Lucien Cerise: Gegen das Ende des Sinns. Einführung in den konservativen Materialismus

by | 21. Sep. 2023 | Philosophie & Theorie

In der Regel veröffentlichen wir auf unserem Blog ausschließlich Erstlingsartikel. Der folgende Teil wurde uns jedoch von einem aufmerksamen Leser und Rezensenten vorgelegt. Wir finden das Format des Artikels sehr interessant. Zudem würdigen wir gern die geistige und theoretische Arbeit, die von Anderen geleistet wird. Natürlich dienen auch unseren Autoren verschiedene Plattformen als Inspiration. Der Beitrag widmet sich der geistigen Grundlagen des Transhumanismus und weist auf, warum sich die verschiedenen Formen der Spiritualität so schwer tun, ihm etwas entgegenzusetzen. Hier geht es zum Originalbeitrag. Wer sich darüber hinaus mit dem Thema auseinandersetzen möchte, dem sei unsere Ausgabe 2 der AGORA EUROPA ans Herz gelegt.

(Redaktionelle Vorbemerkung zur Entstehung dieses Textes von multipolaristen.de: Arthur Sapaudia, ein „junger antiglobalistischer Aktivist“1, veröffentlicht auf seiner Internetseite sapaudia.org eine Reihe von Texten, die er „En réaction“ nennt. Er lädt verschiedene Intellektuelle dazu ein, auf einen bestimmten Text zu „reagieren“. In der Folge Nr. 3 dieser Reihe ist nun Lucien Cerise gebeten worden auf ein Zitat zu reagieren.)

Arthur Sapaudia: Hallo Lucien! Ein einziges Zitat in dieser dritten Runde. Es stammt aus dem Vorwort zu Abel Bonnards Buch „Éloge de l’ignorance“ (Lob der Unwissenheit, 1926). Dieses Vorwort stammt aus dem Jahr 2019 und wurde von Yves Morel verfaßt.

Hier der Auszug:

Wie Nietzsche glaubt Bonnard, daß der Mensch nicht dazu bestimmt ist, gemäß seiner Vernunft zu leben – nach dem sokratischen Modell, der Matrix der Philosophie und der Wissenschaft – und daher nicht zu einem ‚unendlichen Fortschritt‘ in Richtung universeller Glückseligkeit berufen ist, sondern zum Mythos und zur Tragödie bestimmt ist. Er glaubt, daß der Mensch dazu geschaffen ist, die Welt und ihre Geheimnisse zu sublimieren und poetisch zu verklären, nicht aber dazu, sie aufzuklären, sie in Wissensobjekte und Informationen zu verwandeln, sie letztlich zu verdinglichen (sie auf Dinge zu reduzieren, wie Émile Durkheim es mit den sozialen Tatsachen tut) und sie schließlich zu töten. Der Mensch ist ein triebhaftes, tragisches, sentimentales, träumerisches Wesen, ein Dichter im etymologischen Sinne des Wortes (ein Schöpfer), kein Wissenschaftler – oder ein Bürger. Er ist ein Wesen mit Seele, Herz und Bauch, bevor er ein sokratisches, kartesianisches oder kantianisches rationales Subjekt ist. Wissen ist eine Art Gewalt, die der Natur angetan wird. Wissen ist das Ergebnis einer kolossalen Anstrengung, die Geheimnisse der Welt zu entschlüsseln und sich bis zu einem gewissen Grad von den versklavenden Auswirkungen der Naturgesetze zu befreien. Doch die Zahl seiner Errungenschaften bleibt begrenzt, und die Natur bleibt der Stärkere – und damit auch die Unwissenheit.“

Die Reaktion von Lucien Cerise:

Vielen Dank, daß Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, mich zu diesem Thema zu äußern, das mich schon seit einiger Zeit umtreibt!

Dieses Zitat faßt die Dialektik zwischen Natur und Kultur, die die Conditio humana sowie die Ideengeschichte strukturiert, gut zusammen. Diese Spaltung überschneidet sich auch mit der zwischen den Leidenschaften und der Vernunft im Vokabular der klassischen Moralphilosophie. Im 19. Jahrhundert formulierte die Psychologie diese Dualität neu, indem sie eine Konfrontation zwischen dem Unbewußten und dem Bewußten annahm. Und im 20. Jahrhundert zeigte die strukturalistische Schule, daß es sich genauer gesagt um eine grundlegende Spaltung zwischen der Sache und dem Wort, das sie repräsentiert, zwischen dem Territorium und seiner Karte handelt. Je höher die Kultur der Lebewesen entwickelt ist, desto mehr droht die Karte das Territorium vollständig zu ersetzen und droht auch, sich so weit von der Natur zu entfernen, daß sie diese in unnatürlichen Lebensweisen verleugnet.

Zunächst ist die Kultur jedoch eine schematische Nachahmung der Natur. Im technisch-wissenschaftlichen Bereich sind die ersten Werkzeuge und Artefakte biomimetisch, also natürlichen Vorbildern nachempfunden. Religiöse Gründungsgeschichten sind ebenfalls anthropomorph, sie ahmen die menschliche Natur nach, denn sie haben die Funktion, die sozialen Bindungen zu stabilisieren, indem sie die Bedeutung der in einer menschlichen Gruppe verwendeten Wörter stabilisieren, damit sich alle über die Bedeutung der Wörter einig sind und denselben Kommunikationscode teilen. Um dies zu erreichen, muß sich die Gruppe jedoch emotional mit der Erzählung identifizieren, weshalb es eine Vielzahl von Bezugspunkten gibt, die aus der natürlichen Welt übernommen werden. Die großen polytheistischen und monotheistischen Erzählungen stellen höhere Wesen, Titanen, Götter und Halbgötter dar, in denen sich der Durchschnittsmensch trotz allem wiedererkennen kann, da ihre Motive menschlich entschlüsselbar und ihre Existenzweise nachvollziehbar ist. Im Christentum zum Beispiel geht ein Gott sogar so weit, daß er in einer menschlichen Familie geboren wird. Die jüdischen und muslimischen Götter sprechen zu ihren Anhängern wie ein Vater zu seinen Kindern, in einer Mischung aus Autorität und Zuneigung.

Nachdem die Kultur der Natur gedient hat, bietet sie in einem zweiten Schritt eine Einrahmung der Natur an – eine Zähmung, eine Domestizierung, eine Bevormundung. In der Bibel, Genesis 1,28, erschafft Gott Adam und Eva und fordert sie dann auf: „Seid fruchtbar, vermehret euch, füllt die Erde und macht sie euch untertan. Herrscht über die Fische im Meer, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen.“ In gewisser Weise widersprüchlich zu dieser göttlichen Anweisung knüpft das biblische Thema vom Baum der Erkenntnis und der verbotenen Frucht an die griechische Mythologie und die Figur des Prometheus an, die quasi zum Synonym für „Fortschrittlichkeit“ geworden ist, wenn auch mit einer manchmal negativen Konnotation. Einige Jahrhunderte später setzt das Descartes mit seinem kurzen Satz im „Discours de la méthode“2 fort, wo er uns ermahnt, „wie Herren und Besitzer der Natur zu werden“.

Die konkrete Bedeutung dieser Konzeption läßt sich am besten an dem Unterschied zwischen dem englischen Garten, der versucht, ein organisches Muster dezentraler, asymmetrischer und nicht geradliniger Entwicklung nachzubilden – wie der Park Buttes Chaumont – und dem französischen Garten im Stil von Versailles nachvollziehen, der das Pflanzenreich innerhalb strenger geometrischer Formen einhegt, diszipliniert und neu gestaltet.

Hegel beschrieb den Sinn der Geschichte als den Prozeß der Rationalisierung der Welt durch das reflexive Bewußtsein, d.h. das Wissen und das bewußte Denken, das sich aus der Natur herauslöst.

Im 20. Jahrhundert schlug Martin Heidegger das Konzept vom „Gestell“ vor, das man mit „Reifikation“, „Versachlichung“, „Verdinglichung“ oder „Verzweckung“ (arraisonnement, réification, chosification) übersetzen könnte, um die Auswüchse des rationalen Denkens im Rationalismus, Positivismus und Szientismus zu beschreiben, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, das bewußte Denken an den Anfang und über die Welt zu stellen. Mit seinem „Ich denke, also bin ich“ hatte Descartes das Sein mit dem bewußten Denken, dem Cogito, in eins gesetzt.

Im 19. Jahrhundert zeigten die drei „Denker des Zweifels“ – Marx, Nietzsche und Freud –, daß bewußte Ideen nur der symptomatische Überbau einer unbewußten oder halbbewußten Infrastruktur ökonomischer, emotionaler oder organischer Art sind. Nietzsches formulierte Kritik an der Metaphysik ist in erster Linie ein Versuch, die Ansprüche des bewußten Denkens, sich wichtiger machen zu wollen, als es in Wirklichkeit ist, zurechtzurücken.

Für die spiritualistische Metaphysik – Platonismus, Aristotelismus, Monotheismus – geht der Geist der Materie voraus. In kartesianischen Begriffen geht die res cogitans der res extensa voraus. In dieser Tradition erschafft Gott, oder ein Äquivalent, die Welt und nicht umgekehrt. Am Anfang ist der Geist, am Anfang ist das bewußte Denken, am Anfang ist das Wort. Im Gegensatz dazu ist in der naturalistischen oder materialistischen Tradition am Anfang die unbewußte Materie. Das bewußte und reflexive Denken ist nur eine späte und oberflächliche Entstehung. Am Anfang ist die Natur, die Kultur kommt später. Am Anfang ist das Ding, das Wort kommt erst an zweiter Stelle. Am Anfang ist das Territorium, die Karte ist nur eine Darstellung davon. Das Wort, d.h. der bewußte Gedanke, ist ein Epiphänomen der unbewußten Materie. Durch die Umkehrung der Hierarchie zwischen Natur und Kultur hat die Metaphysik – etymologisch das, was über der Natur steht, im Griechischen physis –, aber auch der Spiritualismus, der Idealismus, der Essentialismus und der Ideenrealismus – der Glaube, daß Ideen objektiv existieren – den Boden für den Transhumanismus bereitet, d.h. für die Theoretisierung einer rein kulturellen, von der natürlichen Ordnung losgelösten Lebensform. Wie die Spiritualisten und Idealisten wollen auch die Transhumanisten mit dem Primat der unbewußten Materie, sowie mit deren unbewußten Prozessen der natürlichen Auslese, Schluß machen und versuchen, die Kontrolle über die Evolution zu erlangen, indem sie das bewußte Denken, das Wort, den Geist und das Wissen an den Anfang der Selektion von Lebensformen stellen.

In einem dritten Schritt ist Kultur daher ein Mord an der Natur. Kultur wird zu einem Projekt, das die Natur zerstört oder das zumindest darin besteht, die Natur zu überwinden und sie durch eine neue Natur zu ersetzen, die von der Kultur völlig umgeschrieben, überarbeitet und verändert wird und von den natürlichen Bedingtheiten und Determinismen unabhängig gemacht wird. Die Natur würde dann durch eine neue Seinsweise, eine neue Realität, eine neue Normalität, eine neue, durch Kultur erweiterte und umgestaltete Natur überflüssig, überholt und altmodisch werden.

Dieses umfassende Programm wird von der Spitze des Kapitalismus (IWF, Davos-Forum, GAFAM usw.) unterstützt, die es als Great Resetbezeichnet. Diese neue kulturelle Ordnung könnte sich im Widerspruch zu den organischen Kohärenzen der natürlichen Selektion etablieren. Dort sind wir jetzt mit dem Transhumanismus angelangt, der der LGBT-Lobby die Ideen liefert; beide versuchen, die Welt nach ihrem Bild zu formen, was bedeutet, daß die reproduktive Sexualität, d.h. die Heterosexualität und die natürliche Fruchtbarkeit, abgeschafft werden müssen. Wie soll das geschehen? Durch die Sterilisierung des Lebendigen unter verschiedenen Vorwänden, seien sie gesundheitlicher, klimatischer oder anderer Art.

Yuval Harari spricht davon, die natürliche Auslese zu beenden und eine neue, nicht-biologische Lebensform zu entwickeln, die also mit dem natürlichen Entstehungsprozeß bricht und aus einem durchdachten Projekt, also einem kulturellen Projekt, hervorgeht (Intelligent Design). Die natürliche Selektion zu beenden bedeutet, das zu beenden, was funktioniert, was durch einen Prozeß der Anpassung der lebenden Formen an die Umwelt selektioniert wurde, um von Anfang an funktionsfähig und lebensfähig sein. Diese neue, nicht-biologische Lebensform, die aus natürlicher biologischer Sicht nicht lebensfähig ist, wäre also von Anfang an dysfunktional und entspringt nicht einem unbewußten Prozeß der Anpassung von Parametern und der Auswahl dessen, was funktioniert, sondern einem bewußten Projekt, das versucht, eine Simulation des Lebendigen zu reproduzieren, wobei es ihm jedoch gelingt, sich von den tatsächlichen Bedingungen des Lebendigen, insbesondere der sexuellen Fortpflanzung, zu lösen.

Wenn man Jean Baudrillard und Renaud Camus kombiniert, könnte man dies als den Großen Austausch des Lebendigen durch das Pseudo-Lebendige bezeichnen. Die Pseudolebewesen könnten ohne sexuelle Fortpflanzung auskommen, da sie nicht durch die Paarung und Verschmelzung eines männlichen mit einem weiblichen genetischen Code gezeugt würden, sondern durch eine nicht-biologische, rein epigenetische und artefaktische Konstruktion. Eine Pseudolebensform mit nicht-reproduktiver Sexualität könnte sich dann auf der Erde etablieren und dominant werden. Die Homosexualität könnte dann die Heterosexualität vollständig verdrängen.

Der Transhumanismus trägt das Projekt in sich, die natürliche Fortpflanzung und die Heterosexualität zu beenden und sie durch eine neue homosexuelle oder weiter gefaßte LGBT-Menschheit zu ersetzen. Die vollständige Loslösung der menschlichen Spezies und des Lebendigen im allgemeinen von der Natur kann nur in Köpfen keimen, die selbst bereits teilweise aus dem Lebendigen herausgefallen sind, reine Produkte des Endstadiums des Kapitalismus, der übermäßigen Tertiärisierung und einer postnatürlichen, im wesentlichen urbanen Lebensweise. Diese Lebensweise wäre nur die Erweiterung und Normalisierung der als unnatürlich angesehenen Lebensweise, die im Laufe der Geschichte von bestimmten aktiven Minderheiten angenommen wurde und auf einem biologisch sterilen, aber intellektuell hyperaktiven Kompensations- und Sublimierungsmechanismus beruht – natürlich steril, aber kulturell kreativ. Eine biologisch nicht lebensfähige, da biologisch sterile Lebensform könnte dann trotz allem die Welt beherrschen, indem sie voll und ganz auf Kultur und Technowissenschaft setzt.

Darin liegt eine ultimative Gewalt gegen die Realität, aber im Namen von Liebe und Fortschritt – also eine doppelte Gewalt: 1. eine physische Gewalt durch die Vernichtung des Lebens auf der Erde und seine Ersetzung durch ein postnatürliches Pseudoleben und 2. eine symbolische Gewalt durch die Lüge, mit der dieser Völkermord zu rechtfertigen versucht wird – und sogar eine dreifache Gewalt durch den darauf folgenden totalen Zusammenbruch und den vorhersehbaren Selbstmord dieser Form des transhumanistischen Pseudolebens.

In der Tat führt uns die Künstlichkeit des Lebendigen zur Pseudo-Natur: eine Pseudo-Natur, die die ursprüngliche Natur nachahmt, also eine Simulation, eine Parodie ist – eine zombifizierte Natur. Der Zombie wird als ein Wesen definiert, das bereits tot ist, sich aber noch bewegt. Der Zombie besteht also auf einer Ebene der Dämmerung fort, die weder Leben noch Tod, sondern Pseudoleben ist – ähnlich wie Frankensteins Kreatur. Der Trend zur Künstlichkeit des Lebendigen, um daraus Pseudoleben zu machen, ist weltweit zu beobachten – aber der Westen ist Vorreiter –, was zu einem allgemeinen Streß des Lebendigen führt, das diesen Trend intuitiv als schlimmer als einen Völkermord empfindet. Die Ausrottung der Biomasse erfolgt nämlich nicht offen im Namen eines erklärten Ziels, sondern im Namen der Lüge vom Schutz der Biomasse und der Ökologie – ein Täuschungsmanöver des Social Engineering, das noch mehr Streß verursacht, da die Biomasse nicht versteht, was mit ihr geschieht, und sogar zustimmen muß, indem sie ihre organische Intuition und ihren eigenen Selbsterhaltungsinstinkt verleugnet.

Der Große Austausch des Lebendigen durch genetisch veränderte Organismen und pseudo-lebendige Zombies schreitet unter einem Deckmantel voran. Der Streß, der durch das Aufbrechen natürlicher Zusammenhänge unter dem Vorwand, sie in eine höhere kulturelle Kohärenz zu retten, hervorgerufen wird, induziert permanentes Leiden und innere Anspannung, was zu psychischen Auflösungserscheinungen und einem Anstieg geistiger Verwirrung und Inkohärenz in den Köpfen und in der Gesellschaft führt. Das ist das Ende des Sinns. Unlogische Argumentationen, inkohärente Äußerungen und abwegige, anormale Verhaltensweisen werden immer häufiger, banalisiert und normalisiert. Lüge und Heuchelei überziehen alles, Simulation und Schein haben alles bis in den letzten institutionellen Winkel durchdrungen und stürzen die westliche Welt in eine allgemeine Doppelzüngigkeit, eine ständige kognitive Dissonanz und eine Nichtübereinstimmung zwischen Denken und Sprechen auf der ganzen Welt.

Die offene Gesellschaft und die grenzenlose Einwanderung tragen zu dieser allgemeinen Entwurzelung und unendlichen entropischen Spaltung bei, indem sie die Kommunikationscodes vervielfachen, was die Sprache an ihre Grenzen und bis an den Punkt des Zusammenbruchs treibt. Wir baden in widersprüchlichen oder unverständlichen Informationen, Botschaften und Erzählungen; die Gesamtsituation wird unlesbar, es gibt keine Strukturen mehr.

Hybridformen nehmen zu, insbesondere mit dem Aufkommen ideologischer Bewegungen wie dem inklusiven Islam und den wokistischen Identitären, die EU- und NATO-freundlich sind. Die Ukraine, die den Judeo-Banderismus (жидобандеризм), also den Judeo-Nazismus, erfunden und auf ihrem Boden ein Bataillon von LGBT-Soldaten aufgestellt hat, ist das Laboratorium dafür.

Der Westen und seine Kolonien werden zu einer riesigen psychiatrischen Klinik, in der die Kranken das Sagen haben und die auf jede erdenkliche Weise explodiert: Explosion von psychischen und Verhaltensstörungen, Hypernarzißmus, Hysterisierung von Beziehungen, Wellen von Paranoia und paranoiden Beschuldigungen, kontrollierte Opposition zu sein, psychotische, d.h. subjektive Rekonstruktion der Realität aufgrund von Medien und des Internets, aber auch Ausbrüche von blinder physischer Gewalt, völlige Entfesselung sadomasochistischer Todestriebe, städtische Unruhen, galoppierende Unsicherheit, verdeckter Bürgerkrieg vor dem Hintergrund frei fallender I- und E-Quotienten, die zu einem allmählichen Verschwinden der menschlichen Sprache, einem Anstieg der Inkompetenz und einem vollständigen sozioökonomischen Zusammenbruch führen.

Gleichzeitig wird die Technowissenschaft immer invasiver, die computergestützte Betreuung des Lebens schreitet unaufhörlich unter dem Vorwand voran, immer anormalere Verhaltensweisen zu regulieren, aber diese digitale Betreuung vom Typ „Sozialkredit“ wird selbst immer dysfunktionaler werden. Unsere Zukunft ist keine funktionierende Computerdiktatur, sondern eine mit immer mehr Fehlern und Pannen. Unsere Zukunft ist gleichsam Matrix und Idiokratie – ein digitales Gefängnis, in dem nichts funktioniert, aus dem wir aber auch nicht mehr herauskommen.

Ich fasse zusammen: Alle Formen von Spiritualität, die dem griechisch-monotheistischen Kulturkreis angehören, sind gegen den Transhumanismus machtlos, da erstere mit letzterem den Glauben an den Vorrang des Geistes vor der Materie teilen. Nur ein richtig verstandener Materialismus, ein konservativer Materialismus, würde es ermöglichen, Leitplanken gegen den Mythos des „unendlichen Fortschritts“ zu errichten, um sicher zu gehen, daß die Natur und die Unwissenheit immer stärker sein werden, wie Abel Bonnard und Yves Morel in dem von mir hier kommentierten Auszug sagen.

Die Weisheit des Materialismus rührt daher, daß es sich um eine Disziplin für das bewußte Ich handelt. Das Ego muß seine Grenzen anerkennen, seine Ansprüche verringern und sich auf das einlassen, was es nicht beherrscht, anstatt von einer totalen Kontrolle über sich selbst und die Realität zu fantasieren. Die Ethik des Materialismus läßt sich wie folgt zusammenfassen: Der Geist wird nie mit der Materie fertig werden, die Kultur nie mit der Natur, die Vernunft nie mit den Leidenschaften – es wird immer ein Kern des Irrationalen, der Unwissenheit und des nicht unterdrückbaren Unbewußten bleiben, der sich dem Wissen und seinen Allmachtsphantasien entzieht.

1 https://sapaudia.org/a-propos/

2 Abhandlung über die Methode, seine Vernunft gut zu gebrauchen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen: https://de.wikipedia.org/wiki/Discours_de_la_m%C3%A9thode