{"id":8768,"date":"2022-05-15T08:04:17","date_gmt":"2022-05-15T06:04:17","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=8768"},"modified":"2022-05-15T08:04:17","modified_gmt":"2022-05-15T06:04:17","slug":"das-grosse-ukraine-interview-mit-alexander-markovics","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/das-grosse-ukraine-interview-mit-alexander-markovics\/","title":{"rendered":"Das gro\u00dfe Ukraine-Interview mit Alexander Markovics"},"content":{"rendered":"

Nachfolgend interviewte unser Redakteur Peter Steinborn den wohl bekanntesten Sprecher der Eurasischen Bewegung im deutschsprachigen Raum Alexander Markovics zum Krieg in der Ukraine. Das Interview soll zur Diskussion beitragen und Einblicke in die Denkwelt eines Eurasiers bieten. Die Redaktion
\n<\/em><\/p>\n

Teil I: Europa am Scheideweg zwischen Land und Meer<\/strong><\/h2>\n

P.S.: Sehr geehrter Herr Markovics, ich freue mich, dass ich Sie f\u00fcr dieses Interview gewinnen konnte. Als Generalsekret\u00e4r des \u201eSuworow-Instituts\u201c, das sich auch \u201eGesellschaft zur F\u00f6rderung des \u00d6sterreichisch-Russischen Dialogs\u201c nennt, ist die Ukraine-Krise \u2013 mittlerweile kann man unmissverst\u00e4ndlich von einem Krieg sprechen \u2013 sicherlich auch f\u00fcr Sie ein gewichtiges Thema. Gerade dieses Thema droht zum Spaltpilz innerhalb der Rechten \u2013 inkl. der Neuen Rechten zu werden. Oft fehlt ein Ausgleich. Das dem Menschen angeborene Schwarz-Wei\u00df-Denken macht es einem hier nicht leicht, \u00fcber den Tellerrand hinaus zu blicken. Das Interview m\u00f6chte ich gerne nutzen, um Ihnen einige kritische Fragen zum Thema zu stellen, die uns hoffentlich der Wahrheit ein wenig n\u00e4herbringen werden.<\/p>\n

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ostukraine am 24. Februar 2022 kam trotz der vorhergehenden Offensive seitens des Kremls f\u00fcr viele Menschen \u00fcberraschend. Es wirkt regelrecht so, als w\u00e4ren pl\u00f6tzlich alte Wunden wieder aufgeplatzt. Seit diesem Schock ist auch die Rechte gespalten. Sie haben sich nun schon mehrfach verst\u00e4ndig f\u00fcr diesen Schritt Russlands ausgesprochen. Was sind die Gr\u00fcnde f\u00fcr den Einmarsch und glauben Sie nicht, dass Wladimir Putin damit ggf. die Sicherheit Europas, gar ganz Eurasiens, aufs Spiel setzt?<\/p>\n

A.M.: Ich denke es ist wichtig diesbez\u00fcglich festzuhalten, dass dieser Konflikt innerhalb der Rechten nur jene Leute spaltet, die geopolitisch gr\u00f6\u00dftenteils ahnungslos sind bzw. noch immer an den Ideologien der Moderne festhalten und sich beharrlich weigern, die geopolitischen Interessen Deutschland und Europas abseits der Tagesbefehle aus Washington zu formulieren. Das ist insofern erschreckend, als dass es mit Carl Schmitt, Jordis von Lohhausen, Jean Thirirart sowie Alain de Benoist bereits geopolitische Denker innerhalb der europ\u00e4ischen Rechten gibt, die genau solche Interessen bereits formuliert haben. Nur leider werden sie nicht verstanden, bzw. ignoriert, da man weiterhin in transatlantischen Denkmustern verharrt. \u00dcberraschend kam der russische Einmarsch im Rahmen der Milit\u00e4roperation in der Ukraine nur f\u00fcr diejenigen, die das geopolitische Spiel auf dem Eurasischen Schachbrett seit 2014 aus den Augen verloren haben. Seit dem Maidanputsch 2014, der unter massiver Beteiligung des Westens von statten ging \u2013 so stellte der Westen allein mehrere Milliarden Dollar Finanzhilfe f\u00fcr subversive Gruppen \u2013 ist die Ukraine kein souver\u00e4ner Staat mehr, sondern ein US-amerikanischer Au\u00dfenposten auf der Eurasischen Weltinsel analog zur BRD. Ebenfalls seit 2014 sind die Menschen im Donbass f\u00fcr ihre \u2013 aus westlicher Sicht \u2013 Unverfrorenheit, aus der westlichen Hegemonie auszubrechen, mit einer Strafaktion des ukrainischen Milit\u00e4rs belegt worden, das die dortige Zivilbev\u00f6lkerung tagein, tagaus mit Artillerie beschossen und so mehr als 14.000 Tote gefordert hat. Russland und die F\u00fchrung der beiden Volksrepubliken von Lugansk und Donezk haben acht Jahre lang vergeblich versucht, hier eine friedliche L\u00f6sung des Konflikts im Rahmen zweier Minsker Abkommen zu finden. Diese Abkommen wurden von der Ukraine mehrmals gebrochen und schlie\u00dflich Anfang 2022 \u00f6ffentlich am G7-Sicherheitsgipfel aufgek\u00fcndigt. Zus\u00e4tzlich hat die Ukraine auf diesem Gipfel offen darum geworben, mit westlicher Hilfe Atomwaffen herzustellen. Ebenso existieren auf dem Territorium der Ukraine \u00fcber 26 Biowaffenlabore, die von den USA und der Ukraine zur Herstellung und der Forschung an Massenvernichtungswaffen verwendet wurden \u2013 worauf Russland seit 2018 hinwies und die USA vor kurzem in Gestalt von Victoria Nuland \u00f6ffentlich zugeben mussten. Schlie\u00dflich plante die Ukraine eine Offensive gegen den Donbass f\u00fcr den M\u00e4rz 2022. Wie man es auch dreht und wendet: Russland ist in diesem Konflikt, der seit mehr als acht Jahren und nicht erst 60 Tagen andauert, nicht der Aggressor. Moskau wurde seit dem Ende des Kalten Krieges von der NATO und den USA trotz anderslautender Versprechen systematisch eingekreist. Die Aufr\u00fcstung der Ukraine durch den Westen hat Russland schlie\u00dflich wortw\u00f6rtlich die Pistole auf die Brust gesetzt. Ein NATO- und EU-Beitritt h\u00e4tte schlie\u00dflich westliche Atomraketen in einem Ausma\u00df an die russische Grenze verschoben, sodass eine Vorwarnung und ein Gegenschlag nicht mehr m\u00f6glich gewesen w\u00e4ren. Jeder Mann in der Position des russischen Pr\u00e4sidenten h\u00e4tte dasselbe wie Putin getan \u2013 es sei denn, er w\u00e4re nicht an der Sicherheit seines Volkes interessiert.<\/p>\n

P.S.: Sie sind der wahrscheinlich bekannteste deutschsprachige Anh\u00e4nger Alexander Dugins in Europa. Sie beide, also auch Sie, w\u00fcrde ich zu den Vertretern der Eurasischen Bewegung z\u00e4hlen \u2013 Dugin selbst ist ja Begr\u00fcnder dieser. Diese Idee fu\u00dft allerdings in der russischen Geschichte, Russlands politischer Geographie und letztlich in der geopolitischen Ausrichtung des gr\u00f6\u00dften Fl\u00e4chenlandes der Welt. Russland ist ein Eurasisches Land. Doch Deutschland und \u00d6sterreich sind eindeutig europ\u00e4ische L\u00e4nder. Wie kommt es, dass Sie als \u00d6sterreicher, als Deutscher sich dieser Idee angenommen haben?<\/p>\n

A.M.: Grunds\u00e4tzlich ist festzuhalten, dass die Eurasische Bewegung in den 1920er Jahren entstanden ist \u2013 Alexander Dugin ist also somit nicht der Begr\u00fcnder der urspr\u00fcnglichen Eurasischen Bewegung, sondern der Begr\u00fcnder der Neoeurasischen Bewegung, die seit ihrer Entstehung ab den 1990er Jahren immer mehr an Popularit\u00e4t gewonnen hat. Der Eurasismus entstand beinahe zur selben Zeit wie die Konservative Revolution in Europa. Wichtige Vertreter, wie der im Wiener Exil 1938 verstorbene Nikolai Trubetzkoy (auch als \u201eRussischer Oswald Spengler\u201c bezeichnet), forderten im Rahmen dieser Denkrichtung Russlands Behauptung als unabh\u00e4ngige Macht vom europ\u00e4isch-westlichen Universalismus. Dabei rekurrierten sie etwa nicht auf die westlichen Ideologien des Liberalismus, Marxismus oder Nationalismus, sondern besannen sich auf das \u201eErbe Dschingis Kahns\u201c und die russische Symbiose zwischen christlicher Orthodoxie, slawischer Kultur, finno-ugrischen V\u00f6lkern und dem Erbe der nomadischen V\u00f6lker (Zentral-)Asiens. Hierbei wurde, im Sinne des indoeurop\u00e4ischen Erbes Russland, trotz des asiatischen Einflusses nicht von einer \u201egelben Gefahr\u201c gesprochen, sondern auf die kulturelle Symbiose zwischen Russen und Mongolen verwiesen. Russland ist somit eine eigene Zivilisation, kein Teil einer weltweiten westlichen Einheitskultur, die die Identit\u00e4t aller anderen V\u00f6lker verneint. Man muss an dieser Stelle erw\u00e4hnen, dass der Eurasismus mehrere Dimensionen hat und nicht nur die russische Zivilisation meint, sondern auf einer weiteren Ebene allgemein das, was beispielsweise 1942 von Carl Schmitt als die Zivilisation des Landes bezeichnet wurde (sie definiert sich durch Heldentum, Traditionalismus, Best\u00e4ndigkeit, Verwurzelung und das Dulden kultureller Vielfalt im Sinne einer geistig-kulturellen Multipolarit\u00e4t), die wiederum im Gegensatz zur Zivilisation des Meeres (definiert durch die Figur des H\u00e4ndlers, Fortschrittsdenken, ein Primat der Wirtschaft \u00fcber die Politik, einer Uniformisierung<\/em> der V\u00f6lker und Kulturen \u2013 siehe Globalisierung!) steht. Es liegt also \u00fcberhaupt kein Widerspruch darin, Eurasier und gleichzeitig \u00d6sterreicher und Deutscher sowie Europ\u00e4er zu sein, vielmehr ist das eurasische Denken die notwendige Voraussetzung daf\u00fcr. Eines d\u00fcrfen wir in diesem Zusammenhang nie vergessen: Wenn Europa sich kollektiv dazu entscheidet ein Teil der Zivilisation des Meeres zu bleiben und nicht im Sinne des Eurasismus und der Multipolarit\u00e4t seine eigene Souver\u00e4nit\u00e4t als Zivilisationsblock und Reich einzufordern, dann wird es in naher Zukunft weder \u00d6sterreicher, Deutsche und Europ\u00e4er geben, sondern nur noch den amerikanischen Einheitsmenschen. Die Globalisierung ist die historisch gesehen gr\u00f6\u00dfte Bedrohung, die es jemals f\u00fcr unser Volk und Europa gegeben hat \u2013 also ist es notwendig, dieser weltweiten Bedrohung mit einer ebenso globalen Abwehrfront entgegentreten zu k\u00f6nnen. Der Eurasismus liefert die geistige Grundlage daf\u00fcr \u2013 denn die Zivilisation des Meeres befindet sich nicht nur in Europa und Russland in einer Auseinandersetzung mit der Zivilisation des Landes, die f\u00fcr den eurasischen Gedanken steht, sondern auch in China, Indien, Zentralasien, S\u00fcdamerika und Afrika, sogar in den USA selbst k\u00e4mpfen die Gegner des Globalismus gegen das totalit\u00e4re System, das ausnahmslos alle Identit\u00e4ten und V\u00f6lker innerhalb der Logik des Freien Marktes aufl\u00f6sen will. Die zuerst von Alex Jones und Anh\u00e4ngern Donald Trumps ausgegebene Parole des \u201eGro\u00dfen Erwachens\u201c gegen den Great Reset zur Rettung des westlichen Projekts ist somit ein Auftrag mit weltweiten Dimensionen. Ich denke, dass auch wir Europ\u00e4er uns diesem Kampf f\u00fcr das Land und gegen das Meer anschlie\u00dfen m\u00fcssen. Auch wenn es das Schlachten Heiliger K\u00fche voraussetzt, ohne die anscheinend viele Rechte, die keine ausreichende Bildung \u00fcber ihre Geschichte und Kultur besitzen, nicht leben k\u00f6nnen. Damit meine ich explizit den weit verbreiteten b\u00fcrgerlich-chauvinistischen Nationalismus, neofaschistisches Denken ((Euro)Faschismus des Dritten Jahrtausends) und neokonservative Denkfiguren, die leider bei vielen Rechten noch immer pr\u00e4sent sind. Dieses falsche Denken dient nur der Aufrechterhaltung der westlichen Hegemonie und den nostalgischen Neigungen vieler Menschen \u2013 es macht jedoch eine wirkliche, und das bedeutet auch geistige, Souver\u00e4nit\u00e4t Europas vom amerikanischen Empire unm\u00f6glich. Wer sich dar\u00fcber hinaus umfassend \u00fcber das Thema Eurasismus informieren will, der sei auf mein Interview mit Alexander Dugin in der kommenden dritten Ausgabe der Zeitschrift Agora Europa verwiesen! (Hier geht es zur AGORA Europa<\/a>, die dritte Ausgabe ist noch nicht raus, Anm. d. Red.)<\/p>\n

P.S.: Was ist mit nichtchauvinistischen Nationalismen wie ihn u.a. ein Frank Kraemer oder Autoren-Kollegen von Ihnen von der Deutschen Stimme vertreten? Dominique Venner \u2013 ohne Zweifel Begr\u00fcnder der Neuen Rechten in Frankreich \u2013 bezeichnete sich selbst als Europ\u00e4ischer Nationalist, womit er dem Nationalismus eine gewichtige Rolle zusprach, ihn aber auf eine europ\u00e4ische Dimension holen wollte. Kann man nicht Nationalist sein und dennoch traditionale Werte vertreten?<\/p>\n

A.M.: Das ist eine gute Frage. Zuvor ist es jedoch wichtig festzuhalten, dass Dominique Venner definitiv ein Wegbereiter der Neuen Rechten war, aber nicht ihr Begr\u00fcnder, diese Rolle f\u00e4llt Alain de Benoist zu. Er war der Vertreter eines revolution\u00e4ren Nationalismus, grob vergleichbar mit den Nationalrevolution\u00e4ren der Konservativen Revolution in Deutschland und ist im Wesentlichen in der Denkstr\u00f6mung des europ\u00e4ischen Nationalismus einzuordnen, wie ihn auch Jean Thiriart vertreten hat. Dieses Verhaftetbleiben in der Moderne kann man zum Beispiel auch an seinem Bezug auf eine vermeintliche \u00dcberlegenheit der wei\u00dfen Rasse erkennen, von der er zum Beispiel in \u201eF\u00fcr eine positive Kritik\u201c spricht. Bei diesem Denken in Rassen mit sozialdarwinistischen Implikationen handelt es sich um eine klassische Position der Moderne, die mit traditionellen Werten nicht vereinbar ist. Nat\u00fcrlich kann man als europ\u00e4ischer Nationalist traditionelle Werte vertreten, jedoch kommt man hier zwangsl\u00e4ufig in den Widerspruch des archeomodernen Denkens nach Alexander Dugin. \u00c4hnlich wie in Serbien nach dem Ende der osmanischen Besatzung bedeutete dies ein Nebeneinander freimaurerischer und jakobinischer Ideen der Moderne mit Elementen der europ\u00e4ischen Tradition. Die Archeomoderne bringt dabei die schlechtesten Eigenschaften beider Denksysteme zum Vorschein und gebiert letztlich eine schizophrene Gesellschaft, die nicht dazu in der Lage ist, den Fortbestand des Volkes und der Volksgemeinschaft zu garantieren, wie zahlreiche historische Beispiele solcher Formen der Staatlichkeit beweisen. Ich denke, dass das Denken des europ\u00e4ischen Nationalismus genauso wie die Konservative Revolution wichtige Schritte auf dem Weg hin zur Neuen Rechten und der Vierten Politischen Theorie im Sinne eines Gro\u00dfen Erwachens der V\u00f6lker waren, dass sie aber nicht das Endziel auf unserem Weg zur kompletten \u00dcberwindung der Moderne sein k\u00f6nnen.<\/p>\n

P.S.: Es ist umstritten, wo die wahrlichen Grenzen Europas beginnen und aufh\u00f6ren. Die Ukraine z.B. wird allgemein zu Europa hinzugez\u00e4hlt, w\u00e4hrend das ja f\u00fcr Russland nicht mehr so eindeutig ist. Was ist aus Ihrer Sicht Europa und welchen Platz k\u00f6nnte es in einer Eurasischen Ordnung einnehmen?<\/p>\n

A.M.: Grunds\u00e4tzlich sind Zivilisationsgrenzen genauso wie Staatsgrenzen verschiebbar. Oswald Spengler zum Beispiel identifizierte die Ostgrenze Polens mit der Grenze Europas. Die Ukraine war bis 1991 Teil der Sowjetunion \u2013 ich denke nicht, dass 30 Jahre nationalistische Propaganda etwas an der Zugeh\u00f6rigkeit der Ukraine zu Eurasien (deren Name auf Deutsch wortw\u00f6rtlich Grenze bedeutet) ge\u00e4ndert haben. Vielmehr war es seit Jahrhunderten ein Ziel europ\u00e4isch-westlicher Au\u00dfenpolitik \u2013 von den Jagiellonen, \u00fcber den \u00f6sterreichisch-ungarischen Generalstab, \u00fcber das nationalsozialistische Lebensraumdenken bis hin zum amerikanischen Institut Stratfor \u2013 die Ukraine Russland zu entrei\u00dfen. Oder um es mit den Worten des amerikanischen Geostrategen Zgbigniew Brzezinski zu paraphrasieren: Die Zugeh\u00f6rigkeit der Ukraine ver\u00e4ndert Russlands Gestalt. Ohne die Ukraine ist Russland eine asiatisch orientierte Mittelmacht, der Ungemach mit ihren muslimischen Nachbarn drohen kann, mit der Ukraine ist sie eine eurasische Gro\u00dfmacht, die automatisch zu einem Pol in einer multipolaren Weltordnung wird. Gegenw\u00e4rtig ist Europa aufgrund einer langen geistigen Fehlentwicklung, die bis zur Renaissance zur\u00fcckreicht, ein Teil der Zivilisation des Meeres. Europa hat sich buchst\u00e4blich von seiner Tradition gel\u00f6st und ist im Verbund mit Nominalismus, Individualismus, Kapitalismus und Moderne zu einem \u201eAnti-Europa\u201c geworden. Als Vertreter der Neuen (echten) Rechten \u2013 die man im \u00dcbrigen als europ\u00e4ische Auspr\u00e4gung des Eurasismus betrachten kann \u2013 ist es mir ein Anliegen, dass Europa wieder ein Teil der Zivilisation des Landes wird, damit es \u00fcberhaupt die M\u00f6glichkeit bekommt, seine kulturellen Wurzeln neu zu entdecken, wieder an seiner Tradition und Gott anzukn\u00fcpfen und wieder ein souver\u00e4ner Block zu werden. Das jetzige \u201eAnti-Europa\u201c weiter nach Osten ausbreiten zu wollen, ist in meinen Augen so, als w\u00fcrde man einen gef\u00e4hrlichen Virus in der Welt verbreiten wollen. Wir haben diesen Virus in uns, ganz Europa ist von ihm befallen. Die Europ\u00e4er geben mit \u00fcberw\u00e4ltigender Mehrheit ihre eigene kulturelle, v\u00f6lkische und geschlechtliche Identit\u00e4t auf. Europa ist zu einem Ort geworden, den man im orthodoxen Christentum mit der H\u00f6lle identifizieren kann. Georges Battaile meinte noch, die Europ\u00e4er m\u00fcssten das Herz der H\u00f6lle erreichen, um ihre eigene Identit\u00e4t zu begreifen \u2013 heute befinden wir uns bereits dort. Wenn wir jetzt im Rahmen des Gro\u00dfen Erwachens dazu in der Lage sind, aufzuwachen und zu begreifen, dass wir bereits im Herzen der H\u00f6lle sind, dann ist eine Wiederauferstehung Europas m\u00f6glich. Reden wir uns aber weiterhin ein, dass die jetzige Situation gut ist, dann wird es keine M\u00f6glichkeit mehr zum Aufwachen geben. Die Postmoderne ist kein Schicksal, sondern genauso wie die Moderne in erster Linie eine Geisteshaltung. Wir haben heute die Wahl zwischen Postmoderne und Tradition, Meer und Land, jeder von uns kann sich entscheiden, welche Position er in diesem globalen Kampf der Geister, der Noomachie, einnehmen will. Ich habe mich f\u00fcr die Seite der Tradition und der Zivilisation des Landes entschieden und hoffe, dass es mir m\u00f6glichst viele Europ\u00e4er gleichtun werden. Gegen\u00fcber dem Westen kann Europa nur eine Position als Peripherie einnehmen und ein Sklave sein. Innerhalb einer multipolaren eurasischen Ordnung w\u00fcrde Europa eine Position auf Augenh\u00f6he gegen\u00fcber den anderen Machtpolen einnehmen.<\/p>\n

Teil II: \u201eEine Konservative Revolution in Russland ist in naher Zukunft zu erwarten.\u201c<\/strong><\/h2>\n

P.S.: Der Streit um die Ukraine birgt viele Konfliktebenen in sich. Das offensichtlichste ist hier wohl die geopolitische Lage des Landes und seine Wichtigkeit f\u00fcr Russland, die ich erst k\u00fcrzlich mit Frank Kraemer beleuchtet hatte. Dahinter verbergen sich allerdings auch ethnische, ideologische und geschichtliche Felder, die beleuchtet werden m\u00fcssen. Ich m\u00f6chte diese daher gemeinsam mit Ihnen einmal eruieren:<\/p>\n

Insbesondere in der Westukraine verstehen sich viele der dort lebenden Menschen als eine Nation \u201eUkraine\u201c. Damit entsteht auch eine Emanzipationsbewegung der Kleinrussen von den Gro\u00dfrussen im Moskowitenreich. Warum kann Russland den Ukrainern nicht ihre nationale Selbstst\u00e4ndigkeit \u00fcberlassen? W\u00fcrden Sie den \u201eUkrainern\u201c eine eigenst\u00e4ndige Identit\u00e4t zusprechen?<\/p>\n

A.M.: Auf jeden Fall! Nur muss die Ukraine auch die eigenst\u00e4ndige Identit\u00e4t der Russen akzeptieren. Bereits im russischen Reich konnten die Ukrainer als Teil der dreieinigen Ostslawen (Man kann hier auch von einem dreieinigen russischen Volk sprechen) neben Gro\u00dfrussen und Wei\u00dfrussen ihre Identit\u00e4t behaupten. Im Rahmen eines Reiches im traditionellen Sinn ist die Autonomie einzelner V\u00f6lker \u2013 e pluribus unum \u2013 m\u00f6glich und die Regel. Im ukrainischen Nationalstaat ist ein harmonisches Nebeneinander von Ukrainern, Russen, Krimtataren, Griechen, Rum\u00e4nen, Ungarn, Russinen, Deutschen und anderen V\u00f6lkerschaften hingegen anscheinend unm\u00f6glich. Jedes Mal, wenn die Ukraine eine Eigenstaatlichkeit oder Parastaatlichkeit erhalten hatte, begannen ukrainische Nationalisten mit einem genozidalen Amoklauf gegen die anderen V\u00f6lker auf ihrem Staatsgebiet im Auftrag raumfremder M\u00e4chte \u2013 von Stepan Bandera bis Volodymir Zelenski \u2013 um dem Ideal eines \u201eethnisch reinen\u201c, uniformen Nationalstaates zu entsprechen. So schwer das auch f\u00fcr manche Nationalisten im Westen zu ertragen sein mag, eine Unabh\u00e4ngigkeit der Ukraine im Sinne eines jakobinischen Nationalstaates westlich-liberaler Pr\u00e4gung wird es nach dem Ende der russischen Milit\u00e4roperation wahrscheinlich nicht mehr geben. Eine Autonomie von Teilen der heutigen Ukraine im Rahmen der eurasischen Zivilisation und einen Fortbestand der ukrainischen und damit kleinrussischen Identit\u00e4t aber sicherlich.<\/p>\n

P.S.: Alexander Dugin unterscheidet streng soziologisch zwischen den Begriffen Ethnos, Volk und Nation. Dabei z\u00e4hlt er die Menschen in der Ukraine zum gemeinsamen Volk der Kiewer Rus, also dem Volk der Russen. Nun, die Ukraine selbst ist \u00fcber Jahrhunderte vielen Wandlungen unterworfen worden. Die Emanzipation sowohl in der Ukraine wie auch im heutigen Wei\u00dfrussland ist gegenw\u00e4rtig. Insbesondere der Krieg scheint dieses ukrainische Nationalgef\u00fchl vorerst zu beg\u00fcnstigen. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Chance darauf, dass die \u201eUkrainer\u201c einen Staat, der tats\u00e4chlich unabh\u00e4ngig von West und Ost ist, ihr eigen nennen k\u00f6nnen werden? Und wie k\u00f6nnte das in das Eurasische Konzept passen? Wird so etwas \u00fcberhaupt in Erw\u00e4hnung gezogen?<\/p>\n

A.M.: Das ist korrekt. In diesem Zusammenhang kann ich auf seinen Artikel zur Ethnogenese der Ukrainer verweisen, der nun auch auf Deutsch verf\u00fcgbar ist.[1]<\/a> Wie bereits angedeutet ist eine \u201eUnabh\u00e4ngigkeit\u201c der Ukraine nicht mehr denkbar, genauso, wie auch fr\u00fcher eine Unabh\u00e4ngigkeit der Ukraine nicht m\u00f6glich war, ist diese in Zeiten der Globalisierung sowie der entstehenden Multipolaren Welt undenkbar. Eine Autonomie der Ukraine im Rahmen einer ostslawischen Union\/eines Eurasischen Pols innerhalb der multipolaren Welt aber sehr wohl.<\/p>\n

P.S.: Generell betrachtet Dugin die Idee der Nation als ein westlich-modernes und k\u00fcnstliches Konstrukt. In Deutschland hingegen und insbesondere bei der Deutschen Rechten, wird darunter i.d.R. ein ethnisches Konzept verstanden. Ist der ukrainische Nationalismus daher auch eine ideologische Divergenz zwischen dem russischen Eurasismus und dem Westen?<\/p>\n

A.M.: Das Nationsverst\u00e4ndnis der deutschen Rechten und insbesondere die Vermischung der Begriffe Volk\/Volksgemeinschaft als historisch gewachsene, hierarchische und vormoderne Einheit, mit dem modernen b\u00fcrgerlichen Nationalstaat, der in erster Linie ein Wirtschaftsunternehmen ist, zeigt leider nur, wie westlich und modern die deutsche Rechte insgesamt ist. Letztlich zielt der Nationalstaat seit seiner Geburt darauf ab, eine k\u00fcnstliche Ersatzgemeinschaft (Gesellschaft) f\u00fcr die in Individuen zertr\u00fcmmerte Volksgemeinschaft zu stellen. Sein Ziel ist die Aufkl\u00e4rung der Individuen in seinem Zugriffsbereich, das bedeutet, ihre Befreiung von allen kollektiven Bindungen, um den kommenden liberalen Weltstaat im Sinne des westlichen Endes der Geschichte vorzubereiten. Alle Versuche, den Nationalstaat im sozialistischen oder faschistisch\/nationalsozialistischen Sinne umzudeuten sind gescheitert. Entweder die V\u00f6lker Europas finden eine Alternative zum Nationalstaat im Reich (das man auch als Zivilisationsstaat bezeichnet) oder sie werden in \u201ekalten Wassern des berechnenden Egoismus\u201c, wie im Nationalstaat verk\u00f6rpert, ertr\u00e4nkt werden. Der ukrainische Nationalismus, der zweifellos ein westliches Konstrukt ist, wurde nicht von ungef\u00e4hr massiv vom Westen gef\u00f6rdert und steht ohne Frage in einem radikalen Gegensatz zum Eurasismus.<\/p>\n

P.S.: Alexander Dugin spricht dem Volk eine gewichtige Rolle als Tr\u00e4ger der russischen Nation zu. Jedoch versteht er gem\u00e4\u00df der russischen Wirklichkeit darin keine auf einer biologischen Abstammung sich begr\u00fcndende Entit\u00e4t. Der Russischen Orthodoxie oder dem eurasischen Boden spricht Dugin ein weitaus h\u00f6heres Gewicht zu als dem Ethnos. Ist das aus Ihrer Sicht auch ein nachahmenswertes Volkskonzept f\u00fcr europ\u00e4ische V\u00f6lker, wie das Deutschland-\u00d6sterreichs?<\/p>\n

A.M.: Grunds\u00e4tzlich ist ein Volk niemals von seinem Boden losgel\u00f6st zu denken. Wie die Wissenschaft der Geosophie beweist, pr\u00e4gt der Boden die V\u00f6lker und St\u00e4mme, die auf ihm leben, entscheidend. Die Deutschen g\u00e4be es heute nicht ohne ihren Siedlungsraum in Mitteleuropa, ebenso wenig wie die Franzosen, Serben, Chinesen, Russen und Japaner ohne ihr eigenes Herzland, ihre Heimat. Wie interessanterweise der liberale Soziologe Ludwig Gumplowicz nachgewiesen hatte, setzt sich ein Volk in der Regel aus mehreren Ethnien (im Sinne von St\u00e4mmen) und teilweise sogar V\u00f6lkern zusammen. Das deutsche Volk beispielsweise besteht nicht nur aus einem einzigen Stamm, sondern vereint mehrere St\u00e4mme in sich, allein der linguistisch scharfe Gegensatz zwischen dem norddeutschen Sprachraum und dem oberdeutsch\/s\u00fcddeutschen Raum ist ein bis heute existenter Beweis daf\u00fcr. Gleichzeitig haben die Deutschen beispielsweise auch im Laufe ihrer Geschichte Einfl\u00fcsse von Nachbarv\u00f6lkern absorbiert und selbst \u2013 Stichwort Ostkolonisation des Mittelalters \u2013 slawisches Gebiet erobert, ohne dass sie alle Slawen im Rahmen eines Genozids ermordet oder vertrieben h\u00e4tten. Vielmehr wurden diese V\u00f6lker und St\u00e4mme im Laufe der Geschichte selbst \u00fcberwiegend zu Deutschen, dennoch existieren im deutschen Siedlungsraum weiterhin beispielsweise Sorben, Slowenen und Windische, die sich zum Teil in kriegerischen Konflikten daf\u00fcr entschieden haben, weiterhin im engen B\u00fcndnis mit dem deutschen Volk zu verbleiben. Sind diese Menschen kein Teil der deutschen Volksgemeinschaft? Ich w\u00fcrde diese Frage nicht bejahen. Spielen Abstammung und Ahnenreihe dennoch eine wichtige Rolle bei der Volkswerdung? Auf jeden Fall. Ich denke aber, dass uns gerade die Aufl\u00f6sung der europ\u00e4ischen V\u00f6lker in den \u201eWei\u00dfen\u201c Individuen Amerikas und der afrikanischen V\u00f6lker in den \u201eSchwarzen\u201c Individuen der USA beweisen, dass ein Volk schnell zu existieren aufh\u00f6rt, wenn man es aus seinem Siedlungsraum entrei\u00dft. Dementsprechend m\u00f6chte ich hier nicht \u00fcber die Nachahmenswertigkeit oder Nichtnachahmenswertigkeit eines Volksbegriffes diskutieren, sondern auf die Tatsache verweisen, dass unter europ\u00e4ischen Nationalisten gerne die biologistische Dimension des Volksbegriffes \u00fcberbetont sowie im modernistischen Sinne pervertiert wird und gleichzeitig die traditionelle Bedeutung der Volksgemeinschaft als vormoderner Gemeinschaft im Gegensatz zur Gesellschaft komplett vernachl\u00e4ssigt wird. Dabei wird gerne au\u00dfer Acht gelassen, dass das Da-Sein nach Heidegger immer ein in einem bestimmten Raum verwurzeltes Sein ist \u2013 und nichts Anderes ist Volk.<\/p>\n

P.S.: Angesichts des mittlerweile offenen Kampfes auf europ\u00e4ischem Boden \u00e4u\u00dfern sich zunehmend auch rechte Akteure gegen einen russischen Imperialismus. Eurasismus oder das Streben nach einem Eurasischen Reich wird von vielen Beobachtern als \u00f6stliches Pendant zur US-Hegemonie gem\u00e4\u00df der \u201eManifest Destiny\u201c gesehen. Tats\u00e4chlich beschreibt auch Dugin dieses als eine Art universelles Russisches Reich mit Tr\u00e4gerv\u00f6lkern wie den Deutschen, Persern, Japaner, Mongolen, Russen usw. K\u00f6nnen Sie verstehen, dass dies bei vielen, insbesondere nationalorientierten Beobachtern, zumindest f\u00fcr Misstrauen sorgt? Tauschen wir den westlichen Hegemon dann gegen einen \u00f6stlichen aus?<\/p>\n

A.M.: Zun\u00e4chst ist es denke ich wichtig, hier die Verwirrung um den Imperialismusbegriff richtig zu stellen. In seiner Schrift \u201eDer Imperialismus als h\u00f6chstes Stadium des Kapitalismus\u201c die 1917 in Russland ver\u00f6ffentlicht wurde, charakterisierte Lenin den Kapitalismus wie folgt:<\/p>\n