Michael Dangel – Industrie 4.0 und sinkende Arbeitsproduktivität: Kein Paradoxon

von | 11. Jan. 2022 | Debatte

Unser Autor Michael Dangel, Wirtschaftswissenschaftler und Verfechter einer stark liberalisierten Wirtschaftsordnung, postuliert, dass keine vierte industrielle Revolution stattfindet und es demnach auch vorerst keine Industrie 4.0 geben wird. Er widerspricht damit der gegenwärtigen Parole der Bundesrepublik, Deutschland sei in einer tiefgreifenden Umwälzung seiner Wirtschaftsstruktur begriffen und auch dem Großteil seiner Kollegen in den Wirtschaftswissenschaften. Insbesondere Ernst Wolff, der sich in jüngster Zeit zum Themenkomplex um den „Great Reset“ eine Bekanntheitsgrad erarbeitet hat, aber auch zum Thema „Industrie 4.0“ Beiträge liefert.

Hier der Verweis zum thematisch gleichen, aber eine diametrale Position einnehmenden Video, von Ernst Wolff.

 

Industrie 4.0 und sinkende Arbeitsproduktivität: Kein Paradoxon

Langfristige Prosperität einer Volkswirtschaft

Politikdarsteller im Allgemeinen und die Pseudo-Volksvertreter Buntlands im Besonderen denken nicht langfristig, sondern in Legislaturperioden. Mit dieser Binsenweisheit einher geht ein allenfalls oberflächliches Wissen über wesentliche Politikbereiche, zu dessen immer noch eklatant unterschätztes Streitfeld die Ökonomie gehört. Die Lehre des Hauhaltens wird euphemistisch ausgedrückt in aller Regel im bundesrepublikanischen Politikbetrieb zur politischen Ökonomie verengt,

in Wahrheit handelt es sich aber nahezu ausnahmslos um ein unsubstantiiertes Politisieren über ökonomische Fragen.

Die Buntland-Phrasendrescher schwadronieren jeden Tag von der Notwendigkeit der Dekarbonisierung sowie der Digitalisierung, um die ‘Zukunft der deutschen Wirtschaft‘ zu sichern, und denken wie immer zu kurz: Die zwei entscheidenden Faktoren für die langfristige Prosperität jeder Volkswirtschaft und gerade der deutschen sind die schiere Zahl der Erwerbslosen sowie deren Arbeitsproduktivität.

Der drohende Volkstod, der mit der tumben, politisch korrekten Phrase des demographischen Wandels verharmlost wird, ist an vielen Stellen von brillanten Wissenschaftlern analysiert und anschaulich dargestellt worden, allein: Um die offensichtlichen Folgen für den ethnischen Identitätskern schert sich in der Mehrheitsgesellschaft keine Sau! Hubert Dröscher ist es zu verdanken, dass er bereits zu Beginn der 80er Jahre aus Sicht der Vertreter der nationalen Idee auf die katastrophale Bevölkerungsentwicklung in Westdeutschland hinwies.

Es erscheint unausweichlich, dass viele Buntlandschafe dereinst das Schaudern ergreifen wird, wenn wir ihnen mit Hubert Dröscher vorhalten, dass schon seit 40 Jahren aufgezeigt wurde, wie sich Großstädte in der multikulturellen Sektion Mitteleuropa, vormals Deutschland, durch massenhafte fremdrassige Zuwanderung entwickeln werden: zu einem Eldorado für staatliche Kostgänger, geprägt von Degeneration auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Selbst bei politisch unauffälligen Feld-, Wald- und Wiesenökonomen ist der mahnende Unterton nicht zu überhören, der drohende Volkstod und die Umvolkung seien wohlfahrtsgefährdende Faktoren, wenngleich natürlich vorgenannte ‘Brutalo‘-Begriffe durch die üblichen Buntland-Worthülsen ersetzt werden.

Veranschaulichung der Wirkung der Produktivitätserhöhung anhand der Edgeworth-Box

 

Ohne jetzt hier den ökonomisch ungeschulten Laien völlig zu überfordern, soll das obige Schaubild mit einer sogenannten Edgeworth-Box deutlich machen, um was es geht. Man nehme in einer fiktiven Rudimentärwirtschaft zwei Haushalte und zwei Güter, die in gegebenem Umfang vorhanden sind. Je nach Neigung (individuelle Nutzenfunktion), Brot oder Kuchen zu konsumieren, ergibt sich bei bestimmten Preisen eine andere Verteilung der beiden Güter Brot und Kuchen zwischen den Haushalten A und B. Dabei wird ein sogenanntes Pareto-Optimum vorausgesetzt, also eine Gleichgewichtssituation, in der die Gesamtwohlfahrt als Zielgröße der betrachteten Individuen optimal ist, in der also keine weitere Veränderung der Güterverteilung möglich ist, ohne jemand anderem zu schaden. Dort, wo sich die Indifferenzkurven (graue Kurven) der beiden Haushalte treffen, kommt es zu einem paretooptimalen Kontrakt (rote Kontraktkurve).

In der modernen ökonomischen Theorie hat bei mikroökonomischer Betrachtung jedes Individuum eine andere Nutzenfunktion bezüglich bestimmter Güter und trifft daher bei gegebenem Einkommen andere Entscheidungen. Diese intersubjektiv unterschiedliche und nicht vergleichbare Nutzenfunktion lässt sich am besten veranschaulichen bei der Wahl zwischen Arbeit und Freizeit bei vorgegebener Gesamttageszeit von 24 Stunden. Je nach angebotenem Stundenlohn wird sich das Individuum in der Theorie für mehr Arbeit oder mehr Freizeit entscheiden.

War insbesondere in der Wirtschaftstheorie vor dem Siegeszug der österreichischen Grenznutzenschule die aus heutiger Sicht irre Vorstellung vorherrschend, man könne den Nutzen intersubjektiv messen, also aus der Ökonomie eine messbare Wissenschaft machen, wurden diese Illusionen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Österreichischen Schule theoretisch begraben. Seit der Weltfinanzkrise 2007 und den folgenden Jahren, in der die Wirtschaftswissenschaft mit ihren vorherrschenden und immer noch ökonometrischen Modellen ihren Offenbarungseid ablegte, ist die Tauglichkeit quantifizierbarer ökonomischer Modelle auch praktisch widerlegt. Mit der Weltfinanzkrise als Folge der US-Subprime-Krise ist das Denkmodell und der Homunkulus des „Homo Oeconomicus“ endgültig gestorben oder ist besser gesagt im zigtausend Grad heißen Sonnensturm der Realität für immer verdampft.

Was bewirkt nun in unserem „Brot/Kuchen“-Schaubild eine Steigerung der (Arbeits-)Produktivität? Die Fläche des Rechtecks nimmt bei einer Produktivitätssteigerung um das Zweifache, Dreifache, ja X-fache zu. Hier wird bereits klar, warum sich der Verfasser die Mühe eines wirtschaftstheoretischen Exkurses macht. Denn jeder Realist reibt sich die Augen in Anbetracht einer derartigen Technologie- und Machbarkeitsgläubigkeit in Anbetracht saturierter Märkte und stetigem technologischen Fortschritt. Es gibt dann also irgendwann zehnmal so viel Kuchen und Brot, jeder Haushalt hat alles in Hülle und Fülle. Keiner muss eigentlich mehr etwas arbeiten und wenn, dann viel weniger als bisher. Das Schlaraffenland ist nahe, ja sogar die Verwirklichung des schwachsinnigen linken Diktums: „Alles für alle – und zwar umsonst.“ Böswillig gesagt ist dies die utopische Vorstellung, die Denke, welche sich die Protagonisten der Idee der „Industrie 4.0“ allen Ernstes zu eigen machen. Dies soll im Folgenden herausgearbeitet werden.

Faktor Arbeitsproduktivität

Um die mitunter bei manchen Lesern schon im Prolog einsetzende Schnappatmung nicht weiter voranschreiten zu lassen, soll im Weiteren die Frage der Qualität der Arbeitskräfte aufgrund Herkunft und Rasse nicht weiter analysiert werden, sondern der Verfasser beschränkt sich auf eine ‘technische‘ Analyse der Auswirkung der Arbeitsproduktivität ‘eines‘ Menschen, den es unstrittig aber losgelöst von Herkunft und Rasse und der damit verbundenen evolutionsbiologischen Determinierung realiter nicht gibt.

Arbeitsproduktivität definiert sich ganz allgemein als Quotient aus Ausbringung („Output“) geteilt durch Arbeitseinsatz, auf gut deutsch: Was kommt also raus, wenn ein durchschnittlicher Mitarbeiter – mitunter detailliert untersucht in bestimmten Wirtschaftszweigen – eine Stunde oder einen Tag seine Arbeit verrichtet.

Quelle: Statistisches Bundesamt 2021

 

Um der Wahrheit die Ehre zu erweisen und nicht zuletzt der akademischen Redlichkeit wegen muss insofern der Titel dieses Beitrags richtiggestellt werden. Unstrittig ist, dass seit wissenschaftlicher Erfassung der Arbeitsproduktivität bis auf die Krisenphasen die Arbeitsproduktivität nicht sinkt. Als solche veritablen Krisen sind zu nennen die Ölkrise 1973, danach mit akzelerierendem Tempo die Dotcom-Krise zur Jahrtausendwende, die Weltfinanzkrise ab 2007 sowie nun zuletzt die Corona-Krise 2020. Immer in diesen Großkrisen, die unabhängig von der früheren zyklischen Wirtschaftsentwicklung als Folge von Abschwung und Aufschwung einsetzten, kam es zu Durchbrechungen der generellen Tendenz der Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Der logische Grund hierfür sind Durchbrechungen von Lieferketten, Rohstoff- und Materialflüssen und möglicherweise auf die Zukunft gerichtet von Energie („Blackout“). Unter diesen dramatisch verschlechterten Rahmenbedingungen im Zeichen des Mangels kann grundsätzlich keine Steigerung der Arbeitsproduktivität einsetzen, mag auch der technische bzw. digitale Fortschritt gegeben sein und die Arbeitsproduktivität sich ceteris paribus erhöhen. Eklatant mangelnde Kapazitätsauslastungen führen zwingend zu sinkender Arbeitsproduktivität.

Auch in diesem Zusammenhang muss konzediert werden, dass die Faktoren Motivation und Zusammenarbeit bzw. Koordination („Teamwork“) im Rahmen dieser vorgelegten technischen Betrachtung außen vorgelassen werden, aber fraglos zumindest bei einer betrieblichen oder zumindest sektoralen Analyse eine erhebliche Rolle spielen.

Sinkende Arbeitsproduktivitätssteigerungen trotz dritter industrieller Revolution

Um es deutlich zu machen: Der Titel dieser Abhandlung müsste richtiger Weise heißen: „sinkende Arbeitsproduktivitätssteigerungen“ und eben nicht: „sinkende Arbeitsproduktivität“, denn bis auf die angeführten Krisen steigt die Arbeitsproduktivität grundsätzlich von Jahr zu Jahr. Was aber auffällig ist, wenn man die letzten 30 Jahre und damit eine Generation heranzieht, ist das Faktum, dass in diesem Zeitraum die Steigerung der Arbeitsproduktivität tendenziell nicht zunimmt, sondern sogar abnimmt. War die Steigerung der Arbeitsproduktivität von den 90er-Jahren bis 2007 noch durchweg positiv und durchschnittlich bei 1,25%, so ergibt sich seit der Weltfinanzkrise ab 2008 ein uneinheitliches Bild. Bis auf die Nachholeffekte der Jahre 2010 und 2011 als die Jahre nach dem Krisenhöhepunkt 2009 mit einem Absinken der Arbeitsproduktivität gegenüber dem Vorjahr um fast 6% in der zweiten Dekade des dritten Jahrtausends ist eine deutliche Abschwächung des Wachstums der Arbeitsproduktivitätssteigerung festzustellen. Mehr noch: In den Jahren 2012 bis 2019 ist in vier von acht Jahren ein Absinken der Arbeitsproduktivität zu konstatieren. Das „Corona“-Jahr 2020 als Sondereffekt mit einem Absinken der Arbeitsproduktivität gegenüber 2019 von fast 4% hat hier wie 2009 unberücksichtigt zu bleiben.

Was bleibt, ist ein volatiles Bild von vier Jahren mit Arbeitsproduktivitätserhöhungen gegenüber dem Vorjahr und vier Jahren eines Absinkens der hier untersuchten Größe in den Jahren 2012 bis 2019. Gemittelt ist unstrittig festzuhalten: Die saldiert über den Betrachtungszeitraum immer noch festzustellende Erhöhung der Arbeitsproduktivität ist gegenüber den zwei Jahrzehnten zuvor deutlich eingebrochen –  dabei müsste die von allen Seiten herbeigeredete Industrie 4.0, die teilweise ähnlich heilsbringerisch daherkommt wie ihre ökototalitäre Schwester Klimaschutz, im Zuge der umfassenden Digitalisierung von Seiten der Arbeitsproduktivität her durch die Decke gehen. Die Realität stellt sich freilich anders dar. 2012 bis 2019 ergibt sich eine durchschnittliche Arbeitsproduktivitätssteigerung von 0,31% und damit nach Adam Riese eine Viertelung des Durchschnittswertes für die Jahre 1992 bis 2007 für den sich 1,25% ergibt.

Industrie 4.0: Semantische Mogelpackung

Es muss auch im Hinblick auf das vorliegende Thema eine Philippika auf die deutschen Weltrettungsphantasien angestimmt werden. Mit dem Topos „Industrie 4.0“ soll also nach der Rettung der EU, des Euro, der (Flüchtlings-)Welt und des Klimas auch die Wirtschaft bzw. der Wohlstand trotz Vergreisung und offensichtlicher rassischer und volklicher Zersetzung der Erwerbstätigen gerettet werden. Unstrittig ist, dass der Begriff „Industrie 4.0“ ein deutsches Schlagwort, ja eine fixe deutsche Idee ist. Zwar wird der Begriff in anderen europäischen Ländern adaptiert, aber in den Nationen, in denen (zukünftig) die ökonomische Musik spielt, findet sich bezüglich der vermeintlichen vierten industriellen Revolution kein nennenswerter Widerhall.

Keine vierte industrielle Revolution

Mit der Wortschöpfung der „Industrie 4.0“ soll suggeriert und in Anlehnung an neue Softwareversionen semantisch implementiert werden, es handle sich bei der Kombination verschiedener Komponenten und Dimensionen der Digitalisierung um eine vierte industrielle Revolution. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die erste industrielle Revolution zeichnete sich durch die Mechanisierung infolge von Wasser- und Dampfkraft aus, worauf sich die zweite industrielle Revolution als Massenfertigung durch Fließbänder anschloss und schließlich im Hier und Jetzt als dritte industrielle Revolution durch Digitalisierung im Rahmen der Automatisierung der Produktion endete.

Wenn man die Organisationsgestaltungskomponenten der „Industrie 4.0“-Apologeten, nämlich: Vernetzung, Informationstransparenz, technische Assistenz sowie dezentrale Entscheidungen, heranzieht, erkennt man sofort: Sie bilden in ihrer Kombination nichts substantiell Neues, sondern optimieren auf allen Ebenen der Arbeit allenfalls die dritte industrielle Revolution, ohne eine weitere Stufe zu bilden.

Besonders erschreckend ist, und damit als veritabler Schlag ins Kontor der Vertreter der nationalen Idee zu werten, dass im Rahmen einer oberflächlichen Thematisierung der „Industrie 4.0“-Phantasmen die eigene selbstverschuldete Kinderarmut in rechten Kreisen schöngeredet, ja die all überall erkennbare Vergreisung als randständiges Problem verharmlost wird, mit dem hanebüchenen Argument, im Hinblick auf den Siegeszug der „Industrie 4.0“ brauche man ja gar nicht mehr so viele (junge) Leute. Hier hat man den Eindruck, die ansonsten als systemkritisch geltenden „Hinterzimmerrevolutionäre“ wollen damit ihre Verantwortungslosigkeit, nicht einmal mit ihrer Partnerin sich selbst zu reproduzieren, wegdiskutieren. Nur als kleine Nachhilfe: Der Begriff „überzeugen“ hat einen bevölkerungspolitischen Hintergrund: Wer mehr (Kinder) zeugt, überzeugt!

Warum lahmt die vierte industrielle Revolution, die keine ist?

Als ganz allgemeiner Grund ist der Status der bunten Republik als digitales Entwicklungsland anzuführen. Die von vielen als Corona-‘Plandemie‘ bezeichnete globale Gesundheitskrise hat es mehr als deutlich offengelegt: Deutschland ist im Hinblick auf die Digitalisierung im internationalen Vergleich dramatisch abgehängt worden. Das „kinderlose Weib aus Mecklenburg-Vorpommern“ (Dr. Reinhold Oberlercher), das 16 Jahre unser geschundenes Land bekanzlerte, machte bekanntlich die Digitalisierung zur Chefsache – und folgerichtig ist Buntland ins völlige EDV-technische Hintertreffen geraten. Schulen, die mit dem zweifelhaften Erfordernis der Beschulung zu Hause hoffnungslos überfordert waren, Gesundheitsbehörden, die sich manuell erstellte Datenauswertungen noch zufaxen und mit Karteikarten bzw. Akten wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten arbeiten – man könnte die Aufzählung vollständigen digitalen Versagens beliebig fortsetzen.

Aber es gibt sie, die extrem wettbewerbsfähigen Firmen, die enorm effizienzsteigernde Software für verschiedenste Problemstellungen entwickelt haben. Bei der Frage der praktischen Implementierung sind wir bei der Anwendungsproblematik angelangt. Im Rahmen der Industrie 4.0 als Pseudo-Revolution mangelt es zuallererst an kompetenten Anwendern. Neben einem generell desolaten staatlichen Schulsystem mit Leistungsphobie, dafür aber mit umso mehr ‘Migrantophilie‘ ist hier die Unterrepräsentanz der MINT-Studienabsolventen zu beklagen, die Thilo Sarrazin in seinem epochalen Werk „Deutschland schafft sich ab“ in unübertreffbarer Weise herausgearbeitet hat. Juristen, Wirtschaftswissenschaftler und Sozialpädagogen – all diese Berufe sind zwar nicht gänzlich sinnlos, für das ökonomische Fortkommen eines Landes aber gänzlich nachrangig. Ingenieure und Informatiker spielen die Musik in einer hochentwickelten Volkswirtschaft, alle anderen wirken nur im Hintergrund mit. Von beiden und insbesondere Letzteren gibt es viel zu Wenige.

Verstärkt wird dieser Mangel in der Spitze durch eine allgemeine Hilflosigkeit und Unfähigkeit im Umgang mit und in der Anwendung von Software. Denn gerade der Mittelbau und die digitalen Fußgänger müssen Software im Berufsalltag effizienzsteigernd anwenden können. Und wollen. Gerade hier liegt der Hase häufig im Pfeffer: Aus Angst vor neuen Hierarchien bei umfassender Digitalisierung in der Spitze sowie im Mittelbau und Fußvolk vor der Einführung von (neuer) Software gibt es erhebliche Widerstände bei Entscheidern, leistungsfähige und effizienzsteigernde Software überhaupt im Betrieb einzuführen. Häufig ist die Situation in Betrieben mit überalterter Führungsebene sogar so dramatisch aussichtslos, dass die digitale Distanz zwischen den Entwicklern und Pionieren von Software gegenüber Betrieben, die nach alter Väter Sitte noch mit Lieferscheinen und Formularen arbeiten, unüberwindbar groß ist. Im vorgenannten Fall führen dann die Anwendungsproblematik und die Aversion gegen den Einzug der Digitalisierung dazu, dass der ‘gute alte Betrieb‘ sich langfristig in einer Situation finden wird wie DDR-Kombinate nach der Grenzöffnung: Der Markt fegt die analogen Dinosaurier zu Recht aus dem Wettbewerb!

Als Folge der Niedrigst- und mittlerweile Nullzinspolitik in Kombination mit exzessiver Geldmengenausweitung zur Vermeidung eines weiteren „schwarzen Freitags“ im 21. Jahrhundert wurden zwar Großkrisen mit einer mehr als fragwürdigen Politik des Geldsozialismus verhindert, es hat aber eine Zombiefizierung der Wirtschaft auf breiter Front eingesetzt. Der Verdienst, den Sachverhalt zunehmend ertragsschwacher Unternehmen mit riesigem Verschuldungsgrad herausgearbeitet zu haben, kann Dr. Markus Krall gar nicht hoch genug angerechnet werden. Doyen dieser Betrachtungsweise ist aber Prof. Thomas Mayer, der ob der Niedrigstzinspolitik Japans seit Beginn der 90er Jahre von einer ‘Japanisierung‘ der Wirtschaft als Folge einer expansiven Geldpolitik spricht. Der Bezug zu der Umsetzungsproblematik im Hinblick auf die ausgebliebene vierte industrielle Revolution ist offensichtlich: Firmen werden seit Jahrzehnten durch Niedrigzinsen künstlich wie ein Komapatient vor dem Exitus bewahrt, haben aber im Zuge des ständig erhöhten Kreditbedarfs und mangelnder Kredittilgungsfähigkeit einen gigantischen Schuldenberg aufgebaut. Unter diesen Voraussetzungen wird der Bau einer vollautomatisierten Werk- oder Lagerhalle zu einem Ding der Unmöglichkeit, dabei würde genau ein ertragsschwaches Zombieunternehmen einen Effizienzsprung dringend für die Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit benötigen.

Und mit Blick auf die oben angeführte vollautomatisierte Lager- oder Werkhalle kommen wir zum fast unüberwindbaren Hindernis bei Umsetzung der Chimäre namens Industrie 4.0: der organisierten Belegschaft. Was passiert mit den braven, treuen Mitarbeitern, wenn statt vierzig Mitarbeitern in der Lagerhalle mit Schichtbetrieb im geplanten vollautomatisierten neuen Logistikzentrum nur noch vier Kollegen ihr Tagwerk verrichten können? „Das ist doch unsozial“, heulen die Arbeitnehmervertreter auf. „Das wird mit Sozialplan oder gar Transfergesellschaft superteuer und langwierig“, lässt die Geschäftsführung ihrem Unmut freien Lauf. Im Ergebnis werden infolge der geschilderten Problemlage halbherzig digitale Optimierungen eingeführt und es erfolgt nur eine moderate Freisetzung von Arbeitskräften. Im Ergebnis scheitert die Industrie 4.0 an den beteiligten Akteuren auf der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Einzige Hoffnung der verhinderten vierten industriellen Revolution: die Marktbereinigung. Nach Insolvenz oder übertragender Sanierung ist der Weg frei für die totale Digitalisierung und analoge Entkernung von ertragsschwachen Firmen aus der Zeit von Vorgestern.

Das Unvermeidliche: Bedingungsloses Grundeinkommen

Die Folgen der totalen Digitalisierung für die Mitarbeiter lassen sich nach Überzeugung humanistischer Träumer abfedern, wenn die Mitarbeiter durch ein ‘auskömmliches‘ bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) in der wunderbaren sozialen Hängematte Buntlands landen. Insofern sind Industrie 4.0 und das BGE natürliche Verbündete – wenn auch beide in gleicher Weise meilenweit von der Realisierbarkeit entfernt sind. Aber das BGE ist ein weites Feld, das an anderer Stelle umfassender Analyse bedarf.

Zusammenfassung

Die „Industrie 4.0“ ist eine bundesrepublikanische Wortschöpfung mit Heilsversprechungsanspruch. Nicht auszuschließen ist, dass die Begriffsschöpfung aus der bevölkerungspolitischen Untätigkeit, ja Verantwortungslosigkeit resultiert. Trotz Digitalisierung ist in der zweiten Dekade des dritten Jahrtausends ein Absinken der Steigerung der Arbeitsproduktivität festzustellen. Eine vierte industrielle Revolution ist die Industrie 4.0 in keiner Weise. Sie stellt nur eine Kombination verschiedener Faktoren der dritten industriellen Revolution, also der Digitalisierung im Rahmen der Automatisierung dar. Die Gründe für den nicht einsetzenden Quantensprung im Rahmen der Digitalisierung liegen auf der Hand: Mangelnde Qualifikation in der Anwendung, der Unwillen der Einführung neuer digitaler Arbeitsabläufe und von Software, gepaart mit mangelnder Kapitaldecke zur umfassenden Neuinvestitionen bei vielen Unternehmen und schließlich ‘gekrönt‘ vom Widerstand der Arbeitnehmer zur Abschaffung ihrer an sich sinnlosen Arbeitsplätze – fertig ist das Scheitern der Industrie 4.0, die keine vierte industrielle Revolution ist.