Eine positive Kritik: Strategische Wirrungen und taktische Irrungen

von | 17. Mai. 2017 | Debatte

Der nachfolgende Text ist als eine positive Kritik an die deutsche Rechte zu verstehen. Keineswegs möchte der Autor oder die Redaktion die edlen Beweggründe des Einzelnen infrage stellen, der sich aktiv im Geschehen um Europa einbringt. Dennoch halten wir diese Kritik für notwendig, um bereits zu oft wiederholte Fehler in Zukunft vorzubeugen. Möge der Text seinen Teil zur Erschaffung einer neuen Rechten beitragen. Die Redaktion  

Der Umstand, dass es keine Visionen gibt, impliziert auch das Fehlen von klaren Zielen, die sich daraus ableiten lassen. Und wer keine Ziele hat, kann auch keine klare Strategie verfolgen. Eine Strategie wird nach den Zielen, die angestrebt werden, ausgerichtet. Vor allem der nationalen deutschen Rechten mangelt es erheblich an einer konkreten Strategie und Taktik. Zuvor habe ich ja bereits erwähnt, dass sie mehr im Dunkeln herumstochert und es eher Zufall ist, wenn sie einmal zur Abwechslung ins Schwarze trifft. Ich möchte hier nicht die Tatsache leugnen, dass jede Gruppe ihre eigene Strategie und Taktik haben kann. Die Gruppen können unterschiedliche Ziele verfolgen. Das sollten sie auch. Eine außerparlamentarische Oppositionsgruppe wird andere Teilziele verfolgen, als es bspw. die NPD oder die AfD als politische Parteiorganisationen tun. Das macht auch überhaupt nichts, solange die diversen Gruppen von einer Vision geleitet werden und sich ihre Ziele im Sinne derselben gegenseitig ergänzen. So kann die außerparlamentarische Gruppierung gezielt Graswurzelarbeit innerhalb des Volkes betreiben, um einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel einzustimmen, von dem dann die rechte oder vielleicht sogar die rechten Parteien profitieren können.

Strategie und Organisationsform passen häufig nicht zusammen

Doch scheint diese oben erwähnte Erkenntnis bisher den vor allem nationalen Rechten nicht geläufig zu sein. So ist mir der Dritte Weg ein absolutes Rätsel. Es handelt sich dabei um eine Partei, die scheinbar aus eher elitär ausgerichteten Nationalisten besteht, die den Anspruch auf eine weltanschauliche Avantgarde erheben. Eine Partei ist jedoch anderen Bedingungen ausgesetzt als es z.B. bei der außerparlamentarischen Gruppe der Fall ist. Eine Partei unterliegt unter anderem dem Parteiengesetz, welches  vorschreibt, dass dieselbe sich durch Aufstellung von Bewerbern für Wahlen von Bund, Ländern und Gemeinden an der politischen Willensbildung beteiligen muss. An einer Wahl teilzunehmen, bedeutet einen riesigen organisatorischen, logistischen und personellen Aufwand. Dieser Aufwand wird auf die personellen Ressourcen, sprich die Mitglieder der Partei, verteilt. Hinzu kommt der Umstand, dass politische Wahlkämpfe ihren eigenen Gesetzen und Regeln unterliegen, die mit dem idealistischen Anspruch einer weltanschaulichen Avantgarde wenig bis gar nichts mehr zu tun haben. In Wahlen werden Wählermassen, also ungleichartige Massen (foules hétérogènes) „bespaßt“. Sie zeichnen sich durch ihre „geringe Urteilsfähigkeit, den Mangel an kritischem Denken, die Erregbarkeit, Leichtgläubigkeit und Einfalt“ (Gustave Le Bon) aus. Wer versucht, diese mit rationalen Argumenten zu überzeugen, der wird auf verlorenem Posten stehen. Daher überbieten sich die Akteure in Wahlkämpfen gegenseitig in Übertreibungen, Phrasendrescherei und leeren Wahlversprechen. Das wirkt auf einen wahrheitssuchenden Avantgardisten mehr als unbefriedigend.

Das heißt, die Aktivisten der Partei müssen dafür eingesetzt werden, Wahlkampf zu betreiben, der ziemlich aufwendig und zudem auch noch „schmutzig“ ist. In einer Partei, die ausschließlich den Anspruch hat, Wahlen zu gewinnen, kann man das auch von seinen Mitgliedern erwarten. Wenn eine Partei wie Der Dritte Weg jedoch nach außen suggeriert, dass sie eine weltanschauliche Avantgarde darstellt, wird sie es schwer haben, ihre Mitglieder auf Dauer davon zu überzeugen, bei diesem Spiel mitzuspielen. Wenn sie nur bedingt oder gar nicht an Wahlen teilnimmt, wird man sie verbieten. Wobei diese Partei alleine durch ihr sehr martiales Auftreten und das offene Bekenntnis zum NS ohnehin ziemlich viel Munition für das Wahrheitsministerium liefert. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass sich ähnliche Vorstellungen und strategische Ausrichtungen auch in der NPD wiederfinden lassen. Hier gibt es auch eine nicht unerhebliche Gruppe, die glaubt, die Teilnahme an Wahlen sei sinnlos. Diese Aussage mag angesichts der nun langanhaltenden Durststrecke der NPD durchaus seinen Charme haben. Dennoch ist diese Partei durch Parteienfinanzierung und die Pflicht durch das Parteiengesetz daran gebunden. Für diese Form der Strategie wäre die außerparlamentarische Gruppe, die sich stärker auf die Ausrichtung ihrer Mitglieder konzentriert – d.h. nach innen gerichtete „Politik“ betreibt – sinnvoller.

Populismus oder Fundamentaloppositionell?

Die Geschichte von Richtungsstreitigkeiten innerhalb von Parteien ist so alt wie die Parteien selbst. Ob Sozialdemokraten, Die Grünen, Die Linken, die Alternativen oder sogar die Nationaldemokraten. Sie alle durchlaufen oder durchliefen einer Phase, in der die sogenannten „Fundis“ mit den „Realos“[1] streiten oder stritten, welche Ausrichtung für ihre Partei die richtige sei. Innerhalb der SPD, der Linken und den Grünen haben die „Realos“ ganz offensichtlich den Kampf gewonnen. Erst kürzlich entbrannte eine große Debatte zum selbigen Aspekt bei der Alternative für Deutschland vor der deutschen Öffentlichkeit. Mit ihrem „Zukunftsantrag“ unternahm Frauke Petry, die zu den „Realos“ der AfD gehört, den Versuch einer Aufweichung ihrer Partei zugunsten einer möglichen Teilnahme an der Regierung, wenn auch unter Führung einer der dem Establishment anhaftenden Partei. Sie scheiterte bekanntlich auf dem 6. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland. Die Delegierten lehnten es ab, überhaupt über den Antrag abzustimmen. Auch wenn sich vor allem aus der „Fundis“-Seite Politiker zu Wort meldeten, dass es keinen Richtungsstreit geben wird, da es auch keine Unterteilung in Fundamentaloppositionelle und Realpolitiker gäbe, wird es höchstwahrscheinlich früher oder später zu einer Spaltung der Partei kommen. Gerüchte dazu gibt es bereits. Da die AfD noch sehr jung ist und wie keine andere Partei so schnell auch kontinuierlich wuchs, wird es noch eine Weile dauern, bis sich diese Partei und ihre strategische Fahrweise gefunden haben wird. Ich glaube sogar tief und fest daran, dass es noch zu Aufsplittungen kommen wird. Diese halte ich auch für normal. Bedeutete der „Petry-Putsch“ gegenüber Bernd Lucke seinerzeit einen Rechtsruck, steht Petry nun in ihrer Partei auf der Linken, während Gauland und Höcke auf der Rechten stehen. Hier ist noch viel Bewegung und Veränderung zu erwarten. Es bleibt spannend.

Eine Partei, der man aufgrund ihrer Langlebigkeit normalerweise zusprechen würde, dass sie ihre Richtungsstreitigkeiten längst hinter sich gelassen hat, ist die NPD. Schließlich ist sie mittlerweile 53 Jahre alt. Aber die Nationaldemokraten können sich offenbar nicht wirklich entscheiden, welchen Weg sie einschlagen möchten. So geriert sich die nationaldemokratische Führung gerne als rechtspopulistisch. Ich habe oft das Gefühl, dass dies aus Angst und Neid gegenüber der weitaus erfolgreicheren AfD heraus von einigen Akteuren vorangetrieben wird. Die NPD hat sich jedoch bereits unter Holger Apfel schon gerne als „Kümmererpartei“ geriert und ließ damals unter den Nationalen die Zauberformel des „seriösen Radikalismus“ ausgeben. Nur hat seinerzeit kaum jemand von den Nationalen damit etwas anfangen können. Die NPD-Führung ist dabei in der ungünstige Lage, auf eine  Mannschaft zurückgreifen zu müssen, die zumeist sehr idealistisch ausgerichtet und daher eher in die Reihen der Fundamentaloppositionellen zu verorten ist. Hier kann sie langfristig auch nur auf Frustration hinarbeiten, ähnlich wie im Dritten Weg. Die einzige Möglichkeit wäre, die Mannschaft gänzlich auszutauschen. Das dürfte jedoch ein schier unmögliches Unterfangen sein. Beherrschen die Alternativen doch das Spiel des Rechtspopulismus wie keine zweite Partei in Deutschland. Die ohnehin verbrannte NPD mit ihrem „Schmuddel-Image“ hat auf diesem Gebiet kaum bis gar keine Chancen. Dennoch scheint die Führung alles zu versuchen, das Bild vom sorgenden Bürger und protestierenden Patrioten abzugeben. Dabei wirkt der Wallstreet-Auftritt des Parteivorsitzenden Frank Franz eher lächerlich. Mit seinem Outfit würde er sehr gut in einen Empfangsabend einer Geschäftsbank passen, aber nicht auf eine Kundgebung von seinen eher proletarisch veranlagten Parteigenossen. Nun, seit dem letzten Parteitag setzt die NPD-Führung plötzlich alles auf „Ja zum Deutschen Volk“. Das scheint mir eine riesige PR-Kampagne zu sein, angesichts der zuvor eher erfolglosen, aber populistischen Versuche, sich den FPÖ-Himmel zu erkämpfen. Bezeichnend ist auch, dass diese Karte ausgerechnet ausgespielt wurde, als der für seine eher radikal-völkischen Ansichten bekannte Thorsten Heise aus Thüringen gegen Frank Franz antreten wollte. Auf dem Parteitag entlud sich auch der offensichtliche Meinungs- und Richtungsstreit. Seitdem postuliert die NPD wieder den ethnischen Volksbegriff, wobei sie den bisher auch immer noch nicht konkret definiert hat. Interessant ist aber, dass Frank Franz in seiner Partei ebenfalls keine Flügel- und Richtungsstreitigkeiten sehen oder wissen will. Dies scheint nicht nur bei den Alternativen eine beliebte Taktik zu sein.

Das Fehlen einer klaren Strategie und Taktik, der konkreten Haltung gegenüber dem Konkurrenten und der fehlenden Definition, wer Feind und wer Freund ist, ist eine entscheidende politische Schwäche, die unsere rechten Parteien aufweisen. Wer zu unfähig ist, Ziele und Strategien zu formulieren, um diese auch konsequent umzusetzen, der hat auf der politischen Bühne nichts verloren.

[1] Die beiden Begriffe „Fundi“ und „Realos“ verweisen auf die unterschiedlichen Sichtweisen zwischen den eher fundamentaloppositionell und den eher realpolitisch eingestellten Parteimitgliedern hin. Während die „Realos“ eine Aufweichung der Inhalte zugunsten der Partizipation an der Macht (z.B. Möglichkeit der Koalition einer der an sich „verhassten“ etablierten Parteien) in Kauf nehmen, halten die „Fundis“ die Kerninhalte dagegen. Sie sind die Hüter der Weltanschauung oder Ideologie, aus der heraus die Partei zumeist erst gegründet wurde.

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