„Ich sehe mich in der Inneren Emigration“. – Werner Bräuninger über Untergänge, AfD, die Neue Rechte und den schöpferischen Dämon

von | 25. Mai. 2022 | Deutschland und die Welt, Im Gespräch

 

Unser Stammautor Tom Dieke hatte die Gelegenheit ein umfangreiches Interview mit dem Sachbuch- und Romanautoren Werner Bräuninger zu führen. Bräuninger erlangte vor allem durch seine zeitgeschichtlichen Abhandlungen über die Epoche des Nationalsozialismus an Bekanntheit. Seit einigen Jahren widmet er sich zudem der Belletristik. Beiträge von Bräuninger sowie weitere Informationen zu seinem Wirken und Schaffen finden Sie auf seiner Webseite www.marmorklippen.de

 

Gegenstrom.org: In Ihrem jüngsten Roman widmen Sie sich einem brandaktuellen Thema, namentlich der Überfremdung Europas und der im gleichen Atemzug auftretenden politischen Verwerfungen innerhalb Deutschlands bis hin zur Revolution. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte man Sie eher von Ihren Abhandlungen über historische politische Bewegungen und Persönlichkeiten, mehrheitlich aus dem historischen Nationalsozialismus bzw. Faschismus. Woher die Idee nun auf ein aktuelles Thema zurückzugreifen?

Werner Bräuninger: Das trifft nicht ganz zu, denn ich habe in diversen Zeitschriften immer mal wieder auch zu aktuellen Themen Stellung genommen. Zur Belletristik kam ich ja bereits über meine erste Novelle „Eine bleiche Erinnerung“, bevor jetzt “Was wir lieben mussten“ erschien. Erstmals geht es in unserer Geschichte als Deutsche und Europäer um unser mögliches Erlöschen in der übernächsten Generation. Diese über allem stehende Gefahr wollte ich mit den Mitteln des Romans darstellen, um bei den Menschen „draussen“, den Lesern, konkretere Berührungsflächen zu schaffen und somit eine höhere Identifikation mit dieser für uns existenziellen Frage herzustellen. Durch meine sehr intensive Beschäftigung mit der Historie weiß ich natürlich um die Mechanismen des Sterbens von Völkern, Staaten und Kulturen. Im Kontrast zu Houellebecqs „Unterwerfung“ aber sollte es bei mir am Ende heissen „alles ist umkehrbar, wenn wir selbst es  w o l l e n“.

Gegenstrom.org: Bekannt geworden sind Sie insbesondere durch Ihre Abhandlungen über den „inneren“ Widerstand bzw. die Opposition im Dritten Reich. Zudem haben Sie zwei Großessays, welche sich insbesondere der Person „Adolf Hitler“ widmen verfasst. Gerade letztere Person ist bereits vielfach im Mittelpunkt der Betrachtungen gewesen. Ihre jüngeren Werke behandeln hingegen die Personen des „Duce“ Benito Mussolini sowie den vermutlich gerade jüngeren Leuten eher unbekannten Aktivisten Michael Kühnen. Woher die Idee, gerade für letzteres Werk?

Werner Bräuninger: Im Schlusswort dieses Buches habe ich einiges über die Genese dieser Idee festgehalten. Der Aufstieg Kühnens fiel ja genau in meine Formationsjahre und ich habe seinen Weg von Jugend an intensiv verfolgt. Interessiert hat mich vor allem die starke Ambivalenz dieses eigentümlichen Menschen und seiner Vision eines nationalen Sozialismus mit „menschlichem Antlitz“, der auf der völlig irrealen Fiktion eines künftigen „SA-Staates“ gründete, wofür er annähernd acht Jahre seines jungen Lebens hinter deutschen Gefängnismauern verbringen musste. Daß sich ein hochintelligenter Mensch orthodox in die unmittelbare Kontinuität des Nationalsozialismus Hitlerscher Prägung gestellt hat und an eine Weltanschauung anknüpfte, die im Mai 1945 restlos besiegt und untergegangen zu sein schien, fand ich sehr bemerkenswert. Während der Arbeit an dem Buch sah ich ihn vor meinem geistigen Auge, zuweilen sogar im Traum, als hohen kirchlichen Würdenträger, was der ehemalige Schüler einer elitären Bonner Ordensschule in einem „anderen Leben“ sicher auch hätte werden können. Ich bin mir ziemlich sicher, daß, wäre ihm eine längere Lebenszeit vergönnt gewesen, er im Laufe der Jahre zu anderen Einschätzungen und Beurteilungen gekommen wäre und er sich vom NS-Dogma abgewandt hätte. Wenn ich an die Arbeit daran denke, dann wird mir heute noch schwindlig, so groß und mühevoll war der Aufwand. Doch hatte ich offen gestanden auf weitaus größere Resonanz gehofft. Erstaunlich aber dennoch, daß sich einige Trittbrettfahrer dann anschliessend an die spannende Thematik gehängt und sich ausgiebig bei mir bedient haben, wobei ich etwa an eine literarische Darstellung der Freundschaft Kühnens mit dem jüdischen Dichter Erich Fried denke, die schon in meinem Buch breiten Raum eingenommen hat.

Gegenstrom.org: Bleiben Sie nun im Bereich der Belletristik oder können Sie sich eine Rückkehr ins „historische“ Vorstellen? Gibt es bereits ein Thema für ein neues Buch?

Werner Bräuninger: Eigentlich sollte es ein Abschied sein, aber es gäbe natürlich noch einige zeitgeschichtliche Themen und Projekte, die mich reizen würden. Ich scheue jedoch offen gestanden die enorm zeitintensive Recherchearbeit, die mit einem solchen Werk ja zwangsläufig einhergeht. Meine beiden von Ihnen erwähnten großen Hitler-Essays habe ich ja unterdessen in einem Band „Charisma und Dämonie“ vereint und in Kürze erscheint auch „Hitlers Kontrahenten“ bei Arnshaugk in völlig überarbeiteter und erweiterter Neuauflage. Ich habe aber den Ehrgeiz noch ein wirkliches opus magnum zu verfassen, jenseits von Belletristik und Zeitgeschichte, doch sind die Ideen hierfür noch zu unkonkret, als daß ich an dieser Stelle schon Näheres dazu sagen könnte.

Gegenstrom.org: In ihrem Roman „Was wir lieben mußten“ geht es um die „Remigration“ als probates Mittel zur Beendigung der gewaltigen Konflikte. Für wie realistisch halten Sie dies? Haben Sie keine Angst vor der im Zuge dessen eintretenden Gewalt und ggf. auch Ungerechtigkeiten in diesem Verfahren?

Werner Bräuninger: Im Roman ist die Idee der Remigration ein Angebot der fiktiven „Allianz für die Freiheit“ an die Deutschen. Die Gewalt, von der Sie sprechen, haben wir doch bereits heute und sie wird in dem Maße zunehmen, in dem wir uns weiterhin unterwerfen. Was würde denn geschehen, wenn es hier wirtschaftlich wirklich völlig desolat wird und wir dann ein Heer von beschäftigungslosen „Neu-Zuwanderern“ im eigenen Land stehen haben? An „Teilhabe“ –  schon das Wort macht mich zornig – ist dann nicht mehr zu denken, weil es keine finanziellen Mittel mehr gibt; „Gott sei Dank“ ist man versucht zu sagen. All diese „Fachkräfte“ und „Kulturbereicherer“, denen man gestattete bei uns Asyl zu erpressen, sind ja nicht hier, weil sie uns Deutsche so nett und toll finden, sondern weil sie es sich auf Kosten der Abgehängten die „schon länger hier leben“, jahrzehntelang in der sozialen Hängematte bequem machen durften. In dem Moment aber, in dem es hier eine wirklich existenzielle Krise gibt, werden sie mit Deutschland nichts mehr anfangen können. Wie anders als durch Anreize zur Remigration soll das Überfremdungsproblem denn gelöst werden? Im Roman beschreibe ich den Weg dorthin ja ziemlich akribisch und eindringlich. Es ist klar, daß wir da eine Menge Geld in die Hand nehmen müssen. Und ohne ein hohes Maß an Freiwilligkeit wird es auch nicht gehen. Haben wir aber einmal die Möglichkeit dazu einen solchen Prozess in Gang zu setzen, was Stand heute natürlich noch völlig utopisch ist, so werden wir einen Zeitpunkt festlegen müssen, wer bei uns bleiben darf; im Roman nenne ich jene, die vor dem Jahr 1993 zu uns kamen. Denn was hätte eine von einer nationalen Erneuerungsbewegung geführte Regierung überhaupt für einen Zweck, wenn sie gerade diese Frage nicht mit äußerster Konsequenz angehen würde? Der Grundsatz kann also nur lauten: So human wie möglich, aber auch so konsequent wie nötig. Dennoch glaube ich, daß die eigentliche Wandlung zum Guten nicht von unserem Boden ausgehen wird. Deshalb sind für die trägen und veränderungsunwilligen Deutschen auch die Signale aus dem übrigen Europa so wichtig.

Gegenstrom.org: Sehen sie die Remigration als die politische Schlüssellösung einer alternativen Bewegung an, auf deren Kommunikation man sich in der Außendarstellung einigen sollte?

Werner Bräuninger: Nein, aber sie wird der Transmissionsriemen sein, unter dessen Schwung alles andere ohnehin bedeutungslos wird und zunächst zurückzutreten hat. Es macht keinen Sinn, sich über wirtschafts-,  finanz-, und energiepolitische Fragen den Kopf zu zerbrechen, wenn es kein autochthones Staatsvolk mehr gibt, dem deren Lösung zugutekommen soll. Aber natürlich, überall da, wo Unzufriedenheit herrscht, muß auch eine echte nationale Opposition zugegen sein und die Themen aufgreifen, die die Menschen bewegen. Noch wichtiger aber ist es, solche Themen selbst zu „setzen“, wie es Armin Mohler immer wieder gefordert hat. Opposition ist angezeigt gegen Genderwahnsinn und Nationalmasochismus, wider den Hass auf das Eigene, die Infantilisierung der Gesellschaft, die Nivellierung der Kultur, den woken Terror, wie überhaupt gegen den gesamten links-ideologischen Muff, der sich hier in Jahrzehnten angesammelt hat und dessen Miasmen die Luft verpesten. Der Aufruf der französischen Generale oder Éric Zemmours Erklärung zu seiner Präsidentschaftskandidatur, das ist auch meine Sprache.

Gegenstrom.org: Ein wesentlicher Aspekt Ihrer Kritik an den heutigen Zuständen ist der Untergang und die Abwesenheit dessen, was man gemeinhin als „deutsche Kultur“ bezeichnet. Welchen Stellenwert hat diese für Sie und was verstehen Sie darunter?

Werner Bräuninger: So hehr muß man es vielleicht noch nicht mal ausdrücken; ich habe auch nicht permanent den „Faust“ unterm Kopfkissen liegen oder stehe mit Liszts „Sinfonischen Dichtungen“ auf, obwohl das zuweilen auch vorkommt. Es ist doch alles sehr viel profaner. In „Was wir lieben mussten“ lasse ich an einer Stelle sagen „welchen Sinn würde die Erhaltung der Schönheit eines Gewässers wie etwa des Tegernsees noch haben – und für wen? Welchen Anreiz sollten deutsche Künstler und Wissenschaftler noch haben, kulturelle und geistige Unsterblichkeitswerte zu hinterlassen, wenn es keine Nachwelt mehr gab? Welchen Sinn hätte dann noch die Restaurierung und Bewahrung der Kulturdenkmäler, wenn sich ihr Anblick bald nur noch den Augen von Nigerianern und Eritreern böte?“. Und genau darum geht es in meinen Augen. Mit den Völkern stirbt auch die Kultur, der alte Spenglersche Lehrsatz von Entstehung und Wachstum, Blüte und Reife, Verfall und Tod ist so wahr und so gültig wie eh und je. Eine ganze Kultur lässt sich in einer oder maximal zwei Generationen bequem abräumen, man betrüge sich hierüber nicht. Deshalb ist es ja auch so lächerlich, daß diese hysterischen Endzeitjünger, die die „letzte Generation“ schon in ihrem Namen tragen, in ihrer Einfalt und Beschränktheit nicht begreifen wollen, daß es nicht das Klima ist, sondern die ungezügelte Masseneinwanderung, das genetische Wegbomben, die zu unserem Verglühen führen werden. In nie gesehener Dämlichkeit und Autoaggression wird das von diesen sogenannten Aktivist:innen und modernen Wiedertäufern negiert und sie schneiden sich  den Ast selbst ab, auf dem sie noch sitzen dürfen. Es zeigt sich hier der mörderische Instinkt zur Selbstauslöschung, das Behagen am eigenen Untergang. Anders als die Jugend Osteuropas, wo man noch Härte kennt und begreift, daß es keinen Frieden geben wird, ohne den Willen zur Verteidigung des Eigenen. Ja, vielleicht werden sie tatsächlich die Letzten sein, aber nicht in dem Sinne,  wie es ihre pathologische Neurasthenie vermutet. Wenn ich diesen fehlgeleiteten Typus sehe, muß ich immer an Marcel Jouhandeau denken. Als 1968 eine Gruppe linksradikaler Studenten vor dessen Haus in Paris randalierte und gegen ihn agitierte, rief er ihnen aus dem Fenster zu: „Macht, daß ihr fortkommt, in zehn Jahren seid ihr alle Notare“.

Gegenstrom.org: Welchen Platz nimmt diese „deutsche Kultur“ ganz konkret in Ihrem Leben ein und welche wesentlichen Traditionslinien vermissen sie heute in diesem Land?

Werner Bräuninger: Als Kind der 1970er und 80er Jahre bin natürlich auch ich kulturell stark vom Westen angefressen, was in einem geistig-kulturell intakten Volk ansonsten auch überhaupt kein Problem darstellt. Was mich erschreckt, ist der Grad an systemischer Verblödung, der bei uns, wie überall, inzwischen Einzug gefunden hat, vor allem in den Medien, die totale Infantilisierung, die freiwillige Uniformierung unter der frechen Mimikry der Freiheit und des Individualismus, was natürlich reiner Hohn ist. Die fast schon unglaubliche Nivellierung auf allen nur denkbaren Sektoren des Lebens innerhalb nur weniger Jahrzehnte ist ein Phänomen, über das man in späterer Zeit vielleicht geistreiche Hypothesen aufstellen wird. Jegliches „preußische“ Ethos ist uns abhanden gekommen, das „mehr sein, als scheinen“, jede Demut vor Gott, dem Ewigen und Großen, vor Ahnen und Tradition. Vor allem aber jeglicher Wille zur Selbstbehauptung. Wenn man bedenkt, daß noch das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre eine Schöpfung dieses unbändigen Überlebenswillens war, so erkennt man den ungebremsten Fall seither. Als Typus sind die Deutschen, wie im Aussehen, stark heruntergekommen. Ernst Jünger meinte einmal, es sei ihm unangenehm, die gleichförmigen Gesichter in der U-Bahn sehen zu müssen. Vergleichen Sie doch einmal die Fotografien Ihrer eigenen Groß- und Urgroßeltern mit dem Heute, da erkennen Sie den Abstieg. Wille, Glaube, Courage und Wehrbereitschaft hat man ihnen systematisch abtrainiert – und danach sehen sie oft auch aus.

Gegenstrom.org: Gibt es Ihrerseits konkrete Vorschläge, wie gerade jüngere Menschen, die sich oft derlei Dinge, die wir vermutlich der deutschen Kultur zuordnen würden, mühsam erarbeiten müssen, da es ihnen niemand mehr vorlebt, eben diese in ihren Alltag einbetten könnten?

Werner Bräuninger: Sehr schwierig, denn die ihnen beispielhaft vorangehen könnten, nämlich Eltern, Erzieher, Lehrer oder Professoren, sind zu einem großen Teil selbst bereits vollkommen patriaphob, reine Konsumenten oder sonst unbrauchbar geworden. An den Universitäten ducken sich die Studenten weg, anstatt ihre roten Professoren argumentativ in die Enge zu treiben. Statt sich gegen die Tyrannis des Heute zu wenden, vergeuden sie Zeit und Kraft im Krieg gegen das Gestern und das Eigene. Zu allen Zeiten unserer Geschichte konnten wir  kontinuierlich an dem Fundus eines unausgesprochen gültigen Koordinatensystems von Werten, Traditionen, Nationalstolz und beispielgebender Erziehung andocken. Selbst die moskauhörige KPD der 1920er Jahre war eine im Kern nationale Partei. Es wird also die gigantische Aufgabe einer sich ihrer Identität bewussten Minorität sein, die große Menge schließlich durch Vorbild mitzureissen. Vorher jedoch muss der Mainstream auf allen nur denkbaren Ebenen ausgetauscht werden, so daß für die Jugend die Nation „das neue hip“ werden kann, um es mal in deren Sprache auszudrücken. Es bleibt dieser lost generation also nichts weiter, als sich autodidaktisch wirkliche Kultur anzueignen. Auch im kulturellen Leben muß ein umgekehrter, diesmal „positiver“ Bildersturm durch das Land fegen und das deutsche Haus, vom Fundament angefangen, neu gebaut werden. Dann wird auch mit der Verteufelung und Marginalisierung der Eliteförderung Schluss gemacht werden müssen, deren jede Gesellschaft und Gemeinschaft bedarf.

Gegenstrom.org: Mit Ihrer Lyrik sind Sie Bestandteil einer Gegenkultur zum Mainstream. Sie leisten damit einen metapolitischen Beitrag. Ist Ihnen diese metapolitische Komponente bei Ihren Arbeiten bewusst und wie beurteilen Sie die generelle Lage der Gegenkultur in diesem Land?

Werner Bräuninger: Lyrik als „Dichtung in Versform“ trifft es bei mir ja nicht, …obwohl…es gibt ein Gedicht über Georg Trakl von mir, das sogar in der Zeitschrift „Abendland“ gedruckt wurde. „Metapolitik“, ja, natürlich ist mir das bewusst, aber nicht beim eigentlichen Prozess des Schreibens, da vertraue ich doch eher auf die erste Eingebung, die Intuition. Echte Gegenkultur, de facto also als „Totale Mobilmachung“ zur Erlangung der kulturellen Hegemonie, erfolgt heute über mediale Netze, mit denen man in der Lage ist eine ästhetische und identitätsstiftende Umwertung der Massenkultur einzuleiten. Mir selbst wird aber täglich klarer, daß „wir“ in diesem Land heute doch die wahren Repräsentanten einer solchen Gegenströmung und Dissidenten sind. Wenn ich etwa an die 58 Rundfunkansprachen denke, die Thomas Mann unter dem Signum „Deutsche Hörer!“ von 1940-45 von den USA aus an seine im Reich verbliebenen Landsleute gerichtet hat, dann erkenne ich immer stärker, in welch hohem Maße seine Ausführungen auch für uns heute uneingeschränkte Gültigkeit besitzen, wenn man nur Namen und Chiffren vertauscht. Ich selbst sehe mich in Deutschland in der Inneren Emigration. Und viele andere sind doch ohne jede Koketterie in der Rolle, die etwa Bahro, Kunze oder Havemann als Dissidenten in der DDR einnahmen. Solche eindeutigen Hinweise und durchaus legitimen Vergleiche, auch als Beitrag der von Ihnen erwähnten „Gegenkultur“, vermisse ich etwa in den Reden der Abgeordneten der AfD. Die unsägliche Arroganz, die doch gerade sie von den saturierten Kräften im Bundestag und in den Landtagen erfährt, die Beschneidung ihrer Rechte als parlamentarischer Opposition, die Verweigerung ihr einen Bundestagsvize zuzugestehen oder sie bei der Wahl als Ausschussvorsitzende grundsätzlich durchfallen zu lassen, das alles schreit doch zum Himmel. Und die gleichen Leute wollen einem Orbán, der soeben mit großer Zustimmung des ungarischen Volkes als Ministerpräsident wiedergewählt wurde, lehren, was Demokratie ist. Nur mit Protestschildchen im Parlament hochhalten ist es da nicht getan. Ich empfehle jedem sich die Bundestagsdebatten auf Youtube anzuschauen, um zu lernen, mit welcher Chuzpe und welchen Schikanen diese „Demokraten“ vorgehen. Aber es ist ja das erklärte Ziel, alle, die in irgendeiner Form etwas zu verlieren haben, von der Partei fernzuhalten. Die Erwähnung im VS-Bericht wird jedoch schon bald keinen mehr schrecken, da kann man überzeugt sein.

Gegenstrom.org: Eine Kritik, welche insbesondere aus dem „rechten“ Lager gegenüber sich selbst hervorgebracht wird, ist, dass es ideologisch als auch in seiner Außendarstellung und Kommunikation zu „vergangenheitsorientiert“ ist. Insgesamt scheint der Bezug zu insbesondere einer historischen Epoche besonders stark zu sein. Würden Sie dem zustimmen? Ihre Bücher beschäftigen sich gleichsam überwiegend mit der Vergangenheit. Sollte man nicht die Vergangenheit ruhen lassen und sich ausschließlich aktuellen Thematiken widmen?

Werner Bräuninger: Man sollte hier doch streng unterscheiden zwischen der wissenschaftlichen Aufarbeitung historischer Epochen, insbesondere der nationalsozialistischen Ära, und den Bestrebungen jener, die nicht verstehen wollen, daß auch die Wahlkämpfe der frühen 1930er Jahre nicht rückwärtsgewandt im Bismarck’schen Kürass geführt wurden, sondern man sich der damals modernsten Mittel bediente. Ich glaube aber, daß der Typus, den Sie im Sinn haben und den man gemeinhin nicht ganz zu Unrecht als „Narrensaum“ bezeichnet, inzwischen doch sehr stark marginalisiert wurde, von einzelnen Versprengten, die meinen in der aktuellen Situation „Werwolf“ spielen zu müssen, einmal abgesehen. Nicht zu reden von jenen verschwindend Wenigen, denen man in der von ihnen selbst glorifizierten Ära sicher als erste den schwarzen Winkel aufgenäht hätte. Über Zeitgeschichte zu schreiben, sie zu verstehen und aus ihr die notwendigen Schlüsse zum Verständnis des Heute zu ziehen ist das eine, denn wie will man ohne einen soliden Fundus an Wissen über die deutsche- und europäische Geschichte das Jetzt einordnen? Schauen Sie sich doch die Protagonisten der „Ampel“ an, eindimensionale, völlig unbedarfte, ahnungslose Figuren, bar jeder Kenntnisse organischer Historie oder der Geopolitik. Und sie wollen auch nichts wissen, jene gewählten Vertreter des „Volkes in der Mitte, das die Befehle der ganzen Welt empfängt“, wie Treitschke die Deutschen in der Zeit nach dem Dreissigjährigen Krieg charakterisierte. Doch „kein triumf wird sein · Nur viele untergänge ohne würde“.

Gegenstrom.org: Stichwort „Aktuelle Thematik“: Russlandkonflikt, Corona – wie sehr neigen Sie dazu, sich auch zu derlei Themen zu äußern?

Werner Bräuninger: Zu denen, die sich uns derzeit zu regieren anmaßen, könnte ich mich nur polemisch äußern, daher lasse ich es meistens. Denn es sind ganz überwiegend erwiesene Scharlatane, überführte Plagiatoren, berufslose Zivilversager, würdige Wiedergänger eines „römischen“ Kaisers Elagabal, unter dem die Statuen der alten Götter geschleift wurden und der Schankwirte und Barbiere zu Konsuln und Senatoren erhob. Ich bin kein Kommentator tagespolitischer Fragen und möchte auch keiner sein. Natürlich habe ich zu den meisten tagespolitischen Fragen eine Meinung, aber ich gehe in meinem Œuvre eher selten darauf ein, vielmehr lasse ich all das lieber in die großen Zusammenhänge einmünden. Daher findet man mich auch nicht in den diversen Kanälen der Social Media, wo für mein Empfinden alles nur atomisiert wird. Was ich zu sagen habe, sage ich mit meinen Publikationen, Artikeln oder in Gesprächen wie diesem hier.

Gegenstrom.org: Insgesamt scheint das alternative Lager in diesem Land häufig den politischen „Trendthemen“ hinterherzulaufen. Selbst werden keine Trends gesetzt. Sie erwähnten bereits Mohlers Forderung nach dem „Setzen“ von Themen. Einzig die Einwanderungsflut 2015 war ein Thema, welches die Rechte stellenweise gut für sich nutzen konnte, doch mit dem Verschwinden aus den Medien scheinen auch die Probleme gelöst – zumindest in der Wahrnehmung vieler Menschen. Eine wesentliche Ursache für dieses substanzlose Gebaren liegt vermutlich in der mangelnden Theoriearbeit innerhalb der deutschen Rechten. Würden Sie diese Einschätzung teilen? Sehen Sie hier nennenswerte Akteure und Institutionen in Deutschland und was halten Sie von diesen?

Werner Bräuninger: Was den Asyl-Tsunami des Jahres 2015 betrifft, so ist das kollektive Erinnerungsvermögen der Menschen ja bekanntlich äußerst begrenzt. Sie erwachen erst dann, wenn sie das Gefühl existenzieller Bedrohung empfinden. Das aber war noch nie anders. Wir sollten uns aber keiner trügerischen Täuschung hingeben: Das Thema Migration wird uns mit Macht einholen und zwar schneller als wir ahnen. Und es wird noch viele weitere „Kölner Nächte“ geben. Zum Thema „Verschwinden aus den Medien“ fällt mir aber auch ein, wie sehr dies die AfD selbst betrifft. War die Berichterstattung schon zuvor mehr als unausgewogen, so ist es nun, da man nicht mehr stärkste Oppositionskraft ist, um so drastischer. Die Entscheidungsschlacht findet nun einmal in den Medien statt, aber ich höre von der AfD keinerlei öffentlichen Aufschrei darüber, daß man so gut wie nicht mehr in Talkshows oder Nachrichtenformaten vorkommt. Auch die defensiven „Reaktionen“ darauf, daß der Bundestag ihrer Stiftung nach wie vor Millionen von Euro an Fördermitteln verweigert, sind ziemlich kläglich. Das wünsche ich mir sehr viel kämpferischer, fordernder, kompromissloser. Hier können wir von der klaren Sprache eines Salvini, Kickl oder auch eines Zemmour lernen. Was die Theoriearbeit der „Rechten“ in Deutschland angeht, so glaube ich gar nicht, daß diese so schlecht oder gar unterentwickelt ist. Im Bereich einer Gegenöffentlichkeit hat sich unwahrscheinlich viel getan, vor allem durch das Internet, das muß anerkannt werden. Vieles ist durchaus sinnvoll und wirkungsmächtig  – freilich eher auf subtiler, metaphysischer Ebene. Von der AfD aber wird bislang viel zu wenig davon adaptiert, das ist das viel größere Problem. Vielleicht ist sie auch nur ein Türöffner, die den Boden bereitet. Bei allen Divergenzen ist und bleibt sie derzeit aber die einzige Hoffnung. Ich sehe in ihr aber, wie so oft schon in unserer Geschichte, den eklen Wurm der deutschen Zwietracht nagen. Eine weitere Chance Einfluss zu nehmen, werden wir aber nicht mehr erhalten, daher wäre ihr Scheitern fatal. Was nach ihr dann vielleicht einmal kommt, wird man sehen. Über die „reine Lehre“ kann man gerne streiten – nach dem Sieg. Bis dahin hat alles Trennende zu ruhen und alle Differenzen zurückzutreten.

Gegenstrom.org: Damit stehen Sie dem anderen großen Teil näher, welcher häufig beschwört, dass an sich „alles gesagt“ sei und es nun Zeit für Taten wäre. Wie stehen Sie zu dieser Aussage, gerade im Hinblick auf die so häufig beschworene Zeit, die uns „davonlaufe“?

Werner Bräuninger: „Der mann! die tat! so lechzen volk und hoher rat“ heisst es in Stefan Georges „Jahrhundertspruch“ aus dem „Siebenten Ring“. Heute haben wir weder den Mann noch die Tat. Sehr vieles ist tatsächlich bereits gesagt und der heisse Wunsch ist verständlich, all das möge endlich wirkungs- oder gar geschichtsmächtig werden. Aber was würde „Tat“ denn konkret bedeuten? Eine militärische Aktion, wie die des Majors Barkhorn in meinem Roman? Oder wie Mishima, der es im November 1970 in einer verwegenen Aktion unternahm, vom Balkon einer Tokioter Kaserne, das traditionelle Hachimaki-Band mit dem Symbol der Aufgehenden Sonne um die Stirn gebunden, eine flammende Ansprache an die Soldaten zu halten und sie zum Putsch gegen die amtierende japanische Regierung aufzurufen, um dem Tenno die ihm zustehenden Rechte zurückzugeben? Nein, all das wird nicht sein. Im Herbst 2015 hätte uns Artikel 20 IV. GG eigentlich das Recht zur Notwehr gegeben; Thor von Waldstein hat sich dazu eingehend geäußert. Gewaltfreier Widerstand, ziviler Ungehorsam, den Herrschenden einfach die Gefolgschaft verweigern. Beamte, Soldaten, Polizisten, Grenzschutz, Technisches Hilfswerk, städtische Bedienstete, Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, sie hätten sich einfach aus dem Spiel nehmen müssen. Geschehen ist nichts. Tatsächlich läuft uns die Zeit rapide davon, weil wir nicht nur demographisch immer mehr in die Defensive geraten, sondern auch geistig-seelisch weiter degenerieren werden und der Widerstandswille erlahmt. Bei nüchterner Betrachtung der Dinge kann es eigentlich nur so ablaufen, wie ich es am Ende meines Romans schilderte, nämlich daß die Atmosphäre eines hoffentlich nicht mehr allzu fernen Tages schwül und toxisch zu werden beginnt, bevor die Metropolen wanken und die Paläste einzustürzen drohen – die Flasche wird geöffnet, der Dämon steigt auf. Ich hoffe auf ein großes europäisches Erwachen.

Gegenstrom.org: Im europäischen Ausland blickt man auf eine mittlerweile jahrzehntelange Tradition an Denkschulen, Denkfabriken und Kulturvereinigungen zurück, gerade im romanischen Sprachraum. Verfolgen Sie derlei Bestrebungen und falls ja, welche fallen Ihnen dabei besonders positiv auf? Gibt es Ihrerseits Vorbilder für das alternative Milieu in Deutschland?

Werner Bräuninger: Ja, ich beobachte seit vielen Jahrzehnten die Nouvelle Droite, die Entwicklungen in Italien, wie etwa die Fratelli d’Italia und Casa Pound und natürlich die FPÖ. Während aber die Nouvelle Droite tief in den Rassemblement National und partiell bis in die französische Gesellschaft hinein gewirkt hat, so war das bei vergleichbaren Versuchen in Deutschland so gut wie nicht der Fall, was natürlich auch daran lag, daß es sehr lange Zeit keinen parteipolitischen Arm gegeben hat, der diese Ideen wirklich hätte fruchtbar machen können. Vieles, was von nonkonformen oder genuin „rechten“ Zeitschriften, Blogs oder Denkfabriken wie etwa „Gegenstrom“ gemacht wird, ist sinnvoll und wichtig. Denkschulen allein verändern zwar noch keine Welt, aber sie munitionieren die Waffenkammern der geistigen Auseinandersetzung,  was unerlässlich ist. Es gilt allerdings darauf zu achten, daß diese nicht nur intellektuelles Glasperlenspiel oder geistige Selbstbefriedigung sind, sondern ob sich ihre Theorien auch dafür eignen, irgendwann einmal die Machtfrage stellen zu können. Zwar existiert in Frankreich, Italien, Spanien eine sehr viel ausgeprägtere Akzeptanz rechter Ideen, aber mir kommt es auch in diesen Ländern oft so vor wie im Fußball, bei dem man ständig als Favorit gehandelt wird, dann aber doch stets andere als Sieger vom Platz gehen. Ich vermute, daß wir dies in einigen Tagen anhand des Beispiels von Marine Le Pen abermals schmerzlich werden erleben müssen, weil sich die vereinte Front der Antinationalen und der Verlierer geschlossen hinter Macron versammelt.

Gegenstrom.org: Ein wesentlicher Bestandteil von Gegenkultur sind Medienformate, welche in der Lage sind, die neuen Gedanken einer breiten Masse zugänglich zu machen. Der politisch-mediale Komplex erlaubt der Rechten keinerlei Partizipation und zeichnet sich maßgeblich für die Beeinflussung der breiten Masse verantwortlich, Sie erwähnten dies bereits.  Ein Eindringen in eben diesen scheint schwer bis unmöglich. Wie beurteilen Sie dies und sehen Sie andere gesellschaftliche Komplexe, zu denen ein Zugang ebenfalls sinnvoll und zugleich leichter wäre?

Werner Bräuninger: Hier stellt sich doch vor allem die Frage, ob auch rechte Medienformate endlich mal massenkompatibel werden oder ob sie immer wieder nur die ohnehin schon überzeugte Klientel erreichen. Ich habe schon oft gesagt, daß, wenn wir nur ein Jahr lang jede Woche eine Stunde Sendezeit zur prime time im Bezahl-TV zur Verfügung hätten, die nächste Bundestagswahl garantiert anders ausgehen würde. In den „Qualitätsmedien“ hat sich eine gewissenlose, totalitäre Hydra etabliert, die in nichts mehr von den ergrauten Betonköpfen des DDR-Politbüros zu unterscheiden und mit einer Machtfülle ausgestattet ist, die ihresgleichen sucht. Es handelt sich bei ihnen um eine selbsternannte „Elite“, deren Lebenswelten die geschützten Räume der politischen, kulturellen und medialen Apparate sind, unter deren Dächern sie emporstiegen und von wo aus sie ihre sprichwörtliche Dummheit, Verblendung, Hypermoral und Hysterisierbarkeit ungestraft ausleben dürfen, um sie normalen Menschen dann mit Zwang überzustülpen. Diese wird um jeden Preis versuchen am Ruder zu bleiben. Ihre Ablösung wird sich wohl nur im Zuge einer existenziellen Krise vollziehen oder im Blick auf die Nachahmermentalität der Deutschen, die sich gerne an Beispielen von außerhalb orientieren.

Gegenstrom.org: Einige rechte Verlage haben in den letzten Jahren stets die Provokation auf den Bühnen des Mainstreams gesucht, bspw. durch Messestände auf der „Frankfurter Buchmesse“. Wie stehen Sie zu dieser Aktionsform der „Provokation“. Michael Kühnen hat darin ein wesentliches Mittel der Propaganda gesehen. Denken Sie, dass derlei Aktionen sinnvoll sind oder sehen Sie darin eher eine Ressourcenverschwendung gemessen am sich daraus ergebenden Erfolg?

Werner Bräuninger: Was heisst in dem Zusammenhang „Provokation“? Wenn das schon eine Provokation ist, daß ein Verlag von seinem verdammten, verbrieften Recht Gebrauch macht, auf einer Messe seine Titel  auszustellen und an seinem Stand auch Veranstaltungen durchzuführen, wie dies jeder andere völlig ungehindert tun darf, dann weiß ich nicht, was erst eine „echte“ Provokation wäre. Erst das Erscheinen des Messedirektors Juergen Boos, eines ausgesprochenen Pharisäers, der zudem noch physisch übergriffig wurde, hat die von Ihnen sicher gemeinte Eskalation doch erst bewirkt. Nein, diesem Parvenu Einhalt zu gebieten und in die Schranken zu weisen war schon der richtige Ansatz und es war erfrischend zu sehen, daß man sich endlich gegen die Drangsalierungen gewehrt hat. Hier ging es nicht um Erfolg oder Mißerfolg, sondern schlicht um Selbstbehauptung. Es ist ohnehin an der Zeit, daß nicht mehr „die anderen“ bestimmen, wo eine vermeintlich „rote Linie“ überschritten wird, sondern wir.

Gegenstrom.org: Stichwort „Erfolg“: Zumindest das parteipolitische Lager hat in den letzten Jahren relativ gute Wahlerfolge einfahren können, gerade in den „neuen“ Bundesländern. Die AfD ist in allen deutschen Parlamenten vertreten. Wirklich etwas entstanden ist dadurch jedoch nicht. Im Gegensatz zu Bestrebungen in anderen Ländern scheint es in Deutschland eine Arbeitsteilung zwischen Parteipolitik, aktivistischen Gruppen und einem alternativen Kulturmilieu, bestehend aus Musikgruppen, Labels, Verlagen, Zeitschriften, Konzerthäusern usw. nicht zu geben. Würden Sie dem zustimmen und wo sehen Sie ggf. die Versäumnisse?

Werner Bräuninger: Dem muß ich leider zustimmen. Auch ich bin mit dem, was die AfD hier zeigt unzufrieden. Aber dennoch: Erstmals hat sich eine rechte Gruppierung, die unterdessen auch auf eine gewisse Stammwählerschaft, vor allem im Osten, zurückgreifen kann, parlamentarisch dauerhaft etabliert, ein Novum in Deutschland. Alleine das ist eine Gefahr für die vermeintlich „demokratischen“ Parteien und ihrer medialen Steigbügelhalter, deren bleierner Konsens sich wie ein Leichentuch über Deutschland gelegt hat. Auch hier kann ich nur wieder auf das französische Vorbild hinweisen: Es muß wohl Anfang der 1990er Jahre gewesen sein, als ich in Paris Teilnehmer der „fête des Bleu-blanc-rouge“ war. Tausende von Gleichgesinnten flanierten dort, Bücher und CDs wurden angeboten, Filme vorgeführt, Lesungen und Vorträge fanden statt und für die reichlich vorhandene Jugend veranstaltete man abends Tanz bis in die Nacht. Der Einzug Le Pens wurde lichttechnisch und geradezu dramaturgisch inszeniert und musikalisch mit „Arrival“ von Mike Oldfield unterlegt. Dort hatte man endlich begriffen, Tradition und Moderne zu versöhnen. Während man in Deutschland auf irgendwelchen langweiligen „Tagungen“ der altbackenen nationalen Rechten damals meist ziemlich abgerissene Gestalten und nicht wenige gestrandete Existenzen zu Gesicht bekam, so war ich in Paris schon alleine ästhetisch von den Menschen angetan, egal wie alt oder jung sie auch waren. Und während man die Deutschen schon von weitem daran erkannte, daß sie wie die grauen Mäuse und mit gesenktem Kopf sauertöpfisch durch die Hallen schlurften, so sah man als Kontrastprogramm eine Delegation spanischer Jugend in einheitlichen modischen Anzügen und deren Frauen und Mädchen im schickem Kostüm auftreten, mit aufrechtem Gang und lachenden Gesichtern voller Stolz. Das hat damals einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Gott sei Dank hat sich hier ja auch bei uns inzwischen sehr viel geändert.

Gegenstrom.org: Einige Menschen halten eine Rückeroberung Deutschlands im Sinne einer „Reconquista“ für aussichtlos und sprechen sich für eine „Sammlung“ im Osten der Republik aus. Wiederrum andere sehen in dieser Taktik eine Form des „Defätismus“ und der „Kapitulation“. Beschäftigen Sie sich mit derlei Gedanken und wenn ja, wie stehen Sie zu diesen Ansätzen? Käme so etwas auch für Sie, der sie ja dem „überfremdeten“ Westen der Republik entstammen, infrage? Wie stehen Sie zum Gedanken des Auswanderns und der Sammlung in Nicht-Deutschen Gebieten?

Werner Bräuninger: Gedankenspiele in diese Richtung gibt es viele und einige lassen auch mich nicht unberührt. Und an Auswandern hat sicher jeder von uns schon einmal gedacht. Es sind dies allerdings Szenarien für jenen historischen Augenblick, in dem der Verfall tatsächlich manifest und unumkehrbar geworden sein wird. In der Art eines „Nueva Germania“ Elisabeth Förster-Nietzsches wird sich das allerdings sicher nicht mehr vollziehen. Trotzdem schildere ich Ähnliches ja in meinem Roman anhand der Ansprache Tobias Fechters auf dem Vorplatz von Notre Dame und lasse ihn sagen „verlieren wir diesen letzten Kampf, dann ist es nicht mehr ausgeschlossen, daß sich die letzten Weißen aller europäischen Nationen irgendwann und irgendwo in ein von der Invasion der Migranten noch unbehelligtes Territorium zurückziehen müssen, mag es im katalanischen Gebirge des Montserrat, den unwegsamen Tälern des Val Tellina, dem Montafon oder wo auch immer sonst sein. Vielleicht werden wir zurückkehren müssen zu ganz kleinen Einheiten. Wie in einem Reservat könnte man dort vielleicht dann die Substanz bewahren und noch einmal ganz von vorne beginnen“. Ich denke beispielsweise manchmal auch daran, daß es im Deutschland hinter der Mauer keine unkontrollierte Masseneinwanderung gab. Trotzdem warne ich vor jeglichem „Separatismus“. Die Deutschen sind ein Volk, eine Nation! Es muß aber das Ziel sein Deutschland als Ganzes zu retten. Auch in dieser Frage sehe ich nicht die Möglichkeit eines deutschen Alleingangs, sondern hoffe auf die Festung Europa, die die überkommene EU einmal überwinden und zum Teufel jagen wird, wenn wir nicht die nächsten Indianer oder Aborigines sein wollen. Nur so werden wir als Deutsche, Europäer und Weisse eine Überlebenschance haben.

Gegenstrom.org: Bei alledem investieren Sie, so ist zu vermuten, einen großen Teil Ihrer Zeit in die Erstellung Ihrer Schriften. In der Regel sind Menschen nur bereit so viel Energie und Zeit in Projekte zu investieren, von denen Sie sich etwas positives versprechen. Was ist es was Sie sich von ihren Schriften und insbesondere der Belletristik erhoffen? Sehen Sie in diesen Zeiten das „Rettende“? Falls ja, worin?

Werner Bräuninger: Die Tätigkeit am Werk ist nach so vielen Jahren der Autorschaft ja auch eine Frage gewohnheitsmäßiger Arbeitsökonomie geworden. Es ist bei mir aber nicht so, daß ich wie etwa der „große Thomas“, der sein Arbeitspensum täglich von Punkt neun Uhr früh bis zwölf Uhr mittags absolviert haben soll, nach der Uhr schreibe. Sehr viel wichtiger ist für mich, daß mir der schöpferische Dämon bislang nicht abhanden gekommen ist, denn man kann andere nur entzünden, wenn man selber brennt. Das Wissen um die eigene Endlichkeit und die letztliche Vergeblichkeit allen menschlichen Tuns schwingt natürlich auch in mir stets mit, aber wir müssen überwinden und weiterhin auf den für uns bestimmten Posten stehen. Friedrich der Grosse beklagte sich einmal in einem Brief über die „alberne Rolle“, die er in seinem Leben habe spielen müssen. Und dennoch tat gerade er seine Pflicht im Übermaß. Entsprechend sollten auch wir in dem beschränkten Rahmen, in den wir schicksalhaft hineingestellt sind, das Unsere tun, je nach Talent, Anlage, Fähigkeit. Ich erhoffe mir einen Beitrag zur Wiederauferstehung zu leisten und daß das Werk nicht umsonst getan wurde.

Gegenstrom.org: Was gibt Ihnen in diesen Zeiten Zuversicht? Und wie erhält man sich diese?

Werner Bräuninger: Wenn man daran glaubt, daß es eine höhere Macht gibt und an die Gewißheit eines Wiedersehens, dann muß man wohl auch eine gewisse Zuversicht haben, ich zwinge mich jedenfalls täglich zu ihr. Wir müssen durch diese Zeiten hindurch, „gestählt im banne der verruchten jahre“, wie George sagt. Früher konnte man darauf vertrauen, daß andere die Fackel weitertragen werden und hoffen, daß in der nächsten oder übernächsten Generation etwas passiert – „geschlagen ziehen wir nach Haus, die Enkel fechten‘s besser aus“ heißt es in einem alten Fahrtenlied der bündischen Jugend. Diese Hoffnung dürfen wir Heutigen leider nicht mehr haben. Dennoch glaube ich daran, nicht etwa, weil ich so viel Ermutigendes um mich herum sehe, sondern ich glaube, weil ich  w i l l.