Jung gegen Alt – Ist eine ganze Generation schuld an der Lage?

von | 09. Okt. 2024 | Standpunkte

Beim letzten Seminar für Metapolitik wurde viel Raum für Diskussion gelassen. Neben Fragen der Strategie und Taktik erhitzte eine grundsätzliche Thematik besonders die Gemüter. Bewusst provokativ brachte Gastreferent Erik Ahrens die Idee hervor, dass die Alten die Verantwortung dafür trügen, dass sich unser Volk in seinem jetzigen Zustand befände. Die Jungen hätten heute und in Zukunft mit Problemen zu kämpfen deren volle Tragweite die Alten gar nicht mehr zu spüren bekommen würden. Es war weder in Ahrens‘ noch im Interesse von Metapol einen Generationskonflikt zu schüren. Das diskutierte Thema wirft jedoch eine wichtige Frage auf, welche sich dieser Text widmen wird: Können eine oder mehrere Generationen in Gänze für den aktuellen Systemzustand verantwortlich sein?

Grundüberlegung der von Ahrens angestoßenen Diskussion ist, dass die heute Alten ihr ganzes Leben im Wohlstand gelebt und das System mitgetragen haben sollen. Den heute jungen stehen auf der einen Seite nicht mehr dieselben Möglichkeiten offen (siehe zum Beispiel Immobilienmarkt) und auf der anderen Seite sind sie mit den Konsequenzen der Entwicklung der letzten Jahrzehnte konfrontiert (siehe zum Beispiel die demographische Entwicklung mit ihren Wirkungen in allen Bereichen). Es ist richtig, dass die Deutschen der früheren Jahrgänge in weiten Teilen die Vorzüge des Systems genossen und nicht für die Errichtung einer potenziell dauerhaft fruchtbaren Ordnung gesorgt haben.  Formal scheint die Verärgerung der Jungen also begründet zu sein. Praktisch handelt es sich hier jedoch um nachvollziehbares Verhalten von größeren Menschengruppen.

Dies eröffnet zwangsläufig die Frage inwieweit eine Menschengruppe wie eine Generation tatsächlich Verantwortung für den Werdegang eines Volkes tragen kann. Verantwortung übernehmen heißt, die eigenen Fähigkeiten bewusst einzuschätzen und einzusetzen, um ein Ziel zu erreichen. Wer verantwortlich ist, muss für sein so ausgerichtetes Handeln geradestehen.  Daraus folgt: Tatsächliche Verantwortung kann es nur beim Einzelnen oder maximal bei kleinen Gruppen geben. Eine Großgruppe ist gar nicht in der Lage gezielt Entscheidungen zu treffen, um das Gesamtwohl zu beeinflussen[1]. Geschichte, Psychologie, Verhaltens- und Hirnforschung zeigen deutlich, dass die menschliche Natur gar nicht zulässt was hier von den Alten verlangt wird, nämlich die Notwendigkeit zum Handeln erkennen und eine Wende herbeiführen.

Dazu nur einige grundsätzliche Beispiele. Es ist hinreichend erforscht, dass die meisten Menschen negative Informationen nach Möglichkeit ausblenden, um ihr Weltbild zu erhalten (siehe kognitive Dissonanz). Dadurch wird es in Zeiten des Wohlstandes unmöglich viele Menschen davon zu überzeugen, dass „es so nicht mehr lange weitergehen kann“. Zudem denken die wenigsten in großen Zusammenhängen. Der Blick geht meist nicht über das Selbst, die Familie und den Freundeskreis hinaus. Aus diesen zwei Erkenntnissen geht bereits hervor, was bereits angedeutet wurde: Die meisten Menschen geschweige denn Großgruppen sind gar nicht fähig die Gesamtlage und weitere mögliche Entwicklungen zu erfassen, Handlungsbedarf abzuleiten und entsprechend zu handeln. Wie jeder politische Mensch in seinem Umfeld immer wieder feststellen muss, sind die meisten Menschen unpolitisch. Tatsächlich politisch ist jemand der sich über die Wahlen und das Lesen von tagespolitischen Artikeln hinaus mit Politik befasst und politisch handelt. Das heißt der politische Mensch will in irgendeiner Form an der Entscheidungsfindung eines Volkes mitwirken. Die Mehrheit will einfach nur leben, sich also um persönliche Belange kümmern.

Im historischen Kontext der BRD eingebettet wird deutlich, dass die früheren Jahrgänge im wahren Sinne gar nicht die Not zu handeln sahen. Wie in der Physik ist die menschliche Masse träge. Damit sie sich in Bewegung setzt, muss eine Kraft auf sie ausgeübt werden. Wie bereits erläutert, wird diese Kraft nur von wenigen ausgehen können. Gewissermaßen ist die Trägheit der Masse vom Systemzustand abhängig. Wenn sich der Zustand zuungunsten der Masse verschiebt, sinkt die Trägheit, ist eine Kraft also eher in der Lage die Masse in Bewegung zu versetzen. Bisher war diese Trägheit sehr groß, weil ein Großteil der Bevölkerung der BRD in Wohlstand und Sicherheit lebte. Wir können verzeichnen, dass diese Säulen seit geraumer Zeit wanken und immer mehr Menschen die Konsequenzen zu spüren bekommen. Was hieraus deutlich wird: Revolutionen lassen sich nicht erzwingen. Für eine echte Wende bedarf es der vorrevolutionären Lage sowie der handlungsfähigen Akteure. Die Umwälzungen der Vergangenheit wurden immer von Wenigen angestoßen, die Masse wurde immer nur dann und nur kurzzeitig aktiv, wenn die Lage Sie dazu zwang. Dieser Zwang wurde häufig durch Mangel getrieben[2]. Wirtschaftliche Not gepaart mit dem Gefühl, dass die Regierung unfähig ist und oder willkürlich agiert, öffnet die Masse für radikale Ideen und treibt zum Handeln[3].   Solange die Lage tragbar bzw. erträglich bleibt, werden die meisten Menschen den gegebenen Systemzustand mittragen. Nicht als bewusste Entscheidung, sondern aus der menschlichen Natur heraus.

Eine Altersgruppe dafür zu verurteilen den Systemzustand mitgetragen zu haben, heißt eine Menschengruppe dafür zu verurteilen, dass sie in ruhigen Zeiten des Wohlstandes typisches menschliches Verhalten an den Tag legte. Nebenbei bemerkt ließe sich an dieser Stelle die Frage stellen, ob sich die Junge Generation im Ganzen heute wesentlich anders verhält, als es die Alten von heute damals taten, nur dies gäbe ja überhaupt Grundlage für eine Verurteilung. Sind die Jungen heute zu einem wesentlich höheren Anteil politisch / aktiver als damals? Wie die zuvor beschriebenen Beobachtungen verdeutlichen: Solange der Systemzustand die Masse nicht bewegungswillig macht, sind immer nur Minderheiten aktiv.

 

Diese Überlegungen verdeutlichen, dass es sehr fragwürdig ist Altersgruppen / Generationen für dem Systemzustand zur Verantwortung ziehen zu wollen. Sehr wohl können und müssen jedoch politisch handelnde Menschen und Kleingruppen für ihr Wirken herangezogen werden. Alte Politiker trafen und treffen Entscheidungen, deren Tragweite für ihr Leben mitunter keine Rolle spielt, für die Folgegenerationen aber schwer wiegen werden.

Wir sind ein Volk, von jung bis alt. In uns schlummert unglaubliches Potenzial, das von der richtigen Führung geweckt werden kann. Es ist an einer zu bildenden Avantgarde die Umwälzung anzustoßen, die letztlich zu einer gesunden Ausrichtung aller führt. Es zeichnet sich ab, dass Jung und Alt durch eine harte Zeit gehen werden müssen. Die Verantwortung dafür liegt bei den Wenigen, bei jenen die seit Jahrzehnten den Kurs bestimmen.

[1] In Kreisen, deren Ansichten von offiziellen Systemlinie abweichen, trifft man immer wieder auf jene, die davon überzeugt sind, dass genau dies möglich wäre. Nach dem Prinzip der Graswurzelrevolution müssten nur möglichst viele Menschen „aufwachen“ und ihr Verhalten ändern, um eine Wende herbeizuführen. Faktisch ist dies jedoch noch nie geschehen. Die Revolutionen der Vergangenheit wurden nicht „von unten“ sondern „von oben“ bzw. aus der mittleren Ebene angestoßen.

[2] Siehe dazu den Artikel zum „Ehernen Gesetz des Mangels“

[3] In der BRD hat es einen solchen Zustand im ausreichenden Maße nie gegeben. In der DDR jedoch schon. Die historische Erfahrung der Menschen welche die Wende aktiv miterlebten sorgt auch heute dafür, dass die Ostdeutschen eher dazu neigen Kritik zu üben und aktiv zu werden.