{"id":874,"date":"2017-10-27T15:53:48","date_gmt":"2017-10-27T14:53:48","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=874"},"modified":"2020-02-03T18:31:18","modified_gmt":"2020-02-03T17:31:18","slug":"dritte-position-portraet-einer-weltanschauung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/dritte-position-portraet-einer-weltanschauung\/","title":{"rendered":"DRITTE POSITION: Portr\u00e4t einer Weltanschauung"},"content":{"rendered":"

Bild: Franco Freda, Pino Rauti, Julius Evola (v.l.n.r.)<\/em><\/span>
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Das nachfolgende Portr\u00e4t der Dritten Position stellt einen kurzen Abriss \u00fcber Wurzeln, Werdegang, Organisation und weltanschauliche Pr\u00e4sentation dar. Auf eine detaillierte Inhaltsdarstellung, z.B. Wirtschaftsvorstellung und religi\u00f6se Orientierung, kann jedoch nicht genauer eingegangen werden.<\/span><\/p>\n

Keine Restauration von Vorkriegstraditionen<\/h2>\n

Nach 1945 kn\u00fcpfte die ge\u00e4chtete Politische Rechte ohne gro\u00dfartige Neuerungen an Vorkriegspositionen an: Nationalsozialisten, Faschisten, Monarchisten, Nationalkonservative und diverse V\u00f6lkische. Zweifel an dieser Praxis meldete der langj\u00e4hrige Vorsitzende der gro\u00dfen rechten italienischen Sammlungspartei MSI (Movimento Sociale Italiano)\u00a0 Giorgio Almirante (1914-1988) an: Ein einfaches Ankn\u00fcpfen an Vorkriegstraditionen sei nicht m\u00f6glich, vielmehr m\u00fcssten neue Geistesquellen und Strategien erschlossen werden, zu sehr sei die Rechte diskreditiert. Aus diesem Grund f\u00f6rderte er \u2013 gegen den zentralistischen Parteiaufbau \u2013 \u201eCorrientes\u201c (geistige Str\u00f6mungen), die sich frei artikulieren durften. Die Corrientes entwickelten sich zu Ideenschmieden mit teilweise eigener Infrastruktur, Symbolen und Publikationsorganen. Auch aus taktischen Gr\u00fcnden achtete Almirante auf die parit\u00e4tische Vertretung herausragender Corriente-Vertreter bei der \u00c4mtervergabe seiner lange Zeit erfolgreichsten rechtsnationalistischen Wahlpartei Westeuropas. Somit mauserte sich die reaktion\u00e4re, wenig originelle MSI zur befruchtenden Inspirationsquelle f\u00fcr Italien und Europa. Ohne MSI kein \u201eFront National\u201c \u2013 ohne Almirantes Vorbild keine LePen. In der Tat erscheint der erfolgreiche franz\u00f6sische \u201eFront National\u201c als gelehrigster Sch\u00fcler, was sich v.a. an der \u00dcbernahme besagter geistiger Unterstr\u00f6mungen zeigte.[1]<\/a> Einige MSI-Corrientes kultivierten das Gedankengut fr\u00fchfaschistischer Protagonisten (Marinetti 1876-1944, D`Annunzio 1863-1938, Sorel 1847-1922) und des exotischen Evola (1898-1974). Die sehr starke offizielle Jugend- und Studentenorganisation konnte nahezu vollst\u00e4ndig f\u00fcr diese Neuerungen gewonnen werden.<\/span><\/p>\n

\u201eNation Europa\u201c – \u201eNeue Rechte\u201c \u2013 \u201eEthnopluralismus\u201c<\/h2>\n

Auch Gro\u00dfbritanniens Rechte erlebte eine Neuorientierung: Der ehemalige Faschistenf\u00fchrer Oswald Mosley (1896-1980) entdeckte den paneurop\u00e4ischen Gedanken und forderte die \u201eNation Europa\u201c auf f\u00f6deraler Grundlage \u2013 stark genug, Moskau und Washington zu widerstehen. Verhei\u00dfungsvolle Europa-Kongresse interessierter Organisationen und Pers\u00f6nlichkeiten verloren jedoch ab Mitte der 1970er an Bedeutung. Noch bestanden die rechten Neuerer aus Vorkriegsaktivisten, die trotz aller Bem\u00fchungen ihrer Jugendzeit verhaftet blieben und deshalb antiquiert wirkten.<\/span><\/p>\n

Weitere Impulse j\u00fcngerer Aktivisten erlebten die 1970er mit dem Franzosen Alain de Benoist (geb. 1943), der sich vollst\u00e4ndig von nazistischem und faschistischem Gedankengut l\u00f6ste und Klassiker der deutschen \u201eKonservativen Revolution\u201c, kommunitaristische Konzepte und heidnisch-religi\u00f6se Ideen verbreitete. Mit seiner Strategie eines Gramscismus von Rechts, ohne die so typische kleinb\u00fcrgerliche Massenbewegung, setzte der Franzose neue Akzente. Benoist, dessen franz\u00f6sischen Weggef\u00e4hrten und die von ihm in Westeuropa inspirierte \u201eNeue Rechte\u201c blieben jedoch Angelegenheit literarischer Salons, die zudem ihre Theorien st\u00e4ndig revidieren.<\/span><\/p>\n

Mit Henning Eichberg (geb. 1942) und Jean Thiriart (1922-1992) betraten ebenfalls in den 1970ern nationalrevolution\u00e4re Neuerer die politische B\u00fchne und pr\u00e4gten den Begriff \u201eEthnopluralismus\u201c. Diese f\u00f6deralistisch-identit\u00e4re Konzeption bildete den \u201elinken\u201c, sozialrevolution\u00e4ren Fl\u00fcgel Paneuropas. Auch diese Bewegung scheiterte nach Anfangserfolgen am intellektualistischen Charakter.[2]<\/a><\/span><\/p>\n

Die Dritte Position entsteht<\/h2>\n

Die Dritte Position entstand mit dem Auftreten des Italieners Franco Freda (geb. 1941) ab 1962, der ebenfalls dem MSI-Umfeld entstammte. Er vereinte \u00fcbernationale Konzepte (Reichsidee und Gro\u00dfraumkonzepte), antikapitalistische Forderungen (z.B. den Distributismus der katholischen Soziallehre), v\u00f6lkische Eigenart, F\u00f6deralismus und Spiritualit\u00e4t.[3]<\/a> Fredas wegweisende Ideen wurden allein durch seinen fast als esoterisch zu bezeichnenden Romantizismus behindert. Er tr\u00e4umte von einem neuen asketischen Legion\u00e4rstypus und verstrickte sich in gewaltt\u00e4tige Aktionen.[4]<\/a> Er forderte ein \u00fcberv\u00f6lkisches, multikonfessionelles Reich, in welchem alle v\u00f6lkischen Identit\u00e4ten wie im Mittelalter oder Antike erhalten bleiben sollen.<\/span><\/p>\n

Der innerhalb der MSI sehr einflussreiche Pino Rauti (geb. 1926) muss in einem Atemzug mit Freda genannt werden, obwohl beide nur gelegentlich kooperierten. Rauti spaltete einen radikalen Fl\u00fcgel vom MSI ab, um sich dann nach militanten Jahren diesem wieder anzuschlie\u00dfen. Seit den 70er Jahren setzt Rauti auf einen sozialrevolution\u00e4ren-antiamerikanischen Schwerpunkt.[5]<\/a><\/span><\/p>\n

Die Dritte Position versteht sich als Weltsicht jenseits von Liberalkapitalismus – USA – Atlantismus (Erste Position) und Kommunismus – Ostblock (Zweite Position). Blockfreie neutralistischen Ideen gab es zwar h\u00e4ufiger, jedoch spielt auch die mythologische Zahl drei eine entscheidende Rolle: drei steht f\u00fcr eine h\u00f6here Synthese aus Vollkommenheit (eins) und entstandenem Gegensatz (zwei = Zwie-Spalt). Das Vorbild dieser qualitativen Z\u00e4hlung kann in den mittelalterlichen Mystikern Joachim von Fiore (1130-1202)[6]<\/a> oder Moeller van den Bruck (1876-1925) gefunden werden. Letzterer forderte ein \u201eDrittes Reich\u201c als Staat der Harmonisierung, Wieder-Verbindung und Eintracht gegen den Status quo aus Parteiengez\u00e4nk, Atomisierung, Entfremdung und Klassenkampf. Selbst Hitler war sich dieser Tatsache bewusst und untersagte ab 1939 den Gebrauch des Begriffs \u201eDrittes Reich\u201c, da sein Staat dieses Endstadium erst noch erreichen muss.<\/span><\/p>\n

Die Dritte Position wendet sich klar gegen die materialistische Ideologie aus Rationalismus und Positivismus, erkennt im europ\u00e4ischen S\u00fcndenfall Franz\u00f6sische Revolution (\u201eIdeen von 1789\u201c) aber durchaus eine Existenzberechtigung gegen eine \u00fcberlebte Welt erstarrter Formen. Aus diesem Grund erscheint Third Position als Erbin der \u201eJungkonservativen\u201c der Weimarer Zeit: Ewige geistige Werte, Traditionen und Gewissheiten werden geh\u00fctet, historisch gebundene \u00e4u\u00dfere Formen dagegen \u00fcberwunden. Third Position ist demnach revolution\u00e4r und restaurativ zugleich. Folglich ergeben sich zwei klare Frontlinien nach Links und Rechts: der linke Evolutionismus mit seiner optimistischen Fortschrittsgl\u00e4ubigkeit und die rechte Reaktion mit ihrer strukturellen Verharrung als Ausdruck nostalgischer Wehleidigkeit.<\/span><\/p>\n

Die L\u00f6sung des sich immer weiter zuspitzenden Widerspruchpaares Identit\u00e4t \u2013 Entfremdung steht im Mittelpunkt. Der im Zuge der Industrialisierung einsetzende Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit erscheint dagegen nur als ein Nebenwiderspruch, der aus dem Entfremdungsprozess herr\u00fchrt und nicht – wie im Marxismus – umgekehrt. Der identit\u00e4tslose Mensch lebt wie jemand, der st\u00e4ndig unter Psychopharmaka steht: Alle authentischen Emotionen sind unterdr\u00fcckt und werden k\u00fcnstlich aufbereitet.<\/span><\/p>\n

Evolas Bedeutung ersch\u00f6pft sich in der Analyse, wie die Traditionale Ordnung[7]<\/a> durch subversive Kr\u00e4fte (bei ihm die Freimaurerei) in ihr Gegenteil verkehrt werden konnte. Ansonsten sollte seine Bedeutung nicht \u00fcbersch\u00e4tzt werden.<\/span><\/p>\n

Die Generation der Sch\u00fcler<\/h2>\n

Viel entscheidender sind Fredas gelehrige \u201eSch\u00fcler\u201c: Claudio Mutti (geb. 1946), Marco Tarchi (geb. 1952) und Roberto Fiore (geb. 1959). Mutti konvertierte sp\u00e4ter zum schiitischen Islam und folgt dessen Integraler Tradition, Tarchi n\u00e4herte sich Benoist an und entfernte sich vollst\u00e4ndig von Evola. Roberto Fiore entdeckte w\u00e4hrenddessen den katholischen Integralismus, den er mit sozialrevolution\u00e4ren Themen verband. Als \u201eTerza Posizione\u201c beeinflusste er 1978 die rechte Studentenschaft. Zur gleichen Zeit entwickelten Derek Holland (geb. 1958), Nick Griffin (geb. 1959) und Patrick Harrington (geb. 1964) innerhalb der britischen \u201eNational Front\u201c vergleichbare Ideen. Zum strategischen Wegweiser sollte Hollands Werk \u201ePolitical Soldier\u201c werden, in welchem ein neu-alter Aktivistentyp nach dem Vorbild christlicher Kreuzritter und Codreanus (1899-1938) rum\u00e4nischer Legion\u00e4re propagiert wird. Gerade Codreanus Legionarismus mit eher spiritueller denn politischer Ausrichtung stellt die wichtigste Referenz dar. Der charismatische rum\u00e4nische Volksf\u00fchrer steht nicht f\u00fcr den eigenverantwortlichen Tribun, sondern f\u00fcr einen Gesandten Gottes.[8]<\/a><\/span><\/p>\n

Nach 1981 spaltete sich die wichtigste britische Rechtspartei in einen nazistischen (\u201eFlag Groupe\u201c) und einen Third Positionist Fl\u00fcgel (\u201ePolitical Soldier\u201c, auch \u201eOfficial National Front\u201c).[9]<\/a> Inzwischen fl\u00fcchtete Fiore aus Italien nach London, wo er sich mit der Gruppe \u201ePolitical Soldier\u201c verband. Der Italiener wurde beschuldigt, am Bombenanschlag von Bologna 1980 involviert zu sein. Diese Anschuldigung konnte bis heute nicht best\u00e4tigt werden. Erst Mitte der 1990er lie\u00df der italienische Staat diesbez\u00fcgliche Beschuldigungen und Auslieferungsforderungen fallen.<\/span><\/p>\n

Unter Beteiligung Fiores entwickelte sich die Zeitschrift \u201eNationalism Today\u201c, Organ der \u201eOfficial National Front\u201c, zum wichtigsten Sprachrohr der Dritten Position Europas und strahlte auf Australien, S\u00fcdafrika und Nord- und S\u00fcdamerika aus.[10]<\/a> Der NPD-Studentenverband (NHB) verschrieb sich ebenfalls der Dritten Position als deutscher Vertreter. Ihm diente die Theoriezeitschrift \u201eVorderste Front\u201c als Forum, das Themen und Aufbau von \u201eNationalism Today\u201c \u00fcbernahm. Im R\u00fcckblick l\u00e4sst sich eindeutig feststellen, die Third Positionists der 1980er waren ihrer Zeit weit voraus und stie\u00dfen in den nationalistischen Lagern auf Unverst\u00e4ndnis. Das gilt v.a. f\u00fcr antikapitalistische Wirtschaftsideen, Interesse f\u00fcr den politischen Islam, Antiamerikanismus und internationale Kooperation au\u00dferhalb des \u201eWhite-Power-Blocks\u201c.<\/span><\/p>\n

\u201eInternational Third Position\u201c<\/h2>\n

Anfang der 1990er entstand die \u201eInternational Third Position-ITP\u201c als wichtigste Plattform und diente als \u00fcbernationale bzw. multiethnische Ideenschmiede herausragender Aktivisten. Dieser Plattform samt Umfeld schlossen sich zahlreiche Pers\u00f6nlichkeiten, Zeitschriften und Organisationen an, die mit der verheerenden Entwicklung innerhalb der konventionellen Rechten nicht einverstanden waren. Die konventionelle Rechte fr\u00f6nte auch nach dem offensichtlichen Scheitern des real existierenden Sozialismus des Ostblocks 1990 einem paranoiden Antikommunismus \u00e0 la McCarthy und stellte die Hegemonie Washingtons nicht in Frage. Au\u00dfer Antikommunismus bestimmt eine antiislamische Einwanderungsfeindlichkeit die Programmatik. Speziell der Anti-Islam wurde getreu dem amerikanischen Vorbild wirkungsm\u00e4chtiger Ersatz-Antikommunismus. Als Tabu dieser atlantischen Sichtweise gelten Antizionismus und Antikapitalismus. Beide sind untrennbar mit US-amerikanischer Hegemonie verbunden.<\/span><\/p>\n

Bemerkenswert ist, dass sich auch der Fokus gegen\u00fcber der Einwanderungsproblematik ge\u00e4ndert hat. Urspr\u00fcnglich wandte sich die \u201eAtlantische Rechte\u201c gegen alle nichteurop\u00e4ischen Einwanderer, heute wendet sie sich ausschlie\u00dflich gegen integrationsunwillige Muslime. Das gilt folgerichtig auch in den USA, Kanada oder Australien. Alle integrationswilligen Asiaten und Afrikaner sind geduldet, Muslime nicht \u2013 weil kulturell nicht kompatibel.[11]<\/a> Es gab und gibt nur ganz wenige Parteien, die als rein konventionell zu bezeichnen sind. H\u00e4ufig ist es die Parteif\u00fchrung, w\u00e4hrend Basis und Jugendorganisation einer anderen Str\u00f6mung (z.B. Third Position, Nationalrevolution\u00e4re, Nationalsozialisten) angeh\u00f6ren.<\/span><\/p>\n

Ein Gro\u00dfteil gegenteiliger Programmatiker wandte sich darum dem Kreis um ITP zu. Nach 2002 l\u00f6ste sich die ITP als formale Organisation einvernehmlich auf, um ihren Mitstreitern durch Dezentralisierung mehr Spielraum zu gew\u00e4hren. Die ITP-Aktivisten arbeiten heute ohne vergleichbare Nachfolgeorganisation weiter zusammen.<\/span><\/p>\n

Third Position als eigenst\u00e4ndige Weltanschauung<\/h2>\n

Die Vordenker der Dritten Position schafften durch einen gro\u00dfz\u00fcgigen Ideeneklektizismus eine neue Weltsicht. Diese entstammt keinem Generalstabsplan, sondern der Abgrenzung gegen das Althergebrachte und dem Studium bew\u00e4hrter Traditionen. Innerhalb der Parameter Antikapitalismus \u2013 Antizionismus \u2013 Antiimperialismus \u2013 Defensiver Nationalismus \u2013 Antirassismus, existierten drei Str\u00f6mungen mit vielen Grauzonen:<\/span><\/p>\n