Geopolitik heute

von | 13. Mai. 2017 | Philosophie & Theorie

– Verfasst von Karl Moor –

Der Begriff Geopolitik, vom griechischen Wort „geo“, was Erde bedeutet, kann auch als Weltpolitik bezeichnet werden. Aber die Geschehnisse in der Welt sind nur die Aktivitäten der Menschen und wenn es dabei zu organisierten und zweckdienlichen Aktionen von Staaten kommt, dann sprechen wir von Geopolitik. Geopolitik ist also die Interessendurchsetzung von Staaten auf der internationalen Bühne.

Die weltpolitisch relevanten Staaten zum Beginn des neuen Jahrtausends sind die USA, die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Erstere errangen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre weltpolitische Bedeutung und lösten damit die von der Geschichtswissenschaft als imperialistisch bezeichneten Staaten Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan ab. China entwickelte sich mit der Herrschaft der Kommunisten zu einem geopolitisch immer wichtiger werdenden Staat. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks schienen die USA den geopolitischen Zweikampf mit der Sowjetunion für sich entschieden zu haben und es drohte eine monopolare Neue Weltordnung. Dass dem heute nicht so ist, liegt am Wiedererstarken Russlands und an der unterschätzten Macht Chinas, sodass wir jetzt von einer tripolaren Welt sprechen können und nicht nur die zwei „Kalten Krieger“[1] betrachten sollten.

Wie funktioniert Geopolitik?

Alle souveränen Staaten haben ihre Interessen, die sie auch in der Welt vertreten müssen. Diese Gebiete, in denen die Interessen vertreten werden, nennt man Interessensphären oder Einflusszonen. Eben dieses Gebiet umfasst für die USA Nord- und Südamerika, Europa, den Nahen Osten und den Pazifik. Russlands Interessensphäre ist Eurasien, was somit auch die Staaten der ehemaligen Sowjetrepubliken mit einschließt. Als Chinas Einflusszone gilt Südostasien und der angrenzende Pazifikraum. Wo Interessensphären aufeinander treffen, kommt es zu Konflikten. Wer diese Konflikte zu seinen Gunsten entscheiden kann, stellt sich als der stärkere Staatsmann heraus. Doch besteht die große Kunst der Geopolitik darin, die Konflikte möglichst gewaltfrei zu gewinnen. Der geschickteste Geopolitiker wird veranschaulicht durch einen Puppenspieler, der – scheinbar – ohne direkte Beteiligung die Geschicke zu seinen Gunsten lenkt.

Mittel dieser Konfliktbewältigung sind wirtschaftliche Sanktionen, das Behindern der Arbeit des Gegners auf politischer Ebene, was durch das Veto-Recht der drei Großmächte in der UNO realisiert werden kann, oder der Entzug der moralischen Legitimität des Gegners durch einen geschickt geführten Info- und Medienkrieg.

Krieg ist das letzte Mittel in diesen Konflikten. Zudem scheint ein direktes militärisches Eingreifen in den jüngsten Konflikten nicht mehr Stärke zu demonstrieren, sondern eher das Gegenteil, weshalb man immer wieder Stellvertreter ins Rennen schickt.

Deutsche Geopolitik

 Dass die Regierung der Bundesrepublik keine eigenen Interessen verfolgt, liegt nicht daran, dass diese nicht bestünden, sondern an der Zugehörigkeit zur „Westlichen Welt“. Der Westen aber wird von den USA dominiert und diese benutzen die Partnerstaaten für ihre außen- und weltpolitischen Zwecke. Nach 1945 wurde Deutschland auch von den europäischen Nachbarn als „Meister des Todes“[2] beäugt und deshalb wurden die Gründung der Bundeswehr, der UNO und NATO- Beitritt von einigen kritisch gesehen. Doch heute genießt die BRD wieder ein gewisses Ansehen und deutsche Militärtechnik und militärische Unterstützung sind gern gesehen, wenn es um die Sicherung von westlichen Werten geht.

Nehmen wir nun einmal an, dass die politischen Verhältnisse in Deutschland heute andere wären, dass also die Außenpolitik selbst bestimmt werden könnte. Was wären deutsche Interessen ?

  1. Gewährleistung der Versorgung mit Rohstoffen
  2. Innere und äußere Sicherheit
  3. Versorgung mit Nahrungsmittel (inkl. Trinkwasser)[3]

Nun ist eine politische Wende in Deutschland schon ein sehr schweres Unterfangen, doch auch bis zu diesem nicht unmöglichen Szenario werden sich die weltpolitischen Gegebenheiten nicht großartig ändern. Deshalb ist eines klar, dass nämlich ohne Unterstützung einer der drei großen geopolitischen Mächte keine geopolitischen Ziele erreicht werden können. Wer heute noch immer darin befangen ist, Deutschland als Großmacht zu sehen, dem fehlt das Verständnis für die Realität.

Diese Art zu denken hat Nietzsche sicher zu der Aussage inspiriert, jede Mücke halte sich für den Mittelpunkt des Universums[4], jedoch gilt diese Feststellung auch für die anderen vormals imperialistischen Staaten. Europa als Ganzes hat seine weltpolitische Relevanz verloren, doch im Untergang liegt bereits ein neuer Keim. Denn ein mögliches Konzept für Deutschlands außenpolitische Zukunft ist die Idee Jungeuropas. Das andere liegt in der direkten Zusammenarbeit mit Russland und Eurasien.

Der Traum eines Jungen Europas war in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts von einigen Denkern, wie Pierre Drieu la Rochelle[5], vertreten worden, aber er ließ sich damals realpolitisch nicht verwirklichen. Das Konzept Jungeuropa baut auf dem Prinzip der 3 Ebenen der Identität[6] auf, welches einem Europäer seine lokale, nationale und zivilisatorische Identität zugesteht. Damals war der Traum Jungeuropas gedacht, um nationale Konflikte innerhalb Europas zu vermeiden und sowohl gegen Amerikanisierung als auch Bolschewisierung zu kämpfen und die europäische Kultur zu retten.

Solch ein Europa könnte auch eine neue geopolitische Macht werden. Ein junges Europa aber braucht den Zusammenhalt wirklich aller Europäer und die Russen sind nun einmal auch ein europäisches Volk. Doch für Russland ist der eurasische Gedanke viel zu wichtig, als dass man ihn für eine noch unverwirklichte Idee eines Jungeuropas aufgeben würde. Weder wird es sich auf einen Rückzug von dem rohstoffreichen asiatischen Landesteil einlassen, um ein junges Europa zu verwirklichen, noch auf die Zusammenarbeit mit russlandfeindlichen und mit der NATO paktierenden Staaten, wie aktuell Polen, dessen Regierung immer noch alte Feindbilder bedient, dabei aber nur dem Westen geopolitisch assistiert.

Es scheint also nur eine von beiden Alternativen möglich zu sein. Deutschland wird auch in einem Jungeuropa nicht viel mehr Rohstoffe aus den Partnerstaaten beziehen, wobei mit der verstärkten Zusammenarbeit mit Eurasien das Erbe eines 3000-jährigen Kulturkontinents geopfert wird. Aber Russland kämpft, entgegen unserer westlichen Berichterstattung, für die Freiheit aller Völker dieser Erde und vielleicht sind die Ideen von Jungeuropa und Eurasien doch gar nicht so widersprüchlich. Ein nicht transatlantisch gebundenes Europa würde sicherlich auch von einem eurasischen Russland unterstützt werden.

[1]https://gegenstrom.org/2017/01/31/kalter-krieg-2-0-die-gegenwaertige-rivalisierung-zwischen-dem-imperium-americanum-und-dem-russischen-baeren-und-seine-parallelen-zum-kalten-krieg-des-20-jahrhunderts/

[2]Celan, Paul: Todesfuge. Siehe: https://www.celan-projekt.de/todesfuge-deutsch.html

[3]Breuer, Gereon: Geopolitik – Das Spiel nationaler Interessen zwischen Krieg und Frieden. S. 5 f.

[4]Nietzsche, Friedrich: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne

[5]http://podcast.jungeuropa.de/von-rechts-gelesen-sendung-05-benedikt-kaiser-ueber-pierre-drieu-la-rochelle/

[6]https://gegenstrom.org/2017/02/22/katalanischer-patriotismus-europaeischer-aufbruch-und-linke-solidaritaet-teil-i/