts dieser Tatsache erschließt sich uns nicht, warum Sellner solche Themen als unterzuordnen abtut. Hinzukommt die Tatsache, dass sich mit diesen einzelnen sehr speziellen Fachbereichen auch nur bestimmte Menschen befassen. Es gehört auch ein gesteigertes Interesse für die Themengebiete. So können und sollten sogar verschiedene rechte Denkfabriken existieren, die sich auf unterschiedliche Themenkomplexe fokussieren. Sellner verkennt hier eine der wesentlichen objektiven Voraussetzungen jeder Revolution: Der Abfall der Intelligenzija und der Eliten der zweiten bzw. mittleren Führungsebene. Warum sollten ausgerechnet jene sich der Revolution anschließen, wenn sie nicht erkennen können, dass die Rechte den staatspolitischen Geschäften ernsthaft gewachsen ist?

Auch die Fixierung auf das Sellner’sche Hauptziel verkennt, dass außerhalb der rechten Avantgarde die meisten Menschen materiellen Bedürfnissen anhängen. In der Formulierung der Übergangsforderungen, spielt der ethnische oder völkische Selbsterhaltungswille eine untergeordnete Rolle. Vielmehr kämpfen die unteren und mittleren Klassen um die Befriedigung von Sicherheits- und sozialen ggf. noch Individualbedürfnissen (siehe Pyramide von Maslow und das Eherne Gesetz des Mangels). Auch die Proteste im Zuge von Messerattacken wie in Solingen sind nicht auf ein Bedürfnis das Volk ethnisch zu erhalten gegründet, sondern aus einem reinen Sicherheitstrieb.  Das sind materiell-ökonomische Fragen, die die Theorieabteilung zu beantworten hat, will die Rechte ins breite Volk wirken.

Eine der dringendsten Aufgaben einer Echten Rechten ist es daher Denkfabriken aufzubauen, die das Einsickern in die Komplexe ermöglicht. Wichtigste Voraussetzung dafür ist wirtschaftliche und auch ideologische Unabhängigkeit von Parteien und Bewegungen. Sie müssen der Bewegung immer wieder in radikal-sachlicher Form die Inhalte schonungslos vorbeten. Dazu dürfen sie nicht emotional oder monetär korrumpierbar sein. Der Einzelne kann demnach durchaus einer ideologischen Strömung angehören, aber er muss sich den objektiven Notwendigkeiten unterordnen und pathetisch gesprochen sich der Wahrheit verpflichtet fühlen, auch wenn diese seinen eigenen ideologischen Überzeugungen zuwiderlaufen kann. Das können nur sehr wenige Personen, weshalb die Theoriearbeit immer ein personell überschaubares Feld bleiben wird.

Eine andere Form der Theoriearbeit sehen wir in durchaus ideologisch ausgerichteten Denkschulen, die einen eher advokatischen Charakter an den Tag legen. Sie sollen energisch ihre Positionen vertreten. Durch die Schaffung gemeinsamer Plattformen, wie es einst die Iskra unter Lenin war, können sie in diesem Orchester, in diesem Konzert der Strömungen unbewusst zu einer Ausdifferenzierung beitragen, von der die gesamte Rechte profitiert. Sie sollen also um die Deutungshoheit kämpfen. Sieger kann und wird nur sein, wer die besten Argumente hat, solange die Plattform die Regeln vorgibt.

Die Wende-Formel auf dem Prüfstand

Kommen wir zu der vorerst letzten Kritik, die wir an Sellners Reconquista üben wollen. Seinen strategischen Ansatz fasst er in einer mathematischen Formel zusammen. Diese ist in Abbildung 3 dargestellt und weist einen algebraischen Charakter auf, der zudem linear ist. Gehen wir die Formel einmal im Einzelnen durch.

Abbildung 3 Wendeformel bei Sellner, ergänzt um Schweifklammern zur Erklärung. (Darstellung angelehnt an Sellner, M. (2023, S. 174)

Der mathematisch geschulte Leser möge sich nicht an den Klammern irritieren. Die hat Sellner nur zu Abgrenzungszwecken verwandt. Mathematisch ergeben sie natürlich keinen Sinn. Wie erkennbar wird, sieht Sellner richtigerweise viele verschiedene Faktoren als Einflussgrößen, die eine Wende ausmachen oder gar behindern.

Im Minuend befinden sich zunächst in der inneren Klammer die Faktoren „Masse“, was für die quantitative, also messbare Größe der People Power steht und die Organisation. Beide bedingen sich einander und weisen einen multiplikativen Charakter auf. Unter der Organisation versteht Sellner das Verhältnis zwischen der Struktur und den Finanzen. Dieses Produkt wird durch die Botschaft, also die Forderungen (Ideen, die das Hauptziel begünstigen) und die von Sellner vorgestellte Leitstrategie (hier die Reconquista) vervielfältigt. Das Produkt aus diesen Faktoren ergibt die People Power, also die geballte Kraft der Massen auf das Hauptziel gerichtet. Soweit können wir mitgehen, auch wenn der Leser sicherlich schon erahnen wird, dass wir den Fokus nur auf eine Botschaft, eine Organisation und eine Strategie für falsch halten. Oben haben wir dies bereits ausführlich begründet.

Im Subtrahenden wird klar, dass sich Sellner nicht wirklich des Einflusses objektiver Verhältnisse bewusst ist und sich zu stark auf die subjektiven Faktoren (Minuend) konzentriert. Denn die Repressionen und Resilienz, die er hier zusammenfasst, haben bei ihm eine ausschließlich abziehende, also die People Power schwächende Wirkung. Unter der Repression sieht Sellner die Unterdrückung, die sich in Reinform in Hard-Power widerspiegelt. Unter Resilienz versteht Sellner hier eher eine gewisse Gleichgültigkeit in den Massen, die sich hemmend auswirke. Allerdings versteht man in der Psychologie darunter das Gegenteil von Vulnerabilität (Verwundbarkeit). Resilienz ist die Anpassungsfähigkeit von Systemen auf Veränderungen. Es ist nicht mit Widerstandsfähigkeit in Form einer bloßen Reaktion auf eine Aktion gemeint. Je resilienter ein sozioökonomisches System ist, desto besser wird sie auch Krisen verkraften können, ohne dass es zu einem irreversiblen Bruch innerhalb derselben kommt. Insbesondere aber die Repression wirkt sich nicht nur negativ aus, sondern beinhaltet ein dialektisches Prinzip, was Sellner sogar an einer Stelle[26] so benennt. Denn die Herrschenden wenden Repressionen deshalb an, weil ihre Herrschaft gefährdet ist und daher die Anwendung von Hard-Power zur Notwendigkeit wird. Es ist ein indirektes Anerkenntnis der Revolution. Diese Hard-Power führt dazu, dass die aktiven Massen immer mehr Erfahrungen machen und mit der Härte des Feindes konfrontiert werden. Je mehr Menschen von der Repression konfrontiert werden, desto größer ist die Gefahr eines breitenwirksamen Bruches zwischen der Bevölkerung und der herrschenden Klasse[27]. Die Repression ist also nicht nur ein Werkzeug, das die Rechte zur Deligitimierung der herrschenden Ideologie nutzen kann, sondern sie ist sogar die Voraussetzung für eine erfolgreiche Revolution, da sie Erfahrungen provoziert, die die Massen ansonsten nicht machen würden.

Der Summand und damit die letzte Größe innerhalb der Formel ist die Lage. Sie umfasst die Umwelt, die Krisen und andere objektiven, also vom Subjekt nicht direkt beeinflussbaren Verhältnisse. Nimmt man die Formel mathematisch ernst, spielen sie theoretisch sogar eine untergeordnete Rolle, denn würde sich der Summand bei null bewegen, könnte die People Power trotzdem entfaltet werden und erfolgreich sein. Er relativiert dies allerdings dann etwas in seinem Text, indem er richtigerweise konzipiert: „Mit einer materiellen Verschärfung der Lage verkleinert sich diese Zone (der das System stützenden Gleichgültigkeit der Massen, Anm. d. Red.) und eine größere Masse wird bereit für politisches Engagement in der Opposition (…) Eine größere Masse ist mobilisierbar, selbst wenn die Botschaft und Aktionen der Bewegung nicht optimal anschlußfähig sind. Doch auch die größte Krise kann strategische Mängel nicht vollends aufwiegen (…) Keine ernst zu nehmende Strategie kann auf einer Krise aufbauen, Strategie muß aber krisenhafte Entwicklungen in ihre Lageanalyse miteinbeziehen“. Sellner erkennt, dass die Lage auf die Revolution eine positive und befördernde bzw. beschleunigende Wirkung hat. Aber auch hier wieder sieht man, dass er in ihr nicht die notwendige objektive Voraussetzung für eine Wende erkennt, wie wir es jetzt schon mehrfach beleuchtet hatten. So schreibt er weiter: „Aus einer krisenhaften Verschärfung der Lage kann nur erfolgreich hervorgehen, wer schon vorher organisatorisch handlungs- und kampagnenfähig und politisch hegemoniefähig war“ und zieht jedoch den falschen Schluss, dass „eine Krise“ nicht „die Karten neu“ mische. In der ersten Aussage geben wir Martin Sellner uneingeschränkt recht. Wer sich auf den Tag X konzentriert und ansonsten die Hände in den Schoß legt, wird genauso von den Verhältnisse überrascht, wie er erstarrt wird. Die Nachkriegsrechte hat bisher jede Krise ausgesessen, wie das sprichwörtliche Kaninchen, dass die Schlange anstarrt. Erinnert sei hier nur exemplarisch an die Corona-Krise, wo die AfD zunächst herumlavierte[28]. Die Rechte schaffte es bisher nicht, aus den Krisen nachhaltig politisches Kapital zu schlagen. Sie profitierte, hatte dabei jedoch mehr Glück als Verstand. Dass allerdings die Karten dadurch nicht neu gemischt werden, halten wir für eine grobe Verkürzung. Denn die Krise schafft notwendige Voraussetzungen für Veränderungen. Mit der Krise kommen immer Veränderungen auf. Diese werden selbstverständlich von jenen genutzt, die am meisten metapolitische Vorarbeit geleistet haben. Auch das erkennt Sellner vollkommen richtig. Die Lage ist also nicht alles, aber ohne die Lage ist alles nichts. Soll heißen, keine Revolution, ohne Krise. Diese Resilienz steht in Wechselbeziehung mit der Lage. Man könnte sagen, dass wenn die Resilienz des Systems aufgebraucht ist und dieses keine hinreichenden Antworten auf die aktuellen brennenden Fragen, die die Lage bereitet, besitzt, die Revolution beginnt.[29]

Grundsätzlich halten wir es für unklug solche hochkomplexen Zusammenhänge in mathematischen Formeln auszugeben, die suggerieren, als gäbe es eine Berechenbarkeit für Revolutionen. Sie sind das Zusammenspiel von objektiven Verhältnissen und subjektiven Voraussetzungen. Daher können sie nicht linear abgebildet werden. Um es mathematisch „korrekt“ zu machen, müsste die Formel Funktionen, also Anhängigkeiten der einzelnen Größen voneinander aufzeigen. Sie bedingen sich alle einander und treten in Wechselbeziehungen auf. Zudem spielt der Zufall eine enorme Rolle, wie bereits oben geschildert. In der Mathematik bedient man sich daher der Spieltheorie und des Monte-Carlo-Prinzips, was aber auch nur ein heuristischer Behelf ist, der oftmals an den Eingabeparametern scheitert, da diese eben auch subjektiv definiert werden.

Sellner allerdings muss man zugutehalten, dass er die Einflussgrößen zumindest benennt und durchaus ausdifferenziert beleuchtet. Er erkennt bereits gewisse Abhängigkeiten, ist sich aber, offenbar des dialektischen Charakters dahinter nur in bedingter Weise bewusst.

Die objektiven und die subjektiven Voraussetzungen einer Revolution

Wir haben uns bereits in einer Analyse zum Compact-Verbot den Voraussetzungen von Revolutionen gewidmet. Wir wollen sie hier noch einmal kurz aufführen:

  1. Die Herrschende Klasse kann ihre Herrschaft nicht mehr in unveränderter Form fortführen
  2. Not und Elend wachsen über das gewohnte Maß hinaus
  3. Die Masse entfaltet Aktivitäten
  4. Eine Revolutionäre Klasse besitzt die Fähigkeit die Massen für die Wende einzusetzen

Mit der Repression und gewissen Zugeständnissen, die die herrschende Klasse direkt oder indirekt machen, beginnt die Revolution. Dies ist die erste Voraussetzung. Die zweite Voraussetzung beinhaltet das, was bei Sellner die Lage ist. Erst wenn das (meist wirtschaftlich-soziale) Elend über das gewohnte Maß hinausgeht, entfalten die Massen eigene Aktivitäten, die eine Reaktion auf die schlechten Verhältnisse sind, was die dritte Voraussetzung ist. All diese Punkte sind objektiv, also nicht direkt beeinflussbar.

Die vierte Voraussetzung ist die einzige subjektive Größe, die bei Sellner im vorderen Teil der Formel (dem Minuenden) dargestellt wird. Lenin differenziert diese noch einmal in seinem „Linken Radikalismus, Kinderkrankheiten des Kommunismus“ aus, in dem er folgende Voraussetzungen entdeckt, die erst durch den binnenideologischen Kampf innerhalb der Linken zustande kommen:

  • Alle feindlichen Klassenkräfte müssen genügend in Verwirrung geraten sein, genügend miteinander in Fehde liegen (..) genügend geschwächt sein.“
  • Alle schwankenden unsicheren, unbeständigen Zwischenelemente“ müssen „sich vor dem Volk genügend entlarvt haben durch ihren Bankrott in der Praxis genügend bloßgestellt“ sein
  • Der Beginn der revolutionären Aktion, die getragen wird von den Massen[30]

Erst durch das richtige Verhältnis zwischen diesen objektiven und subjektiven Voraussetzungen, entsteht das, was wir hier als Wende oder Revolution bezeichnen. Sellner macht den Fehler, dass er die subjektiven Voraussetzungen überbetont. Sie sind wichtig, aber nicht mehr und nicht weniger als die Verhältnisse, die sich durch die Lage und die Art der Herrschaft ergeben. Erst wenn das richtige Maß erreicht ist, kommt es zu sprunghaften Veränderungen, die tatsächlich die Wirkung von neugemischten Karten beinhalten. Sollte das Maß (objektive Voraussetzungen) zwar voll sein, aber kein revolutionäres Subjekt auf der Höhe der Aufgaben stehen, wird es keine siegreiche Revolution geben. Dies zu verstehen setzt nichtlineares Denken voraus. Die Ausarbeitungen beider Analysten werden diesem Anspruch an Komplexität leider nicht gerecht.

 

Was tun? Weitere Ausdifferenzierungen sind erforderlich – Seminar am 14.09.2024

Die Rechte krankt nach wie vor an der Schwäche keine ernsthafte Strategiearbeit zu betreiben, weshalb auch dies eine der dringendsten Aufgaben der Echten Rechten sein muss. Die beiden hier kritisierten Denker, haben immerhin die Dringlichkeit dieser Aufgabe verstanden und sehr gute Vorarbeit geleistet. Wir würden uns mit ihren Inhalten nicht auseinandersetzen, wenn sie nicht ernstzunehmend wären. Es gilt jetzt sich sachlich-objektiv einander anzunähern und zumindest auf der Ebene der Strategiebildung voneinander zu lernen. Beide Analysten haben viele Erfahrungen im politischen Kampf gesammelt. Bei Sellner merkt man die starke Eingebundenheit in verschiedenen Bereichen. Der einstige Obmann der Identitären in Österreich hat neben seinen spektakulären Aktivitäten damit bewiesen, dass er nicht nur aktionistischer Avantgardist ist, sondern durchaus in der Theoriearbeit einen wichtigen Platz einnimmt.

Wir veranstalten deshalb am 14. September 2024 unser Spätsommerseminar, in dem wir uns genau dieser Frage „Was tun?“ widmen. Wir halten es für die dringendste Aufgabe der Rechten bewusstseinsfördernde Plattformen der Avantgarde zu bilden. Die Theoriearbeit, die weder mehr noch minder wichtig in Relation zu den anderen Bereichen ist, muss stärker gefördert werden. Sie wird bis dato kaum betrieben. Gegenöffentlichkeit und politische Pressure Groups gibt es mittlerweile unzählige. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Was fehlt sind eine korrigierende radikale Revolutions-Partei, die die AfD vor sich hertreibt, Thinktanks, die die Ideen und Übergangsforderungen produzieren sowie eine ernstzunehmende Gegenkultur, die die geistigen Voraussetzungen schafft, die kulturelle Hegemonialmacht der herrschenden Klasse zu brechen.

Die Rechte ist, trotz des gegenwärtigen Aufwinds, immer noch in den Kinderschuhen und nicht auf der Höhe der Aufgaben ihrer Zeit. Will sie nachhaltig erfolgreich sein, muss sie anfangen interdisziplinär, komplex und vor allem nichtlinear zu denken. Sie muss lernen die Bewegung selbst, die Verhältnisse von Widersprüchen zu denken. Sie muss vor allem einen Weg finden den weltanschaulichen Kern des Identitären herauszuarbeiten, die Grenzen zwischen den Strömungen in Inhalt und strategischer Ausrichtung zu erkennen und in einem weltanschaulichen Ringen miteinander die wichtigsten Positionen ausdiffundieren.

 

 

Wer sich an diesem Prozess beteiligen will, ist herzlich eingeladen uns beim Seminar am 14. September 2024 zu besuchen und gemeinsam mit unseren Referenten zu diskutieren. Über solche Seminaraktivitäten hinaus, verwirklicht MetaPol mit der AGORA Europa bereits jetzt eine ähnliche Funktion einer Plattform Rechter verschiedener Couleur. Auch hier wollen wir bewusst andere Autoren ansprechen.

 

Es ist Zeit für Debatten, es ist Zeit aus den Kinderschuhen herauszukommen. Wir antworten also auf die Frage „Was tun?“ mit:

Die nächste Stufe in einem Entwicklungsprozess erreichen, der eine rechte Wende hervorruft.

 

 

[1] Sellner, M. (2023, S. 77 f.)

[2][2] Ebd. S. 25

[3] Der Begriff wird hier in seiner Bedeutung des „Getrenntseins“ verwendet. Zwischen einer höheren Ordnung und dem Menschen entsteht eine Kluft, ein Graben (Sund).

[4] Ebd. S. 26-28

[5] Vgl. hierzu ebd. S. 55 f.

[6] Sanfter Totalitarismus bzw. Soft-Power ist die Ausübung von Macht mithilfe psychologischer Mittel, die meistens einen paternalistischen (also bevormundenden) Charakter haben, während Hard-Power der Einsatz von konkreten Zwängen und Strafen ist.

[7] Der Autor zeichnet das Bild einer Meinungsklimaanlage, mit der die „Demokratiesimulation“ aufrechtgehalten wird, in dem in einem hermetisch abgeriegelten Treibhaus das Meinungsklima künstlich erzeugt und jede Opposition im Keim erstickt wird. Vgl. hierzu ebd. S. 34-42

[8] Ebd., S. 60 f.

[9] Ebd., S. 61-63

[10] Ebd., S. 64 f.

[11] Ebd., S. 66 f.

[12] Ebd., S. 68-71

[13] Vgl. seine Ausführungen zur Theoriebildung, die er damit beauftragt sehen will, sich um möglichst breite Anschlussfähigkeit bei gleichzeitiger Bewahrung und Herausbildung des weltanschaulichen Kerns zu kümmern. Hier wird der Leser vielleicht einwenden wollen, dass doch auch radikale Inhalte hübsch verpackt werden können. Doch Sprache (Form) wirkt die Botschaft (Inhalt) zurück. In diesem Kontext verwässert.

[14] Ebd. S. 300, Fußnote Nr. 115

[15] Vgl. hierzu ein Bericht der NZZ vom 5. April 2018. Hart geführter Konflikt zwischen Fidesz und Jobbik. Verfügbar unter: https://www.nzz.ch/international/hart-gefuehrter-konflikt-zwischen-fidesz-und-jobbik-ld.1374330 (01.09.2024)

[16] Spiegel (2013). Die rechten Ideengeber des ungarischen Premiers. Verfügbar unter: https://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-orban-und-fidesz-bedienen-sich-bei-der-rechtsextremen-jobbik-a-880084.html (01.09.2024)

[17] Die heutige Jobbik hat mit ihrem Selbst von damals nichts mehr gemein und ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hat sich massiv an den Mainstream angepasst. Während sie in Zeiten einer hohen Radikalität und harten Kritik gegen die Fidesz auftrat, vereinte sie noch rund ein Fünftel der Wählerschaft (Parlamentswahlen 2014), während es heute weniger als 1 Prozent ist (Parlamentswahlen 2022, EU-Wahlen 2024).

[18] Lenin, W. I. (1970, S. 462). W. I. Lenin. Ausgewählte Werke Bd. III. Dietz-Verlag, Berlin

[19] Lenin, W. I. (1903). Brief an die Redaktion der „Iskra“.

[20] In der Geschichte wird die Revolution von 1905 als gescheitert betrachtet. Wir sehen darin den ersten Versuch, ohne den die Februar- und die Oktoberrevolution 1917 nicht möglich gewesen wäre, da durch die Aktivitäten (Verhalten) der Massen in Sankt Petersburg neue Verhältnisse geschaffen wurden. Der Zar hatte den Schießbefehl herausgegeben. Die Gründung der Staatsduma war das feigenblättrige Zugeständnis der herrschenden Klasse und setzte damit weitere Entwicklungen in Gang, die in eine richtige Revolution im Sinne der Umwertung aller Werte mündete.

[21] Lenin, W. I. (1970, S. 462).

[22] Wir unterscheiden hierbei zwischen dem Arbeiter bzw. Werktätigen und dem Kleinbürger, da viele Handwerker und auch Industriearbeiter, die am Förderband bei einem Automobilkonzern stehen, mittlerweile die ökonomischen Verhältnisse von Kleinbürgern besitzen. Hingegen ist es bei kleineren Betrieben meist im Osten weitaus prekärer, wenn auch nicht im Sinne des Proletariats, wie es Marx, Engels und Lenin aufgefasst hatten. Letzteres existiert heute kaum bis gar nicht mehr. Eine heftige Wirtschaftskrise könnte jedoch wieder selbiges Hervorrufen und die Klassenunterschiede wieder verdeutlichen. Derzeit sind die Grenzen sehr fließend.

[23] Da BSW eine sehr junge Partei ist, kann dies noch nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden. Noch hat sich BSW kein konkretes Profil erarbeitet.

[24] Stiehler, G. (1972, S. 32). Geschichte und Verantwortung. Zur Frage der Alternativen in der gesellschaftlichen Entwicklung. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin

[25] Sellner, M. (2023, S. 224).

[26] So schreibt er auf S. 177, dass „die Anwendung von Repression (…) die Autorität der herrschenden Ideologie“ schwäche und „zu einer Repressionsspirale führen“ könne. „Die Opposition“ könne zudem „die Repression als Ressource und Werkzeug zur Delegitimierung der herrschenden Ideologie nutzen“.

[27] Die Chinesen haben dafür einen Ausdruck: „Die Akazie schelten, dabei aber auf den Maulbeerbaum zeigen“. Mao Zedong hat dieses Strategem immer wieder auf das alte Sprichwort „Ein Huhn töten, um den Affen Angst einzuflößen“ heruntergebrochen. Ihm wird daher der Satz „Töte einen, erziehe hundert“ nachgesagt. Es sagt nur aus, dass die Bestrafung nicht zu viele Leute gleichzeitig erfassen sollte, da der Erziehungseffekt sich in das Gegenteil umkehrt.

[28] Auch die Weltfinanzkrise 2008 blieb ungenutzt, da die Rechte einfach kaum Kompetenz auf den Gebieten Finanz- und Wirtschaftspolitik aufwies. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass sich Theoretiker eben doch mit solchen Themenkomplexen befassen.

[29] Ebd. S. 178 und 181

[30] Lenin, W. I. (1970, S. 462 f.)