Am 01.04.2023 führte MetaPol Verlag & Medien sein erstes Colloquium in Brandenburg durch. Moderiert und begleitet wurde die Veranstaltung von Tim Krause. Der Moderator führte Referenten wie Publikum durch das sehr komplexe Thema mit Witz und intellektueller Spitzfindigkeit. Krause verstand es, die Referenten aus ihrer Komfortzone herauszulocken und für die Praxis konkrete Vorschläge für eine europäische Friedenspolitik zu entwickeln.
Deutschland, wieder ein Akteur?
Der Ökonom Peter Steinborn beleuchtete in seinem Eingangsvortrag die geopolitischen Hintergründe, wobei er sich mit den verschiedenen geostrategischen Konzepten sowohl auf US-amerikanischer als auch auf russischer Seite befasste. Mit Blick auf eine schnelle Befriedung des Konfliktes schlug Steinborn Handlungsmöglichkeiten für Deutschland vor. Deutschland, so wenig souverän es auch sein möge, muss in diesem Konflikt Verantwortung übernehmen. Das Land könne sich nicht heraushalten. Entweder unterstützt es die Ukraine mit all seinen Möglichkeiten oder es forciert eine Vermittlerrolle zwischen den befeindeten Parteien. Ersteres würde höchstwahrscheinlich zu einer Ausweitung bis hin zu einem dritten Weltkrieg führen und sollte daher verhindert werden. Der Konflikt gibt Europa im Allgemeinen und Deutschland sowie Frankreich im Besonderen die Möglichkeit, eine eigene europäische Ordnung und die Rolle als Akteur anzustreben.
Russland, ein Papiertiger?
Auf die militärische Entwicklung sowie das Kräfteverhältnis zwischen den beteiligten Parteien ist der Ingenieur Ernst Rahn eingegangen. Die Ursachen, die einerseits auf verschiedene geostrategische Überlegungen und Konzepte für die Weltinseln Eurasien zurückzuführen sind, haben auch eine sicherheitspolitische Komponente. Russland kann eine ihm feindlich gesinnte Politik in der Ukraine sowie in Weißrussland mit hochpräzisen Hyperschall-Waffen nicht erlauben. Gleichzeitig ist die sarmatische Tiefebene auch für die USA und Europa relevant, weshalb sie immer wieder Schauplatz für Konflikte sein wird, solange sich konkurrierende Entitäten in Eurasien gegenüberstehen werden. Wer Europa verteidigen will, der muss seinen Fuß in die heutige Westukraine setzen und befestigen. Der Krieg hat, so Rahn, Russland bisher unerwartet viele Ressourcen gekostet, ganz zu schweigen von dem enormen Reputationsschaden. Gleichzeitig wurde die Kampfmoral der ukrainischen Armee und des Volkes massiv unterschätzt. Russland hat anfangs massive strategische Fehler begangen, die es zeitweise gegenüber den ukrainischen Streitkräften in die schwächere Lage gebracht hat. Mittlerweile hat sich die Lage wieder günstig für die Russische Föderation entwickelt, so dass nun eine Pattsituation besteht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von Russland entschieden wird, wenn es nicht zu einer nennenswerten Unterstützung vom Westen kommen sollte. Russland habe zwar enormen Schaden davon genommen und werde weiterhin Ressourcen verlieren, dürfe jedoch militärisch dennoch nicht unterschätzt werden.
Der Krieg war vorhersehbar, dialektische Manöverkritik
Der Militärhistoriker und Diplom-Philosoph Peter Feist skizzierte den anwesenden Gästen und Diskutanten die komplexen Strukturen des Konfliktes mithilfe dialektischer Grundprinzipien. Dabei bediente er sich sechs Polpaare, anhand derer er die Entwicklung und ein Möglichkeitsfeld für die weitere Entwicklung konzipierte. Feist, der aufgrund seiner beruflichen Karriere sowie seinem sehr ereignisreichen Leben auf einen enormen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann, verstand es wie schon bei vergangenen Veranstaltungen, hochkomplexe Sachverhalte in leicht verständliche Strukturen zu packen, ohne dabei die Erstarrung des Themas zu gefährden. Das heraklitische „Alles fließt“ wird in diesem Konflikt beispiellos verdeutlicht. Feist betonte, wie wichtig Deutschland als Mittler in Europa ist. Eine vernünftige Friedenspolitik muss von allen Ebenen angestrebt werden. Die derzeitige Berliner Regierung ist dieser Aufgabe offenbar nicht gewachsen.
Gebote der Stunde: Friedenskonferenz und Wehrpflicht
Auch wenn die Referenten unterschiedliche Sichtweisen auf den Konflikt verdeutlichten, waren sie sich darin vollständig einig, dass eine Friedenskonferenz zusammen mit Russland, der Ukraine und auch den USA angestrebt werden muss. Deutschland und Frankreich – die beiden rivalisierenden Akteure in Europa – müssen an dieser Stelle gemeinsam an einem Strang ziehen, um Europa wieder zu befrieden. Gleichzeitig zeigt der Konflikt auf, dass die Abschaffung der Wehrpflicht ein sich nun rächender Fehler war. Ein wehrfähiges deutsches Volk ist Garant für künftigen Frieden in Europa. Gleichzeitig muss sich Deutschland als einer der wesentlichsten Akteure auch militärisch stärker aufstellen.
Äquidistanz, die Dritte Position
Deutlich wurde vor allem, dass alle Referenten eine Dritte Position zwischen den USA, Russland und China forcieren wollen. Eine vernünftige Außenpolitik muss gute und vor allem respektvolle Beziehungen zu den Großmächten, inklusive der Weltmacht USA, führen. Gleichzeitig muss es sich dabei seines Selbst bewusst werden und sich als Brücke zwischen der Alten und der Neuen Welt verstehen. Die USA verfolgen ihre eigenen geopolitischen Ziele, genauso wie es Russland und China tun. Deutschland, Frankreich und Europa müssen ihre eigenen geopolitischen Ziele formulieren, um in der Zukunft eine Friedensordnung zu garantieren. Wer Geopolitik machen will, muss vor allem verstehen, dass, wie Charles de Gaulle einst so treffend sagte, Nationen keine Freunde, sondern ausschließlich Interessen haben. Eine gleichgroße Distanz (Äquidistanz) zu den Großmächten ist daher anzustreben, um wieder mehr Selbstständigkeit zu realisieren. Weder Russland noch die USA sind unsere Freunde, sondern Akteure mit eigenen Interessen, weshalb wir diese kennen müssen und eine auf sie angepasste, für Europa vernünftige Sicherheitspolitik konzipieren müssen.
Für weitere Informationen über Geopolitik von rechts im Sinne einer europäischen Friedensordnung empfehlen wir die Dritte Ausgabe der AGORA Europa mit dem Titel „Neugeburt oder Selbstmord?“.
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