Vorwurf der Kollaboration mit dem Ausland

by | 17. Jul. 2024 | Philosophie & Theorie

Im vorliegenden Artikel wirft Dominik Schwarzenberger die Frage der Verbindungen von AfD-Funktionären mit russischen und chinesischen Staatsvertretern auf. Er zieht Vergleiche zu historischen Kollaborationen und arbeitet heraus dass realpolitische Notwendigkeiten häufig ideologische Ansichten überwiegen. Dies sieht er im Grunde als nichts falsches, sofern Augenmerk darauf gelegt wird nicht in Abhängigkeiten zu geraten.

 

Mit der von den offiziellen Medien genüsslich ausgeschlachteten engen Verbindungen einiger AfD-Funktionäre bzw. deren Umfeld zu russischen wie chinesischen Staatsvertretern und dem brisanten Vorwurf der Spionage eröffnet sich eine Reminiszenz an das Paradoxon ausländische Kollaboration mit Hitler-Deutschland. Gleiches gilt für die gegen Moskau vom Establishment betriebenen Interventionismus, die jede Verhandlung mit Moskau als neue Appeasement-Politik à la Neville Chamberlain diskreditiert.

 

Das Ebenen-Modell

Für meine geopolitischen Analysen nutze ich das Ebenen-Modell: es zeigt die Prioritäten beteiligter Staaten, Personen oder Organisationen in Bezug auf Konflikte wie auch Allianzen. Folgende unvollständige Ebenen tauchen dabei häufig auf:

 

  • Nation /Volkstum[1]
  • Werte /Ideologie[2]
  • Wirtschaft[3]
  • Religion
  • Geopolitik[4]

 

Frankreich und Großbritannien 1933-1939

Während der Friedensjahre nach der Machtübernahme durch die deutschen Nationalsozialisten kam es unter einigen Nationalisten Frankreichs wie Großbritanniens zu einer Umorientierung: Standen sie der Weimarer Republik noch misstrauisch gegenüber, weil sie Revanchegelüste und eine Revision der Nachkriegsordnung von 1919 fürchteten (Ebene Geopolitik und Ebene Nation /Volkstum), so entwickelten nicht wenige Nationalisten Sympathien oder zumindest neidvolle Bewunderung für das neue Deutschland von 1933. Dafür sind drei Motive verantwortlich: das eigene politische System wurde als schwächlich und dekadent[5] wahrgenommen, zweitens: als nicht verteidigungsfähig und drittens: auch nicht verteidigungswürdig (das negative Motiv). Folglich wurde die Ebene Werte /Ideologie zur Beurteilung des neuen Deutschlands fokussiert – hier erkannte man Verwandtschaft und Vorbild[6] (das positive Motiv). Die eine antideutsche Ausrichtung begünstigende Ebenen Nation /Volkstum[7], Geopolitik[8] und Wirtschaft[9] traten in den Hintergrund. Im Ersten Weltkrieg dominierten gerade diese Ebenen, weshalb sich die antirepublikanische Rechte zum Wohle des Vaterlandes für einen Burgfrieden mit der verhassten Republik entschloss. Paradoxerweise waren es also die bis dato unversöhnlichen französischen wie britischen Rechtsnationalisten[10], die sich für eine Appeasement-Politik einsetzten. Während der Sudeten-Krise, der deutschen Besetzung der „Resttschechei“ sowie des Krieges gegen Polen, blieben die ideologischen Verwandten Frankreichs und Großbritanniens ihren pazifistischen Forderungen treu[11]. Der Krieg zwischen Deutschland und den Westmächten und besonders die Besetzung Frankreichs zeugen vom Bewusstseinswandel vieler Rechtsnationalisten[12]. Den Höhepunkt stellten dann die französischen Kollaborationsregimes dar, während London prodeutsche Kräfte vorsorglich internierte. Der französische Widerstand gegen die deutschen Besatzer wurde also von Bürgerlichen und Linken getragen, die neben den ideologischen Motiven auch patriotische (Ebene Nation /Volkstum) pflegten, während sich die nationalradikalen Kollaborateure mit paneuropäische Träumereien trösteten. Nach 1945 war ausgerechnet der Rechtsnationalismus als unpatriotisch und landesverräterisch über Jahrzehnte diskreditiert.

 

Kroatien 1941

Nach der Zerschlagung Jugoslawiens bauten Deutsche und Italiener auf ein „unabhängiges“ Kroatien. Favorit war dabei der gemäßigte Nationalist Vladko Maček von der inzwischen überideologischen Bauernpartei. Bedingung für ein autonomes Kroatien sollten u.a. Gebietsabtretungen an Italien und Autonomie für die kleine deutsche Minderheit[13] sein. Das lehnte Maček aus ideologischen und patriotischen Gründen ab. Es blieb nur noch Ante Pavelić von der radikal-nationalistischen Ustaša als Alternative übrig. Der akzeptierte. Bei Pavelić dominierte klar die Ebene Werte /Ideologie. Damit hatten es seine Feinde leicht, ihm Volksverrat vorzuwerfen, was die bis dato antinationalen Kommunisten dankbar ausnutzten.

 

Russland, „Resttschechei“ und Serbien im Zweiten Weltkrieg

Bei den ideologieaffinen Kollaborateuren dieser Länder wiegt der Vorwurf des Volks- und Vaterlandsverrats noch schwerer, da die ganze Existenz des eigenen Volkstums vom unberechenbaren Willen Berlins abhing. Das ist auch der Grund, weshalb dort bis heute „Faschismus“ nicht als Ideologie angesehen wird, sondern als alleiniges Herrschaftsinstrument der Deutschen. Einheimische faschistische Kollaborateure als Unterstützer deutscher Fremdherrschaft.

 

Südtirol

Ein letztes pikantes Beispiel sei genannt: Hitler opferte Südtirol (Ignorieren der Ebene Volkstum /Nation) zugunsten eines Bündnisses mit Italien[14] – es dominierte auch hier die Ebene Werte /Ideologie plus Ebene Geopolitik.

 

Die Situation heute

Eine pazifistische Haltung gegenüber Moskau wird heute von einigen Linken und der Mehrheit deutscher Rechter[15] eingenommen. Heute sind es sogenannte Putin-Versteher, die ins Visier des interventionistischen Establishments geraten. Sollte es zu einem offenen Krieg der NATO mit Russland kommen, tut sich für diese Pazifisten ein hervorragendes Feld auf, „nicht für Kiev sterben zu wollen“. Eine völlig andere Situation haben wir, wenn Russland in Deutschland einrückt und eigene kolonialistische Verwaltungsstrukturen schafft – dann sollten uns die obigen Kollaborationsbeispiele des Zweiten Weltkriegs mahnen und wir den passiven Widerstand der Ruhrbesetzung 1923 anstreben.

Die nichtinterventionistische Rechte mit der AfD hat heute vier Boni, die die Kollaborateure damals nicht hatten:

 

  • die BRD ist kein souveräner Staat
  • „deutsche“ Politik wird in Brüssel und Washington gemacht
  • Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson
  • Das Establishment strebt de-facto einen postnationalen Staat an

 

Ähnlich wie in der Vorkriegszeit lässt sich zudem argumentieren, der eigene Staat ist gar nicht wehrfähig, weil

 

  • die Wehrmoral und -tugenden systematisch aufgeweicht[16] wurden
  • Immigranten als Soldaten kein patriotisches Verteidigungsmotiv haben und sogar ein Sicherheitsrisiko darstellen
  • der soziale Kitt des Zusammenlebens aufgrund fortgeschrittener Atomisierung und ethno-religiöser Fragmentierung im Kriegsfall versagen wird

 

Kontakte zu offiziellen ausländischen Institutionen sind kein Fehler, Kontakte auf Basis ideologischer Verwandtschaft zu ausländischen Politikern sogar notwendig, aber immer auf die eigene Unabhängigkeit bedacht. Auch bei Russland und China handelt es sich nicht um erstrebenswerte Modelle, sondern um fragile Staaten, die mit dem Rücken – nicht anders als der Westen –, zur Wand stehen. Für Nationen gilt wie für den Einzelnen: Damit keine neue Abhängigkeit droht, kann man sich immer nur selbst befreien.

 

 

[1] dazu gehören auch direkte Grenzstreitigkeiten

[2] Die Ebene „Werte /Ideologie“ kann um die Ebene Staatsform oder Moral weiter spezifiziert werden.

[3] hier z.B. Freihandel vs. Autarkiestreben /Protektionismus

[4] außenpolitische Orientierung, Einflussnahme auf supranationale Organisationen und andere Staaten

[5] Das betraf Moral, gehemmtes Großmachtstreben, Einwanderung und Ohnmacht gegen die innere kommunistische Bedrohung.

[6] Bestehende französische wie britische faschistische Organisationen fühlten sich bestätigt und weitere wurden unter dem Eindruck der Jahre 1933/1934 gegründet.

[7] Im Falle Frankreich drohte ja noch das Damoklesschwert Elsass-Lothringen.

[8] Hitler bedrohte die von den Siegern von 1918 sanktionierte Staatenordnung mit ihren fragilen Grenzziehungen und den Einflussbereich Paris` und Londons in Osteuropa.

[9] Eine regenerierte deutsche Wirtschaft war Konkurrenz und speziell das Autarkiestreben (Großraumwirtschaft) isolierte v.a. London.

[10] Bei den jakobinischen Linksnationalisten Frankreichs gab es freilich kein ideologisches Interesse. Ausnahmen wie die Neosozialisten wechselten unter dem Eindruck des aufstrebenden Dritten Reiches ins faschistische Lager.

[11] „Sterben für Danzig?“ war in Frankreich wie Großbritannien eine populäre Formel.

[12] Bürgerliche Nationalisten beider Westmächte waren v.a. aufgrund ihrer auf Ebene Nation /Volkstum orientierter Politik gegen Berlin gerichtet. In Frankreich waren aufgrund ebendieser Orientierung nur wenige Nationalradikale und Faschisten (v.a. aus dem Umfeld Action Française und Feuerkreuzler) am antideutschen Widerstand beteiligt.

[13] Die winzige Minderheit genoss regelrechte Narrenfreiheit und baute eine eigene Infrastruktur auf.

[14] Vgl.: Hitler, Adolf: Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem, München 1926.

[15] Die interventionistischen Rechten zugunsten der Ukraine unterscheiden immerhin zwischen ukrainischen Nationalisten und deren momentanen liberalistischen Regierung.

[16] Mannhaftigkeit, Autorität, Gehorsam und Disziplin sind heute verwerflich und „Soldaten Mörder“