Der Fall „Maximilian Krah“ zeigt, wie dringend es eines AfD-Korrektivs bedarf

von | 17. Jun. 2024 | Standpunkte

Der folgende Text befasst sich mit dem aktuellen Zustand der AfD, welcher sich im Fall Krah besonders deutlich widerspiegelt. Er legt dar, dass die Partei der Oligarchisierung anheim gefallen ist und beleuchtet wie eine zusätzliche schlagfertige rechte Kraft die AfD vorantreiben könnte. 

 

Skandale rund um Maximilian Krah, der für die AfD als Spitzenkandidat im Europawahlkampf antrat, beherrschen seit Wochen die Schlagzeilen. Mittlerweile hat sich ein ziemlich heftiger Streit innerhalb der blauen Partei entbrannt. Die Parteiführung scheint ihr sogenanntes Vorfeld gerade zu verlieren. Götz Kubitschek wirft ihr in einer Stellungnahme vor, ein „Führungsproblem“ zu haben. Krahs Nachfolger, der Höcke-Mann René Aust, wird derweil Verrat unterstellt, nicht zuletzt selbst im eigenen Parteibetrieb.

Mit dem Rauswurf des Spitzenkandidaten aus seiner eigenen Delegation erst kurz nach einem bemerkenswerten Wahlsieg, der sicherlich nicht zuletzt auch diesem geschassten Politiker zu verdanken ist, dürfte die AfD Geschichte geschrieben haben. Zumal dies auch einen Vertrauensbruch zwischen der Wählerschaft, die bewusst den Spitzenkandidaten gewählt hat, und der Partei als solche mit sich bringen dürfte.

Der Sachverhalt zeigt, dass die AfD längst oligarchisiert ist, was angesichts ihres schnelles Wachstums nicht verwundern dürfte. Die Lagebedingungen sind derzeit günstig für eine rechte Oppositionspartei, was dazu führt, dass Wahlsiege dem Akteur regelrecht in die Hände fallen. Es soll damit nicht der Einsatz der Menschen unberücksichtigt bleiben, doch hängt die Stärke und Stoßkraft der People Power auch immer von der Lage ab.

Die subjektive Voraussetzung (die Fähigkeit einer echten Wendekraft, People Power zu entfalten) ist unmittelbar in einem dialektischen Zusammenhang zu den objektiven Voraussetzungen (also alle nicht direkt beeinflussbaren Größen, kurz: Die Lage) zu betrachten[1]. Das eherne Gesetz der Oligarchie (Robert Michels) kann bereits seit Jahren in der AfD beobachtet werden[2]. Zwar konnten auch radikalere Kräfte innerhalb der Partei ihre Machtstellungen in den letzten Jahren ausbauen, doch wird der „Flickenteppich“ einzig und allein durch den Erfolg, der sich in erster Linie durch Wahlen ausdrückt, zusammengehalten. Wie tief die Risse zwischen den Fragmenten ist, zeigt das Beispiel Krah. Denn obwohl die AfD immer größere Wahlerfolge einfährt, ist nun ein Machtkampf ausgebrochen, der mitten in der Öffentlichkeit geführt wird.

Auch dieses Mal machte die AfD u.a. mit dem Spruch „Die AfD hält, was die CSU verspricht!“[3] Wahlkampf. So kann dieser Satz auf einem Wahlplakat sicherlich als anschlussfähig bezeichnet werden und dürfte nicht wenige CDU- und CSU-Wählern durchaus ins Wanken bringen, doch was für eine Botschaft steckt eigentlich dahinter? Es zeigt das Selbstverständnis eines nicht unerheblichen Teils der größten rechten Oppositionspartei in Deutschland, die sich als Korrektiv der CDU/CSU sieht. Damit reduziert sie ihr Selbstbild auf jenes der mittlerweile als Partei gegründeten Werteunion.

Die Parteienlandschaft in der Bundesrepublik differenziert sich mit einigen neuen Akteuren wie dem „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW), den „Freien Wählern“[4] und der Werteunion um Hans-Georg Maaßen immer weiter aus. Auch auf regionaler Ebene scheint sich mit den „Freien Sachsen“ eine durchaus beachtenswerte Kraft zu etablieren. Dies ist grundsätzlich als positiv zu betrachten, da dadurch auch ernsthafte Debatten und politische Kämpfe um die Deutungshoheit stattfinden können, die nicht mehr von dem „Zentrum“ (die etablierten Parteien und die Massenmedien) vollkommen beherrscht werden. Was allerdings noch fehlt, ist eine wirklich schlagkräftige, bundesweit agierende, parlamentarische Kraft rechts der AfD, die zumindest geistig angeführt wird, von einer ernsthaften Avantgarde, deren Überzeugungen und Vorstellungen über das parteipolitische Gerangel hinausgeht.

Diese Avantgarde sieht Parteien nur als Mittel zum Zweck, nicht aber zum Selbstzweck. Parteien und Parlamentarismus gehören zwar dazu, sind jedoch nur Akteure und eine bestimmte Form von Schlachtfeldern, bei denen die Regeln von „den anderen“ gemacht werden. Menschen, die sich in ein solches Fahrwasser begeben, müssen verstehen, dass Parteien ihre eigenen Regeln haben. Bisher hat es keine der Parteien rechts der AfD geschafft sich nennenswert zu profilieren, wobei Wahlergebnisse immer nur temporär zu betrachten sind. Sie sind ein durchaus anzeigendes Barometer, aber eben nur bedingt und im besten Fall heuristisch heranzuziehen. Sobald sich die Lage verändert, kann sich auch das Bewusstsein und damit die People Power verändern[5]. Alles ist möglich. Dies zeigt das Beispiel Sachsen recht eindrucksvoll, wo in einigen Kommunalparlamenten nun rechte Mehrheiten möglich werden und sowohl die AfD als Massenpartei, als auch die Freien Sachsen als radikaleres Korrektiv beachtenswerte Ergebnisse erzielt haben.

 

Konkurrenz belebt das Geschäft

Genauso wie es den Märkten, insbesondere den Verbrauchern zu Gute kommt, wenn es einen starken und dezentral ausgerichteten Wettbewerb gibt, gilt das auch für die Politik. Eine erfolgsverwöhnte AfD läuft Gefahr sich ob der ständig suchenden Anschlussfähigkeit an die Massen, das Hauptziel und die Ideologie zu verwässern. Zwar kann das Vorfeld (im Sinne einer Arbeitsteilung wie sie Benedikt Kaiser in seiner Mosaik-Rechten oder Martin Sellner in seiner Reconquista-Strategie vertreten) durchaus versuchen „korrigierend“ auf die Partei zu wirken, aber dafür bedarf es eines tatsächlichen Bewusstseins, das schon aufgrund der unterschiedlichen Milieus und Sozialisationen nicht existiert und nicht über ein gemeinsames Feindbild hinausgehen wird. Das sog. „Linke Mosaik“, dessen tatsächliche Existenz durchaus hinterfragt werden kann, zeichnet sich vor allem durch ein gemeinsames Feindbild aus. Die heutigen woken „Linken“ (als Kollektiv[6]) sind weniger links[7], als vielmehr antirechts. Die BSW mit Sarah Wagenknecht kann dabei als ein tatsächliches Korrektiv wirken, da sie genuin linke Themen anspricht und weniger „antirechts“ agiert, obgleich sie sich von rechts distanziert.

Denn ein tatsächliches Korrektiv muss auf dem gleichen Schlachtfeld kämpfen, und dies ohne Rücksicht auf den Konkurrenten. Nur so wird letzter tatsächlich in die Lage versetzt um die Gunst seiner Zielgruppen, wo es durchaus Überschneidungen zum ersten Akteur gibt, zu werben. Das sogenannte Vorfeld kann dann erst richtig Druck aufbauen, weil es zum einen nicht abhängig von den Entscheidungen einer Partei ist und zum anderen die Partei nicht mehr auf die uneingeschränkte Unterstützung des Vorfelds zählen kann. Auch hier kann sich das Vorfeld aufteilen, was es den eigenen Überzeugungen, Vorstellungen und Fähigkeiten ohnehin automatisch machen wird. Eine statische Fokussierung auf eine Partei und eine Strategie wird scheitern, weil wirklichkeitsfremd. Konkurrenz belebt nun mal das Geschäft[8].

Genau dies fehlt im rechten Parteienspektrum. Wenn die AfD hält, was die CDU oder CSU verspricht, dann muss gefragt werden, wer denn hält, was die AfD verspricht!

 

 

Anmerkungen und Literaturhinweise:

[1] Die Rede ist hier von der Objekt-Subjekt-Dialektik, die unmittelbar mit der Qualität-Quantität-Dialektik verbunden ist. Diese besagt in diesem Zusammenhang, dass die Qualität der revolutionären Klasse auch den quantitativen Lagebedingungen gewachsen sein muss.

[2] Götz Kubitschek schrieb dazu im Jahr 2016, dass es „Kärrnerarbeit in Niederungen (sei) und ein Flüssighalten des sowieso gefrierenden Wassers“, womit er auf die Oligarchisierung der AfD anspielte und die Hoffnung aussprach, dass diese noch etwas verzögert werden könne. Siehe dazu Kubitschek, G. (2016). Nach dem Triumph der AfD (2): Das sowieso gefrierende Wasser. Verfügbar unter: https://sezession.de/53523/nach-der-wahl-oder-das-sowieso-gefrierende-wasser (14.06.2024)

[3] Es handelt sich dabei um eines von vielen Wahlplakaten, die auch dieses Mal zum Einsatz kamen. Sicherlich dürfte dieses in erster Linie an Bayerische Wähler gerichtet sein.

[4] Zwar wurden die Freien Wähler bereits im Jahr 2009 gegründet, doch hat die Partei mit ihrem Parteivorsitzenden Hubert Aiwanger durchaus an Profil dazugewonnen. Dieses dürfte auch zumindest auf eine Schnittmenge an Wählern zur AfD ausstrahlen.

[5] Der Dialektiker spricht hier von der Maß-Sprung-Dialektik. Im Deutschen gibt es den schönen Ausspruch von dem berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Der Tropfen, der dafür sorgt, dass „das Maß voll ist“ führt zu einer neuen Qualität (Qualität-Quantität-Dialektik) und zwar sprunghaft. Im Bereich des Risiko-Managements hat sich dafür der Begriff des „Schwarzen Schwans“ etabliert.

[6] Ein solches Kollektiv gibt es eben nicht, weil die Linke kein wirklich monolithischer Block ist, doch gibt es zumindest ein diffuses Bewusstsein, das hier unterstellt wird. Wenn auch nur auf Grundlage eines gemeinsamen Feindbildes.

[7] Insbesondere die Antifa und auch die Linke als parlamentarischer Arm, haben ideengeschichtlich nicht mehr viel mit den Linken zu tun.

[8] Martin Sellner postuliert in seinem beachtenswerten Buch „Regime Change von rechts. Eine strategische Skizze“, dass im Notfall die aktivistische Bewegung, die er mit der Avantgarde gleichsetzt (was wir für eine Reduzierung des Begriffes halten), selbst eine Partei gründen muss, sollte die Massenpartei zu stark vom rechten Hauptziel abweichen. Das würde jedoch historisch betrachtet die Bewegung vollkommen zum Erlahmen bringen. Arbeitsteilung muss konsequent ausgerichtet werden. Abweichungen dieser Art führen in die Irre.