Björn Clemens – Kein Aprilscherz: Wie der Bundespräsident eine Satire nachspielt

von | 25. Apr. 2023 | Deutschland und die Welt

Dr. Björn Clemens, der Autor des in Bälde erscheinenden Buches „April, April„, kommentiert, garniert mit reichlich Galgenhumor, den jüngsten Auftritt des Bundespräsidenten Steinmeier in Warschau, anlässlich der diesjährigen Feierlichkeiten zum Gedenken an den Warschauer Aufruhr 1944.

 

Vor kurzem wurden die Leser dieses Blogs darüber informiert, dass sich das Erscheinen des Satire-Buches „April April“ aus dem Metapol-Verlag noch ein wenig verzögern wird. Wäre das Buch schon einsehbar, fänden die Leser Faust aufs Auge bestätigt, was es der bunten Republik ins Stammbuch geschrieben hat: Aktuell ist es wieder einmal der Inhaber des Präsidentenamtes, der  unter Beweis stellt, dass ich damit Recht hatte, wie ich ihn charakterisierte.

Die äußeren Beziehungen der BRD werden seit eh und je in erster Linie darin verwirklicht, die verschiedenen Varianten der Demutsgesten und Selbstbezichtigungen zur Schau zu stellen (wenn nicht gerade überhebliche Belehrungen an die Adressen anderer Staaten angesagt sind). Dabei nimmt der Bundespräsident naturgemäß eine zentrale Stellung ein. Zur 80. Wiederkehr des Aufstandes im Warschauer Ghetto kniete der hohe Herr am 19. April virtuell in Warschau nieder; unweit der Stelle, wo es Willy Brandt einst real tat. Weil solche Rituale seit Jahrzehnten, wie aus einer Schablone abgeleitet, zelebriert werden, fiel es im Jahr 2014 nicht schwer, daraus eine Satire zu zeichnen. Sie handelt von einem Rechtsanwalt, der der täglichen Reibereien überdrüssig, sich als Redenschreiber für das Bundespräsidialamt bewarb. Dafür reichte er einige Arbeitsproben ein. Drei Beispiele sollen hier aufgezeigt werden. Den Erfindungen aus dem Buch werden die realen Sätze entgegengestellt, die Frank-Walter Steinmeier in Warschau verlor:

Satire: „Glauben Sie mir, es fällt mir nicht leicht vor Ihnen zu stehen…“

Präsident: Es ist schwer, heute hier, wo einst das Warschauer Ghetto war, zu Ihnen zu sprechen.

Satire: „… erheben sich vor mir das durch meine Nation erzeugte Leid und Grauen … und verneige ich mich in Scham und Betroffenheit

Präsident: Die entsetzlichen Verbrechen, die Deutsche hier verübt haben, erfüllen mich mit tiefer Scham

 Satire: „… und während ich in all meiner Dankbarkeit um Worte ringe…“

Präsident: Aber es erfüllt mich gleichzeitig mit Dankbarkeit und mit Demut, dass ich an diesem Gedenken teilhaben kann.“

Die Parallelen ließen sich fortsetzen, und, nein: es ist kein Aprilscherz. Die vorstehenden sind die wahrhaft gesprochenen Präsidentenworte. Sollte man das für Realsatire halten,  muss man die Frage stellen, ob sie die literarische übertrifft – wieder einmal.  Aber das Lachen darüber bliebe einem im Halse stecken. Denn offiziell dienen solche Verlautbarungen des Staatsoberhauptes natürlich der Versöhnung; ein erstrebenswertes Ziel, wenn sie denn stattfände. Aber Versöhnung würde bedeuten, wechselseitig Schuld anzuerkennen, ungeachtet ihres jeweiligen Ausmaßes. Man denke etwa an die Vertreibung. Einseitige und jahrzehntelang wiederholte Schuldbekenntnisse der deutschen Seite sind keine Versöhnung, sondern Unterwerfung.

Was man bei uns Versöhnung nennt, ist auf gut bundesdeutsch seit eh und je kaum etwas anderes als das Maß, in dem auf eigene Standpunkte oder Rechtsansprüche verzichtet oder die Geldgier der anderen befriedigt wird. Dass die im Falle Polens keine Grenzen kennt, wissen wir zur Genüge, unlängst unterfüttert durch neue Schadenersatzforderungen in Billionen(!)höhe – auch das war kein Aprilscherz. Die Annexion von etwa einem Drittel deutschen Bodens wird dabei geflissentlich unterschlagen. Dazu hat die Zeitschrift Compact kürzlich ein verdienstvolles Sonderheft gestaltet und gleichzeitig ein sehenswertes Video-Interview mit der ehemaligen Landtagsabgeordneten Doris v. Sayn-Wittgenstein erstellt. Prompt erhielt der Verleger Jürgen Elsässer eine Drohung der polnischen Botschaft, rechtlich gegen ihn vorzugehen, und Frau von Sayn-Wittgenstein wurde im polnischen Fernsehen beleidigt.

Aber die polnischen Anmaßungen sind nicht der Kern des Problems – der Kern des Problems und gleichzeitig die Voraussetzung seiner Entstehung  ist die konditionierte Unterwürfigkeit auf deutscher Seite – egal wem gegenüber; Melnyk lässt grüßen. Man kann sich somit immer wieder nur verwundert die Augen reiben angesichts der einen unumstößlichen Tatsache: Der erste April ist bei uns Dauerzustand! Das bloßzulegen, hat sich das Buch „April April“ zur Aufgabe gemacht. Und es zu überwinden, ist die Voraussetzung jeder nationalen Politik.