Vom Märchen der Wohnungsnot 5: Eigentümer oder Mieter

von | 03. Dez. 2020 | Debatte

In dem folgenden fünften Teil seiner Artikelserie „Vom Märchen der Wohnungsnot“ geht unser Autor Manfred Aengenvoort auf den Vergleich zwischen Eigentum und Miete einer Immobilie ein. Aengenvoort kann durch seine über 30-jährige Tätigkeit als Immobilien-Investor und Inhaber eines Bauberatungs- sowie Verwaltungsunternehmens auf ein umfangreiches Fachwissen zurückgreifen, welches ihn zu einem regelrechten Experten für Fragen rund um Immobilien macht. Die Redaktion

Vierundvierzig Prozent der Deutschen wohnen in Eigentum. Sechsundfünfzig Prozent als Mieter. Nur in der Schweiz ist die Eigentümerquote im europäischen Vergleich noch niedriger. 2018 betrug sie bspw. in Portugal 74,5%, in Slowenien 75,1%, in Spanien 76,3%, in der Tschechischen Republik 78,7%, in Norwegen 81,3%, in Lettland 81,6%, in Estland 82,4%, Bulgarien 83,6%, Polen 84%, Ungarn 86%, Litauen 89,9%, Kroatien 90,1%, in der Slowakei 91,3% und in Rumänien 94,4%. Zumeist Länder, die ärmer sind als Deutschland. Der Wertverfall der Kapitalvermögen infolge der seit 2007 anhaltenden Weltwirtschaftskrise traf die Immobilienbesitzer („Betongold“) weit weniger, als den Rest der Bevölkerung. Die Besitzer selbst genutzter Immobilien verfügen im Schnitt über ein Vermögen von 275.000,00 €, Mieter kommen dagegen lediglich auf 24.000,00 €. Angesichts der zunehmenden Altersarmut ist das ein weiteres Argument für die frühe Eigentumsbildung. In den meisten Gebieten Deutschlands lebt der Eigentümer einer selbstgenutzten Immobilie (trotz der Kosten der laufenden Instandhaltung) preiswerter als der Mieter. Und erspart im Rentenalter, wenn er sich frühzeitig zum Erwerb entschieden hat, einen erheblichen Teil der Miete. Eigentlich die gesamte Nettokaltmiete, er muss aber dagegen die Kosten der Instandhaltung tragen. Das derzeitige Zinsniveau führt dazu, dass er lediglich das 1,25-fache des aufgenommenen Kredits zurückzahlen muss. Früher war das in der Regel das 2,7-fache. Ein weiterer Vorteil: Die Immobilie zwingt zum Sparen. Die Guthaben aus Versicherungen, Bausparverträgen etc. können zumeist über Nacht „verflüssigt“ werden. Und werden oft für teure Urlaube, Konfirmationsfeiern o. ä. ausgegeben. Die meisten dieser Verträge erleben das vorgesehene Ende nicht. So schnell lässt sich das in der Immobilie steckende Vermögen in der Regel nicht zu Bargeld machen. Da muss der teure Auslandsurlaub ausfallen und die freie Zeit stattdessen im Garten verbracht werden. Angesichts der aufgezeigten Vorteile und Notwendigkeiten sollte der Staat die Schaffung von Eigentum für die breiten Schichten des Volkes fördern. In der Zeit des historisch niedrigen Zinsniveaus und dem geringen Anteil an Eigentümern müsste es heißen: Wann, wenn nicht jetzt?

Die Möglichkeiten des Staates sind vielfältig. Die Kommunen könnten preiswerte Grundstücke zur Verfügung stellen und mit Hilfe vertraglicher Regelungen die Spekulation mit diesen weitgehend ausschließen. Die Länder könnten für die erstmalige Schaffung selbstgenutzten Wohneigentums die oft verdreifachten Grunderwerbsteuersätze senken oder auf die Erhebung der Steuer in Gänze verzichten. Grundsteuervergünstigungen und Gerichtsgebührenbefreiungen waren über Jahrzehnte Maßnahmen zur Wohneigentumsförderung. Bewährte Instrumente, auf die man jederzeit wieder zurückgreifen könnte. Wo Licht ist, ist aber zugleich auch Schatten.

Das niedrige Zinsumfeld und die ständig steigenden Anforderungen durch Bauvorschriften im Zusammenhang mit der politisch gewollten Energieeinsparung haben ebenso wie steigende Baulandpreise durch eine verfehlte Politik bei der Baulandausweisung durch die Kommunen die Erwerbskosten explodieren lassen. Das erforderliche Eigenkapital konnte nicht mitwachsen. Insbesondere nicht, weil wir in Deutschland seit etwa 30 Jahren keine nennenswerten Reallohnsteigerungen hatten. Die Zinspolitik der Zentralbanken seit 2007 ließ wegen fehlender Zinsen auf Sparvermögen diese auch kaum anwachsen. Vielen Haushalten fehlt also das nötige Eigenkapital, um eine Baufinanzierung bei Banken, Bausparkassen oder Versicherungen zu erhalten. Hier müsste der Staat zwingend einspringen. Immerhin sind es seine Maßnahmen, die dazu geführt haben, dass das Eigenkapital nicht im ausreichenden Maße mitwachsen konnte. Eine Bürgschaft in Höhe des fehlenden Eigenkapitals wäre das geeignete Mittel. Das immer gegebene Ausfallrisiko könnte mit einer Bürgschaftsgebühr in Höhe von bspw. 0,5% des verbürgten Betrages abgedeckt werden. Das wäre eine Möglichkeit, ohne den Einsatz von Steuergeldern Wohnungsbauförderung für die breiten Schichten des Volkes zu betreiben und außerdem zur Entlastung des Mietwohnungsmarktes beizutragen. Schließlich macht jeder Mieter, der Eigentümer wird, eine Mietwohnung frei.