Es war immer eines von Metapols erklärten Zielen die Diskussion innerhalb der Rechten zu fördern. Im folgenden Artikel nimmt Peter Backfisch Bezug auf Ernst Rahns Beitrag zum Thema „Jung gegen Alt“ und beschreibt wie nach seiner Ansicht ab 1968 die Jungen den Systemzustand änderten. Die Redaktion
Die Idee für diesen Text entstand nach der Lektüre des Blog-Beitrages „Jung gegen Alt“ von Ernst Rahn. Im Gegensatz zu Rahns These eine Generation (jung) könne den aktuellen Systemzustand nicht aus eigener Kraft ändern, vertritt der Autor die Auffassung, dass junge Generationen umwälzende Systemveränderungen sehr wohl erreichen können, wie die jüngere Geschichte gezeigt hat. Dennoch ist dieser Text keine Gegenposition zu Rahns Bezugnahmen, die sich an der heutigen aktuellen Situation in unserem Land abarbeiten, die größtenteils auch vom Autor geteilt werden.
1954 geboren war ich 1968, 14 Jahre alt und bezeichne mich deshalb eher als „Nach-Achtundsechziger“, da ich die Zeit der Entstehung mit all den Spannungen und Bruchstellen nicht aus einer politischen Sichtweise mitgestalten konnte. Zwar kann ich mich an das Attentat am Ostersonntag 1968 auf Rudi Dutschke und die Heidelberger Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg mit den massenhaften Hoho-Ho Chi Minh Rufen noch sehr gut erinnern, aber mit 14 Jahren war ich sicher nicht in der Lage dies alles politisch zu durchschauen. Dennoch sehe ich darin den Beginn eines Konfliktes, der sehr wohl als Generationskonflikt bezeichnet werden muss und der nachhaltige Veränderungen unseres Systems und unserer Lebensbedingungen zur Folge hatte. Doch dazu später.
Um das alles verstehen zu können müssen wir bis zum Ende des zweiten Weltkrieges zurückgehen. Die Elterngeneration der 68er kam 1945 geschlagen aus Krieg und der Kriegsgefangenschaft zurück und war überwiegend ratlos wie es nun weitergehen kann. Sie war die Generation, die einfach nur leben, sich dabei um „ihre persönlichen Belange kümmern wollte“ was hies, Aufbau des zerstörten Landes, Gründung von Familien, Erreichen von Wohlstand in einer Ordnung des Friedens und der Demokratie. Vorstellungen zu Demokratie waren dabei recht diffus, aber die Sehnsucht nach Law-and-Order war bestimmend.
Kulturell befanden sich die Menschen in einem Vakuum, das sich plötzlich nach dem Ende des Dritten Reiches aufgetan hatte. Die Besatzer-Mächte, namentlich die USA, strebten sofort danach dieses mit eigenen Inhalten zu besetzen, deren Ziel die West-Einbindung war. Es war die erste Säule, die auch als Umerziehung der Deutschen bezeichnet werden kann. Flankiert wurde dies Ganze durch das Aufkommen des Fernsehens. Wirkung mit Prägung einer kulturellen Hegemonie erreichte man aber erst bei den ab 1940 Geborenen. Zu nennen sind die Beatnik-Bewegung, die um 1967 in der Hippie-Bewegung aufging. Beide verhießen ein Leben in Freiheit. Zu Erreichen durch radikale Abkehr von traditionellen Werten der Mittelklasse, deren angebliche Sattheit und Anpassungsbereitschaft man verlassen müsse und besser noch, sogar zerstören sollte.
Familie, Tradition, Strebsamkeit galt als rückständig und reaktionär, es war Zeit den bleiernen Geist der Adenauer Ära zu überwinden. Eine Beschleunigung erfuhr das alles dann unmittelbar nach 1968 durch die Popmusik „Street Fighting Man“, durch Filme wie „Easy Ryder“ eine Beatnik-Hommage als Weg zur Freiheit mittels harten Rock (Born to be wilde) und einem Motorrad-Ritt durch die Weiten Amerikas bei Verherrlichung von Drogenkonsum und Leistungsverweigerung. Ab 1969 fanden überall in den USA, aber auch in Europa, Pop und Rockfestivals statt, Happenings mit Hundertausenden Teilnehmern. Das Bekannteste dabei ist wohl das „Woodstock-Festival“, ein drei Tage Event im Regen, mit freier Liebe, Drogen und zahlreichen Gewaltakten.
Ganz im Sinne von Antonio Gramsci war damit der Boden bereitet, nun den nächsten Schritt zu gehen und politische Einflusssphären abzustecken und nicht umkehrbare Veränderungen einzuleiten. Auslöser waren dabei die Proteste der Studenten in den westlichen kapitalistischen Ländern gegen den Vietnam-Krieg. In Deutschland organisierten sich diese im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, SDS, der später in die sogenannte APO, der außerparlamentarischen Opposition überging. Die Proteste zeigten überall Wirkung, ganze Regierungen mussten abtreten oder öffneten sich kritischen Sichtweisen und mündeten in die unterschiedlichsten Friedensinitiativen. Die Verleihung des Friedens-Nobelpreis an den Deutschen Bundeskanzler Willy Brandt, steht dafür beispielhaft.
Der Einfluss auf gesellschaftliche Institutionen verbreitete sich inflationär vor allem auf Schulen und Universitäten und auf die gesamte Geisteswissenschaft. Alles musste antiautoritär sein, keineswegs aber gewaltlos. Über allem stand das Bekenntnis zu einem linken Weltverständnis. Der ideologische Überbau wurde von der Frankfurter Schule und anderen Think-Tanks gegeben. Demokratie war demnach nur in einem Rätesystem, dessen Verwirklichung angeblich eine authentische, direkte Herrschaft der Massen erlaubte, möglich.
Wie wurde dies alles von der Kriegsheimkehrer-Generation aufgenommen, die sich um 1970 schon einen ansehnlichen Wohlstand aufgebaut hatte? Sie begegnete Allem meist mit Ablehnung und Unverständnis. In den einzelnen Familien kam es dabei oft zu harten oft unversöhnlichen Auseinandersetzungen, die bei den Alten zu Enttäuschungen und Resignation, bei den Jungen zu Verweigerungshaltungen in Schulen und im Arbeitsleben, aber auch zu irrsinnigem politischem Aktionismus, der im bewaffneten Kampf gegen das System der RAF seinen Gipfel hatte, führten. Vorbilder waren dabei Lenin, Mao, Che Guevara, afrikanische und latein-amerikanische Guerilleros. Der Protest war durchgehend links und ihre Anführer, begünstigte Kinder der Aufbau-Generation, sollten später nach der Macht greifen die sie schließlich auch erreichten.
Anfangs, bis etwa Ende der 1970er Jahre träumte man noch davon, den Sturz des ausbeuterischen Systems durch eine Revolution, angeführt durch die Arbeiterklasse ganz im Sinne der Lehre Lenins, durchführen zu können. Nach einem fortlaufenden Zehnjährigem Scheitern mit ständigen Niederlagen zerfiel die militante Linke zusehends und man begab sich auf die Suche nach neuen Kampfformen. Ab sofort war Geduld und Beharrlichkeit angesagt. Der ehemalige Straßenkämpfer (Street Fighting Man) Joschka Fischer packte seine Molotow-Cocktails ein und gab die Losung vom „Marsch durch die Institutionen“ aus, was nichts anderes hieß als Beteiligung an den herrschenden Regularien der Demokratie. 1979 wurde die Partei der Grünen gegründet, die 1983 erstmals in den Deutschen Bundestag einzog. Joschka Fischer wurde grüner Landesminister für Umwelt in Hessen.
Am 27. September 1998 war der „Marsch durch die Institutionen“ schließlich erfolgreich. Bei der stattgefundenen Bundestagswahl erreichte Rot-Grün erstmals die Mehrheit. Mathias Döpfner, Chefredakteur der Welt schrieb, das sei „ein Tag des Sieges der 68er Generation“, jetzt würden „zum ersten Mal die Kämpfer der außerparlamentarischen Opposition in höchsten Ämtern des Staates sitzen…die Truppe ist ganz oben angelangt.“
Dieser Sieg hatte natürlich Konsequenzen und man kann mit Recht behaupten der nachfolgende Umbau hat das System in Deutschland grundlegend verändert. Natürlich blieb man den linken Auffassungen von einer sozialen Gesellschaft, ich sage einer sozialistischen, treu. Man hatte endlich die Macht die Themen der Zeit zu diktieren. Nahezu alle Institutionen waren von einem massiven Umbau betroffen, so Schulen, Universitäten, Theater, bildende Künste, Literatur, TV- und Printmedien, Verlags- und Erziehungswesen sowie die Kirchen und nicht zu vergessen selbst die CDU als ehemalige Bastion deutschen Konservatismus, brach ein und machte sich den verbreiteten linken Zeitgeist zu Eigen.
Begleitet wurde diese Herrschaftstechnik von einer großangelegten ideologischen Offensive gegen alles und jeden der zu den Schicksalsfragen dieses Landes eine andere Auffassung hatte und diese äußerte. Eine nennenswerte Opposition durfte nicht geduldet werden. Man erkannte, dass die Verleihung des Etiketts „rechts“ an alle die nicht bedingungslos mitmachen wollten seine gesellschaftspolitische Wirkung zeigen werde. Dort wo diese ausbleibt werden derartige Verleumdungen mit dem Begriff „Nazi“ erweitert. So wurden Journalisten (z.B. Eva Herman) und Kulturschaffende (bspw. Heino) als Nazi bezeichnet, im Falle von Eva Herman zerstörte man gar derer berufliche Karriere. Man könnte hier viele derartige Beispiele aufführen, dem aufmerksamen Beobachter dieser Entwicklungen sind sie doch meistens bekannt, so dass man es dabei belassen kann.
Auch unterlasse ich an dieser Stelle Ausführungen, über den Wandlungsprozess der ehemaligen Kämpfer für Frieden, zu einer inzwischen konsequenten Kriegstreiber-Kaste. Einzig ihre Radikalität ist dabei erhalten geblieben.
Ich kehre zur Ausgangsfrage zurück, „Kann eine Generation das System oder gar die Welt verändern“? Hier möchte ich einer Zeitgenossin, der Jugendfreundin Bob Dylans, Suze Rotolo, das Wort geben. Sie schreibt in Ihren Erinnerungen, „Als sich die Zeiten zu ändern begannen“ (2008). „Sex, drugs and rock ‚n‘ roll wurden zum Slogan, es ging dabei um eine Art zu denken, zu sehen und zu glauben – eine Art zu leben. Wir hatten Tiefe, wir waren nicht oberflächlich. Wir glaubten ehrlich die Welt verändern zu können und wir haben sie verändert, zum Besseren.“ „Unsre Zeit oder Ära ist einzigartig“. (Seite 368)
Wer heute mit offenen Augen durch unser Land geht weiß, dass Rotolo nicht recht hat, dass das Gegenteil eingetreten ist. „Die Zeiten haben sich geändert“ aber eben nicht zum Besseren.