Was wir von Friedrich Nietzsche lernen können

by | 12. Nov. 2017 | Philosophie & Theorie

Die Aristokratie des Geistwillens als Grundlage neuer, gesellschaftsdienlicher Politik unter Betrachtung nietzscheanischer Denk- und Handlungsweisen

„Die Demokratie repräsentiert den Unglauben

an große Menschen und an Elite-Gesellschaft.“

-Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1884-

 

Was bezweckt, was denkt und meint einer der größten Philosophen des 19. Jahrhunderts mit einer derart gegen den Zeitgeist gerichteten Aussage? Ich möchte mich mit dem geneigten Leser auf eine Reise begeben, gemeinsam Begriffe nivellieren, die durch die dekadente Gegenwart in eine Negativbedeutung fielen, sie wertfrei betrachten und mit diversen Zitaten Nietzsches und ihrer Interpretation zur Begründung der Überschrift kommen, Licht leuchten, wo Motten des Liberalismus sich an das schwächelnde Licht der Gleichheit und des Triebwillens klammern und den Weg zu verdunkeln gedenken.

Die Aristokratie des Geistwillens also soll die Handlungsmaxime künftiger Politik und Metapolitik zur Umwertung der Werte sein. Die Aristokratie, griechisch für die Herrschaft der Besten, oder wie Cicero beschrieb „civitas optimatum“, ist für den Autoren ein Weg, die Idee, dass Herrschaft nicht von einer vollkommen heterogenen Masse bestimmt werden kann, sondern naturgemäß den am besten Geeigneten obliegt. Diese Eignung liegt natürlich im Auge des Betrachters, doch wäre die Handlung nach Nietzsche vollkommen verklärt, würde man sie den Nicht-Hörenden entgegnen wollen. Den Epikurern, den Epiktischen, mögen diese Schriften einer Ketzerei gleichen.

Das Leben nach dem Geistwillen beschreibt a priori in seiner Vollkommenheit ein Leben nach der Pflicht. Nicht das Schuldig-sein zwingt zur Handlung, sondern das innere Gefühl, genau so sei es richtig. Die Verantwortung wird zur Freude und das Handeln steht jedem gesprochenen, geschriebenen oder gesungenen Worte über.

„Im Übrigen habe ich den Glauben, dass wir nicht

geboren sind um glücklich zu sein, sondern unsere

Pflicht zu tun; wir wollen uns segnen, wenn wir

wissen, wo unsere Pflicht ist.“

-Friedrich Nietzsche an Carl von Gersdorff, 1872-

Ich komme also für mich zur Erkenntnis, dass der Mensch durch die Erfüllung der Pflicht wahrlich zur Freiheit findet, nicht dem flachen Gefühl kurzzeitiger Luststimulation, sondern einer tief tranzendentalen Dialektik, die nun eine der Masse dienende Funktion einnehmen muss, denn jede Aristokratie würde Despoten hervorrufen, wäre ihr Handeln nicht denen dienlich, die dienen. Eine jede Herrschaft muss fallen, obliegt die Moral der Herrschenden nicht dem kategorischen Imperativ (Immanuel Kant, „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785). Auch dies stellt einen Ansatz zur Umwertung der Werte dar, sind derartige Grundsätze im heutigen Herrscher-Eintagsschwarm schlichtweg nicht mehr durchzuführen und bedürfen somit der grundlegenden Neuordnung, nicht der Veränderung. Der heutigen Regentschaft ist es der aufgrund der Oligarchie hervorrufenden Demokratie und der damit einhergehenden politischen Kurzlebigkeit nicht möglich, Charaktere zu bilden, die dem kategorischen Imperativ folgen, eher gleicht sie einer blind umhergehenden Masse taubstummer, glatter, undramatischer Werbegesichter, die nach Können der Marktforscher, mal Dieses, mal Jenes Produkt den konsumgierigen Kleingeistern anbietet, die natürlicherweise den aktuellen Bedürfnissen die höchste Gewichtigkeit zusprechen. Man kann es wohl mit umgemünzten Worten Nietzsches aus Also sprach Zarathustra, „Gott ist tot, es lebe der Übermensch“ zu „Die Politik ist tot, es lebe die Metapolitik“ umformulieren, um den Nihilismus und die Plutokratie nicht als das Ende zu sehen, sondern den Neuanfang, den Grundlagen des dritten Jahrtausends.

Die Politik darf nicht LeBon´schen Grundsätzen folgen (Psychologie der Massen, 1895). Wahre Politik ist kein Markt und der Konsument darf nicht fehlgeleitet werden, Politik muss im Sinne Johann Wolfgang von Goethe verstanden werden, der schrieb: „Wir brauchen in unserer Sprache ein Wort, das wie Kindheit sich zum Kind verhält, so das Verhältnis Volkheit zum Volk ausdrückt. Der Erzieher (Regent, Anm. d. Autors) muß die Kindheit hören, nicht das Kind. Der Gesetzgeber und Regent die Volkheit, nicht das Volk. Jene spricht immer dasselbe aus, ist vernünftig, beständig, rein und wahr. Dieses weiß niemals vor lauter Wollen, was es will. Und in diesem Sinne soll und kann das Gesetz der allgemein ausgesprochene Wille der Volkheit sein, ein Wille, den die Menge niemals ausspricht, den aber der Verständige vernimmt und den der Vernünftige zu befriedigen weiß und der Gute gern befriedigt.“ (aus: „Wilhelm Meisters Wanderjahre“, 3. Buch im Kapitel „Aus Makariens Archiv“).

Warum, fragt sich sicher der Leser, überleite ich meine Gedanken immer wieder in die Politik? Nun, es liegt mir fern, dass der gewillte Charakter, Der, der Willens ist, der Gemeinschaft dienlichen Machtwillen zu leben, vom „equo consilium“ getreten wird, nur weil er unwissend wagte, es von hinten aufzuzäumen.

Das politische Geschehen muss von metapolitischen Grundsätzen und Anschauungen geleitet werden, andernfalls verfällt es, wie aktuell und geschichtlich beschrieben, der Marktwirtschaft der Politik. Geschieht dies nicht, hat das eigene Wirken keine Folge mehr, wer blind am Symptom herumpfuscht, wird nicht die Ursache ergründen können. Jener wird, vielleicht trotz guten Willens, unter die Räder eines Streitwagens kommen, den man wagte, zu Fuß auf freiem Feld entgegen zu treten, einer Flur, die der Andere vortrefflich beherrscht, während man selbst auf diesem Weg zwangsläufig versagen muss.

„Der freigewordene Mensch,

um wie viel mehr der freie Geist,

tritt mit Füßen auf die verächtliche Art von Wohlbefinden,

von dem Krämer, Christen, Kühe, Weiber, Engländer und andere Demokraten träumen. Der freie Mensch ist Krieger.

Wonach misst sich die Freiheit, bei Einzelnen wie bei Völkern?

Nach dem Widerstand, der überwunden werden muss,

nach der Mühe, die es kostet, oben zu bleiben.“

-Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung oder: Wie man mit dem Hammer philosophiert, 1889-

Es ist nun also gesprochen worden, was auch den eigenen Maßstab ausmacht. Nicht zum Befehlsempfänger spreche ich, sondern zu dem Menschen, der seinen Geistwillen ergründen kann und mit körperlicher Wohlgeratenheit symbiotisch verbinden kann. Denn was nützt dem Sklaven des Triebwillens ein starker Körper, wenn er Sklave lustgetriebener Begierden ist? Und was nützt es umgekehrt, stur zu lesen und sich auf diese eine Eignung zu verlassen, während man mit kleinem Körper und glatter Haut niemals eine tragische Gestalt werden kann, die als Vorbild anderen leuchten kann, weil er stehts etwas mehr hält, als er verspricht.

-Ziel erkannt, Kräfte gespannt-