Das große Ukraine-Interview mit Alexander Markovics

by | 15. May. 2022 | Uncategorized

Nachfolgend interviewte unser Redakteur Peter Steinborn den wohl bekanntesten Sprecher der Eurasischen Bewegung im deutschsprachigen Raum Alexander Markovics zum Krieg in der Ukraine. Das Interview soll zur Diskussion beitragen und Einblicke in die Denkwelt eines Eurasiers bieten. Die Redaktion

Teil I: Europa am Scheideweg zwischen Land und Meer

P.S.: Sehr geehrter Herr Markovics, ich freue mich, dass ich Sie für dieses Interview gewinnen konnte. Als Generalsekretär des „Suworow-Instituts“, das sich auch „Gesellschaft zur Förderung des Österreichisch-Russischen Dialogs“ nennt, ist die Ukraine-Krise – mittlerweile kann man unmissverständlich von einem Krieg sprechen – sicherlich auch für Sie ein gewichtiges Thema. Gerade dieses Thema droht zum Spaltpilz innerhalb der Rechten – inkl. der Neuen Rechten zu werden. Oft fehlt ein Ausgleich. Das dem Menschen angeborene Schwarz-Weiß-Denken macht es einem hier nicht leicht, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Das Interview möchte ich gerne nutzen, um Ihnen einige kritische Fragen zum Thema zu stellen, die uns hoffentlich der Wahrheit ein wenig näherbringen werden.

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ostukraine am 24. Februar 2022 kam trotz der vorhergehenden Offensive seitens des Kremls für viele Menschen überraschend. Es wirkt regelrecht so, als wären plötzlich alte Wunden wieder aufgeplatzt. Seit diesem Schock ist auch die Rechte gespalten. Sie haben sich nun schon mehrfach verständig für diesen Schritt Russlands ausgesprochen. Was sind die Gründe für den Einmarsch und glauben Sie nicht, dass Wladimir Putin damit ggf. die Sicherheit Europas, gar ganz Eurasiens, aufs Spiel setzt?

A.M.: Ich denke es ist wichtig diesbezüglich festzuhalten, dass dieser Konflikt innerhalb der Rechten nur jene Leute spaltet, die geopolitisch größtenteils ahnungslos sind bzw. noch immer an den Ideologien der Moderne festhalten und sich beharrlich weigern, die geopolitischen Interessen Deutschland und Europas abseits der Tagesbefehle aus Washington zu formulieren. Das ist insofern erschreckend, als dass es mit Carl Schmitt, Jordis von Lohhausen, Jean Thirirart sowie Alain de Benoist bereits geopolitische Denker innerhalb der europäischen Rechten gibt, die genau solche Interessen bereits formuliert haben. Nur leider werden sie nicht verstanden, bzw. ignoriert, da man weiterhin in transatlantischen Denkmustern verharrt. Überraschend kam der russische Einmarsch im Rahmen der Militäroperation in der Ukraine nur für diejenigen, die das geopolitische Spiel auf dem Eurasischen Schachbrett seit 2014 aus den Augen verloren haben. Seit dem Maidanputsch 2014, der unter massiver Beteiligung des Westens von statten ging – so stellte der Westen allein mehrere Milliarden Dollar Finanzhilfe für subversive Gruppen – ist die Ukraine kein souveräner Staat mehr, sondern ein US-amerikanischer Außenposten auf der Eurasischen Weltinsel analog zur BRD. Ebenfalls seit 2014 sind die Menschen im Donbass für ihre – aus westlicher Sicht – Unverfrorenheit, aus der westlichen Hegemonie auszubrechen, mit einer Strafaktion des ukrainischen Militärs belegt worden, das die dortige Zivilbevölkerung tagein, tagaus mit Artillerie beschossen und so mehr als 14.000 Tote gefordert hat. Russland und die Führung der beiden Volksrepubliken von Lugansk und Donezk haben acht Jahre lang vergeblich versucht, hier eine friedliche Lösung des Konflikts im Rahmen zweier Minsker Abkommen zu finden. Diese Abkommen wurden von der Ukraine mehrmals gebrochen und schließlich Anfang 2022 öffentlich am G7-Sicherheitsgipfel aufgekündigt. Zusätzlich hat die Ukraine auf diesem Gipfel offen darum geworben, mit westlicher Hilfe Atomwaffen herzustellen. Ebenso existieren auf dem Territorium der Ukraine über 26 Biowaffenlabore, die von den USA und der Ukraine zur Herstellung und der Forschung an Massenvernichtungswaffen verwendet wurden – worauf Russland seit 2018 hinwies und die USA vor kurzem in Gestalt von Victoria Nuland öffentlich zugeben mussten. Schließlich plante die Ukraine eine Offensive gegen den Donbass für den März 2022. Wie man es auch dreht und wendet: Russland ist in diesem Konflikt, der seit mehr als acht Jahren und nicht erst 60 Tagen andauert, nicht der Aggressor. Moskau wurde seit dem Ende des Kalten Krieges von der NATO und den USA trotz anderslautender Versprechen systematisch eingekreist. Die Aufrüstung der Ukraine durch den Westen hat Russland schließlich wortwörtlich die Pistole auf die Brust gesetzt. Ein NATO- und EU-Beitritt hätte schließlich westliche Atomraketen in einem Ausmaß an die russische Grenze verschoben, sodass eine Vorwarnung und ein Gegenschlag nicht mehr möglich gewesen wären. Jeder Mann in der Position des russischen Präsidenten hätte dasselbe wie Putin getan – es sei denn, er wäre nicht an der Sicherheit seines Volkes interessiert.

P.S.: Sie sind der wahrscheinlich bekannteste deutschsprachige Anhänger Alexander Dugins in Europa. Sie beide, also auch Sie, würde ich zu den Vertretern der Eurasischen Bewegung zählen – Dugin selbst ist ja Begründer dieser. Diese Idee fußt allerdings in der russischen Geschichte, Russlands politischer Geographie und letztlich in der geopolitischen Ausrichtung des größten Flächenlandes der Welt. Russland ist ein Eurasisches Land. Doch Deutschland und Österreich sind eindeutig europäische Länder. Wie kommt es, dass Sie als Österreicher, als Deutscher sich dieser Idee angenommen haben?

A.M.: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Eurasische Bewegung in den 1920er Jahren entstanden ist – Alexander Dugin ist also somit nicht der Begründer der ursprünglichen Eurasischen Bewegung, sondern der Begründer der Neoeurasischen Bewegung, die seit ihrer Entstehung ab den 1990er Jahren immer mehr an Popularität gewonnen hat. Der Eurasismus entstand beinahe zur selben Zeit wie die Konservative Revolution in Europa. Wichtige Vertreter, wie der im Wiener Exil 1938 verstorbene Nikolai Trubetzkoy (auch als „Russischer Oswald Spengler“ bezeichnet), forderten im Rahmen dieser Denkrichtung Russlands Behauptung als unabhängige Macht vom europäisch-westlichen Universalismus. Dabei rekurrierten sie etwa nicht auf die westlichen Ideologien des Liberalismus, Marxismus oder Nationalismus, sondern besannen sich auf das „Erbe Dschingis Kahns“ und die russische Symbiose zwischen christlicher Orthodoxie, slawischer Kultur, finno-ugrischen Völkern und dem Erbe der nomadischen Völker (Zentral-)Asiens. Hierbei wurde, im Sinne des indoeuropäischen Erbes Russland, trotz des asiatischen Einflusses nicht von einer „gelben Gefahr“ gesprochen, sondern auf die kulturelle Symbiose zwischen Russen und Mongolen verwiesen. Russland ist somit eine eigene Zivilisation, kein Teil einer weltweiten westlichen Einheitskultur, die die Identität aller anderen Völker verneint. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass der Eurasismus mehrere Dimensionen hat und nicht nur die russische Zivilisation meint, sondern auf einer weiteren Ebene allgemein das, was beispielsweise 1942 von Carl Schmitt als die Zivilisation des Landes bezeichnet wurde (sie definiert sich durch Heldentum, Traditionalismus, Beständigkeit, Verwurzelung und das Dulden kultureller Vielfalt im Sinne einer geistig-kulturellen Multipolarität), die wiederum im Gegensatz zur Zivilisation des Meeres (definiert durch die Figur des Händlers, Fortschrittsdenken, ein Primat der Wirtschaft über die Politik, einer Uniformisierung der Völker und Kulturen – siehe Globalisierung!) steht. Es liegt also überhaupt kein Widerspruch darin, Eurasier und gleichzeitig Österreicher und Deutscher sowie Europäer zu sein, vielmehr ist das eurasische Denken die notwendige Voraussetzung dafür. Eines dürfen wir in diesem Zusammenhang nie vergessen: Wenn Europa sich kollektiv dazu entscheidet ein Teil der Zivilisation des Meeres zu bleiben und nicht im Sinne des Eurasismus und der Multipolarität seine eigene Souveränität als Zivilisationsblock und Reich einzufordern, dann wird es in naher Zukunft weder Österreicher, Deutsche und Europäer geben, sondern nur noch den amerikanischen Einheitsmenschen. Die Globalisierung ist die historisch gesehen größte Bedrohung, die es jemals für unser Volk und Europa gegeben hat – also ist es notwendig, dieser weltweiten Bedrohung mit einer ebenso globalen Abwehrfront entgegentreten zu können. Der Eurasismus liefert die geistige Grundlage dafür – denn die Zivilisation des Meeres befindet sich nicht nur in Europa und Russland in einer Auseinandersetzung mit der Zivilisation des Landes, die für den eurasischen Gedanken steht, sondern auch in China, Indien, Zentralasien, Südamerika und Afrika, sogar in den USA selbst kämpfen die Gegner des Globalismus gegen das totalitäre System, das ausnahmslos alle Identitäten und Völker innerhalb der Logik des Freien Marktes auflösen will. Die zuerst von Alex Jones und Anhängern Donald Trumps ausgegebene Parole des „Großen Erwachens“ gegen den Great Reset zur Rettung des westlichen Projekts ist somit ein Auftrag mit weltweiten Dimensionen. Ich denke, dass auch wir Europäer uns diesem Kampf für das Land und gegen das Meer anschließen müssen. Auch wenn es das Schlachten Heiliger Kühe voraussetzt, ohne die anscheinend viele Rechte, die keine ausreichende Bildung über ihre Geschichte und Kultur besitzen, nicht leben können. Damit meine ich explizit den weit verbreiteten bürgerlich-chauvinistischen Nationalismus, neofaschistisches Denken ((Euro)Faschismus des Dritten Jahrtausends) und neokonservative Denkfiguren, die leider bei vielen Rechten noch immer präsent sind. Dieses falsche Denken dient nur der Aufrechterhaltung der westlichen Hegemonie und den nostalgischen Neigungen vieler Menschen – es macht jedoch eine wirkliche, und das bedeutet auch geistige, Souveränität Europas vom amerikanischen Empire unmöglich. Wer sich darüber hinaus umfassend über das Thema Eurasismus informieren will, der sei auf mein Interview mit Alexander Dugin in der kommenden dritten Ausgabe der Zeitschrift Agora Europa verwiesen! (Hier geht es zur AGORA Europa, die dritte Ausgabe ist noch nicht raus, Anm. d. Red.)

P.S.: Was ist mit nichtchauvinistischen Nationalismen wie ihn u.a. ein Frank Kraemer oder Autoren-Kollegen von Ihnen von der Deutschen Stimme vertreten? Dominique Venner – ohne Zweifel Begründer der Neuen Rechten in Frankreich – bezeichnete sich selbst als Europäischer Nationalist, womit er dem Nationalismus eine gewichtige Rolle zusprach, ihn aber auf eine europäische Dimension holen wollte. Kann man nicht Nationalist sein und dennoch traditionale Werte vertreten?

A.M.: Das ist eine gute Frage. Zuvor ist es jedoch wichtig festzuhalten, dass Dominique Venner definitiv ein Wegbereiter der Neuen Rechten war, aber nicht ihr Begründer, diese Rolle fällt Alain de Benoist zu. Er war der Vertreter eines revolutionären Nationalismus, grob vergleichbar mit den Nationalrevolutionären der Konservativen Revolution in Deutschland und ist im Wesentlichen in der Denkströmung des europäischen Nationalismus einzuordnen, wie ihn auch Jean Thiriart vertreten hat. Dieses Verhaftetbleiben in der Moderne kann man zum Beispiel auch an seinem Bezug auf eine vermeintliche Überlegenheit der weißen Rasse erkennen, von der er zum Beispiel in „Für eine positive Kritik“ spricht. Bei diesem Denken in Rassen mit sozialdarwinistischen Implikationen handelt es sich um eine klassische Position der Moderne, die mit traditionellen Werten nicht vereinbar ist. Natürlich kann man als europäischer Nationalist traditionelle Werte vertreten, jedoch kommt man hier zwangsläufig in den Widerspruch des archeomodernen Denkens nach Alexander Dugin. Ähnlich wie in Serbien nach dem Ende der osmanischen Besatzung bedeutete dies ein Nebeneinander freimaurerischer und jakobinischer Ideen der Moderne mit Elementen der europäischen Tradition. Die Archeomoderne bringt dabei die schlechtesten Eigenschaften beider Denksysteme zum Vorschein und gebiert letztlich eine schizophrene Gesellschaft, die nicht dazu in der Lage ist, den Fortbestand des Volkes und der Volksgemeinschaft zu garantieren, wie zahlreiche historische Beispiele solcher Formen der Staatlichkeit beweisen. Ich denke, dass das Denken des europäischen Nationalismus genauso wie die Konservative Revolution wichtige Schritte auf dem Weg hin zur Neuen Rechten und der Vierten Politischen Theorie im Sinne eines Großen Erwachens der Völker waren, dass sie aber nicht das Endziel auf unserem Weg zur kompletten Überwindung der Moderne sein können.

P.S.: Es ist umstritten, wo die wahrlichen Grenzen Europas beginnen und aufhören. Die Ukraine z.B. wird allgemein zu Europa hinzugezählt, während das ja für Russland nicht mehr so eindeutig ist. Was ist aus Ihrer Sicht Europa und welchen Platz könnte es in einer Eurasischen Ordnung einnehmen?

A.M.: Grundsätzlich sind Zivilisationsgrenzen genauso wie Staatsgrenzen verschiebbar. Oswald Spengler zum Beispiel identifizierte die Ostgrenze Polens mit der Grenze Europas. Die Ukraine war bis 1991 Teil der Sowjetunion – ich denke nicht, dass 30 Jahre nationalistische Propaganda etwas an der Zugehörigkeit der Ukraine zu Eurasien (deren Name auf Deutsch wortwörtlich Grenze bedeutet) geändert haben. Vielmehr war es seit Jahrhunderten ein Ziel europäisch-westlicher Außenpolitik – von den Jagiellonen, über den österreichisch-ungarischen Generalstab, über das nationalsozialistische Lebensraumdenken bis hin zum amerikanischen Institut Stratfor – die Ukraine Russland zu entreißen. Oder um es mit den Worten des amerikanischen Geostrategen Zgbigniew Brzezinski zu paraphrasieren: Die Zugehörigkeit der Ukraine verändert Russlands Gestalt. Ohne die Ukraine ist Russland eine asiatisch orientierte Mittelmacht, der Ungemach mit ihren muslimischen Nachbarn drohen kann, mit der Ukraine ist sie eine eurasische Großmacht, die automatisch zu einem Pol in einer multipolaren Weltordnung wird. Gegenwärtig ist Europa aufgrund einer langen geistigen Fehlentwicklung, die bis zur Renaissance zurückreicht, ein Teil der Zivilisation des Meeres. Europa hat sich buchstäblich von seiner Tradition gelöst und ist im Verbund mit Nominalismus, Individualismus, Kapitalismus und Moderne zu einem „Anti-Europa“ geworden. Als Vertreter der Neuen (echten) Rechten – die man im Übrigen als europäische Ausprägung des Eurasismus betrachten kann – ist es mir ein Anliegen, dass Europa wieder ein Teil der Zivilisation des Landes wird, damit es überhaupt die Möglichkeit bekommt, seine kulturellen Wurzeln neu zu entdecken, wieder an seiner Tradition und Gott anzuknüpfen und wieder ein souveräner Block zu werden. Das jetzige „Anti-Europa“ weiter nach Osten ausbreiten zu wollen, ist in meinen Augen so, als würde man einen gefährlichen Virus in der Welt verbreiten wollen. Wir haben diesen Virus in uns, ganz Europa ist von ihm befallen. Die Europäer geben mit überwältigender Mehrheit ihre eigene kulturelle, völkische und geschlechtliche Identität auf. Europa ist zu einem Ort geworden, den man im orthodoxen Christentum mit der Hölle identifizieren kann. Georges Battaile meinte noch, die Europäer müssten das Herz der Hölle erreichen, um ihre eigene Identität zu begreifen – heute befinden wir uns bereits dort. Wenn wir jetzt im Rahmen des Großen Erwachens dazu in der Lage sind, aufzuwachen und zu begreifen, dass wir bereits im Herzen der Hölle sind, dann ist eine Wiederauferstehung Europas möglich. Reden wir uns aber weiterhin ein, dass die jetzige Situation gut ist, dann wird es keine Möglichkeit mehr zum Aufwachen geben. Die Postmoderne ist kein Schicksal, sondern genauso wie die Moderne in erster Linie eine Geisteshaltung. Wir haben heute die Wahl zwischen Postmoderne und Tradition, Meer und Land, jeder von uns kann sich entscheiden, welche Position er in diesem globalen Kampf der Geister, der Noomachie, einnehmen will. Ich habe mich für die Seite der Tradition und der Zivilisation des Landes entschieden und hoffe, dass es mir möglichst viele Europäer gleichtun werden. Gegenüber dem Westen kann Europa nur eine Position als Peripherie einnehmen und ein Sklave sein. Innerhalb einer multipolaren eurasischen Ordnung würde Europa eine Position auf Augenhöhe gegenüber den anderen Machtpolen einnehmen.

Teil II: „Eine Konservative Revolution in Russland ist in naher Zukunft zu erwarten.“

P.S.: Der Streit um die Ukraine birgt viele Konfliktebenen in sich. Das offensichtlichste ist hier wohl die geopolitische Lage des Landes und seine Wichtigkeit für Russland, die ich erst kürzlich mit Frank Kraemer beleuchtet hatte. Dahinter verbergen sich allerdings auch ethnische, ideologische und geschichtliche Felder, die beleuchtet werden müssen. Ich möchte diese daher gemeinsam mit Ihnen einmal eruieren:

Insbesondere in der Westukraine verstehen sich viele der dort lebenden Menschen als eine Nation „Ukraine“. Damit entsteht auch eine Emanzipationsbewegung der Kleinrussen von den Großrussen im Moskowitenreich. Warum kann Russland den Ukrainern nicht ihre nationale Selbstständigkeit überlassen? Würden Sie den „Ukrainern“ eine eigenständige Identität zusprechen?

A.M.: Auf jeden Fall! Nur muss die Ukraine auch die eigenständige Identität der Russen akzeptieren. Bereits im russischen Reich konnten die Ukrainer als Teil der dreieinigen Ostslawen (Man kann hier auch von einem dreieinigen russischen Volk sprechen) neben Großrussen und Weißrussen ihre Identität behaupten. Im Rahmen eines Reiches im traditionellen Sinn ist die Autonomie einzelner Völker – e pluribus unum – möglich und die Regel. Im ukrainischen Nationalstaat ist ein harmonisches Nebeneinander von Ukrainern, Russen, Krimtataren, Griechen, Rumänen, Ungarn, Russinen, Deutschen und anderen Völkerschaften hingegen anscheinend unmöglich. Jedes Mal, wenn die Ukraine eine Eigenstaatlichkeit oder Parastaatlichkeit erhalten hatte, begannen ukrainische Nationalisten mit einem genozidalen Amoklauf gegen die anderen Völker auf ihrem Staatsgebiet im Auftrag raumfremder Mächte – von Stepan Bandera bis Volodymir Zelenski – um dem Ideal eines „ethnisch reinen“, uniformen Nationalstaates zu entsprechen. So schwer das auch für manche Nationalisten im Westen zu ertragen sein mag, eine Unabhängigkeit der Ukraine im Sinne eines jakobinischen Nationalstaates westlich-liberaler Prägung wird es nach dem Ende der russischen Militäroperation wahrscheinlich nicht mehr geben. Eine Autonomie von Teilen der heutigen Ukraine im Rahmen der eurasischen Zivilisation und einen Fortbestand der ukrainischen und damit kleinrussischen Identität aber sicherlich.

P.S.: Alexander Dugin unterscheidet streng soziologisch zwischen den Begriffen Ethnos, Volk und Nation. Dabei zählt er die Menschen in der Ukraine zum gemeinsamen Volk der Kiewer Rus, also dem Volk der Russen. Nun, die Ukraine selbst ist über Jahrhunderte vielen Wandlungen unterworfen worden. Die Emanzipation sowohl in der Ukraine wie auch im heutigen Weißrussland ist gegenwärtig. Insbesondere der Krieg scheint dieses ukrainische Nationalgefühl vorerst zu begünstigen. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Chance darauf, dass die „Ukrainer“ einen Staat, der tatsächlich unabhängig von West und Ost ist, ihr eigen nennen können werden? Und wie könnte das in das Eurasische Konzept passen? Wird so etwas überhaupt in Erwähnung gezogen?

A.M.: Das ist korrekt. In diesem Zusammenhang kann ich auf seinen Artikel zur Ethnogenese der Ukrainer verweisen, der nun auch auf Deutsch verfügbar ist.[1] Wie bereits angedeutet ist eine „Unabhängigkeit“ der Ukraine nicht mehr denkbar, genauso, wie auch früher eine Unabhängigkeit der Ukraine nicht möglich war, ist diese in Zeiten der Globalisierung sowie der entstehenden Multipolaren Welt undenkbar. Eine Autonomie der Ukraine im Rahmen einer ostslawischen Union/eines Eurasischen Pols innerhalb der multipolaren Welt aber sehr wohl.

P.S.: Generell betrachtet Dugin die Idee der Nation als ein westlich-modernes und künstliches Konstrukt. In Deutschland hingegen und insbesondere bei der Deutschen Rechten, wird darunter i.d.R. ein ethnisches Konzept verstanden. Ist der ukrainische Nationalismus daher auch eine ideologische Divergenz zwischen dem russischen Eurasismus und dem Westen?

A.M.: Das Nationsverständnis der deutschen Rechten und insbesondere die Vermischung der Begriffe Volk/Volksgemeinschaft als historisch gewachsene, hierarchische und vormoderne Einheit, mit dem modernen bürgerlichen Nationalstaat, der in erster Linie ein Wirtschaftsunternehmen ist, zeigt leider nur, wie westlich und modern die deutsche Rechte insgesamt ist. Letztlich zielt der Nationalstaat seit seiner Geburt darauf ab, eine künstliche Ersatzgemeinschaft (Gesellschaft) für die in Individuen zertrümmerte Volksgemeinschaft zu stellen. Sein Ziel ist die Aufklärung der Individuen in seinem Zugriffsbereich, das bedeutet, ihre Befreiung von allen kollektiven Bindungen, um den kommenden liberalen Weltstaat im Sinne des westlichen Endes der Geschichte vorzubereiten. Alle Versuche, den Nationalstaat im sozialistischen oder faschistisch/nationalsozialistischen Sinne umzudeuten sind gescheitert. Entweder die Völker Europas finden eine Alternative zum Nationalstaat im Reich (das man auch als Zivilisationsstaat bezeichnet) oder sie werden in „kalten Wassern des berechnenden Egoismus“, wie im Nationalstaat verkörpert, ertränkt werden. Der ukrainische Nationalismus, der zweifellos ein westliches Konstrukt ist, wurde nicht von ungefähr massiv vom Westen gefördert und steht ohne Frage in einem radikalen Gegensatz zum Eurasismus.

P.S.: Alexander Dugin spricht dem Volk eine gewichtige Rolle als Träger der russischen Nation zu. Jedoch versteht er gemäß der russischen Wirklichkeit darin keine auf einer biologischen Abstammung sich begründende Entität. Der Russischen Orthodoxie oder dem eurasischen Boden spricht Dugin ein weitaus höheres Gewicht zu als dem Ethnos. Ist das aus Ihrer Sicht auch ein nachahmenswertes Volkskonzept für europäische Völker, wie das Deutschland-Österreichs?

A.M.: Grundsätzlich ist ein Volk niemals von seinem Boden losgelöst zu denken. Wie die Wissenschaft der Geosophie beweist, prägt der Boden die Völker und Stämme, die auf ihm leben, entscheidend. Die Deutschen gäbe es heute nicht ohne ihren Siedlungsraum in Mitteleuropa, ebenso wenig wie die Franzosen, Serben, Chinesen, Russen und Japaner ohne ihr eigenes Herzland, ihre Heimat. Wie interessanterweise der liberale Soziologe Ludwig Gumplowicz nachgewiesen hatte, setzt sich ein Volk in der Regel aus mehreren Ethnien (im Sinne von Stämmen) und teilweise sogar Völkern zusammen. Das deutsche Volk beispielsweise besteht nicht nur aus einem einzigen Stamm, sondern vereint mehrere Stämme in sich, allein der linguistisch scharfe Gegensatz zwischen dem norddeutschen Sprachraum und dem oberdeutsch/süddeutschen Raum ist ein bis heute existenter Beweis dafür. Gleichzeitig haben die Deutschen beispielsweise auch im Laufe ihrer Geschichte Einflüsse von Nachbarvölkern absorbiert und selbst – Stichwort Ostkolonisation des Mittelalters – slawisches Gebiet erobert, ohne dass sie alle Slawen im Rahmen eines Genozids ermordet oder vertrieben hätten. Vielmehr wurden diese Völker und Stämme im Laufe der Geschichte selbst überwiegend zu Deutschen, dennoch existieren im deutschen Siedlungsraum weiterhin beispielsweise Sorben, Slowenen und Windische, die sich zum Teil in kriegerischen Konflikten dafür entschieden haben, weiterhin im engen Bündnis mit dem deutschen Volk zu verbleiben. Sind diese Menschen kein Teil der deutschen Volksgemeinschaft? Ich würde diese Frage nicht bejahen. Spielen Abstammung und Ahnenreihe dennoch eine wichtige Rolle bei der Volkswerdung? Auf jeden Fall. Ich denke aber, dass uns gerade die Auflösung der europäischen Völker in den „Weißen“ Individuen Amerikas und der afrikanischen Völker in den „Schwarzen“ Individuen der USA beweisen, dass ein Volk schnell zu existieren aufhört, wenn man es aus seinem Siedlungsraum entreißt. Dementsprechend möchte ich hier nicht über die Nachahmenswertigkeit oder Nichtnachahmenswertigkeit eines Volksbegriffes diskutieren, sondern auf die Tatsache verweisen, dass unter europäischen Nationalisten gerne die biologistische Dimension des Volksbegriffes überbetont sowie im modernistischen Sinne pervertiert wird und gleichzeitig die traditionelle Bedeutung der Volksgemeinschaft als vormoderner Gemeinschaft im Gegensatz zur Gesellschaft komplett vernachlässigt wird. Dabei wird gerne außer Acht gelassen, dass das Da-Sein nach Heidegger immer ein in einem bestimmten Raum verwurzeltes Sein ist – und nichts Anderes ist Volk.

P.S.: Angesichts des mittlerweile offenen Kampfes auf europäischem Boden äußern sich zunehmend auch rechte Akteure gegen einen russischen Imperialismus. Eurasismus oder das Streben nach einem Eurasischen Reich wird von vielen Beobachtern als östliches Pendant zur US-Hegemonie gemäß der „Manifest Destiny“ gesehen. Tatsächlich beschreibt auch Dugin dieses als eine Art universelles Russisches Reich mit Trägervölkern wie den Deutschen, Persern, Japaner, Mongolen, Russen usw. Können Sie verstehen, dass dies bei vielen, insbesondere nationalorientierten Beobachtern, zumindest für Misstrauen sorgt? Tauschen wir den westlichen Hegemon dann gegen einen östlichen aus?

A.M.: Zunächst ist es denke ich wichtig, hier die Verwirrung um den Imperialismusbegriff richtig zu stellen. In seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ die 1917 in Russland veröffentlicht wurde, charakterisierte Lenin den Kapitalismus wie folgt:

  • Konzentrationder Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopoleschafft, welche im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen
  • Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis des Finanzkapitals
  • der Bedeutungszuwachs des Kapitalexportsim Verhältnis zum Warenexport
  • die Ausbildung internationaler monopolistischer Kapitalistenverbände, die den Weltmarkt unter sich aufteilen
  • die vollständige territoriale Aufteilung der Erde unter den kapitalistischen Großmächten

Wenn wir heute nach den mächtigsten Firmen der Welt und deren Monopolen suchen, aber auch die „Big Five“ im Technikbereich, dann müssen wir unseren Blick auf die USA und Europa richten, nicht auf Russland, das ökonomisch im Vergleich dazu auf den hinteren Plätzen verweilt. Ebenso liegen die Zentren des Great Reset und des Globalismus, sowie der Postmoderne und des Transhumanismus nicht im wesentlich konservativeren Russland, sondern ebenso in den Vereinigten Staaten und Europa. Russland war im globalen Weltsystem stets eine auszubeutende Peripherie in den Augen des Westens, ein notwendiger äußerer Feind, niemals Bündnispartner. Hier von einem „russischen Imperialismus“ zu sprechen ist kompletter Unsinn. Es gibt nur einen Imperialismus und dieser ist zweifelsfrei westlich. Allein von der Bevölkerung her kann Russland Europa nicht als Hegemon beherrschen – es kann jedoch ein wichtiger Bündnispartner für uns werden. Dies setzt aber voraus, dass auch europäische Nationalisten sich endlich mit ihrem eigenen philosophischen und historischen Erbe beschäftigen, ihrer Identität, und mit den Propagandafloskeln, den Transatlantikern in CDU, AfD sowie anderen neokonservativen und neoliberalen Vereinen, wie Propagandamedien endlich Schluss machen! Geopolitisch kann Europa entweder so weitermachen wie bisher, sich nach Westen orientieren und ein Vasall der USA sein. In diesem Szenario ist eine kulturelle Wiedergeburt Deutschlands und Europas ausgeschlossen. Oder es bricht seine Bindung nach Westen ab und entschließt sich für ein Bündnis auf Augenhöhe mit Eurasien. Dann kann es seine eigene Identität bewahren. Wer angesichts dessen von einem „russischen Imperialismus“ spricht, ist im besten Fall ungebildet und im schlimmsten Fall ein CIA-Agent/nützlicher Idiot der USA. Ein Europäer, der sich nicht mit dem eigenen geopolitischen Erbe beschäftigt, wird zwangsläufig zu einer Schachfigur fremder Interessen, und damit von George Soros sowie dem militärisch-industriellen Komplex in den USA. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Angehörigen des Rechten Sektors, des Asow-Bataillons und anderer Nationalisten in der Ukraine, die sich gegenwärtig für die Interessen des Imperialismus verheizen lassen. Sie sind in diesem Zusammenhang gut mit weiten Teilen der Rechten in Japan zu vergleichen, die sich im Kalten Krieg von den USA aufrüsten und als Kettenhunde gegen alle Kräfte nutzen ließen, die sich gegen die amerikanische Besatzung und für die Souveränität Japans zur Wehr setzten. Ein fundiertes Wissen über Geopolitik muss zum „Green Pass“ innerhalb der europäischen Rechten werden – ansonsten rennt diese Rechte in ihr eigenes Verderben und wird historisch bedeutungslos bleiben. Alle Kräfte, die sich dem wider besseres Wissen entgegenstellen und den Transatlantismus sowie die Herrschaft des Bürgertums und des Liberalismus einzementieren wollen, sind nichts Anderes als Schachfiguren des Globalisten, ganz egal wie „faschistisch“ sie die Hacken zusammenschlagen, halbgebildet dozieren oder über Gläsern mit schwerem Rotwein philosophieren. An dieser Stelle kann ich nur ausdrücklich vor politischen Romantikern warnen, die einen „Stil“ über die Politik stellen, und ganz bewusst eine tiefe Auseinandersetzung mit politischer Theorie scheuen. Diese Menschen sind der Fluch der europäischen Rechten und hintertreiben seit Jahrzehnten den Aufbau einer revolutionären Alternative in Europa.

P.S.: Haben die ukrainischen Nationalisten eine andere Wahl als sich dem US-amerikanischen Imperialismus anzudienen? Sie selbst sprechen den Ukrainern ja die Selbstständigkeit ab. Ist diese Entscheidung zumindest aus ukrainischer Sicht für Sie nachvollziehbar?

A.M.: Nachdem sie selbst eine westliche Ideologie angenommen haben, ist es natürlich folgerichtig, dass sie auch nach deren geopolitischen Imperativen handeln. Jedoch entspringt beides einem falschen Bewusstsein von der Realität, das gezielt vom Westen gebildet wurde. Für die Ukrainer selbst ist das Handeln dieser Nationalisten aber eine Katastrophe, da ihre Existenz auf dem Altar der Bündnistreue zum Westen geopfert wird. Wenn man als Volk nicht souverän sein kann, weil dafür die geopolitische Grundlage fehlt, dann ist ein Zusammengehen mit Völkern der eigenen Zivilisation, in diesem Fall Russland, wohl die klügere Wahl. Leider können dies die ukrainischen Nationalisten aufgrund ihres falschen ideengeschichtlichen Bewusstseins nicht erkennen. Der Preis, den sie jetzt dafür zahlen müssen, ist ein hoher. Umso drängender ist es, den Transatlantismus und die Ideen der Moderne auch in Deutschland zu Grabe zu tragen, um einen europäischen Neuanfang basierend auf der europäischen Tradition möglich zu machen.

P.S.: Wladimir Putin bekräftigte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder, dass der Einmarsch in die Ukraine vor allem ein Kampf gegen den Faschismus und gegen Nationalsozialisten sei. Vor allem dürfte damit das Umfeld von Prawyj Sektor und der Allukrainischen Vereinigung Swoboda gemeint sein. Viele Rechte aus Europa sympathisieren mit den nationalen und auch in Teilen stark nationalistischen Gruppen in der Ukraine. Sie betrachten diesen „Antifaschistischen Kampf“ der Russen in der Ukraine als einen Affront. Hierzulande werden solche Begriffe i.d.R. verwendet, um Leute wie Sie und mich und insbesondere die Inhalte, die wir von uns geben, zu stigmatisieren. Warum ist dieser Kampf für Russland auch ein Kampf gegen Nationalisten? Sollten wir aus eurasischer Position unsere Nationalisten auch bekämpfen? Oder ist das vielmehr ein Propaganda-Coup aus der Spin-Zentrale im Kreml?

A.M.: Tatsächlich existieren rein objektiv betrachtet in der Ukraine (neo)faschistische und (neo)nationalisozialistische Gruppen, die als Kettenhunde des Globalismus agieren und nicht nur beim Maidanputsch 2014 Seite an Seite mit den Globalisten agierten und mordeten, sondern auch danach massiv am Genozid gegen die Russen im Donbass mit über 14.000 Toten beteiligt waren, so wie auch beispielsweise im Gewerkschaftshaus in Odessa Aktivisten des Russischen Frühlings, der sich gegen den Putsch richtete, verbrannten. Sie waren systematisch an der Auslöschung und Unterdrückung der pro-russischen Opposition und der Russen sowie anderen Völkern in der Ukraine beteiligt, die nicht in ihr lebensfremdes Bild von einer neuen ukrainischen Gesellschaft passten. Zweifellos existiert seit dem militärischen Zusammenbruch der Achsenmächte im Jahr 1945 kein authentischer Faschismus oder Nationalsozialismus mehr, sondern nur noch ein Simulakrum dessen, welcher auch schon im Kalten Krieg gerne als Handlanger des Liberalismus diente. Seit dem Putsch 2014 wurden sie in das ukrainische Militär integriert und üben somit mit dem Segen des Westens eine enorm einflussreiche Position aus – wohlgemerkt nicht in den Parlamenten, dafür aber in den Streitkräften. Sie sind gewissermaßen die „Atomwaffendivision“ des Westens in der Ukraine – ich habe im Deutsche Stimme Magazin einen längeren Artikel zu diesem Phänomen verfasst – eine Art Dirlewanger-Brigade des 21. Jahrhunderts, die von westlichen Geheimdiensten gehegt und gepflegt wird. Wer sich über die Verbrechen dieser Menschen informieren will, kann das über den deutschen Telegramkanal der Gruppe Slovo tun, aber auch über die deutschsprachigen Journalisten Alina Lipp und Thomas Röper, die selbst vor und nach Beginn der militärischen Sonderoperation mit den Einwohnern des Donbass vor Ort gesprochen haben. Ebenso wenig wie der Islamische Staat insgesamt etwas mit einer traditionellen Auffassung des Islams zu tun hat, haben diese Neo-Nationalsozialisten und Neo-Faschisten etwas mit der Liebe zum eigenen Volk und Vaterland zu tun. Ob man hier von russischer Seite einen Unterschied zwischen der Führung – die zweifellos aus Fanatikern besteht – und den Geführten – die wahrscheinlich nicht alle Überzeugungstäter sind – machen wird, ist offen. Generell kann man davon ausgehen, dass die Kriegsverbrechen, die im Rahmen dieses acht Jahre andauernden Konfliktes von ukrainischer Seite und insbesondere den Einheiten von Asow et al. begangen wurden, sicherlich geahndet werden. Sowohl die Hinrichtung der Hauptverantwortlichen als auch die lebenslange Unterbringung im Schwarzen Delfin oder einem anderen Hochsicherheitsgefängnis sind realistisch – die Zeiten der ungestraften Verbrechen sind für diese Menschen vorbei. Im gegenwärtigen Konflikt kommt diesen Einheiten die Rolle der ideologischen Führungsoffiziere der NATO zu, sie greifen zum Terror als Mittel der Kriegsführung, verwenden Zivilisten als menschliche Schutzschilde und wollen die ukrainische Armee bis zum letzten Ukrainer kämpfen lassen, trotz der Sinnlosigkeit dieses Kampfes. Diese Menschen haben zweifellos nichts mit den Nationalisten und Patrioten in Deutschland und Europa zu tun, die für die Freiheit unserer Völker kämpfen. Sich mit ihnen gemein zu machen ist schlicht und ergreifend naiv. Wer das tut und beispielsweise in die Ukraine geht, um diese Einheiten zu unterstützen oder gar, um sich an Verbrechen zu beteiligen, der kann davon ausgehen, dass ihm im Fall der Niederlage von russischer Seite kein Pardon gegeben werden wird. Der kollektive Westen hat zweifellos normale Patrioten, wie Sie und ich es sind, lange Zeit als „Nazis“ und „Faschisten“ diffamiert und diese unter jedem Bett hervorgeholt – so sehr, dass er echte Nationalsozialisten und Faschisten nicht mehr erkennen kann, wenn sie vor seinen Augen stehen und in seinem Dienste morden. Das größte Trauma der russischen Gesellschaft ist der deutsch-sowjetische Krieg, der auch unter russischen Zivilisten Millionen Opfer forderte. Dementsprechend ist es nur logisch, wenn man im Kreml rotsieht, sobald eine feindlich gesinnte Regierung bewaffnete Gruppen unterstützt, die öffentlich der SS-Division Galizien huldigen, Hakenkreuzfahnen tragen, zur Ermordung russischer Kinder aufrufen und im Fernsehen Adolf Eichmann glorifizieren. Wichtig ist hier festzuhalten, dass sich der antifaschistische Kampf der Russen in der Ukraine nicht gegen normale Patrioten wie Sie und mich richtet, sondern gegen ideologisch manipulierte Menschen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man sich im politischen Kampf niemals mit Psychopathen und CIA-Agenten gemein machen sollte.

P.S.: Jedoch ist zu erkennen, dass im Russland unter Putin eine beispiellose Jagd auf Rechte Konkurrenten gemacht wird. Selbst die Bundesrepublik Deutschland wirkt dagegen wie ein Rechtsstaat.

A.M.: In Russland existiert mit der Liberaldemokratischen Partei eine Partei, die in der BRD aufgrund ihrer rechten Positionen wohl verboten worden wäre, ebenso wie die Kommunistische Partei Russlands aufgrund ihrer vergleichsweise radikalen Positionen, gerade auch was klassisch rechte Positionen angeht, ein Verbotsfall wäre. Beide Parteien existieren in Russland und vereinen zusammen mehr als ein Drittel der Stimmen auf sich. Daher würde ich nicht davon sprechen, dass der russische Staat die Bundesrepublik in den Schatten stellt. Was von Putin hingegen nicht geduldet wird ist eine organisierte außerparlamentarische Opposition, einerseits wegen der zahlreichen westlichen Umsturzversuche durch Soros-nahe Organisationen, andererseits weil das System Putin im Wesentlichen entideologisiert ist. Im Gegensatz zur BRD hat Russland aber nie behauptet, eine liberale Demokratie zu sein und aus seiner Befürwortung einer starken vertikalen Staatlichkeit nie einen Hehl gemacht. Ob der Westen tatsächlich nichtregierungskonforme Bewegungen und Gruppen duldet, kann denke ich jeder für sich selbst beantworten – gerade Deutschland und Österreich können sich mit einer stattlichen Anzahl von Parteien- statt, auch Gruppenverboten sowohl auf der Linken als auch auf der Rechten Seite rühmen. Das alles hat Putin nicht davon abgehalten, auf linke und rechten Anti-Maidan-Gruppen zu dulden, die gegen westliche Umsturzversuche vorgegangen sind. Zweifellos gibt es in Russland staatliche Repression gegen politisch oppositionelle Gruppen, so wie in jedem anderen Staat auch. Es stellt sich auch immer die Frage, von wem politische Repression angewandt wird. Nutzt sie ein anti-globalistischer Staat wie der Iran, Russland oder China, um seine Souveränität zu verteidigen? Oder wird die Repression dazu verwendet, um den Great Reset in einem globalistischen Staat wie Deutschland durchzusetzen? Das hier ein Unterschied vorliegt, sollte jedem anti-globalistisch gesinnten Menschen klar sein. Gleichzeitig erlebt Russland im Zuge der großen Unterstützung für den Krieg – etwa 80% der Russen unterstützen die Militäroperation – eine patriotische Hochstimmung, einen zweiten russischen Frühling. Nach dem Sieg in der Ukraine wird man diese Menschen brauchen um den russischen Staat, der sich mit einem neuen Eisernen Vorhang von Seiten des Westens konfrontiert sieht, auf Dauer gegen den Globalismus zu verteidigen und eine patriotische Staatsideologie auszuformulieren, aber auch um das Projekt der Eurasischen Union voranzutreiben. In diesem Zusammenhang ist der Inhalt von Putins Rede am 24.02.2022 beachtenswert, die eine eindeutig patriotische Botschaft darstellt. Eine zunehmende patriotische Ausgestaltung des Staates wird somit wohl unausweichlich sein, schließlich will Putin an der Macht bleiben. Der Geist, der hier aus der Flasche gelassen wurde, wird sich nicht mehr einfangen lassen. Eine Konservative Revolution in Russland – die wahrscheinlich von oben kommen wird – ist in naher Zukunft zu erwarten.

Teil III: Die Welt wird multipolarer

P.S.: Die Sowjetunion und der damit verbundene Weg des Sozialismus unter Lenin und Stalin ist unmittelbar verbunden mit der russischen Geschichte. Der nach außen marxistische Stalin selbst sah sich in der Tradition eines Iwan IV. (dem Schrecklichen) und kehrte die unter Peter dem Großen stark westlich orientierte Politik wieder hin zu einer Eurasischen Mission. Wladimir Putin, der aus der zweiten Smuta (Zeit der Wirren) unter Jelzin politisch groß geworden ist, fährt nun eine offen antiwestliche Politik. In seiner Rede am 21. Februar 2022, als Putin Donezk und Lugansk anerkannte, machte er mehrere Andeutungen, dass der Zerfall der Sowjetunion, wie er stattfand, ein historischer Fehler aus russischer Sicht war. Die Leninschen Prinzipien des Staatsaufbaus, wonach u.a. die Ukraine eine Nationalität geschenkt bekommen sollte, bezeichnete er sogar als einen schlimmen Fehler. Strebt der Kreml nach einer Sowjetunion 2.0 und damit nach einer zweiten Weltrevolution?

A.M.: Zweifellos haben die revolutionären Umwälzungen unter Lenin und Stalin in Russland auch zum Teil einen russischen Charakter an sich gehabt, da Revolutionen nicht auf einer tabula rasa stattfinden, sondern immer in einem bestimmten Raum und unter einem bestimmten Volk. Hätte Lenin keinen „Sozialismus mit russischen Eigenschaften“ formuliert, wäre es ihm wohl unmöglich gewesen eine erfolgreiche Revolution zu starten. So wie man den Kapitalismus als vollends säkularisierte Version des Calvinismus beschreiben kann und den Faschismus als säkularisierte Version des westkirchlichen Katholizismus, so kann man auch den russischen Kommunismus als säkularisierte Version der russischen Orthodoxie beschreiben. Nichtsdestotrotz muss man hier festhalten, dass genauso wenig wie der Faschismus den wahren Katholizismus darstellt, auch der russische Kommunismus nur eine pervertierte und verzerrte Version der Orthodoxie ist. Iwan den IV. muss man insofern als den „Schrecklichen“ begreifen, wobei eine Übersetzung als „der Ehrfurcht gebietende“ wohl korrekter ist, weil er aus russischer Sicht nach einer Zeit der Wirren einen starken Herrscher und Mehrer des Reiches darstellt, der auch Russlands Rolle als Drittes Rom, d.h. als Nachfolgerin des Römischen Reiches (Die „Byzantiner“ selbst bezeichneten sich als Römer), wiederaufgenommen und dessen eurasische Sendung angenommen hatte. Wladimir Putin, der in der Sowjetunion aufwuchs und während seiner Zeit im KGB u.a. in der DDR stationiert war, wurde zunächst von Boris Jelzin als Innenminister eingesetzt, um das Chaos innerhalb Russlands, das im Zuge neoliberaler Reformen und einer „Annäherung“ an den Westen entstanden war, zu bändigen. Putin hat ebenso wie sein Vorgänger Jelzin lange Zeit versucht Russland an den Westen anzunähern und sogar in die NATO einzutreten, um eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur zu schaffen – doch all seine Bemühungen wurden von den USA schroff zurückgewiesen. Bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 plädierte der jetzige Präsident Russlands für die Schaffung einer multipolaren Weltordnung und ein Ende der unipolaren Anmaßung des Westens, jedem Volk auf der Erde vorschreiben zu wollen, wie es zu leben habe. Wenn Putin vom Zerfall der Sowjetunion als „große Katastrophe“ spricht, dann meint der mittlerweile zum entschiedenen Anti-Kommunisten gewandelte Präsident, dass mit dem Zusammenbruch der UdSSR auch die russische Geltung in der Welt, der eurasische Raum, eingebrochen sind und darauf für Osteuropa, Russland und Eurasien eine katastrophale Periode der Neoliberalisierung, Ausplünderung der Länder durch westliche Unternehmen und eigene Oligarchen sowie die Außenpolitische Gängelung durch den Westen stattfand. Die 90er Jahre waren nicht nur auf dem Balkan, sondern auch in Russland und Osteuropa eine Zeit der Armut, des Krieges und der Instabilität. Wenn also Putin vom Aufbau einer multipolaren Welt spricht, dann meint er damit nicht den Aufbau Russlands und Eurasien als Sowjetunion 2.0, sondern die Etablierung Russlands als Eurasisches Reich, dass seinen Platz als eigenes Machtzentrum in der Welt neben dem Westen und China beansprucht, nicht die gewaltsame ideologische Missionierung. Wie bereits weiter oben erwähnt, ist die russische Militäroperation in der Ukraine kein „gewaltsamer Überfall“ eines „unschuldigen Landes“, sondern der Sturz eines westlichen Marionettenstaates, der Russland im Laufe der vergangenen Jahre mehrmals bedroht hat und seine eigene Bevölkerung terrorisiert. Wir haben es hier mit keiner „Weltrevolution 2.0“ zu tun, sondern mit einem Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland, das sich der Globalisierung und dem Great Reset nicht unterordnen, sondern seine eigene Identität behaupten will.

P.S.: Kommen wir zur „Multipolarität“. Der Begriff wird, seitdem Alexander Dugin in Deutschland namhaft wurde, mittlerweile fast schon inflationär verwendet, genauso wie der der „Metapolitik“. Viele meinen, dass damit eine Art Ausgleich im Sinne einer Vielfalt souveräner und damit auch selbstständiger sowie selbstbewusster Nationen und deren staatliche Entitäten zu verstehen ist. D.h. je mehr Völker selbstbestimmt sind, desto mulitpolarer wäre auch die Weltordnung. Ganz im Sinne eines Europas der Vaterländer. Können Sie hier Licht ins Dunkel bringen und unseren Lesern noch einmal erklären, was das Konzept der Multipolarität in sich birgt?

A.M.: Eine multipolare Welt bedeutet nach Dugin zunächst eine Welt, in der es nicht nur ein westliches Machtzentrum gibt, sondern mehrere Pole, nicht zwei Stück, wie in der bipolaren Welt des Kalten Krieges, sondern mindestens drei. Die Multipolare Welt wäre also von Haus aus vielseitiger als unsere jetzige Weltordnung, da sie mehrere Konzepte für die Zukunft, mehrere Weltanschauungen und mehrere Vorstellungen von einem richtigen Leben zulässt, anstatt nur die Idee der Totalherrschaft des „Freien Marktes“, des Great Reset und des Liberalismus 2.0. Die Idee der multipolaren Welt baut ausdrücklich nicht auf der Idee des jakobinischen Nationalstaates auf, der sich als unfähig erwiesen hat, gegen den Druck der Globalisierung Widerstand zu leisten – nicht zuletzt, weil er auch gar nicht darauf ausgelegt ist. Die Machtpole oder Großräume dieses Ordnungsmodells sind mit der traditionellen Staatsform des Reiches zu vergleichen, welches von einem oder mehreren Reichsvölkern angeführt wird (im Falle Europas würden hier etwa Deutschland und Frankreich in Frage kommen), jedoch die anderen im Großraum organisierten Völker nicht unterdrückt, sondern diesen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips Autonomie gewährt, um die eigene Identität zu bewahren. Die faktisch nicht mehr existente Souveränität des westfälischen Systems wird hiermit also von der Ebene des Nationalstaates, der sie nicht mehr im Ernstfall behaupten kann, auf die Ebene des Großraumes übertragen, der auch im Fall des Angriffes und der Blockade raumfremder Mächte diese verteidigen kann. Formal kann der Nationalstaat in so einer Ordnung natürlich weiterbestehen, das eigentliche Entscheidungszentrum wird jedoch auf die Ebene des Großraumes übertragen. Der Entscheidungsfindungsprozess innerhalb jeder Zivilisation kann schließlich, je nach Wunsch der Zivilisation, autoritärer oder demokratischer Ablaufen. Dementsprechend hat die Mulitpolarität nichts mit dem Konzept eines „Europas der Vaterländer“ oder gar der regionalistisch-anarchistischen Idee eines „Europas der tausend Fahnen“ zu tun. Die Welt wird also mit weiteren Nationalstaaten nicht multipolarer, sondern im Gegenteil unipolarer, da die USA die Schwächung einstmals großer Staaten nur zu gerne nützen – siehe Deutschland, das ehemalige Jugoslawien, die ehemalige UdSSR usw. Die Eichberg’sche „Balkanisierung für Jedermann“ führt ganz im Gegenteil zu einer Zunahme der Fremdbestimmung durch den im Niedergang begriffenen Hegemon USA. Darüber hinaus bedeutet die Multipolarität auch eine neue kulturelle Vielfalt und echte Souveränität. Der blockadesichere Großraum ist nach Jahrhunderten des Imperialismus erstmals dazu in der Lage, eine tatsächlich souveräne Kultur aufzubauen, die sich ihrerseits von den materialistischen Einflüssen des westlichen Denkens reinigen kann – wenn sie es denn will. Die Russen werden dadurch in die Lage versetzt, ihrem eigenen russisch-eurasischen Geist zu folgen, ebenso wie China dadurch in die Lage versetzt wird, das eigene konfuzianische Erbe/einen Sozialismus mit chinesischen Eigenschaften zu pflegen, ebenso wie der Iran seine islamische Revolution fortführen kann und Südamerika an die eigenen indigenen und bolivarischen Wurzeln wieder anzuknüpfen fähig sein wird. Auch für Europa wird sich die Möglichkeit ergeben, seine Tradition neu zu entdecken – vorausgesetzt, es entscheidet sich endlich dazu, sein Dasein als Vasall Amerikas aufzugeben und dem postmodernen Denken des Liberalismus 2.0 abzuschwören. Wir müssen uns der Tatsache bewusstwerden, dass auch die USA, die gerade mit Joe Biden und dem Great Reset ihren Boris-Jelzin-Moment erleben und in eine eigene Zeit der Wirren getreten sind, auch jetzt noch militärisch und ideologisch so mächtig sind, dass es eine Internationale der Völker und Zivilisationen braucht, um dieser Bedrohung entgegenzutreten. Russland ist keine Bedrohung, genauso wenig wie China – das globalistische System, das alle Identitäten vernichtet, stellt hingegen noch immer die größte Bedrohung für einen potenziellen europäischen Großraum dar. In diesem Sinne bietet die Multipolarität auch das Potenzial einer Gegenhegemonie zum Globalismus, im Rahmen derer mehrere, sich in Bildung befindliche, Zivilisationsblöcke zusammenschließen, um die Hegemonialambitionen des Westens zurückzuweisen.  Leider befinden sich Europas Eliten im Moment auf der Seite des Westens und treiben mit dem Great Reset einen Prozess voran, der eine Zukunft Europas als eigenständiger Machtpol unmöglich macht. Umso wichtiger ist also metapolitische Arbeit, das Formulieren neuer Ideen und Konzepte sowie die Schaffung einer Gegenelite im Geiste der Multipolarität und Tradition, um die jetzige, anti-europäische Elite in der Zukunft austauschen zu können.

P.S.: Auch wenn die NATO-Osterweiterung von den US-Amerikanern geopolitisch angestrebt wurde, um gemäß der Herzlandtheorie Russland einzukreisen, sind die Beitritte der ehemaligen Sowjetländer durchaus nachvollziehbar. Eines der stärksten und zugleich geopolitisch wichtigsten Länder in diesem Bereich ist Polen. Historisch erlitt dieses Zwischenland unter Russland als Obrigkeit der Sowjetunion und auch unter Deutschland eine nationale Erniedrigung aus völkischer Sicht. Auch gab es schon immer unter Polen, Litauen und dem Einflussbereich der Kiewer Rus Konflikte. Bis heute leidet es unter einem geschichtlichen Trauma. Für diese Länder, von dem Polen das beispielhafteste ist, wird daher auch eine Dritte Position zwischen den Meeren angestrebt. Die Rede ist vom Intermarium, einem Zwischeneuropa. Aus geopolitischer Sicht wäre dies doch eine Alternative zur bipolaren Aufteilung der Region zwischen Lissabon und Wladiwostok. Wie stehen Sie zu dieser Idee? Können Sie solche Bestrebungen der ehemaligen Sowjetstaaten im Zwischenmeerraum nachvollziehen?

A.M.: Grundsätzlich sind diese Beitritte natürlich vor dem Hintergrund der Angst vor einem Wiedererstarken Russlands zu verstehen, andererseits sind sie auch die direkte Konsequenz des globalistischen Einflusses und der Einsetzung von Machteliten aus dem Kaderprogramm George Soros und seiner Open Society Foundation zu begreifen. Die Drei-Meeres-Initiative oder Intermarium fungiert letzten Endes vor allem als Keil zwischen Deutschland und Russland, um die Achse Paris-Berlin-Moskau zu verhindern und den Transatlantismus in Europa zu zementieren. Ich denke, dass es für die Zukunft Europas und Eurasiens sinnvoller wäre, den „Zwischenraum“ zwischen Deutschland und Russland als Brücke zwischen Europa und Eurasien zu begreifen, nicht als „Bollwerk gegen asiatische Barbarei“, wie er teilweise in nationalistischen Kreisen dargestellt wird. Ich bin der Meinung, dass die Patrioten Deutschlands und Russlands, aber auch Polens daran mitarbeiten sollten, diesen Raum zu einer verbindenden Brücke zu machen, um einerseits das eigene Gegenüber als anders begreifen zu können und nicht als Feindbild im Sinne eines barbarischen Fremden zu zeichnen. Das mag schwer sein und viel Arbeit erfordern, ist jedoch notwendig, um ein friedliches Neben- und Miteinander in der Tradition der Landmacht zu ermöglichen. Wie die Geschichte nicht nur des 20. Jahrhunderts, sondern auch des 18. und 19. Jahrhunderts mit den liberal-revolutionären Bestrebungen im polnisch-litauischen Commonwealth und seiner Aufteilung zwischen Preußen, Österreich und Russland zeigt, werden Zwischenräume, die sich als Bollwerke raumfremder Mächte inszenieren, in der Regel von der Karte gestrichen. Und gerade aus ihrer historischen Erfahrung heraus wäre den Völkern Osteuropas die Wiederholung dieser Ereignisse nicht zu wünschen. Zurzeit sieht es aber so aus, als würde sich die Geschichte dahingehend wiederholen.

P.S.: Neben dem Konzept des Eurasismus entwickelte der bekannte Archäofuturist Guillaume Faye sein eurosibirisches Konzept „Euro-Russland“, das seine Anfänge auf einer Konferenz zur „Zukunft der weißen Völker“ im Jahr 2006 in Moskau nahm. Dieses Konzept weicht von Dugins Vorstellungen stark ab. Können Sie unseren Lesern die wichtigsten Bruchlinien aufzeigen? Würden Sie dieses Konzept als eine Alternative für die Europäische Rechte bezeichnen? Bitte begründen!

A.M.: Ich kenne dieses Konzept nur aus Guillaume Fayes Buch „Archäofuturismus“ aus dem Jahr 1998. Der Darstellung darin nach zu urteilen, scheint es eine Fortführung des thiriartschen Europas von „Dublin bis Wladiwostok“ zu sein, einem jakobinischen Zentralstaat, der vom Atlantik bis zum Pazifik reicht. Wie ich von Robert Steuckers weiß, existieren jedoch noch eine Reihe bislang nichts ins Deutsche oder Englische übersetzter Texte Fayes‘ zu Russland, die noch übertragen werden müssen. Dementsprechend möchte ich mir kein abschließendes Urteil über dieses Konzept anmaßen. Ich persönlich lehne aber die materialistisch-biologistische Weltsicht hinter Fayes‘ Archäofuturismus ab, weil sie einerseits der Moderne und dem kybelischen Denken verhaftet bleibt und andererseits dem geistig-kulturellen Faktor zu wenig Beachtung schenkt. Dies ist natürlich alles auch der Zeit, in der Faye seine Texte verfasst hat, geschuldet. Ich persönlich schätze an ihm sein Auftreten gegen den Imperialismus und sein Eintreten für eine Verständigung mit Russland. Zweifellos ist es – so wie es im Archäofuturismus durchscheint – nicht zielführend, sich im Rahmen eines politischen Kampfes auf Rettung von außen zu verlassen. Ich denke, dass der Eurasismus, mit der Möglichkeit Europa als eigenen politischen Pol und Großraum wiederauferstehen zu lassen, die richtige Alternative für die europäische Rechte darstellt. Darüber hinaus sind eine gesamteurasische Sicherheitsarchitektur und Bündnispolitik zwischen den verschiedenen Zivilisationen, zu denen zweifelsfrei Russland-Eurasien zählt, anzustreben, doch dazu später mehr!

P.S.: Alexander Dugin ist sehr populär unter Rechten in Russland sowie in Europa. Auch Nationalisten greifen insbesondere seine geopolitischen Positionen auf. Sehen Sie eine Gefahr darin, dass russische Nationalisten die Eurasische Idee für sich pachten könnten, ohne dabei die ihr integralen traditionalen Forderungen zu übernehmen? Ich meine, besteht hier nicht auch die Gefahr, dass der Eurasiaismus säkularisiert wird, wie es im Nationalsozialismus und im Faschismus der Fall war? Oder andersherum gefragt, halten Sie es für möglich, dass Nationalismus, Nationalsozialismus und Faschismus sakralisiert werden?

A.M.: Diese Gefahr sehe ich nicht, weil die Eurasische Idee per se nicht nationalistisch ist und ihre Umsetzung ohne die Integration integral-traditionaler Forderungen – und das bedeutet letztlich auch Beteiligung der anderen eurasischen Völker an diesem Prozess – nicht möglich ist. Sowohl die orthodoxe Kirche als auch die Muslime im eurasischen Raum sind ein Machtfaktor, der sich mit einer Säkularisierung nicht abfinden wird. Darüberhinausgehend ist der Eurasismus keine Religion, die man säkularisieren kann, sondern eine Idee.  Genauso ist es nicht möglich, eine politische Ideologie der Moderne zur Religion zu erheben – Beispiele für Versuche mit Ideologien des Dritten Weges dahingehend sind nach dem Zweiten Weltkrieg der esoterische Hitlerismus Sativiri Devis und in weiterer Folge der nationalsozialistische Satanismus des Ordens der neun Winkel, der wiederum in Verbindung mit der Atomwaffen Division steht. In ersterem Fall handelt es sich um eine marginale esoterische Strömung, wohingegen letzterer ein Kind des westlichen Geheimdienstes ist und ähnlich wie der IS für Terror genützt wird. Die geheimdienstliche Handschrift bei all diesen Gruppen ist offensichtlich: Menschen werden gebrochen, indem man sie foltert, mit Drogen gefügig macht und zu kriminellen Handlungen zwingt, die bestialische Ausmaße annehmen und stets politische Ziele haben, Stichwort Strategie der Spannung. Allein die Tatsache, dass man Menschen für solche Gruppen gewinnen kann, zeugt vom enormen geistigen Vakuum und der tiefen spirituellen Krise, die im Westen herrscht. Als Christ lehne ich solche Irrlehren ab.

P.S.: Wo sehen Sie die Rolle Europas und insbesondere Deutschland-Österreichs auf dem Eurasischen Kontinent? Wo stehen wir Ihrer Ansicht nach in 2035?

A.M.: Als Historiker und damit „rückwärts gekehrter Prophet“ nach Friedrich Schlegel, möchte ich keine Prognosen zur Zukunft abgeben, nicht zuletzt, weil die gegenwärtigen Ereignisse zeigen, wie schnell Prognosen, Stichwort Ende der Geschichte, von der Realität überholt werden können. Ich persönlich wünsche mir, dass Deutschland-Österreich vom selbstmörderischen Transatlantismus abkehren und stattdessen wieder das Erbe des kaiserlichen Rats und Gesandten in Russland, Sigmund von Herbersteins (1486 – 1566) aufgreifen wird, der im 16. Jahrhundert als erster Deutscher nach dem Ende der Pax Mongolica Moskau bereiste, um dort am Hofe Ivan Groznys ein Bündnis gegen den damaligen Antichristen, das Osmanische Reich, welches als Strafe Gottes betrachtet wurde, zu schmieden. Herbersteins „Moscovia“ zeigt uns, wie man ein Volk nicht als einen „barbarischen Fremden“, sondern einfach als den „Anderen“ verstehen kann, auch im Vergleich zum eigenen, um eine Allianz zum beiderseitigen Nutzen und eschatologischen Kampf gegen das Böse zu bilden. Heute können wir den Antichristen nicht in der Türkei, die ebenfalls ein eigenständiger Pol der Multipolaren Welt werden soll, erkennen, sondern zweifelsfrei im Liberalismus 2.0, dem Globalismus und dem Great Reset – das Zentrum all dieser Entwicklungen liegt heute in den USA, deren Lage in der sakralen Geographie der europäischen Antike wohl nicht zufällig mit dem Reich der Toten zusammenfiel. In Folge einer Rückbesinnung auf unsere religiösen und geistigen Wurzeln im Christentum und dem gemeinsamen indoeuropäischen Erbe können wir dem postmodernen Wahnsinn abschwören sowie ihm den Krieg erklären. Heute ist es notwendiger denn je, dass wir in den apokalyptischen Zeiten, in denen wir uns befinden, der Großen Hure und dem Teufel den Kampf ansagen, selbst wieder unsere Berufung als Reichsvolk erkennen und einen „Katechon Europa“ bilden, um gemeinsam mit den anderen Zivilisationen auf der Welt den Anti-Christen, Daddschal, Jerev-Rav, das Kali-Yuga aufzuhalten.

 

P.S.: Herr Alexander Markovics, ich bedanke mich vielmals für das Gespräch.

[1]A. DUGIN (2022). Ethnosoziologie der Ukraine im Kontext der Militäroperation. Erschienen auf www.4pt.su. Verfügbar unter: http://www.4pt.su/de/content/ethnosoziologie-der-ukraine-im-kontext-der-militaeroperation (13.05.2022)