{"id":9879,"date":"2024-02-21T15:52:46","date_gmt":"2024-02-21T14:52:46","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=9879"},"modified":"2024-02-21T15:59:44","modified_gmt":"2024-02-21T14:59:44","slug":"taiwan-kleinchina-im-schatten-der-volksrepublik","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/taiwan-kleinchina-im-schatten-der-volksrepublik\/","title":{"rendered":"Taiwan \u2013 Kleinchina im Schatten der Volksrepublik"},"content":{"rendered":"
Im folgenden Artikel analysiert Dominik Schwarzenberger mit gewohnt scharfem Blick die politische Lage Taiwans. Wie er klar darlegt, ist die Betrachtung und Beurteilung der aktuellen Situation dieses Inselstaates sehr wertvoll, da besonders die Frage um dessen Unabh\u00e4ngigkeit eine gewichtige geopolitische Bedeutung aufweist. <\/p>\n Am 13. Januar 2024 fanden Pr\u00e4sidenten- und Parlamentswahlen auf Taiwan statt. Diese Wahlen wurden mit Spannung und Besorgnis erwartet, da der Favorit, Lai Ching-te, einer Unabh\u00e4ngigkeit der Insel als solcher jenseits jeglicher chinesischer Staatlichkeit wohlwollend gegen\u00fcbersteht.<\/p>\n Die Taiwan-Frage als internationaler wie gleicherma\u00dfen innerchinesischer Konflikt ist ein weiteres lehrreiches Beispiel f\u00fcr komplexe geopolitische Zusammenh\u00e4nge, v\u00f6lkerrechtliche Spitzfindigkeiten und ungekl\u00e4rte Identit\u00e4tsfragen. Das macht die Analyse \u00e4u\u00dferer und innerer Verh\u00e4ltnisse notwendig.<\/p>\n Was hat es mit der Taiwan-Frage und der de-facto unabh\u00e4ngigen Insel auf sich? Was bedeutet \u201eEin-China-Politik\u201c? Wie stehen die Bewohner Taiwans dazu? Gibt es eine taiwanische Nation? Wie k\u00f6nnte die Volksrepublik auf eine offizielle Unabh\u00e4ngigkeitserkl\u00e4rung reagieren?<\/p>\n \u201eEin-China-Politik\u201c<\/strong><\/p>\n Die Volksrepublik (Peking) wie Taiwan (Taipeh) bekennen sich zur \u201eEin-China-Politik\u201c, d.h. beide sehen sich als authentisches China und Nachfolger der Kaiserreiche wie der alten Republik von 1912. Folgerichtig bezeichnet sich Taiwan offiziell auch als \u201eRepublik China (auf Taiwan)\u201c, wonach die Insel gerade nicht die Republik ist, sondern deren letzte Bastion. Das Festland gilt als von usurpierenden Kommunisten besetzt. Gleichwohl die Insel unabh\u00e4ngig mit allen Merkmalen eines souver\u00e4nen Staates existiert, gilt sie de-jure eben nur als letzter verbliebener nichtkommunistischer Teil eines Gesamtchinas, auf das sich beide Staaten berufen. Eine taiwanische Unabh\u00e4ngigkeitserkl\u00e4rung w\u00fcrde also die Insel aus diesem nur ideal existierenden Gesamtchina herausl\u00f6sen. Bis 1971 wurde die \u201eRepublik China (auf Taiwan)\u201c von den meisten Staaten als Vertreterin Gesamtchinas anerkannt, war UNO-Gr\u00fcndungsmitglied und besa\u00df sogar einen st\u00e4ndigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Aufgrund des Bedeutungszuwachses der Volksrepublik (Peking) \u00e4nderte sich dieses Verh\u00e4ltnis fundamental und selbst die USA und Japan folgten diesem Trend[1]<\/a>. Bilaterale Beziehungen werden zu Taiwan unter spitzfindigen sensiblen Beziehungen als \u201eWirtschafts- und Kulturb\u00fcros\u201c unterhalten. Wohlgemerkt: Taiwan hat sich niemals f\u00fcr unabh\u00e4ngig erkl\u00e4rt und die Zugeh\u00f6rigkeit zu Gesamtchina auch niemals infrage gestellt \u2013 im Gegenteil: Taiwan m\u00f6chte ja gerade der legitime Rest Gesamtchinas sein und sich nach einem Sturz des Kommunismus mit dem Festland wiedervereinen.<\/p>\n Brisanz wie Kuriosit\u00e4t der Taiwan-Frage \u00e4u\u00dferte sich j\u00fcngst an zwei Beispielen: Litauen und Nauru.<\/p>\n Dieser Alleinvertretungsanspruch erinnert an die \u201eHallstein-Doktrin\u201c der alten BRD, wonach die Bonner Republik alleinige Erbin des Deutschen Reiches sei und Gesamtdeutschland vertrete. Eine Anerkennung der DDR-Staatlichkeit wie auch das eigene Herausl\u00f6sen Westdeutschlands aus einem nur ideal existierenden Gesamtdeutschlands w\u00e4re demnach Verrat[2]<\/a>. Folglich widersetzte sich Bonn auch der offiziellen Anerkennung der DDR durch Drittstaaten.<\/p>\n Chinesisches Nationsverst\u00e4ndnis<\/strong><\/p>\n F\u00fcr Europ\u00e4er ist das chinesische Nationsverst\u00e4ndnis besonders befremdlich, dabei ist es nicht so selten, findet es sich doch auch in anderen Kulturr\u00e4umen der Erde: bei Arabern, manchen Religionsgemeinschaften, den antiken Griechen und lange auch unter Russen. Dieses Nationsverst\u00e4ndnis ist ein zivilisatorisches, d.h. ein Weltanschauliches mit eigener ganzheitlicher Auffassung von Erde, Kosmos, Moral und Sittlichkeit. Man kann es mit dem katholisch-abendl\u00e4ndischen Bewusstsein des Mittelalters vergleichen, das nicht an Staatlichkeit, Territorium oder Volkstum gebunden war. Entsprechend k\u00f6nnen mehrere Staaten innerhalb einer geistigen Zivilisation getrennt existieren, grenzen sich aber gegen andere Zivilisationen ab. Der chinesische Kaiser war mehr ein geistig-religi\u00f6ses Symbol dieser zivilisatorischen Geschlossenheit (wie heute der Papst), dessen \u201eMacht an der Dorfhecke endet\u201c (chinesisches Sprichwort). Antiimperialistische chinesische Intellektuelle des sp\u00e4ten 19. Jh. strebten demgegen\u00fcber tats\u00e4chlich eine Nation im westlichen Sinn an, waren sich aber der Problematik wohl bewusst: das rein zivilisatorische Bewusstsein musste \u00fcber eine Erziehungsdiktatur und Kulturrevolution erweitert werden. Zudem fehlte die ethnische Basis: die Bev\u00f6lkerung des Riesenreichs war ja \u201ewie ein Haufen losen Sands\u201c (Sun Yat-sen). Zwei Konzepte konkurrierten miteinander: \u201eQing-\u201e vs. \u201eHan-Chinesen\u201c. \u00a0Die Han stellen eine Konvention dar, um ein homogenes ethnisches Fundament f\u00fcr China zu schaffen \u2013 in dem Fall wurden alle Einwohner zur Zeit der popul\u00e4ren Han-Dynastie zu Chinesen bestimmt. Tats\u00e4chlich unterscheiden sich Han rassisch, sprachlich und kulturell erheblich voneinander[3]<\/a>, was sich in der offiziellen Anerkennung von Hauptgruppen niederschl\u00e4gt und damit deren angestrebte Homogenit\u00e4t konterkariert. Das Qing-Konzept bestimmte wiederum alle Bewohner des Kaiserreichs zur Zeit seiner gr\u00f6\u00dften Ausdehnung im 18. Jh. als \u201eChinesen\u201c[4]<\/a>, eine gem\u00e4\u00dfigte Form \u201enur\u201c die aktuellen Bewohner der 1890er.<\/p>\n Taiwans ehemalige Einheitspartei Guomindang (GMD) als Gralsh\u00fcterin des allchinesischen Alleinvertretungsanspruchs<\/strong><\/p>\n Die Guomindang (GMD) \u2013 oft vereinfacht als \u201eNationale Volkspartei\u201c \u00fcbersetzt \u2013, pr\u00e4gte das Gesicht der Insel seit 1945. Damals zogen sich die japanischen Besatzer zur\u00fcck und die \u201eNationalchinesen\u201c des Tschiang Kai-schek \u00fcbernahmen die Macht. Nach dem Sieg der Kommunisten fl\u00fcchteten dann Milit\u00e4rs, Unternehmer, Intellektuelle und Beamte der besiegten alten \u201eRepublik China\u201c auf die Insel, darunter auch Tschiang Kai-schek selbst. Bei der taiwanischen GMD handelt es sich um die dritte Partei dieses Namens, die zwar in organisatorischer, aber eben nicht ideologischer Kontinuit\u00e4t steht. Die urspr\u00fcngliche GMD war linksnationalistisch-sozialistisch und den Idealen ihres Gr\u00fcnders und Vorsitzenden Sun Yat-sen verpflichtet: den \u201eDrei Prinzipien des Volkes\u201c[5]<\/a>. Sun selbst schwankte lange zwischen Qing- und Han-Konvention und entschied sich f\u00fcr einen Kompromiss: Die Han stellen den Kern und einige willk\u00fcrlich ausgew\u00e4hlte V\u00f6lker des sp\u00e4ten Kaiserreichs geh\u00f6ren als autochthoner \u201eZusatz\u201c zur Nation[6]<\/a>. Nach Suns Tod spaltete sich die nur durch ihren popul\u00e4ren Gr\u00fcnder integrierte GMD in einen linken prokommunistischen und rechten antikommunistischen Fl\u00fcgel, die sich zu eigenen Organisationen mit bewaffneten Armen verfestigten. Die rechte GMD wurde vom charismatischen Tschiang Kai-schek gef\u00fchrt, der mit der Schwester von Suns Frau verheiratet war. Tschiang experimentierte bis in die sp\u00e4ten 1930ern mit faschistischen Ideen und restaurierte einige vom christlichen Sozialisten Sun als reaktion\u00e4r abgelehnte Werte des Konfuzianismus, weshalb das Attribut \u201erechts\u201c nicht ganz falsch ist. Die taiwanische GMD kann auch heute noch als nationalradikale konservative Partei[7]<\/a> betrachtet werden, die faschistischen und korporativen Elemente sind aber marginal oder von der Mutterpartei abgespalten. W\u00e4hrend der festl\u00e4ndischen Kulturrevolution (1966-76) sah sich Taiwan als Bewahrer chinesischer Kultur und Tradition, allerdings auch unter modernistischen Vorzeichen. Nominell genie\u00dft Sun Yat-sen in der Volksrepublik wie auf Taiwan, Hong Kong, Macau und in der Diaspora als antiimperialistischer Vork\u00e4mpfer gro\u00dfe Verehrung. Die GMD war bis in die 1980er eine autorit\u00e4re Partei, die paranoid \u00fcberall kommunistische Verschw\u00f6rungen[8]<\/a> witterte und aufgrund ihres gesamtchinesischen Anspruchs und der Doktrin einzige legitime Vertreterin der \u201eRepublik Chinas\u201c zu sein, jede taiwanische individuelle Regung jenseits des \u201eChinesischen\u201c unterdr\u00fcckte. Lange waren die linksnationalistischen panchinesischen Kommunisten mit ihren zahlreichen Tarnorganisationen tats\u00e4chlich eine Bedrohung. Seit den 1980ern erw\u00e4chst aus Parteien der marginalisierten vor 1945 eingewanderten Taiwanern (Siehe Ethnographie unten) die gr\u00f6\u00dfere Herausforderung: manche streben neben politischer Teilhabe auch die formelle Unabh\u00e4ngigkeit ihrer Insel an. Ironie der Geschichte: GMD und ihr einstiger kommunistischer Kriegsgegner haben heute wieder mehr Gemeinsamkeiten, tats\u00e4chlich erinnert Xis Kurs eher an Tschiang als an Mao.<\/p>\n Die Bedeutung der GMD f\u00fcr Taiwan zeigt sich nicht zuletzt in den nationalen Symbolen. Die Flagge Taiwans ist mit der der \u201eRepublik Chinas\u201c (bis 1949) und der GMD identisch. Taiwan selbst besitzt keine eigenen hoheitlichen Symbole, da dies den Anspruch ganz China zu sein, konterkarieren w\u00fcrde. Parteien, die ein souver\u00e4nes Taiwan anstreben, vermeiden diese allchinesische Symbolik konsequent \u2013 schon deshalb, weil die gesamtchinesische Nationalflagge gleichzeitig Parteisymbol der GMD ist. Ebenso verh\u00e4lt es sich mit der Nationalhymne, die von der alten Republik \u00fcbernommen wurde und die \u201eDrei Prinzipien des Volkes\u201c glorifiziert, deren alleinige organisatorische Manifestation ja die urspr\u00fcngliche GMD war. Die \u201eDemokratische Fortschrittspartei\u201c mit ihren Verb\u00fcndeten ist die gro\u00dfe Gegenspielerin, innerlich aber stark in Ideologien und Identit\u00e4ten gespalten. Zu den offen separatistischen Parteien geh\u00f6ren nur interne Str\u00f6mungen. Als juristisches Kuriosum darf man die regionalistischen Parteien auf Taiwan ansehen, die sich f\u00fcr spezifische Inselbelange einsetzen. Dieser taiwanische Regionalismus ist mit taiwanischem Nationalismus formell nicht identisch, sondern vertritt die Interessen Taiwans innerhalb des ideal existierenden Gesamtchinas. Ein Schelm, der B\u00f6ses dabei denkt.<\/p>\n Ethnographie<\/strong><\/p>\n Taiwan ist ein Miniatur-China, d.h. es gibt die dominierenden Han als vermeintliche authentische Chinesen (mit 98%) und nichtchinesische Minderheiten[9]<\/a> sowie eine Vielzahl an Sprachen und Religionen. Im Gegensatz zur Volksrepublik zeigen sich die taiwanischen Han stark gespalten: sie betonen hier ihre ethnische und sprachliche Verschiedenartigkeit[10]<\/a> und konservieren sie. Urs\u00e4chlich hierf\u00fcr sind die geringe Bedeutung der nichtchinesischen Minderheiten als m\u00f6gliche Bedrohung, der stabile kulturelle und sprachliche Kommunitarismus der vom Kaiserreich ab dem 17. Jh. sukzessiv zugewanderten Festlandchinesen (Benshengren) und ab 1945 der Sinisierungsdruck der j\u00fcngsten Einwanderungsgruppe[11]<\/a> (Waishengren), der Trotzreaktionen ausl\u00f6ste. Diese hochqualifizierten Neueinwanderer (Waishengren) errichteten eine de-facto Ethnokratie[12]<\/a> mit einer Art Kastensystem und rigider Sprachpolitik, weshalb zumindest sie trotz unterschiedlicher Herkunft eine homogene Identit\u00e4t aufbauten. Sie brachten die Devisen der alten Republik mit.<\/p>\n Historische Meilensteine<\/strong><\/p>\n Haltung zu Japan<\/strong><\/p>\n Neben dem Verh\u00e4ltnis zur Volksrepublik sehen sich die Taiwaner auch in ihrer Haltung zu Japan gespalten, was mit den drei Identit\u00e4ten (Siehe unten) korreliert. Die Koreaner litten unter der japanischen Besetzung, wohingegen Taiwan teilweise profitierte: Um Taiwan vom chinesischen Mutterland zu entfremden, f\u00f6rderten die Japaner fr\u00fch eine Art taiwanische Identit\u00e4t und trieben Modernisierung (Stra\u00dfenbau, Eisenbahn, Bildung und Medizin) und Industrialisierung voran. Die Besatzungspolitik war vergleichsweise mild. Das taiwanische Wirtschaftswunder verdankt sich also anders als das s\u00fcdkoreanische nicht zuletzt japanischer Pionierarbeit. W\u00e4hrend die Waishengren als loyale Chinesen klar antijapanisch orientiert sind, sehen Teile der Benshengren Japan als Vorbild und Verb\u00fcndeten.<\/p>\n Identit\u00e4ten<\/strong><\/p>\n Folgende Identit\u00e4ten lassen sich unter Taiwanern identifizieren:<\/p>\n Religionen<\/strong><\/p>\n Die religi\u00f6sen Verh\u00e4ltnisse gleichen denen der Volksrepublik: es dominieren die traditionellen universistischen Spielarten, einem sinisierten Buddhismus sowie islamische und zersplitterte christliche Minderheiten. Eine identit\u00e4tsstiftende Korrelation besteht: die Ureinwohner geh\u00f6ren bis auf schamanistischer Reste den unterschiedlichsten christlichen Konfessionen an, wobei das taiwanische Christentum auch unter den \u201eChinesen\u201c allm\u00e4hlich Verbreitung findet. Religion stellt anders als auf dem Festland noch kein Politikum[13]<\/a> dar.<\/p>\n Innertaiwanische Konfliktlinien<\/strong><\/p>\n Die Unvereinbarkeit der Identit\u00e4ten zeugt von einer unvers\u00f6hnlich gespaltenen Gesellschaft, daneben gibt es weitere Konfliktlinien:<\/p>\n Die Pole stehen in keiner Korrelation zueinander.<\/p>\n Zur Qualit\u00e4t des Nationalismus der Taiwanesen<\/strong><\/p>\n Bei taiwanischen Nationalisten (also Taiwanesen) handelt es sich um eine sehr junge Erscheinung, die an die liberal-emanzipatorische Phase des westeurop\u00e4ischen Nationalismus der Linken und Freimauer erinnert. Dieser Nationalismus ist eher ein Souver\u00e4nismus und noch der \u201eOffenen Gesellschaft\u201c verpflichtet, folglich mit liberalen und sozialdemokratischen Parteien verbunden. Taiwans Rechte (Konservative und Faschisten) und im Untergrund agierende linksnationalistische Kommunisten sind klar panchinesisch. Eine Wandlung zu rechten Spielarten ist nur eine Frage der Zeit, n\u00e4mlich dann, wenn sich konservative Taiwanesen mit traditionellem Familienbild und gegen Einwanderung eingestellt, nicht mehr \u00fcber solche Parteien wie der \u201eDemokratischen Fortschrittspartei\u201c vertreten f\u00fchlen.<\/p>\n Der unreife taiwanische Nationalismus ist im Werden, es fehlen aber sinnstiftende Symbole und historische Ankn\u00fcpfungspunkte. Die kurzlebige \u201eRepublik Formosa\u201c von 1885 und antijapanische Aktionen taugen wegen ihrer Loyalit\u00e4t dem Festlandchina gegen\u00fcber nur als Vorbild panchinesischer Nationalisten genauso wie die kurzen Jahre unter der Ming-Dynastie, die von Taiwan aus China von den fremden Mandschuren (Qing-Dynastie) befreien wollte. Hier tut sich nur eine verhei\u00dfungsvolle Reminiszenz f\u00fcr Panchinesen auf. Dann die schwierige Frage nach der m\u00f6glichen Amtssprache: standardisiertes Mandarin wie unter dem GMD-Regime oder die Volksgruppensprachen nebeneinander? Oder gar Englisch? Wie weit will man sich vom chinesischen Zivilisationsmythos l\u00f6sen? Wie steht man zu den marginalisierten Ureinwohnern? Welchen Beitrag d\u00fcrfen sie einer taiwanischen Identit\u00e4t liefern? Der Name \u201eTaiwan\u201c (von den Ureinwohnern \u00fcbernommen) oder \u201eFormosa\u201c (von den Portugiesen) bieten sich wegen ihres nichtchinesischen Ursprungs als Staatsbezeichnung an und wird deshalb gern genutzt.<\/p>\n Je nach dem Verhalten der Volksrepublik, kann der neue taiwanische Nationalismus befeuert oder gehemmt werden.<\/p>\n Bedeutung Taiwans f\u00fcr China, Japan, USA und S\u00fcdostasien<\/strong><\/p>\n Chinas Position<\/strong>: Taiwan bleibt trotz de-facto Unabh\u00e4ngigkeit Teil der chinesischen Nation mit k\u00fcnftiger Integrationsoption wie Hong Kong und Macau. Eine de-jure Unabh\u00e4ngigkeit kann separatistische Tendenzen in den eigenen Provinzen provozieren. Geostrategisch ist Taiwan als Vorposten und Flankenschutz im japanischen und s\u00fcdostasiatischen Raum unverzichtbar. Ein prowestliches und projapanisches Taiwan stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar \u2013 \u00e4hnlich wie Kuba-USA. Wirtschaftlich ist Taiwan f\u00fcr Peking sehr wichtig.<\/p>\n Japans Position<\/strong>: teilweise existieren noch Gebietsanspr\u00fcche. Taiwan ist momentan ein Puffer zum Festland und Verb\u00fcndeter. Wirtschaftlich eher Konkurrent.<\/p>\n Position der USA<\/strong>: Taiwan stellt wie umgekehrt Kuba einen idealen Br\u00fcckenkopf gegen das Festland dar. Wirtschaftlich sehr wichtig.<\/p>\n Position S\u00fcdostasien:<\/strong> Die Staatenwelt S\u00fcdostasiens mit ihren vielen Ethnien, Kulturen und Religionen ist zutiefst uneinig, steht aber dem aufstrebenden China sehr skeptisch gegen\u00fcber. Taiwan fungiert momentan als Puffer, den man zu erhalten w\u00fcnscht.<\/p>\n Ausblick<\/strong><\/p>\n Eine milit\u00e4rische Auseinandersetzung mit der Volksrepublik oder gar eine Invasion \u00e0 la Ukraine bleiben \u00e4u\u00dferst unwahrscheinlich, trotz oder gerade wegen Xis martialischem Auftreten. Ein altchinesisches Strategem mahnt: \u201eWenn Du schwach bist, t\u00e4usche St\u00e4rke vor\u201c (und umgekehrt). Wir sagen: \u201eHunde, die bellen, bei\u00dfen nicht\u201c \u2013 oder besser: Hunde, die aufgrund zu gro\u00dfen Risikos nicht bei\u00dfen k\u00f6nnen, sollten wenigstens laut und heftig bellen. Wir sollten bei der Lagebeurteilung Taiwans schlagkr\u00e4ftige hochger\u00fcstete Armee mit hohem Mobilisierungspotenzial ber\u00fccksichtigen[15]<\/a>. Dieses Milit\u00e4r ist der Volksrepublik nicht gewachsen, kann aber die fragile Volksrepublik dennoch massiv sch\u00e4digen. Zudem sind die beiden Kontrahenten wirtschaftlich stark miteinander verwoben. Ein milit\u00e4rischer Konflikt kann eher durch einen Krieg Peking-Washington eskalieren, d.h. Taiwan kann \u00fcber die USA hineingezogen werden (als Br\u00fcckenkopf) oder bei einer Schw\u00e4chung Pekings selbst intervenieren. Taiwans Bedeutung f\u00fcr die Weltwirtschaft kann nicht hoch genug eingesch\u00e4tzt werden: Die Insel produziert mit Abstand die gr\u00f6\u00dfte und qualitativ hochwertigste Menge an Halbleitern und ist \u00fcber Firmen global vertreten. Noch zwei Gemeinsamkeiten teilt die Insel mit der Volksrepublik: es fehlen Ressourcen, weshalb der Abh\u00e4ngigkeit von Energie- und Lebensmittelimporten eine existenzgef\u00e4hrdende Fragilit\u00e4t zukommt. Zweitens: der starke Geburteneinbruch mit zunehmender \u00dcberalterung. Die sozio\u00f6konomischen Verwerfungen wie auf dem Festland fehlen bisher.<\/p>\n Der Konflikt zeugt auch von der ostasiatischen Besonderheit, Formen, Begriffen und Riten h\u00f6chste Bedeutung beizumessen und immer sein Gesicht wahren zu m\u00fcssen. Letztlich wird dort nichts so hei\u00df gegessen, wie es gekocht wurde. In Europa, USA und Arabien wird dagegen gern hei\u00dfer gegessen als es vorher gekocht wurde.<\/p>\n <\/p>\n <\/p>\n <\/p>\n [1]<\/a> Nur noch wenige v\u00f6llig unbedeutende Staaten, aber auch der symboltr\u00e4chtige Vatikan, stehen zu Taiwan als ausschlie\u00dflichen Vertreter Gesamtchinas.<\/p>\n [2]<\/a> Nach der Kanzlerschaft Adenauers wurde diese Doktrin zunehmend aufgeweicht und mit der Kanzlerschaft Brandts aufgegeben.<\/p>\n [3]<\/a> Sogar Vietnamesen wurden und werden gelegentlich zu den Han gez\u00e4hlt.<\/p>\n [4]<\/a> Das Qing-Konzept ist unter manchen Nationalisten v.a. auf Taiwan und \u00dcbersee immer noch Favorit.<\/p>\n [5]<\/a> Diese im Deutschen immer noch falsch \u00fcbersetzten und interpretierten Grunds\u00e4tze haben auch in der Volksrepublik und anderen chinesisch gepr\u00e4gten Regionen den gleichen sakralen Charakter wie etwa Atat\u00fcrks sechs Prinzipien f\u00fcr die t\u00fcrkische Welt.<\/p>\n [6]<\/a> Das erste und wichtigste Prinzip Suns wird h\u00e4ufig als \u201eNationalismus\u201c \u00fcbersetzt. Vielmehr handelt es sich um eine Forderung nach \u201eZusammenfassung der multiethnischen Bev\u00f6lkerung zu einem Bewusstsein\u201c.<\/p>\n [7]<\/a> Ideengeschichtlich handelt es sich dennoch um eine linke Spielart mit einigen traditionellen Elementen, da a) der enge Nationalismus der Reichsidee entgegensteht, b) das religi\u00f6se Element fehlt und c) f\u00fcr den Konfuzianismus unabdingbar das Kaisertum.<\/p>\n [8]<\/a> So wurde die ber\u00fcchtigte \u201eWorld Anti-Communist League\u201c von Tschiang Kai-schek mit Sitz auf Taiwan gegr\u00fcndet, zu deren Mitgliedern auch lateinamerikanische Todesschwadrone, NS-Kollaborateure und Neofaschisten z\u00e4hlten.<\/p>\n [9]<\/a> Es handelt sich um 16 anerkannte kleine V\u00f6lker unterschiedlicher Gr\u00f6\u00dfe austronesischer Sprache, die bis in die 1980er jenseits der Gesellschaft standen.<\/p>\n [10]<\/a> Etwa Hoklo mit 70% und Hakka mit 14%, die aber auch wieder nur Sammelbezeichnungen darstellen. Ein beachtlicher Teil d\u00fcrfte austronesische Vorfahren haben.<\/p>\n [11]<\/a> Sogenannte \u201eWaishengren\u201c (14%): nichtkommunistische Fl\u00fcchtlinge vom Festland.<\/p>\n [12]<\/a> Die Waishengren dominierten Politik, Verwaltung, Milit\u00e4r, Kultur und Wirtschaft. Bis 1990 wurde der regionale Ursprung neben dem Geburtsort in taiwanischen P\u00e4ssen vermerkt, weshalb die Waishengren auch nach Jahrzehnten ihrer Flucht identifizierbar waren. Als besonders bitter erwies sich die harte Sprachpolitik, die Hochchinesisch (ein standardisiertes Mandarin) zur Amtssprache und m\u00f6glichst auch Umgangssprache machen sollte, w\u00e4hrend 86% der Bev\u00f6lkerung eigene Sprachen pfleg(t)en.<\/p>\n [13]<\/a> Erinnert sei an die synkretistische religi\u00f6se Massenbewegung Falun Gong und die sich v.a. im S\u00fcden ausbreitende evangelikale Christen, die zwar politisch neutral erscheinen, aber sich zum Refugium systemfeindlicher Kreise wandelten. Pikanterweise sind beide Ph\u00e4nomene unter KP-Mitgliedern sehr beliebt, wurden sie doch vom Regime zun\u00e4chst ermutigt. Rebellische Bewegungen waren in Chinas Geschichte meistens religi\u00f6s fundiert.<\/p>\n
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