Der nachfolgende Text stammt von Wolfgang Bendel, einem heute in Brasilien lebenden Deutschen, der die Entwicklungen der letzten Monate in Brasilien hautnah miterlebte. Bendel, der bereits mehrfach auch auf diesem Blog schrieb, schildert im Folgenden seine Eindrücke bis hin zum überraschenden Wahlsieg des rechten Kandidaten Bolsonaro zum brasilianischen Präsidenten. Bereits sein Buch „Der phantastische Kontinent“, war nicht nur ein Reisebericht über Lateinamerika, sondern eine Schrift mit politischem Biss. Seine neueste Streitschrift „Aristokratie“ ist im Jungeuropa-Verlag zu erhalten. Die Redaktion
Die Wahl des pensionierten Hauptmanns („capitão“) der Streitkräfte Jair Messias Bolsonaro zum 38. Präsidenten Brasiliens kam in Westeuropa für viele vollkommen unerwartet und erregte beträchtliches Aufsehen. In Brasilien, dem fünftgrößten Land der Erde war die Überraschung hingegen wesentlich geringer, denn dass er wenigstens in die Stichwahl kommen würde, war erwartet worden. Dass er sie hingegen auch noch deutlich gewinnen könnte, wurde erst in den letzten Wochen der Wahlkampagne immer wahrscheinlicher.
Jair Bolsonaro: Eine Kurzvita
Zunächst aber einige biographische Daten über Bolsonaro, der am 1. Januar 2019 offiziell sein Amt antreten und den Amtseid ablegen wird. Er wurde 1955 im Bundesstaat São Paulo geboren und ist Hauptmann der Fallschirmspringer. Er war dreimal verheiratet und hat insgesamt fünf Kinder, darunter eine Tochter mit seiner jetzigen Frau. Die drei Söhne aus erster Ehe sind ebenfalls politisch aktiv und zwar sehr erfolgreich. Bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen erzielte Eduardo Bolsonaro beispielsweise das beste Stimmenergebnis der brasilianischen Geschichte (!), nämlich mehr als 1,8 Millionen Stimmen. Bolsonaros Vorfahren stammen mehrheitlich aus Italien, es ist aber auch ein deutscher Vorfahr darunter. Sein Urgroßvater hieß Carl Hintze und stammt aus Hamburg.
Das Jahr der Entscheidung: Eine überraschende Wende, die Schule machen könnte
Warum aber kam die Wahl Bolsonaros für viele in Europa so sehr überraschend? Da dürfen sich alle ganz herzlich bei den hiesigen Wahrheitsmedien bedanken, die bis zum letzten Moment gezielt Falschmeldungen über die brasilianische Wahlbewegung verbreiteten. Nur ein Beispiel. Eine Woche vor der Stichwahl demonstrierten Hunderttausende, möglicherweise sogar eine Million Brasilianer an bis zu 200 verschiedenen Orten und Städten für Bolsonaro. Die deutschen Qualitätsmedien machten daraus „einige Tausend“, natürlich sehr wenig in einem Land, das inzwischen mehr als 200 Millionen Einwohner zählt. Lügen haben bekanntlich kurze Beine, wobei die Beine der hiesigen Lügenpresse nur noch kleinen Stummeln entsprechen. Es würde mich wirklich interessieren, was man mit solchen Falschmeldungen erreichen will. Man führt ja auch die eigene Klientel bewusst in die Irre, die dann am Wahltag aus allen Wolken fällt. Vor allem dann, wenn aus den „einigen tausend“ Demonstranten plötzlich knapp 58 Millionen Wähler werden. Wie dem auch sei, die Dummheit der Linken ist hier nicht das Thema.
In Brasilien kommt man mit solchen Scherzen natürlich nicht weiter, da zu viele Leute persönlich oder über die sozialen Netzwerke mitbekamen, was auf den Straßen wirklich los war. Dass Bolsonaro in die Stichwahl kommen würde, war, wie gesagt, seit Monaten klar gewesen und allgemeiner Konsens. Allerdings dachten viele, darunter auch ich, das Beispiel Le Pen und Macron im Gedächtnis, dass er diese verlieren würde. Aber unfreiwillige Hilfe kam dann, wie in letzter Zeit immer häufiger, von linker Seite. Ich konzentriere mich auf zwei Beispiele. Beim ersten Wahlgang kam Bolsonaro bereits auf über 46% der Stimmen, ein Ergebnis, das deutlich über den Meinungsumfragen lag. Die Linke geriet in Panik, und Panik ist nie ein guter Ratgeber. Bolsonaro sei von „Faschisten“, „Nazis“ und „Rassisten“ gewählt worden, wurde getobt. Dazu gab es im ganzen Land Demonstrationen von Frauen, die unter dem Thema #Elenão (Er nicht) gegen Bolsonaro protestierten. Darunter auch „Femen“, die ihren nackten Körper mit infantilen Sprüchen beschmierten und ihre Notdurft in aller Öffentlichkeit auf Bildern verrichteten, die Fotos von Bolsonaro zeigten. Bei der nächsten Umfrage zeigte sich dann das Ergebnis dieser Heldentaten. Bolsonaro sprang, was die Zustimmung bei Frauen betrifft, gleich um sechs Prozentpunkte nach oben. Die durchschnittliche brasilianische Frau kann sich eben nicht für Personen begeistern, die nackt im Freien defäkieren oder urinieren. Auch das Nazigeschrei entwickelte sich zum Rohrkrepierer, da sich die solcherart Beschimpften schlicht nicht angesprochen fühlten. Im Gegenteil, durch diesen verbalen Amoklauf immunisierte die Linke die Wähler Bolsonaros gegen etwaige Versuchungen, im zweiten Wahlgang seinen linken Gegenkandidaten zu wählen.
Gründe für den Wahlsieg
Warum aber gewann ein Kandidat, der seit Jahrzehnten ein weitgehend isolierter Abgeordneter war und über keinerlei Basis verfügte? Er konnte sich nicht auf einen Parteiapparat stützen (die PSL, die Partei Bolsonaros, war eine Kleinstpartei, die bisher genau einen Abgeordneten im Parlament stellte. Daraus wurden nach der Wahl dann 56!), verfügte nicht über nennenswerte finanzielle Mittel und hatte sämtliche gesellschaftlich relevanten Kräfte gegen sich. Hinzu kam, dass Bolsonaro nur 8 Sekunden Wahlwerbung im Fernsehen zugestanden wurde, der PT gleich 15 Minuten. Die aus Deutschland sattsam bekannte “abgestufte Chancengleichheit”.
Entscheidend dürfte gewesen sein, dass er eindeutig, prinzipienfest und kompromisslos Position gegen die linke PT und ihr Umfeld bezog, die Brasilien in den Jahrzehnten ihrer Herrschaft in ein beispielloses Korruptionschaos geführt hatte. Hinzu kam eine massive Wirtschaftskrise seit 2014, auf die die PT überhaupt nicht oder mit abwiegelnden Sprüchen reagiert hatte. Die Leute haben schlicht kein Geld mehr und jetzt ausgerechnet von der PT Rettung zu erwarten, die die Hauptverursacherin der Krise war, wurde nur noch von denjenigen geglaubt, die immer alles abnicken, was die Obrigkeit erzählt. Zum Glück ist das im Gegensatz zu Deutschland in Brasilien eine Minderheit.
Der Wahlkampf erinnerte an den von Trump in den USA. Medien, etablierte Politiker, „Künstler“, „Intellektuelle“, fast alle Werktätigen aus dem Erziehungsbereich, die katholische Amtskirche und die Nichtregierungsorganisationen, die in der Regel zu Nebenorganisationen der PT verkommen sind, hetzten ohne Unterbrechung in den schrillsten Tönen gegen Bolsonaro. Dieser blieb cool und erwiderte, er werde konsequent gegen die allseitige Korruption vorgehen, hysterisches Geschrei hin oder her. Höhepunkt der Hetze und vor allem deren Resultat war dann ein missglückter Mordanschlag noch vor dem ersten Wahlgang auf Bolsonaro. Der Täter, langjähriges Mitglied der linksextremen Partei PSOL, versuchte Bolsonaro während einer Wahlkampfkundgebung auf offener Straße zu erstechen. Die Hintergründe sind noch nicht aufgeklärt, aber vieles spricht dafür, dass bei der Tat kriminelle und politisch Motive zusammenwirkten. Eine Aufklärung, wer die Hintermänner bzw. wohl eher „Hinterfrauen“ (die Hinweise verdichten sich, dass die kommunistische Kandidatin zur Vizepräsidentschaft von Bolsonaros Gegner Haddad ihre Finger im Spiel hatte) waren, dürfte erst möglich sein, sobald Bolsonaro sein hohes Amt angetreten haben wird. Aber auch dieser Stich ging sozusagen nach hinten los, denn Bolsonaro war auf einen Schlag brasilienweit bekannt.
Unbedingt erwähnen sollte man noch, dass Millionen von Brasilianern den Wahlkampf von Bolsonaro unterstützen – und zwar aus freien Stücken und ohne jede Form von Bezahlung. Das war insofern einmalig, da in Brasilien Wahlhelfer von ihren Kandidaten finanzielle Gegenleistungen erwarten. Dieses Verhalten verwirrte die Gegenseite so sehr, dass man von Großspendern halluzinierte, die die Kampagne von Bolsonaro auf illegale Weise finanzieren würden. Die Folha de São Paulo, in ihrer stumpfsinnigen Hetze gegen alle, die nicht links sind, mit der Süddeutschen Zeitung vergleichbar, publizierte einen entsprechenden Artikel, ohne auch nur den Versuch zu machen, dafür den geringsten Beweis zu erbringen. In Westeuropa wurde daraus dann die Schlagzeile „Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bolsonaro wegen illegaler Spenden“ gemacht. Von mir aus, erzählt, was ihr wollt. Ihr belügt nur Euer eigenes Klientel und Euch selbst.
Nachdem also ein Mordversuch, Hetze, Lüge, Verleumdung und ähnlich unappetitliche politische Verirrungen an der robusten Gesundheit und intransigenten Haltung Bolsonaros abgeprallt waren, verlegte sich die PT kurzzeitig darauf, das Programm von Bolsonaro scheinbar zu kopieren. Dies löste bei den Beobachtern der Szene eher Erheiterung aus und wurde kurz vor der Wahl auch wieder beendet und durch eine noch schrillere Hetzkampagne ersetzt. Alles umsonst, wie das Ergebnis zeigte.
Die rechte Alternative: Kurzer Auszug des Programms Bolsonaros
An dieser Stelle eine kleine Auswahl von Bolsonaros Programmpunkten, kurz kommentiert.
– Recht auf den Besitz von Waffen für gesetzestreue Bürger. Bislang hatten neben den in der Regel überforderten Sicherheitsorganen nur Kriminelle de facto das „Recht“, Waffen zu tragen, nicht aber der Normalbürger.
– Schutz der traditionellen Familienwerte. Gegen den Genderirrsinn. Dies trug ihm den Vorwurf ein, „frauenfeindlich“ zu sein.
– Abbau bürokratischer Hürden bei der Gründung neuer Unternehmen.
– Abschaffung der Rassenquoten an Universitäten. Der Zugang zu öffentlichen Universitäten ist nur entlang rassischer Quoten möglich. Um zu vermeiden, dass sich Weiße oder Asiaten als „Schwarze“ oder „Mulatten“ ausgaben, wurde vor kurzem allen Ernstes eine fünfköpfige Kommission eingerichtet, die im Zweifelsfall die „Rassereinheit“ eines Kandidaten überprüfen soll. Mehr Rassismus geht nicht. Solche Auswüchse will Bolsonaro abschaffen, was ihm (!) den Vorwurf eintrug, Rassist zu sein.
– Gutes Verhältnis zu den USA unter Trump und Israel. Die proisraelische Haltung Bolsonaros und weiter Teile der brasilianischen Rechten kann man aus deutschem oder westeuropäischem Blickwinkel nicht verstehen. Es ist ein Versuch, Brasilien aus der überlebten Dritte-Welt-Romantik herauszuholen und in der Welt von heute ankommen zu lassen. Also statt Solidarität mit Kuba, Angola und Venezuela Zusammenarbeit mit hochentwickelten Ländern, zu denen auch Israel gehört. Hinzu kommt, dass Bolsonaro in der Endphase des Wahlkampfes von vielen Evangelikalen unterstützt wurde und ganz ohne Verbündete schafft es auch ein Bolsonaro nicht, brasilianischer Präsident zu werden.
– Konsequente Bekämpfung der Korruption. Dies ist sicher der Punkt, vor dem nicht nur brasilianische Kleptomanen am meisten Angst haben, sondern vor allem der politisch-juristisch-mediale Komplex in vielen westlichen Staaten, denn das brasilianische Beispiel könnte Schule machen.
Genauere Informationen zur Programmatik Bolsonaros, die ich hier aus Platzgründen nicht weiter darstellen kann, findet man u.a. submitted and hier.
Was die Rechte von Bolsonaro lernen kann
Was können wir aus dem Sieg Bolsonaros lernen, der in vielem dem Aufstieg Trumps gleicht?
– Millionen überzeugte, kämpferische und entschlossene Menschen sind immer noch stärker als alle Macht und alles Geld der Welt.
– Um die eigenen Anhänger durchgehend motivieren zu können, darf man keinesfalls dem Gegner Zugeständnisse machen und während des Wahlkampfes feige zurückweichen in der illusionären Hoffnung, eine imaginäre Mitte an sich zu binden.
– Die sozialen Medien, von Linken erfunden, entwickeln sich immer mehr zur Waffe gegen sie selbst und ihren Wahn, eine totalitär kontrollierte Welt zu schaffen.
– Nur wer ganz genau weiß, was er will und wie er sein Ziel erreichen wird, kann erwarten, dass ihm andere folgen. 2014 entschloss sich Bolsonaro, 2018 für das Präsidentenamt zu kandidieren. Zunächst von kaum jemandem ernst genommen, zog er seinen Plan unbeirrt durch. Dabei half ihm neben der katastrophalen Bilanz der PT Regierungen natürlich auch die verschwommene und nichtssagende Politik der traditionellen Opposition, die man bestenfalls als PT “light” bezeichnen kann.
– Wahlen und damit Macht und Einfluss gewinnt man nicht, indem man die Reinheit der Lehre propagiert, sondern seine Politik geschmeidig den jeweiligen Zuständen anpasst, OHNE dabei freilich in opportunistisches Fahrwasser zu geraten. Politische Kunst heißt, dass man den schmalen Grat zwischen Sektierertum einerseits und Beliebigkeit andererseits begehen kann, ohne auf einer der beiden Seiten herunterzufallen. Obwohl er kein großer Ideologe ist, Bolsonaro selbst betont immer wieder, dass seine Fähigkeiten begrenzt sind, schaffte der neue brasilianische Präsident das schier Unmögliche. Fast im Alleingang setzte er sich gegen eine Welt erbitterter Feinde durch, die zurecht um den Verlust ihrer Privilegien fürchteten. Millionen Brasilianer verstanden das, was mich ehrlich gesagt überraschte. Hoffentlich werden das die Deutschen und andere Westeuropäer auch noch verstehen. Bevor es endgültig zu spät ist.