Die symbolischen Bilder aus der Großstadt Durham in North Carolina gingen nicht nur durch die nationalen US-Medien sondern schafften es bis auf die Fernsehbildschirme in Russland und dem Mittleren Osten: Am 14. August 2017 manifestierte sich ein bereits einige Monate andauernder landesweiter Bildersturm gegen konföderierte Statuen und Mahnmale in beschämenden Szenen von hasserfüllter Rhetorik, Vandalismus und purer Zerstörungswut.
Im Anschluss an eine von wenigen Dutzend Menschen besuchten Demonstration gegen angebliche „weiße Vorherrschaft“, hauptsächlich initiiert von der aggressiv-antiweiß auftretenden „Black Lives Matter“-Bewegung und linksorientierten College-Studenten, stürmten Teilnehmer den Platz vor dem alten Gerichtsgebäude von Durham. Eine schwarze Frau kletterte auf das Denkmal eines konföderierten Soldaten, gewidmet den Grauröcken aus North Carolina die in den Reihen der Südstaatenarmee während des amerikanischen Sezessionskriegs kämpften, befestigte eine Schlinge und wies andere an, das Mahnmal mit vereinten Kräften von seinem Sockel zu reißen. Unter dem animalischen Gejohle der Anwesenden traten und bespuckten diverse Demonstranten die gefällte Statue und fotografierten sich gegenseitig in Siegerposen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Rädelsführer wegen Randale und qualifizierter Sachbeschädigung wurden ein halbes Jahr später ohne großes Aufheben eingestellt und die Handlungen dadurch nachträglich juristisch legitimiert.
Doch weshalb ehren noch heute Denkmäler im ganzen US-amerikanischen Bundesgebiet die Soldaten und Generäle der 1865 niedergeschlagenen Rebellion gegen die Regierung Abraham Lincolns und woran entzündet sich der unermessliche Hass von marxistischen und rassenaufwieglerischen Agitatoren?
Der Konflikt zwischen Nord und Süd, der sich 1861 mit der Sezession von insgesamt 11 Staaten aus der Union in einem veritablen Bürgerkrieg entlud, basierte auf zwei grundsätzlich unterschiedlichen Lebens- und Gesellschaftsentwürfen. Während der Norden der Industrialisierung europäischen Stils nacheiferte und die Vereinigten Staaten zu einem technologisch modernisierten Standort transformieren wollte, inklusive der damit verbundenen Schaffung von neuen Mittelschichten und eines Arbeiterprekariats, hatte sich im Süden der ursprüngliche aristokratische Lebensstil der Plantagenbesitzer erhalten, der neben einem breit aufgestellten weißen Farmertum wirtschaftlich auf dem sklavereigestützten Anbau von Baumwolle, Zucker und Tabak basierte. Um die finanzielle Macht dieser Baumwollbarone zu brechen, hatte sich in den 1840er und 1850er Jahren eine stärker werdende Abolitionsbewegung gebildet, die die Ausbreitung der Sklaverei auf neue US-Staaten verhindern- und diese auch in den bestehenden Regionen als Ganzes zur Disposition stellen wollte. Moralische Argumente spielten diesbezüglich eine nur untergeordnete Rolle, da selbst der progressivste Sklavereigegner von einer biologischen Überlegenheit der „weißen Rasse“ fest überzeugt war.
Mit der Wahl des Abolitionisten Abraham Lincoln zum US-Präsident war für die Südstaaten ein kritischer Zeitpunkt erreicht. Zur Erhaltung des ureigenen „Way of Life“ entschieden die zuvor benannten Staaten in demokratischen Abstimmungen den Austritt aus dem Unionsverbund. Eine Maßnahme, deren juristische Einordnung bis zum heutigen Tag umstritten ist. Um diesen Schritt zu verhindern, verweigerten sich die Unionisten der Übergabe im Süden gelegener Militärstützpunkte und riefen nach der Aufstellung eines Freiwilligenheers. Ein Krieg begann, dem 620.000 Amerikaner auf beiden Seiten zum Opfer fielen. Die konföderierten Südstaaten unterlagen nach fast fünf Jahren blutigen Ringens nicht zuletzt aufgrund der massiven zahlenmäßigen Unterlegenheit und Versorgungsengpässen aufgrund einer rigiden Blockadepolitik. Auch die kurz nach Kriegsende erfolgte Ermordung Lincolns durch einen radikalen Konföderierten und die schlussendlich durchgesetzte Sklavenbefreiung konnte den Wunsch nach einem erneuten Zusammenwachsen der Nation, unterstützt von Siegern und Verlierern gleichermaßen, nicht erschüttern.
Da man sich erneut und diesmal weitaus stärker als amerikanische Brüder verstand, sollte ein Gedenken der Opfer aber auch der tragischen Helden der Auseinandersetzung nicht einseitig erfolgen. In mehreren Wellen wurden daher im gesamten Bundesgebiet daher neben unzähligen Gedenkstätten für die Blauröcke auch über 1.500 Denkmäler für die graugewandeten Soldaten aus dem Süden errichtet, während die Schauplätze der Schlachten als Nationalparks erhalten wurden. Im Andenken an die militärischen Leistungen konföderierter Kommandeure wurden zudem mehrere Militärbasen ehemaligen Rebellen wie Braxton Bragg oder John Bell Hood gewidmet. Finanziert wurden diese durch Veteranen- und Hinterbliebenenverbände, sowie teilweise von den Bundesstaaten selbst. Wie selbstverständlich hing in vielen Südstaaten vor offiziellen Verwaltungsgebäuden zudem noch bis vor Kurzem die charakteristischen „stars and bars“, die Staatsflagge der Konföderation.
Ein Ereignis jedoch sorgte für einen radikalen Wandel in dieser Art der versöhnenden Gedenkpolitik. Als der geistesgestörte selbsternannte „weiße Nationalist“ Dylann Roof im Sommer des Jahres 2015 neun Mitglieder einer mehrheitlich afroamerikanischen Kirchengemeinde in Charleston erschoss, fand man in seinem Besitz diverse konföderierte Devotionalien. Angeführt von linken Meinungsmachern im Medienbereich wurde in der Folge zur großangelegten Jagd auf alle Überbleibsel der Südstaatenrebellion geblasen, da diese durch die Handlungen des Einzeltäters mit dem Kampfbegriff des „weißen Nationalismus“ oder einer angeblich angestrebten „weißen Vorherrschaft“ in Verbindung gebracht wurden. Während bundesstaatliche Institutionen im Süden nach verhaltenen Diskussionen innerhalb kürzester Zeit die überwiegende Anzahl an konföderierten Flaggen auf öffentlichem Grund entfernten, hatten die linken Aktivisten in Zusammenwirkung mit der verschwörungstheoretischen „Black Lives Matter“-Bewegung bereits Denkmäler, Gedenksteine und Statuen ins Visier genommen.
Zunächst handelte es sich nur um eine Debatte über auf öffentlichem Grund befindliche Andenken, diese wurde in altbekannter linker Manier nach dem Einknicken lokaler Entscheidungsträger auch auf die Schlachtfeldparks und Erinnerungsstücke auf Privatbesitz ausgedehnt. Auffällig ist, dass sich breite Bevölkerungsschichten passiv verhielten, möglicherweise aufgrund der Befürchtung, als Nationalisten oder Rassisten verunglimpft zu werden. Innerhalb weniger Monate schafften es daher politisch isolierte marxistische Zirkel, das gesamte us-amerikanische Politestablishment in diesem Thema vor sich her zu treiben.
Nachdem auf Initiative örtlicher Hochschulgruppen der Stadtrat der virginianischen Kleinstadt Charlottesville den örtlichen „Lee-Park“ in „Emanzipations-Park“ umbenannt hatte, fiel zudem die Entscheidung, die dort prominent platzierte Statue des konföderierten Oberkommandeurs Robert E. Lee, der auch heute noch als geachtetster Heerführer der amerikanischen Geschichte gilt, in ein Museum zu überführen und dort kritisch in Szene zu setzen. Erfolglos demonstrierten weit über 1.000 Nationalisten unter dem Motto „Unite the Right“ vor Ort gegen die Entfernung der Statue. In der aufgeheizten Stimmung kam eine Gegendemonstrantin ums Leben.
Eine unglückliche Rolle in der Debatte spielte der auf dem Höhepunkt der Ereignisse erst kürzlich angelobte US-Präsident Donald Trump. In seiner charakteristischen Art meldete er sich über das Netzwerk Twitter zu Wort und kritisierte die Denkmalstürmer zunächst drastisch. Es sei traurig und tragisch, die Geschichte und Kultur Amerikas auf derartige Weise auseinanderzureißen, so Trump. Es handele sich um den Versuch, den Amerikanern ihre Wurzeln zu stehlen. Die Statuen und Monumente bezeichnete er als eindrucksvoll und schön und er schloss mit der Ermahnung, dass man die Geschichte nicht ändern-, aber daraus lernen könne. In mehreren Interviews nahm er zu seinen Aussagen Stellung und stellte die Befürchtung in den Raum, dass nach den Gedenksteinen der Südstaatler womöglich das Andenken an die amerikanischen Gründerväter als Nächstes zur Disposition gestellt würde, da diese mehrheitlich ebenfalls Sklavenhalter waren. Tatsächlich formierten sich erste Proteste gegen eine Statue von Thomas Jefferson, da dieser angeblich mehrere seiner weiblichen schwarzen Bediensteten vergewaltigt haben solle.
Insbesondere nach der Demontierung des ehemaligen Stabschefs Steven Bannon ist in Präsident Trumps Gebahren der Trend zu erkennen, dass er im Nachgang von establishmentkritischen Äußerungen von der Kamarilla rund um seinen Schwiegersohn Jared Kushner unter Druck gesetzt und politisch auf Linie gebracht wird. Eine Tendenz, die für die Zukunft wohl nichts Gutes verspricht.
Doch ebenso wie in der Causa der eskalierten Demonstration in Charlottesville, wo Trump zunächst Gewalttäter auf beiden Seiten verurteilte aber kurz darauf explizit den nationalgerichteten Protest verdammte, revidierte er seine ursprünglichen Standpunkte zwar nicht, griff aber auch nicht ein, als auf Staatenebene und im lokalpolitischen Bereich teilweise in Nacht- und Nebelaktionen Abrissbescheide erteilt wurden. Zumindest die Unterstützung von republikanischen Kandidaten wie Corey Steward in Virginia, die sich explizit für den Erhalt der konföderierten Geschichte und das Hissen der Südstaatenfahne ausgesprochen haben, kann man auf der Haben-Seite des Immobilienmoguls verbuchen.
Angesichts der weiterführenden politischen Kampagne zur Reinigung des Landes von Teilen der eigenen Geschichte, ein Prozess, der in Deutschland bereits vor Jahrzehnten „erfolgreich“ abgeschlossen wurde, stellt sich jedoch die essentielle Frage, inwieweit Bevölkerungsschichten wie die schwarze Minderheit in den USA, welche sich noch heute als institutionell unterdrückt betrachten, überhaupt berechtigt dazu sein können, geschichtspolitische Diskurse bestimmend zu verändern.
In der europäischen Wahrnehmung und insbesondere im mitteleuropäischen Bildungsbereich wird seit Jahr und Tag des Bild der USA als multikulturellem und multiethnischem Schmelztiegel etabliert, der seit seiner Gründung arme und benachteiligte Bevölkerungsschichten aus aller Welt aufnahm um daraus eine Nation zu formen. Gerade in der Immigrationsdebatte werden die Vereinigten Staaten immer als Musterbeispiel eines gelungenen Einwanderungslands präsentiert.
Doch gerade im Kontext heutiger Zuwanderungsbewegungen aus Afrika und dem Nahen Osten könnte nichts ferner von der Wahrheit sein. Bereits das erste Einwanderungsgesetz der USA, der „Naturalization Act“ von 1790 beschränkte die Erlangung von Bürgerrechten für Einwanderer auf „freie weiße Menschen von gutem Charakter“. Daher waren es in den folgenden Dekaden insbesondere Europäer, die im Kontext von Revolutionen, Naturkatastrophen oder Hungersnöten ihr Heil erfolgreich in der „Neuen Welt“ suchen konnten. Diese Deutschen, Italiener, Iren, Polen und Russen sollten während des Drang nach Westen den nordamerikanischen Kontinent entscheidend prägen und zu der Weltmacht formen, die uns heutzutage präsent ist.
Als 1924 mit dem „National Origins Act“ eine Regulierung und Beschränkung der Zuwanderung beschlossen wurde, sollte das Bestehen der USA als primär weiße Nation weiter gefestigt werden. Die jährliche Einwanderung wurde auf 2% der Bevölkerung gedeckelt und nach den bereits bestehenden Herkunftsländern anteilsweise quotiert. Erst der „Hart-Celler Act“ von 1965 öffnete die Tore der Vereinigten Staaten durch die Abschaffung jeglicher Einschränkungen und Quoten unter dem Eindruck einer teils gewalttätigen Bürgerrechtsbewegung breiten Schichten von Zuwanderern nichteuropäischer Herkunft. Weiße, europäischstämmige US-Amerikaner stellen inzwischen nur noch 63,7% der Bevölkerung.
Unter dem Eindruck dieser geschichtlichen Entwicklungen handelt es sich bei der Debatte um die Hinterlassenschaften der kurzlebigen Konföderierten Staaten von Amerika um einen Kampf um den Kern der Seele der USA. Es ist nicht zu verneinen, dass die Jungen und Männer aus dem Süden, die 1861 zu den Waffen griffen und denen in Büchern und Liedern, sowie auf den Feldern der Ehre auf denen sie fielen, bis heute gedacht wird, im Geiste jener handelten, die als Gründerväter der Vereinigten Staaten in die Geschichte eingingen. Die Werte für die sie stritten, standen kongruent zu politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen, die in breiten Teilen des Landes bis zum Ende der 1960er Jahre mehrheitsfähig und politisch etabliert waren. Die Amerikaner täten gut daran, auch in Zukunft dieser Menschen ehrend zu gedenken und nicht ihre eigenen Wurzeln und ihre eigene Entstehungsgeschichte auf dem Altar des Zeitgeists zu opfern.