Peter Steinborn fragt nach bei Johannes Scharf. Der Ukraine-Krieg der sich zum Weltkrieg ausbreiten könnte, die West- oder Ostausrichtung Europas, Rolle und Zukunft der NATO, aber auch über die zukünftige Stellung Russlands, bespricht Johannes Scharf zusammen mit unserem Autor Peter Steinborn. Johannes Scharf vertritt hierbei eine eher kontroverse Meinung, die nicht innerhalb der üblichen Streuung rechter Überlegungen in Sachen Geopolitik und Orientierung Europas liegen dürften. Dieser Beitrag kann als gegenüberliegende Position zum Eurasianismus betrachtet werden, wie ihn z.B. Alexander Markovics vertritt.
P.S.: Vielen Dank Herr Johannes Scharf, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Nachdem wir letzte Woche den bekannten Eurasier, Alexander Markovics, zum Ukraine-Krieg befragt hatten, wollen wir nun mit Ihnen die „andere Position“ zu Wort kommen lassen.
Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine scheint nicht nur die Welt in Ost und West zu spalten, sondern auch die europäische und im Besonderen die deutsche Rechte. Es ist grundsätzlich schwierig dieser Tage einen nüchternen Gesprächspartner zu finden. Der Ukraine-Krieg ist längst zu einer Art Russland-Frage geworden – also wie positionieren wir uns gegenüber Russland. Warum glauben Sie, erzeugt dieses Thema so viel Emotionen? Und wie gespalten sehen Sie die Rechten? Ist das eine Zäsur oder haben wir längst eine unüberwindbare Spaltung erreicht?
J.S.: Sie wissen ja, dass ich mich lange geziert habe, Ihnen dieses Interview zu geben. Und das nicht nur aus Zeitgründen. Sicherlich wird meine Position viele – wenn nicht alle – Leser vor den Kopf stoßen. Ich vertrete nämlich keine der bislang im rechten Lager anzutreffenden Positionen, sondern bin über diesen Konflikt zum lupenreinen Transatlantiker geworden. Obwohl ich die russische Seite durchaus verstehen kann. Ich hege keinerlei Ressentiments gegen Russland und das russische Volk und ich glaube auch nicht, dass Putin verrückt ist. Aber ich glaube, dass er sich stark verkalkuliert hat und dieser von ihm vom Zaun gebrochene Angriffskrieg sogar das Potenzial hat, ihm das Genick zu brechen.
Das Thema ruft vor allen Dingen deshalb starke Emotionen hervor, weil der Krieg vor unserer Haustüre tobt. Viele Deutsche haben in der Ukraine Bekannte, Freunde oder sogar Verwandte. Hinzu kommen die russische und ukrainische Diaspora und das Heer von Spätaussiedlern. Diese Russlanddeutschen sind eher konservativer als der Bevölkerungsdurchschnitt und konsumieren zum Teil russische Staatsmedien oder informieren sich in alternativen Telegram-Gruppen, wo man vor Fake-News keinesfalls sicherer ist als beim Durchstöbern der „Qualitätsmedien“. Mich stößt die plumpe Propaganda beider Seiten ab. Sei es, dass man die NS-Affinität gewisser ukrainischer Verbände in Abrede stellt (man kann sich vor Persil-Scheinen für die tapferen Asow-Kämpfer in letzter Zeit kaum retten!), sei es, dass man von einem Genozid an der russischen Bevölkerungsminderheit in der Ukraine fabuliert oder behauptet, die Ukraine sei ein faschistischer Staat. Die auf beiden Seiten inflationär gebrauchte Völkermord-Rhetorik widert mich an. Sie ist grotesk. Nachdem der ukrainische Präsident die sehr berechtigte Frage aufgeworfen hatte, welche Art von Nazismus in seinem Land vorherrschen könne angesichts der Tatsache, dass er selbst Jude sei, hat der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Moment geistiger Umnachtung gesagt: „Ich könnte mich irren, aber Hitler hatte auch jüdisches Blut.“ Auf was für ein unterirdisches Niveau ist die große Politik bitteschön herabgesunken! Ebenso unsinnig ist es natürlich, Russlands Präsidenten aufgrund der verbalen Entgleisungen seines Außenministers Antisemitismus zu unterstellen.
Was die Spaltung der Rechten anbelangt, so ist zweifelsfrei zu konstatieren, dass sich hier zwei Blöcke unversöhnlich gegenüberstehen: die „Putin-Versteher“ und diejenigen, die am liebsten selbst zur Waffe greifen würden, um der Ukraine beizustehen (vor denen, die es bereits getan haben, ziehe ich den Hut!). Den Angehörigen beider Blöcke fehlt aber leider in der Regel ein gerüttelt Maß Ambiguitätstoleranz. Das ist im Übrigen ein Problem, das nicht nur das rechte Lager betrifft. Natürlich wurden und werden in jedem Krieg auf beiden Seiten Kriegsverbrechen verübt. Gestern erst hatte ich eine Diskussion mit einer vor wenigen Wochen geflohenen Ukrainerin, die behauptete, Kriegsverbrechen seien seit 2014 nur von Russen verübt worden und beim Asow-Regiment gebe es keine Neo-Nazis, es seien vielmehr alles Helden. Ich hielt ihr entgegen, dass ich einige Neo-Nazis in den Reihen des Regiments persönlich kennengelernt hätte – in meiner Zeit als Neo-Nazi. Das war taktlos, aber mich ärgert jede Form von Propaganda. Besonders dann, wenn sie geglaubt wird. Hätte die Dame ein wenig mehr Ambiguitätstoleranz besessen, hätte sie zu der Einsicht gelangen können, dass die Verteidiger Mariupols Helden seien – ganz unabhängig von der jeweiligen politischen Ausrichtung der einzelnen Kämpfer!
P.S.: Die wohl wichtigste Frage in diesem Konflikt ist, wie sich Deutschland positioniert. Seit kurzem darf man in der Bundesrepublik wieder über geopolitische Themen sprechen. Deutschland spielt hier außenpolitisch eine sehr wichtige Rolle. Es gibt die einen, die sagen, dass Deutschland seinen Einfluss als Mittelsmann geltend machen soll – diese Rolle übernimmt gerade Frankreich für uns – und dann gibt es da jene, die sich für einen Krieg gegen Russland aussprechen. Es scheinen alte Wunden aus der Zeit des „Eisernen Vorhangs“ aufgeplatzt zu sein. Viele fürchten die Auferstehung des Sowjetreiches. Sogar der Mainstream verwendet nun eine Rhetorik, die auf Argumentationsketten im Dritten Reich zurückgehen. Doch der NATO-Bündnisfall ist nicht eingetreten und damit verstößt die Einmischung in diesen Krieg gegen das Völkerrecht, genauso wie der Einmarsch in die Ukraine. Riskieren der Westen und insbesondere Deutschland damit nicht die Ausweitung dieses Krieges?
J.S.: Die Auferstehung des Sowjetreiches fürchte ich nicht und ich glaube auch nicht, dass die Russen mit ihren Panzern erst am Atlantik Halt machen wollen, sollte die Ukraine diesen Krieg verlieren. Einen Angriff auf einen NATO-Mitgliedsstaat halte ich für äußerst unwahrscheinlich (in einem solchen Fall müsste Putin tatsächlich den Verstand verloren haben!), aber eine Ausdehnung des Konflikts auf Transnistrien scheint mir nicht ausgeschlossen. Was wäre die Alternative zu einer Einmischung? Sollte man den Überfall auf die Ukraine einfach so hinnehmen?
P.S.: Sie sprechen sich ja auch für Waffenlieferungen aus. Auch wenn die Kampfkraft der ukrainischen Streitkräfte überraschend widerspenstig ist und die russischen Truppen womöglich einen stärkeren Gegner bekamen, als der Kreml erwartete. Dennoch sollte es für jeden militärisch gebildeten Beobachter klar sein, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann, es sei denn die NATO mischt sich in das aktive Geschehen ein oder es kommt zu massiven innenpolitischen Verwerfungen in Russland. Die ukrainischen Frauen haben eine Geburtenrate von ca. 1,2. Die Russen von 1,5. Beide Entitäten können sich einen längeren Krieg nicht leisten. Selbst wenn weiterhin und vielleicht noch verstärkt Waffen geliefert werden, ist für einen konventionellen Krieg nicht genug „Menschenmaterial“ vorhanden. Sind Waffenlieferungen, bei gleichzeitiger Abstinenz der eigenen Truppen, nicht ein Verheizen von ukrainischen Menschenleben? Handelt es sich nicht vielmehr um einen Stellvertreterkrieg, bei dem auf Kosten der Ukraine Russland geschwächt werden soll?
J.S.: Die Ukrainer haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass ihnen etwas an ihrem Stückchen Erde liegt und sie bereit sind, für die Unabhängigkeit ihres Landes Opfer zu bringen. Keine Waffen zu liefern, weil man in diesem Fall mit einem schnellen Sieg Russlands und insgesamt weniger Toten rechnen dürfte, wäre für die Ukrainer kaum nachzuvollziehen. Ich verstehe ohnehin nicht ganz, weshalb immer davon die Rede ist, dass dieses oder jenes Land Waffen liefere, wenn die gelieferten Waffen nicht direkt aus Armeebeständen stammen und damit Staatseigentum sind. In einem freien Staat sollte es allein im Ermessen des Unternehmers liegen, welcher Seite er Waffen liefern möchte. Er hat dabei neben seinen eigenen Befindlichkeiten höchstens die Interessen seiner Aktionäre zu berücksichtigen.
Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Ausbruch des Krieges von manchen Falken in Washington entgegen anderslautender Beteuerungen insgeheim begrüßt wurde. Vom militärisch-industriellen Komplex ganz zu schweigen. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass es angezeigt wäre, den Ukrainern nicht mit der Lieferung schwerer Waffen beizustehen. Vor wenigen Jahren erst hat Frankreichs Präsident Macron der NATO attestiert, „hirntot“ zu sein, aber mit einem Schlag ist das Militärbündnis wieder quicklebendig und bekommt sogar aller Voraussicht nach Zuwachs. Kurzum: Die NATO erlebt gerade eine regelrechte Renaissance! Und das ist allein das Werk Putins. Mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg hat er dafür gesorgt, dass Deutschland seinen Verpflichtungen als NATO-Mitgliedsstaat endlich nachkommt und seine Militärausgaben erhöht, und dass die skandinavischen Staaten Finnland und Schweden einen Beitritt zur NATO nicht nur erwägen, sondern in die Wege leiten. Selbst wenn Russland über kurz oder lang die ganze Ukraine einnehmen sollte, wird es für die Russen ein Pyrrhussieg gewesen sein – zumal die Schwächen des russischen Militärapparats schon jetzt überdeutlich geworden sind. Putin wollte mit seinem verunglückten Blitzkrieg der NATO die Zähne zeigen, aber sichtbar geworden sind allenfalls ein paar wackelige Kronen. Putin, der die Konkursmasse der zerfallenen Sowjetunion von seinem unfähigen Vorgänger übernommen und durchaus Beachtliches geleistet hat, hat dem Russischen Bären damit einen Bärendienst erwiesen.
P.S.: Deutschland ist geopolitisch – zumindest auf militärischer Ebene – ein Zwerg und wie man dieser Tage ganz offensichtlich feststellen kann, auch mehr als 30 Jahre nach der Wende nicht vollständig souverän. Vielmehr dürfte die Bundesrepublik Deutschland sich in einem Souzeränitätsverhältnis[1] zu den USA befinden. Der Krieg wühlt eine längst in die Vergessenheit geratene Frage auf: Wie bekommt Deutschland seine Souveränität wieder zurück? Mit der derzeitigen Gangart – die mittlerweile auch viele souveränitätsbewusste Rechte befürworten – entfernt sich Deutschland allerdings immer weiter von dieser Frage. Muss sich Deutschland hier zwischen zwei Mächten entscheiden oder ist aus Ihrer Sicht eine dritte Position gangbar oder zumindest erstrebenswert?
J.S.: Ich glaube nicht, dass Deutschland sich zwischen zwei Mächten entscheiden kann, wenn es sich nicht den Hass seiner östlichen und westlichen Nachbarn zuziehen möchte. Aus meiner Sicht ist die Westbindung der Bundesrepublik tatsächlich alternativlos, wenn die Stabilität auf dem Kontinent nicht gefährdet werden soll. Könnte Deutschland sich für den Hegemon Russland entscheiden, ohne damit ein Erdbeben in Europa auszulösen, wäre ich trotzdem gegen eine solche Ausrichtung. Deutschland gehört mit Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zu jenen Ländern, die die Ideen der Aufklärung in hervorragende Verfassungstexte gegossen und implementiert haben. Obwohl in Deutschland und den USA Einiges im Argen liegt, sind beide Länder dennoch Bastionen der Rechtsstaatlichkeit. Das kann man von Russland oder China nicht behaupten.
P.S.: Fürchten Sie einen Dritten Weltkrieg?
J.S.: Nein, für einen Dritten Weltkrieg sehe ich momentan keine Anzeichen. Für wahrscheinlicher halte ich sogar noch den allmählichen Zerfall der Russischen Föderation. Jeder weitere Kriegstag ist für Russland und den Kreml-Chef eine kleine Katastrophe. Derweil reibt man sich wahrscheinlich auch in Peking die Hände, weil man Begehrlichkeiten in Sibirien hegt, wo sich die Han-Chinesen munter ausbreiten.
P.S.: Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat nicht erst im Februar 2022 begonnen. Auch dass die USA die Ukraine als geopolitischen Dreh- und Angelpunkt betrachten, mit dem sie sich in die unmittelbare Einflusssphäre Russlands manövrieren, ist hinlänglich bekannt. Sollte die NATO, die mehrfach unmissverständlich klargemacht hat, dass sie Russland als geopolitischen Gegner betrachtet, Ultraschallraketen oder atomare Waffen in der Ukraine stationieren, wäre der russische Bär diesem vollkommen hilflos ausgesetzt. Ich habe dies erst kürzlich in einem Gespräch mit Frank Kraemer auch auf der Karte versucht zu verdeutlichen. Russland wäre mit einem Mann vergleichbar, dem man direkt ein Messer an die Kehle hält. Würden Sie nicht von einem volksbewussten und mit einem nationalen Sicherheitsverständnis ausgestatteten Politiker erwarten, dass dieser zumindest in einer solchen Drohkulisse handelt? Können Sie die Beweggründe Russlands wenigstens nachvollziehen?
J.S.: Ich habe zu Beginn schon deutlich gemacht, dass ich die Motive Putins sehr gut nachvollziehen kann. Allerdings hat er, sofern Finnland Mitglied der NATO wird und der kranke Mann am Bosporus nicht mit Hinkelsteinen um sich schmeißt, realiter wohl das Gegenteil dessen erreicht, was er meines und Ihres Erachtens erreichen wollte: eine Stärkung des westlichen Militärbündnisses. Auch die Einnahme des gesamten Donbass würde nicht verhindern, dass in der Restukraine potenziell Raketen stationiert werden, die in wenigen Minuten die russische Hauptstadt erreichen könnten. Für eine Eroberung der gesamten Ukraine reichen aber die derzeit dorthin abkommandierten Einheiten längst nicht aus. Die Ukraine – zumal die Westukraine! – müsste Stadt für Stadt, Dorf um Dorf, Weiler um Weiler erobert werden. Im Orts- und Häuserkampf haben die Verteidiger jedoch immer die besseren Karten. Das wünschenswerte Verhältnis für die Angreifer beläuft sich grob über den Daumen gepeilt auf mindestens 8:1.
P.S.: Kommen wir zum Schluss noch auf die ideengeschichtliche Ebene. Ich denke es ist nicht untertrieben Sie einen der glühendsten rechten Europäer – ich möchte sogar sagen Paneuropäer – im deutschsprachigen Raum zu nennen. Gehört Russland aus Ihrer Sicht zu Europa? Welche Rolle spielt es auf dem Eurasischen Kontinent Ihrer Ansicht nach? Und wie sollten wir Deutsche uns zu diesem Russland positionieren?
J.S.: Russland gehört für mich durchaus zum europäischen Kulturraum, aber es gehört eben auch zu Asien. Ich hätte es begrüßt, wenn Russland sich vor Jahren dem Westen noch weiter angenähert hätte und vielleicht sogar selbst der NATO beigetreten wäre. Hätte es in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie seine Hausaufgaben gemacht und seine Nachbarn in Ruhe gelassen, wäre das Konzept des Westens auch ideengeschichtlich durch jenes des Globalen Nordens abgelöst worden: gewissermaßen Guillaume Fayes Septentrion. Die Freundschaft zwischen dem deutschen Altkanzler und Putin war dafür eine gute Voraussetzung. Hier wurden definitiv Chancen vertan, und mit der Bombardierung Belgrads hat sich der Westen einen Affront geleistet, den der Autokrat im Kreml nie vergessen hat. Ich wünsche mir natürlich einen Sieg der Ukraine, aber eine Demütigung Russlands wünsche ich mir nicht.
P.S.: Alexander Dugin und Alexander Markovics sind bekanntlich Verfechter einer multipolaren Weltordnung. Demnach unterteilt sich die Welt in mehrere Machtzentren, die einander ausgleichend wirken. Auch immer mehr US-Geostrategen sehen eine multipolare Weltordnung kommen. Für eine zweite Bipolarität wäre Russland eindeutig zu schwach. Von einer solchen Multipolarität zwischen den Entitäten würde womöglich auch Europa profitieren. Mit schwindendem Einfluss der US-Amerikaner würde ggf. auch das durch das bewusst von Zbigniew Brzezinski propagierte „Tittytainment“ zurückgedrängt werden, womit auch die Chimäre der „White Guilt“ einhergeht. Wäre das nicht wünschenswert?
J.S.: Ich sehe eher eine zweite Bipolarität heraufdämmern. China und die USA nebst ihren Verbündeten werden sich gegenüberstehen. Die Russische Föderation wird wahrscheinlich keine große Rolle mehr spielen und vielleicht sogar in ihre ethnischen Bestandteile zerfallen. Eine Hegemonie Pekings wäre das Ende der Freiheit. Wenn ein Christopher-Street-Day im Jahr der Preis der Freiheit ist, ist es nun einmal so. Das ist Klagen auf hohem Niveau. Den „White-Guilt“-Unsinn müssen wir allerdings wieder abschütteln, da gebe ich Ihnen Recht.
P.S.: Wo steht Europa Ihrer Ansicht nach in 2035 und welche Aufgabe hat die Rechte Ihrer Ansicht nach diesbezüglich?
J.S.: Wo Europa im Jahr 2035 stehen wird, vermag ich nicht zu sagen. Die Rechte hat meiner Ansicht nach zuvörderst die Aufgabe, die von Ihnen angesprochene Mär von der immerwährenden Weißen Schuld zu dekonstruieren. Am vorbildlichsten exerziert das bisher „Schlomo Finkelstein“ mit seiner „Vulgären Analyse“. Aber auch „Der Schattenmacher“ hat sich auf diesem Gebiet hervorgetan. Ein bisschen weniger Konservative Revolution und dafür ein bisschen mehr Statistik und Psychologie würde der europäischen Rechten sicherlich guttun. Evola und Dugin könnte man sich aus meiner Sicht ganz sparen, aber ich bin der letzte Mensch, der sich für ein Bücherverbot aussprechen würde. Das wäre schließlich alles andere als freiheitlich.
P.S.: Vielen Dank für das Gespräch.
[1] Erläuterung zum Begriff siehe Peter Steinborn: Neuerung auf dem Eurasischen Schachbrett – Teil 1: Warum uns die Moral nicht weiterbringt. Verfügbar unter: https://gegenstrom.org/neuerungen-auf-dem-eurasischen-schachbrett-teil-1-warum-uns-die-moral-nicht-weiterbringt/ (18.05.2022). Steinborn erläutert darin die Grundsätze der Geopolitik. Demnach sei ein Souzeränitätsverhältnis eine Beziehung zwischen zwei Entitäten, in dem eine von beiden zu Gunsten der anderen einen Teil ihrer Souveränität aufgibt. (Anm. d. Red.)
[2] Im zweiten Teil des Gespräches fokussiert sich Steinborn auf die politische Geografie Russlands. (Anm. d. Red.)