Unser militärisch versierter Stratege Ernst Rahn, befasst sich in diesem Kurz-Essay mit Grundlagen der Strategie & Taktik. Am 14. September 2024 veranstaltet MetaPol dazu eine Strategiekonferenz, wobei auch unser Autor einen Vortrag zum Thema vertiefend widergeben wird. Wer Interesse an dem Thema sowie an der Konferenz hat, kann sich gerne unter seminar@gegenstrom.org oder via Threema bei der ID NZZH695Z melden. Die Redaktion
Wer die politische Lage analysiert und daraus einen politischen Willen zur Änderung entwickelt hat, steht vor großen Aufgaben. Um das eigene Handeln zielführend und folgerichtig ausrichten zu können, bedarf es neben Idee und Ziel vor allem der Strategie. Seit 1945 mangelte und mangelt es den Akteuren der deutschen Rechten sehr häufig an strategischem Denken, was dafür sorgte, dass viele Aktionen, Kampagnen und Organisationen ins Leere liefen. Oft ist zu beobachten, dass verschiedene Taktiken nach Belieben angewandt werden, ohne dass dahinter eine Strategie die Richtung und einen Wertmesser vorgibt. Strategien werden überall da nötig und angewandt, wo langfristig gehandelt wird. Dies gilt in jedem Bereich, sei es in der Wirtschaft, dem Militär oder der Politik. Besonders die militärische Theorie und Praxis gewähren sehr griffige Einblicke und können ein Verständnis darüber vermitteln, was Strategie und Taktik bedeuten. Erkenntnisse aus diesem Fachgebiet werden schon sehr lange von erfolgreichen wirtschaftlichen und politischen Unternehmungen angewendet.
Carl von Clausewitz, der wohl größte Militärtheoretiker und -philosoph, unterscheidet Strategie und Taktik in seinem international studierten Standardwerk „Vom Kriege“ wie folgt: Die Taktik entscheidet wie ein Gefecht geführt wird, die Strategie entscheidet wo, wann und zu welchem spezifischen Zweck die Gefechte im gesamten Kriegsverlauf geführt werden. Aus dieser Kernformel lassen sich zahlreiche Erkenntnisse ableiten.
Eine Strategie ist ein langfristiger Plan zum Erreichen eines Ziels. So wie für Langzeitziele Teilziele definiert werden, die den Weg zum letztlichen Erfolg ebnen sollen, kann eine Gesamtstrategie auch Teilstrategien enthalten, welche dazu dienen Teilziele umzusetzen. Es ist für große Unternehmungen unabdingbar langfristige Ziele abzustecken, langfristig zu planen und zu handeln. Die strategische Planung gießt dies in eine Form, an der sich das Handeln ausrichten muss.
Der strategische Planungsprozess muss stets auf einem möglichst umfänglichen Bild von der Lage basieren und darf nie enden. Mit dem Begriff der Lage werden alle für die Handlungsmöglichkeiten als relevant erkannten Gegebenheiten zusammengefasst. Dies beinhaltet den Zustand der eigenen und der feindlichen Kräfte sowie äußerer Umstände, welche teilweise beeinflussbar (bisher neutrale Drittparteien) und teilweise nicht beeinflussbar (Wetter / Jahreszeit) sind. Nur ein klares Lagebild erlaubt folgerichtiges Planen.
Der Planungsprozess darf nicht enden, nachdem damit begonnen wurde die Strategie umzusetzen. Die Lage ändert sich stetig, sei es, weil neue Erkenntnisse sie schärfen oder unvorhergesehene Entwicklungen eintreten. Die Strategie ist entsprechend stetig anzupassen, damit sie in der Wirklichkeit verhaftet bleibt. Wird versäumt die Lage ausreichend zu erfassen und / oder zu berücksichtigen ist die Strategie zum Scheitern verurteilt. Für diesen Fall wurde der Begriff der Non-Strategie geprägt[1]. Um, diesen Anpassungsprozess zu gewährleisten muss stets die Frage gestellt werden ob in der Strategie gesetzte Schritte noch der Lage gerecht werden und ob sie dem Ziel noch dienen. Fällt die Antwort negativ aus ist eine Änderung vorzunehmen. Daraus geht hervor, dass strategisches handeln nicht nur eine Erfolgskontrolle nötig, sondern diese überhaupt erst möglich macht. Nur eine an einem Ziel ausgerichtete Strategie erlaubt es das eigene Handeln wirklich in die Perspektive der korrekten Ausrichtung zu setzen. Dies soll nun für die Kriegsführung betrachtet und dann mit der Politik verglichen werden.
Nach Clausewitz ist der Krieg ein politisches Mittel, mit dem Zweck dem Feind den eigenen Willen aufzuzwingen. Endziel eines Krieges ist es entsprechend immer den Feind wehrlos zu machen. Im politischen verhält es sich im Kern ebenso. Zweck des politischen Handelns ist es den politischen Feind in die Machtlosigkeit zu versetzen, um das Ziel der Durchsetzung des eigenen Willens zu erreichen. Jede Handlung, jede Taktik, jede Operation einer Armee ist im Kontext der Gesamtunternehmung zu denken und auszurichten. Ob und wie gehandelt werden kann und muss entscheiden in hohem Maße die Umstände, also die eigenen und die feindlichen Kräfte sowie nicht beeinflussbare Faktoren. Es ist entscheidend zu erkennen wann welche Handlung Erfolg verspricht und wann sie deplatziert ist. Der Fokus auf einen taktischen Sieg an einer gewissen Stelle oder zu einem Zeitpunkt kann dafür sorgen, dass das angemessene Handeln an entscheidender Stelle oder zum entscheidenden Zeitpunkt nicht möglich ist. Werden beispielsweise die eigenen Kräfte in einer Schlacht aufgewendet, um einen taktisch großen, strategisch aber unbedeutenden Sieg zu erringen, kann dies dazu führen, dass an entscheidender Stelle Kräfte fehlen und der Krieg verloren wird. Hier tritt wieder hervor warum der strategische Blick unerlässlich für die tatsächliche Erfolgskontrolle ist. In der Militärgeschichte ist zu lernen, dass es in der Vergangenheit oft zum internen Konflikt zwischen operativer und strategischer Kriegsführung kam. Die rein operative Sichtweise fokussiert sich darauf den Feind im Feld zu schlagen. Formal ist dies das natürliche Ziel des Krieges, in gewisser Weise wurde dabei jedoch im Tunnelblick gedacht. Die strategische Kriegsführung weitet den Blick und berücksichtigt Faktoren welche die eigene und die feindliche Handlungsfähigkeit bedingen. Um das letztliche Ziel zu erreichen ist es zuweilen nicht damit getan, den Feind wiederholt taktisch zu schlagen. Zeit und daran hängende Faktoren spielen eine wesentliche Rolle. Wie lange ist es möglich den Krieg taktisch erfolgreich fortzusetzen? Wird der Feind dabei vernichtend geschlagen oder gewinnt er trotz Niederlagen an Stärke, sodass das Kräfteverhältnis künftig kippen wird? Wird die eigene Wirtschaft lange genug fähig sein die eigenen Kräfte ausreichend zu versorgen bzw. genügen die Rohstoffe oder ist es vielmehr unabdingbar den Fokus der Operationen auf Rohstoffgewinnung zu legen[2]? Auch im politischen Handeln rechter Organisationen lässt sich dies beobachten. So wurden häufig viele Kräfte auf Aktionen konzentriert, ohne zu hinterfragen ob ein taktischer Erfolg überhaupt einen strategischen nutzen hätte. Nicht selten wurden Zeit und Mittel für gewisse Wahlkämpfe aufgewandt, um selbst abgesteckte Ziele zu erreichen, die auch bei Erfolg im Gesamtkontext unbedeutend waren[3]. Zeit und Mittel sind immer begrenzt und müssen für Handlungen aufgewendet werden, welche im gesamtstrategischen Kontext Erfolg versprechen.
Wie bereits betont ist das Lagebild entscheidend für die strategische Planung. Dazu gehört auch die Feindlage. Im Krieg ist zumeist klar wer der Feind ist, es ist jedoch von immanenter Bedeutung möglichst viel darüber zu wissen welche Mittel, Möglichkeiten und Ziele der Feind hat. Nur so wird es möglich die eigenen Kräfte folgerichtig, also mit angemessenem Gewicht, zu richtiger Zeit am richtigen Ort, einzusetzen. Wenn bekannt ist, dass der Feind einen Angriff vorbereitet, zudem mit der Zeit stärker und letztlich ein deutliches Kräfteübergewicht gewinnen wird, sind die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu prüfen. Ist es möglich zu verhindern, dass der Feind an Stärke gewinnt? Ist es möglich ihm zuvorzukommen? Wenn ja wie, wo und unter welchem Krafteinsatz? Ein Präventivschlag kann strategisch der einzige Weg sein eine sicherscheinende Niederlage abzuwenden. Politisch und psychologisch ist davon zu lernen. Eine klare Feinderkennung und -ansprache ist auf vielen Ebenen unerlässlich. Im politischen Kampf kann ein Feind als Motivationsquelle und Fokus für Aktivitäten sowie als Maßstab für Erfolg / Selbstbeurteilung dienen. Nur ein klares Bild vom Feind und dessen Lage erlaubt es nicht ins Leere zu operieren.
Erfolg und Misserfolg hängt im Krieg sehr häufig davon ab, wie anpassungsfähig, wie kreativ die Führung einer Armee ist. Es gilt: Führe nicht den letzten Krieg! Es gilt aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen und in der gegenwärtigen Lage zu handeln. Große Strategen und Feldherren waren immer bereit der Lage nicht mehr entsprechende Konzepte aufzugeben und kreative Anpassungen vorzunehmen. Ulysses S. Grant formte dazu folgende Gedanken: „Einige unserer Generäle scheiterten, weil sie sich bei allem streng an die Regeln hielten. Sie wussten, was Friedrich der Große an einem Ort gemacht hatte und Napoleon an einem anderen. Sie dachten ständig darüber nach, was Napoleon tun würde. … Ich unterschätze den Wert des militärischen Wissens nicht, doch wenn Männer sich im Kriege sklavisch an die Regeln halten, werden sie scheitern. … Krieg ist progressiv.“[4] Dies lässt sich direkt auf das politische Wirken übertragen. Um Erfolge zu erlangen ist geistige Agilität gefragt. Zwar ist die Politik immer durch die menschliche Psyche, welche sich im Kern nicht ändert, bedingt, doch ist die Lage stets im Wandel. Was einmal funktioniert und eine Regierungsänderung ermöglicht hat, kann nicht wiederholt werden, wenn die Lage eine gänzlich andere ist[5]. Es ist sehr wertvoll aus der Revolutionsgeschichte zu lernen. Jedoch ist es elementar daraus abzuleitende Konzepte in die tatsächlichen Gegebenheiten einzubetten.
In den Bereich der Agilität fällt auch der Umgang mit unerwarteten Ereignissen, Lageänderungen oder gar Niederlagen. Der erfolgreiche Stratege ist geistig widerstandsfähig und rechnet von vorherein damit, dass nicht alles so kommt, wie er dies wünscht. Clausewitz schreibt dazu: „So stimmt sich im Kriege durch den Einfluß unzähliger kleiner Umstände, die auf dem Papier nie gehörig in Betrachtung kommen können, alles herab, und man bleibt weit hinter dem Ziel.“ Moltke fasste dies kürzer mit „„Kein Operationsplan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus.“ Bei militärischen Offensivoperationen sind immer Rückfallräume, Reserven und operativer Spielraum berücksichtigt, um auf die Ereignisse reagieren zu können und auch den Schaden von Misserfolg zu begrenzen. Ebenso gehen defensive Pläne nie davon aus, dass die vordere Linie einem Angriff immer standhält. Politisch wie militärisch ermöglichen es geistige Widerstandsfähigkeit und eine agile Planung Niederlagen nicht nur auszuhalten, sondern deren negative Wirkung zu begrenzen und ggf. sogar Erkenntnisse zu gewinnen. Es ist immer unabdingbar die Niederlage mitzudenken.
Die beste Strategie ist letztlich wertlos, wenn sie im luftleeren Raum steht. Zur erfolgreichen Planung und Durchsetzung bedarf es einer passenden Struktur / Truppe. Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit sind kritische Elemente in Kriegsführung und Politik. Wer geistig und physisch schneller entscheidet und handelt kann die Richtung des Kampfes bestimmen. Der Aufbau einer passenden Struktur ist in sich bereits eine zentrale strategische Entscheidung. Das deutsche Militär war vom 19. Jahrhundert bis 1945 operativ (!) so erfolgreich und überlegen, weil die militärische Führung genau dies zu ihrem Kernelement erkor. Der deutsche Generalstab war strukturell anpassungsfähig, unterzog sich stetiger Selbstprüfung und übertrug seine Struktur auf die Glieder der gesamten militärischen Organisation. Entscheidender Grundsatz war es keine starren Befehle vorzugeben und auszuführen, sondern strategische Weisungen auszugeben, welche sich auf das Gesamtziel bezogen. Diese Weisungen waren immer dem Geiste nach zu befolgen, nicht dem Wortlaut. Dies erzieht Offiziere zum eigenen selbstbewussten Handeln und erlaubt die notwendige geistige Agilität, um der Lage gemäß zu handeln, statt nur Befehlen zu folgen. Auch politisch waren immer diejenigen erfolgreich, welche geistig beweglich und schnell handlungsfähig waren. Revolutionäre haben nicht nur erkannt wann und wo zu agieren war, sondern waren geistig schneller und beweglicher als die starre Reaktion.
Abschließend ist festzuhalten, dass strategisches Denken in jedem Bereich unerlässlich ist, um langfristig erfolgreich agieren zu können. Strategisch denken heißt, der Lage gemäß über die aktuelle Schlacht hinaus zu denken. Das eigene Handeln ist in den Kontext der Umstände und des letztlichen Ziels einzubetten. Strategisches Planen schafft den Pfad zum Erfolg und darf niemals starr sein.
Nur wer aus der Vergangenheit lernt und in der gegenwärtigen Wirklichkeit verhaftet geistig agil handelt, wird die Zukunft bestimmen können.
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[1] So hat Martin Sellner sich in seinem Werk „Regime Change von Rechts“ mit Non-Strategien befasst, welche auf unterschiedliche Weise die tatsächlichen Umstände verkennen und somit nicht zum gedachten Erfolg führen können.
[2] Ein Beispiel für diesen Ausrichtungskonflikt liefert der zweite Weltkrieg. Bei der Kriegsführung des deutschen Reiches gegen die Sowjetunion bestand eine Diskrepanz zwischen operativer Kriegsführung mit Fokus auf Schlagen des Feindes im Feld und dem gesamtstrategischen Blick, besonders im Bezug auf die Eroberung von Öl und anderen Rohstoffen, um die deutsche Armee überhaupt operationsfähig zu halten. Unter anderem spielt auch hier wieder ein falsches Bild von der Lage, mit der Unterschätzung der Stabilität und gewaltigen Ressourcen der Sowjetunion eine Rolle.
[3] Nicht selten sind Verbände rechter Parteien mit hohem Aufwand zu Wahlen angetreten, nur um das erklärte Ziel zu erreichen dass die Wahlkosten wieder eingespielt werden sollen. Dieser „taktische Erfolg“ ist im Kontext (einer ohnehin nicht vorhandenen) Strategie weitgehend unbedeutend.
[4] Grant war General der Union im amerikanischen Bürgerkrieg. In diesem Krieg wird besonders deutlich, dass überlegene Mittel allein nicht genügen, wenn das strategische Handeln fehlt. Zu Beginn des Krieges haben die Streitkräfte der Union trotz zum Teil massiver Überlegenheit schwere Niederlagen erlitten. Dies liegt vor allem daran, dass die Generäle der Konföderierten flexibler und kreativer agierten. Die Wende kam nicht nur mit einer zunehmenden Überlegenheit der Union, sondern auch damit, dass die Offizieren geistig agiler handelten.
[5] Eine gewisse Ignoranz der tatsächliche Lage gegenüber tritt in der deutschen Rechten seit 1945 zutage. Sehr viele Gruppierungen haben versucht den Weg der Nationalsozialisten bis 1933 zu wiederholen. Selbstverständlich nicht immer im politischen Sinne einer erneuten Umsetzung des Nationalsozialismus, sondern im praktischen Sinne der Taktik. So wurde versucht mit ähnlichen Methoden die Masse für sich zu gewinnen, um auf dem gleichen Wege zur Macht zu kommen. Diese Non-Strategie war jedoch nicht in die vollkommen veränderte Lage gegenüber derjenigen in der Weimarer Republik eingebettet und damit zum Scheitern verurteilt.