{"id":8737,"date":"2022-04-18T19:52:37","date_gmt":"2022-04-18T17:52:37","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=8737"},"modified":"2022-04-19T17:26:26","modified_gmt":"2022-04-19T15:26:26","slug":"neuerungen-auf-dem-eurasischen-schachbrett-teil-1-warum-uns-die-moral-nicht-weiterbringt","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/neuerungen-auf-dem-eurasischen-schachbrett-teil-1-warum-uns-die-moral-nicht-weiterbringt\/","title":{"rendered":"Neuerungen auf dem Eurasischen Schachbrett – Teil 1: Warum uns die Moral nicht weiterbringt"},"content":{"rendered":"
[et_pb_section fb_built=“1″ _builder_version=“4.14.8″ _module_preset=“default“ global_colors_info=“{}“ theme_builder_area=“post_content“][et_pb_row _builder_version=“4.14.8″ _module_preset=“default“ global_colors_info=“{}“ theme_builder_area=“post_content“][et_pb_column type=“4_4″ _builder_version=“4.14.8″ _module_preset=“default“ global_colors_info=“{}“ theme_builder_area=“post_content“][et_pb_text _builder_version=“4.14.8″ _module_preset=“default“ global_colors_info=“{}“ theme_builder_area=“post_content“]<\/p>\n
Es wird dieser Tage wieder viel zu geopolitischen Themen geschrieben. Insbesondere der Ukraine-Krieg kann daf\u00fcr als Initialz\u00fcndung gesehen werden. Die Meldungen zu diesem Thema sind dabei oft gespickt von Polemik und emotionalen \u00c4u\u00dferungen \u2013 sowohl in der offiziellen Mainstream-Presse als auch in den sogenannten Alternativen Medien. In der folgenden Arbeit soll es darum gehen die Ereignisse rund um die wesentlichsten Bruchstellen auf dem Eurasischen Schachbrett n\u00fcchtern zu beleuchten, ohne dabei f\u00fcr eine Seite Partei zu ergreifen. Es wird ganz bewusst die Vogelperspektive eingenommen. Es geht darum die j\u00fcngsten Ereignisse zu verstehen, einzuordnen und ggf. die M\u00f6glichkeiten zu erfassen, die sich daraus ergeben.<\/p>\n
Im Folgenden wird die Moral, wie es der Titel bereits andeutet, eine eher untergeordnete Rolle spielen. Nicht, weil sich die Betreiber dieses Blogs keine eigenen Moralvorstellungen leisten wollen, sondern, weil in der Geopolitik \u2013 und darum soll es hier gehen \u2013 Moral und Ethik eine, wenn dann nur strategische Rolle im Sinne von Propaganda spielt. Nur, wenn die Ereignisse wertfrei analysiert werden, kann der Beobachter einen m\u00f6glichst gro\u00dfen Nutzen aus dieser Analyse ziehen.<\/p>\n
Was Geopolitik ist, hat bereits Dominik Schwarzenberger einleitend in dem ebenfalls auf diesem Blog erschienenen Artikel \u201eKrisenherd Ukraine \u2013 Portr\u00e4t eines zerrissenen Landes\u201c<\/a> beschrieben. Im Folgenden gehen wir auf einige aus unserer Sicht wichtige Aspekte noch einmal gesondert ein, da sie zum Verst\u00e4ndnis der Arbeit essentiell sind.<\/p>\n <\/p>\n Geopolitik ist mehr als nur politische Geographie. Dennoch leitet sich die Geopolitik aus der politischen Geographie ab. Sie ist eine Teildisziplin. Geographie ist Schicksal. Sie bestimmt das Potenzial und die Rolle eines Landes, einer Entit\u00e4t und sie bestimmt auch \u00fcber die M\u00f6glichkeiten von Machtstrukturen. Aufgabe der politischen Geographie ist es die Zusammenh\u00e4nge zwischen dem Raum und der Macht zu analysieren. Es besteht eine Wechselbeziehung zwischen dem \u201enaturgegebenen\u201c Raum und den M\u00f6glichkeiten politischen Handelns.<\/p>\n Wesentliche raumpolitische (topografische) Eigenschaften sind:<\/p>\n Lage an Gew\u00e4ssern, Zugang zum Meer, Transitland zu anderen Entit\u00e4ten, Nachbarl\u00e4nder, Gebirge, Rohstoffe, Bodenbeschaffenheit, Klima und damit verbundene Fauna et al.<\/p>\n In der Wissenschaft gibt es dazu mittlerweile auch erweiterte, differenzierte Ans\u00e4tze, die auch die Gesellschaft an sich einbeziehen und das Wissen, welches in diesen vorhanden ist, um den Raum sich dienstbar zu machen, weswegen hier von Potenzialen die Rede ist. Der Raum bestimmt Handlungsm\u00f6glichkeiten, die genutzt werden k\u00f6nnen, aber nicht zwangsl\u00e4ufig genutzt werden m\u00fcssen.<\/p>\n Allerdings bleibt es dabei, dass L\u00e4ndergrenzen sich verschieben, Nationen kommen und vergehen, der Raum jedoch best\u00e4ndig ist. Gebirgsketten, Meere, Fl\u00fcsse zeichnen \u00fcber Jahrhunderte die Landschaft und weisen damit den Weg.<\/p>\n Letztlich ist Macht gleich Kraft mal Lage. Erst die Ausnutzung der Lage multipliziert die dem Akteur innewohnenden Kr\u00e4fte.<\/p>\n <\/p>\n Geopolitik ist daher auch das Denken in Kontinenten. Der geopolitische Akteur ist sich der Macht des Raumes bewusst. Er betrachtet ihn als Waffe. Jordis von Lohausen beschreibt Geopolitik in seinem Buch \u201eMut zur Macht \u2013 Denken in Kontinenten\u201c (S. 9) auch als \u201edie Kunst den Gegner nicht zu erschlagen, sondern zu ersticken, ihn durch immer engeres Einkreisen seiner Handlungsfreiheit zu berauben, ihm das Wasser Schritt f\u00fcr Schritt abzugraben, den Boden zu nehmen, der ihn n\u00e4hrt, die Luft, die er atmet<\/em>\u201c. Genauso wie beim Schachspiel.<\/p>\n <\/p>\n Wer in Kontinenten denkt, der denkt auch in Jahrhunderten. Wer Weltpolitik machen will, muss die Weltgeschichte kennen. Nichts kann heute ohne die Vergangenheit sein. Ohne die Mongolenst\u00fcrme g\u00e4be es kein Moskau, ohne den 2. Weltkrieg keine NATO, ohne die europ\u00e4ische Aufkl\u00e4rung kein Amerika, ohne einen Otto I. den Gro\u00dfen h\u00e4tte es einen Bismarck nicht gegeben. Genauso w\u00e4re Preu\u00dfen nicht wieder so stark ohne die Kriege Napoleons geworden, obgleich es zu Beginn ebendieser genau zum Gegenteil f\u00fchrte. Geschichtliche Kenntnisse sind wesentliche Grundlage geopolitischen Verst\u00e4ndnisses. Ereignisse bestimmen den Verlauf der Geschichte, daher ist es notwendig in Jahrhunderte, wenn nicht gar in Jahrtausende zu denken.<\/p>\n <\/p>\n L\u00e4nderanalysen sind vielschichtig, komplex und unterkomplex. Die betrachtete Konfliktebene ist entscheidend. Dominik Schwarzenberger f\u00fchrt dazu die folgenden wichtigsten Konfliktebenen an:<\/p>\n Es lassen sich weitere Ebenen und Subebenen ausfindig machen. Die Ebenen bedingen einander. Geopolitik kann nicht verstanden werden, ohne auch die Volkstumsebene und die Wertebene mit einzubeziehen. Der Fehler, der von den meisten Beobachtern gemacht wird, ist, dass sie sich nur auf einer Ebene bewegen oder die Ebenen miteinander vermischen.<\/p>\n *Zum Beispiel bewerten viele deutsche Rechte die Argumentation des Kremls – man wolle die Ukraine entnazifizieren – rein auf der Wertebene. Der Begriff der Entnazifizierung spielt in der deutschen Geschichte eine andere Rolle, als in der Volksgeschichte Russlands. W\u00e4hrend aus russischer Sicht (Volkstums- und Wertebene) der Faschismus\/Nationalsozialismus als etwas Artfremdes und Unvereinbares, ja gar als Feind Russlands betrachtet wird, wird er insbesondere unter den Rechten als Gummibegriff zur Stigmatisierung rechter Ideen verstanden. Der \u201eantifaschistische Kampf\u201c Russlands ist ein vaterl\u00e4ndischer Kampf (\u201eDer Vaterl\u00e4ndische Krieg\u201c, Verteidigung von \u201eM\u00fctterchen Russland\u201c[1]<\/span><\/a>, Russland als Befreier und weltpolitischer Akteur) und bekommt damit sogar eine geopolitische Komponente. Hier bedingen sich alle drei Ebenen. Um f\u00fcr eine geopolitische Handlung (Einmarsch in die Ukraine) das Volk (Volkstumsebene, \u201ees geht um vaterl\u00e4ndische Interessen\u201c) hinter der Fahne zu versammeln, braucht es eine ideologische bzw. ethische (Wertebene) Rechtfertigung. Das wird aus deutscher Sicht nat\u00fcrlich anders gesehen, bringt den Beobachter jedoch keineswegs n\u00e4her an ein Verst\u00e4ndnis des Konfliktes an sich.<\/p>\n *Genauso rechtfertigen die NATO-Staaten die latente Einmischung in den Krieg mit der Ideologie der demokratischen Selbstbestimmung des Volkes, obgleich es um geopolitische Interessen (Ukraine von Russland entfremden) geht. Die meisten Staaten dieses B\u00fcndnisses legen offenbar in ihren eigenen L\u00e4ndern nicht so viel Wert auf diese Selbstbestimmung (siehe die letzten zwei Corona-Jahre). Die Rot-Gr\u00fcne Regierung unter Olaf Scholz hofiert das Nationalgef\u00fchl der Ukrainer, w\u00e4hrend sie jegliche nationalen Bestrebungen im eigenen Land bek\u00e4mpfen.<\/p>\n Betrachtet man nur eine Konfliktebene, kommt man jeweils zu einem vollkommen unterschiedlichen Ergebnis der Analyse. In der Geopolitik geht es allerdings darum die Ebenen zu erkennen und miteinander zu verkn\u00fcpfen.<\/p>\n <\/p>\n In der Geopolitik gibt es keine Moral. Jede Analyse muss scheitern, die auf Emotionen beruht. Es ist immer leicht die eine oder andere Seite zu verurteilen, wenn man deren Schicksal nicht teilt. Jede Partei hat ihre eigenen Beweggr\u00fcnde und wer Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die geopolitischen Entwicklungen gewinnen will, der muss sich davon trennen.<\/p>\n Die wissenschaftliche Seite befasst sich daher mit Fakten \u00fcber Geographie und deren Unterdisziplinen, Ethnizit\u00e4t sowie Identit\u00e4tsforschung, Geschichte, \u00d6konomie usw.<\/p>\n <\/p>\n Auch Ideologie spielt eine Rolle. So waren die Kriege der letzten Jahrhunderte oft von Expansionsbestrebungen von Nationen getrieben, die nicht selten auf Ideologien basierten. Die Zeit des Kalten Kriegen legte daf\u00fcr bestes Zeugnis ab.<\/p>\n Beispiele daf\u00fcr sind:<\/p>\n *Die Manifest Destiny <\/em>der USA sowie amerikanischer Exzeptionalismus (u.a. Truman-Doctrin)<\/p>\n *Sozialistische Weltrevolution aus Moskau<\/p>\n *Der Kalte Krieg (Kapitalismus Vs. Sozialismus) und seine Stellvertreterkriege (Korea 1950-53, Vietnam 1964-73, Afghanistan 1979-89)<\/p>\n *Kampf gegen den Terrorismus, Kampf gegen den Islam<\/p>\n *Religionskriege<\/p>\n *Bestrebung zur Erschaffung eines 1000j\u00e4hrigen Deutschen Reiches unter Hitler auf Grundlage von Blut und Boden sowie Ostexpansion mit dem Credo \u201eVolk ohne Raum\u201c. Wobei es die Nationalsozialisten tunlichst vermieden ihre Ideologie in andere L\u00e4nder zu exportieren. Das Dritte Reich stellt damit ein Beispiel dar f\u00fcr ein zwar nach innen stark ideologisiertes System, welches jedoch unterlie\u00df dieselbe in die eroberten L\u00e4nder zu transportieren.[2]<\/span><\/a><\/p>\n <\/p>\n Ideologien und Religionen spielen grunds\u00e4tzlich eine gewichtige Rolle f\u00fcr sozialpolitische Ereignisse wie Revolutionen, B\u00fcrgerkriege, Sezessions- sowie Expansionsbewegungen.<\/p>\n Auch die ideologische Seite bedarf einer n\u00fcchternen und sachlichen Analyse. Hier sind wichtige Felder die Identit\u00e4tsforschung, Ethnologie, Geschichte, Ideengeschichte.<\/p>\n <\/p>\n Geopolitische Akteure sind, laut dem wohl bekanntesten US-amerikanischen Geostrategen Zbigniew Brzezinski, jene Staaten, die sowohl die Kapazit\u00e4t als auch den nationalen Willen besitzen, Macht auch \u00fcber ihre nationalen Grenzen hinaus auszu\u00fcben und Einfluss geltend zu machen. Sie sind es, die den Status Quo ver\u00e4ndern k\u00f6nnen. Der acteur<\/em> (franz.) ist der \u201eHandelnde\u201c. Der geopolitische Akteur ist demnach eine Entit\u00e4t, die die Interessen anderer Handelnder, demnach machtbewusster Akteure tangieren.<\/p>\n Geopolitische Dreh- und Angelpunkte hingegen sind Staaten, deren Macht auf den geographischen Gegebenheiten basiert. Demnach entscheiden nicht die Macht und der Wille zu gestalten, sondern ihre geographisch bedingte Sonderrolle. Solche Entit\u00e4ten k\u00f6nnen ihre Lage benutzen, um Akteuren Ressourcen oder Zug\u00e4nge zu verweigern oder zu billigen, womit ihnen de facto eine Macht durch das Schicksal gegeben ist. Es gibt auch geopolitische Dreh- und Angelpunkte, die aufgrund ihrer Lage als ein idealer Schutzschild oder als Puffer f\u00fcr die Handelnden auf dem Schachbrett fungieren.<\/p>\n Akteure k\u00f6nnen sich \u00e4ndern. Sie sind diejenigen, die im \u201eKonzert der M\u00e4chte\u201c (Metternich) den Ton angeben. Innerhalb dieses Konzertes verdr\u00e4ngen sich Handelnde auch gelegentlich gegenseitig. Das Konzert wird stets von Dynamik begleiten, auch wenn die geopolitische Ordnung im Gesamtergebnis scheinbar Jahrzehnte statisch bleibt. Dreh- und Angelpunkte bleiben in ihrer Rolle aufgrund des geographischen Schicksals, wenn sie auch nicht selten Spielb\u00e4lle der dynamischen Entit\u00e4ten sind. Demnach ist die Analyse der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte auf dem Schachbrett die wesentlichste Aufgabe.<\/p>\n Nicht alle dynamischen Entit\u00e4ten sind gleichbedeutend wichtig. Es gibt Hierarchien, die stetigen K\u00e4mpfen und Wechselbeziehungen unterliegen. So k\u00f6nnen wir in M\u00e4chte ersten und zweiten Ranges unterscheiden. Zeitweise k\u00f6nnen erstrangierte Entit\u00e4ten zur Hegemonialmacht aufsteigen.<\/p>\n Solche Hegemonialm\u00e4chte, die den Hobbeschen Leviathan auszeichnen, sind u.a. gewesen:<\/p>\n *Ach\u00e4menidenreich zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert v. Chr.<\/p>\n *Reich Alexanders des Gro\u00dfen im 4. Jahrhundert v. Chr.<\/p>\n *R\u00f6misches Reich in der Zeit zwischen 200 v. Chr. und 480 n. Chr.<\/p>\n *Mongolen Reich unter Dschingis Khan Anfang des 12. Jahrhunderts n. Chr.<\/p>\n *Spanisches Kolonialreich zwischen 15. und 20. Jahrhundert[3]<\/span><\/a><\/p>\n Der Aufstieg einer Macht ersten Ranges zur Hegemonialmacht oder einer Macht zweiten Ranges in den ersten, f\u00fchrt grunds\u00e4tzlich zu massiven Verwerfungen und zu Kriegen. Die o.g. Hegemonialm\u00e4chte haben auf dem Weg zur globalen Macht einen blutigen Weg zur\u00fccklegen m\u00fcssen. Ein gutes Beispiel f\u00fcr den Aufstieg einer Macht zweiten Ranges in die Reihe des ersten Ranges ist Preu\u00dfen nach dem Wiener Kongress und die Gr\u00fcndung des Deutschen Reichen von 1871. Mit dem Aufstieg des einen Akteurs geht grunds\u00e4tzlich der Abstieg anderer Akteure einher.[4]<\/span><\/a><\/p>\n Die obige unvollst\u00e4ndige Liste legt daf\u00fcr Zeugnis ab.<\/p>\n <\/p>\n Die Idee des souver\u00e4nen Nationalstaates ist recht jung. Seine Urspr\u00fcnge finden sich am Ende des Drei\u00dfigj\u00e4hrigen Krieges. Die Ausformung zu Nationalstaaten wie wir sie heute kennen, ist jedoch viel sp\u00e4ter entstanden. Souver\u00e4nit\u00e4t ist dabei nicht gottgegeben und auch nicht notwendig. Nicht jede Nation oder jedes Volk kann und will souver\u00e4n sein. Es gibt neben dem Souver\u00e4n auch den Souzer\u00e4n. Souzer\u00e4n ist, wer eine Oberherrschaft, Lehnsherrschaft auf andere Entit\u00e4ten aus\u00fcbt. Die dem Souzer\u00e4n unterstellten Gebiete oder Staaten geben einen Teil ihrer Selbstbestimmung auf. Sie sind nur noch halb- oder teilsouver\u00e4n.<\/p>\n Beispiele daf\u00fcr finden sich in jedem Reich. So u.a.:<\/p>\n Auch heute, wo der Reichsgedanke zumindest in der \u00e4u\u00dferen Darstellung der Politiken eine untergeordnete Rolle spielt, finden sich solche Beispiele von halb- oder teilsouver\u00e4nen Staaten unter einem \u00fcbergeordneten Souzer\u00e4n:<\/p>\n <\/p>\n Diese freiwillige Abgabe der Souver\u00e4nit\u00e4t an eine andere \u00fcbergeordnete Entit\u00e4t (Reich, Oberherrschaft, Lehnsherrschaft) kann z.B. aus dem Schutzbed\u00fcrfnis heraus erwachsen. So schlossen sich viele osteurop\u00e4ische Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sukzessive dem von US-Amerika beherrschten NATO-B\u00fcndnis aus Angst vor dem \u00fcberm\u00e4chtigen \u201ealten\u201c Lehnsherren Russland an. Alleine k\u00f6nnen sich diese Staaten nicht gegen\u00fcber dem Russischen B\u00e4ren behaupten, weshalb sie ein Schutzherr suchen, einen Souzer\u00e4n und freiwillig ein St\u00fcck ihrer Selbstbestimmtheit aufgeben.<\/p>\n Oft geraten geopolitische Dreh- und Angelpunkte in solche Verh\u00e4ltnisse der Souzer\u00e4nit\u00e4t.<\/p>\n <\/p>\n Der ber\u00fchmte Begr\u00fcnder der modernen Staatsphilosophie Niccolo Machiavelli (eine tiefere Erl\u00e4uterung seiner Lehren finden sich submitted<\/a>) beschrieb in seiner weltbekannten Abhandlung Il Principe (zu dt. \u201eDer F\u00fcrst\u201c), welchen Regeln sich ein Herrscher zu unterwerfen hat, will er erfolgreich sein und bleiben. Dabei beschrieb der Vordenker des Top-Managements zwei unterschiedliche Typen von F\u00fcrsten. Die einen seien \u201eF\u00fcchse\u201c, die anderen \u201eL\u00f6wen\u201c. Die F\u00fcchse sind schlau und hinterlistig. Sie wenden Listen an, um ihre Macht auszuweiten und sich an ihr zu halten. L\u00f6wen hingegen sind jene, die sich an der Hauptkampflinie mitten in der Schlacht beteiligen und mit bestem Beispiel vorangehen. Erstere sind in der Regel erfolgreich. Es sei an dieser Stelle gesagt, dass Machiavelli einen ungerechtfertigten Ruf als kaltbl\u00fctiger Machtmensch hat. In Wirklichkeit war er sogar recht idealistisch und vertrat die Ansicht, dass die freie Republik (Demokratie) die sch\u00f6nste und anstrebenswerteste Staats- und Regierungsform sei. Dennoch war er Realist genug, um im F\u00fcrsten niederzuschreiben, was ist. Denn, wie bereits oben verdeutlicht, spielen Moral und Ethik in der Politik eine eher untergeordnete Rolle. Es geht immer um Interessen und M\u00f6glichkeiten diese zu wahren und zu vertreten. So sch\u00f6n die Vorstellung von einer selbstlosen Politik auch sein mag, widerspricht sie einfach dem ehernen Gesetz des Willens zur Macht. Es gibt immer jene, die m\u00e4chtig sind und jene, die bem\u00e4chtigt werden wollen. Im besten Fall besitzen die Interessen der Herrschenden eine bedeutende Schnittmenge mit den Interessen des Volkes bzw. eines Gro\u00dfteils des Volkes.<\/p>\n Auf Charles de Gaulles soll der Ausspruch zur\u00fcckgehen: \u201eStaaten haben keine Freunde, nur Interessen.\u201c Und Otto von Bismarck bringt es mit den f\u00fcr ihn typisch kantigen Worten auf den Punkt: \u201eDie einzige gesunde Grundlage eines gro\u00dfen Staates [\u2026] ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik.<\/em>\u201c Wer sich mit Geopolitik besch\u00e4ftigen m\u00f6chte, muss diesen Grundsatz als apriorisch betrachten.<\/p>\n <\/p>\n Auch wenn hier gro\u00dfenteils von Staaten die Rede ist, so sind diese nicht die einzigen m\u00f6glichen Akteure. Es k\u00f6nnen Institutionen, Vereine, Stiftungen, Geheimgesellschaften, Geheimdienste und religi\u00f6se Einrichtungen beeindruckende Entit\u00e4ten darstellen. Oftmals spielen die Staaten und deren Repr\u00e4sentanten eher eine untergeordnete Rolle und werden von den \u201esonstigen\u201c Akteuren beeinflusst. Der politische Komplex ist grunds\u00e4tzlich der schw\u00e4chste Komplex. Die Komplexe der \u201esonstigen Akteure\u201c bestimmen die Richtung und die Dynamiken unter diesen geben die Trends vor.<\/p>\n Aber selbst Einzelpersonen k\u00f6nnen, auch wenn sie nicht reich und m\u00e4chtig sind, geopolitisch viel bewirken.<\/p>\n Beispiele daf\u00fcr gibt es unendlich in der Geschichte:<\/p>\n *Der Einfluss der Katholischen Kirche im Mittelalter bis zur Renaissance ist allgemein bekannt. Bis heute ist der Vatikan der gr\u00f6\u00dfte nichtstaatliche Grundbesitzer der Welt und der Papst ist, wenn auch geringer im Vergleich zum Mittelalter, bis heute eine gesellschaftliche Autorit\u00e4t f\u00fcr Millionen von Menschen \u2013 weltweit.<\/p>\n *Die kleine Minderheit der Bolschewiki, die \u00fcber Jahrzehnte in sektiererischen Zirkeln operierte und 1917 eines der gr\u00f6\u00dften Weltreiche begr\u00fcndete, die die Neuzeit gesehen hat.<\/p>\n *Ein aktuelleres Beispiel stellt Alexander Dugin in Russland dar. Scheinbar ist er heute politisch isoliert. Dennoch \u00fcbernahm man viele seiner Ideen im Milit\u00e4r sowie im politischen Kreml, der ebenfalls ein sehr gutes Beispiel daf\u00fcr ist, wie stark der politische Komplex unter dem Einfluss anderer unscheinbarer Komplexe steht.<\/p>\n *Oder das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum, WEF) mit seinem Gr\u00fcnder und Chef Klaus Schwab inkl. der daran angeschlossenen und befreundeten Stiftungen und Vereine[9]<\/span><\/a>. Sowohl Wladimir Putin, Xi Jinping als auch Donald Trump oder Joe Biden sind gern gesehene G\u00e4ste. S\u00e4mtliche Uno-Staaten und die Unternehmen, die ihren Hauptsitz darin haben, tauschen sich j\u00e4hrlich in Davos mit Journalisten, Kulturschaffenden und Vertretern der Glaubensgemeinschaften aus.<\/p>\n <\/p>\n V\u00f6lkerrecht wird wie die Moral als Schild vorangetragen, um eine Legitimation f\u00fcr eine Handlung zu konstruieren. Das Narrativ des bei Rechten sehr beliebten Carl Schmitt hat so viel mit der Realit\u00e4t zu tun, wie das E-Auto mit umweltfreundlicher Nachhaltigkeit. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Recht um einen Ordnungsrahmen, der nur so lange aufrecht gehalten wird, wie es den Interessen der Herrschenden zutr\u00e4glich oder wenigstens nicht widerstrebend ist. Denn: Macht setzt Recht und nicht umgekehrt. Die romantische Vorstellung von v\u00f6lkerrechtlichen Sanktionen bei angeblich rechtswidriger Intervention, ist ein Versatzst\u00fcck naiver zum Scheitern verurteilter Politiken.[10]<\/span><\/a><\/p>\n So ist die Argumentation, dass der Einmarsch der russischen Armee in die Ostukraine v\u00f6lkerwidrig war, zwar in der Theorie richtig, hilft aber niemanden weiter. Russland ist die unangefochten gr\u00f6\u00dfte Atommacht der Welt. Ein durchaus schlagfertiges Mittel zur Durchsetzung der eigenen Machtinteressen au\u00dferhalb des V\u00f6lkerrechts. Bisher ist noch kein Krieg durch die Jurisprudenz beendet worden, sondern immer durch die Unterwerfung einer Partei durch eine andere.[11]<\/span><\/a><\/p>\n <\/span><\/p>\n Gro\u00dfm\u00e4chte sind jene Akteure, die die Weltpolitik ma\u00dfgeblich beeinflussen. Sie besitzen solch einen Einfluss, dass niemand mehr ohne sie rechnen kann. Man kommt nicht an ihnen vorbei. Sie m\u00fcssen auf dem Schachbrett ber\u00fccksichtigt werden, weil sie ansonsten gef\u00e4hrlich f\u00fcr anderen gro\u00dfe Entit\u00e4ten sein k\u00f6nnten. Der Begriff an sich ist nicht eindeutig abgrenzbar. Ab wann sprechen wir nicht mehr von einer Regionalmacht? Wann wird eine Gro\u00dfmacht zur Weltmacht?<\/p>\n Grunds\u00e4tzlich gibt es zwei M\u00f6glichkeiten zu einer Gro\u00dfmacht im obigen Sinne zu werden. Entweder der Akteur ist milit\u00e4risch so stark, dass er es auch mit mehreren Entit\u00e4ten gleichzeitig aufnehmen kann oder er gelangt zu gro\u00dfem Einfluss \u00fcber seine wirtschaftliche Leistung sowie Verflechtungen. Diejenigen Akteure, die sogar beide Voraussetzungen erf\u00fcllen, haben das Zeug zur Weltmacht.<\/p>\n Die USA sind deshalb eine Weltmacht, weil sie nicht nur milit\u00e4risch unangefochten die St\u00e4rkste Macht auf diesem Planeten \u2013 die atomaren Sprengk\u00f6pfe ausgenommen \u2013, sondern, weil sie zudem \u00fcber ihr Geld- und Wirtschaftssystem essentiell f\u00fcr die Weltwirtschaft sind. Der US-Dollar ist die Weltreservew\u00e4hrung, womit die USA diesen Planeten w\u00e4hrungs- und geldpolitisch dominieren. Die Tatsache, dass die wichtigsten energetischen Ressourcen wie \u00d6l und Gas in Dollar gehandelt werden, macht die USA damit zu einer absoluten Geldmacht, die sie dank ihrer milit\u00e4rischen \u00dcberlegenheit durchsetzen k\u00f6nnen \u2013 siehe z.B. der Irak-Krieg 2003.<\/p>\n <\/p>\n Weitere Eigenschaften, die den Status einer Gro\u00dfmacht begr\u00fcnden k\u00f6nnen:<\/p>\n [1]<\/span><\/a> Im Russischen hei\u00dft es auch \u041c\u0430\u0442\u0443\u0448\u043a\u0430 \u0420\u043e\u0441\u0441\u0438\u044f. Im Sowjetrussland hie\u00df es auch \u201eMutter Heimat\u201c.<\/span><\/p>\n [2]<\/span><\/a> Dies erwies sich nicht zuletzt als Schw\u00e4che, wie die Geschichte eindrucksvoll Zeugnis davon ablegen kann.<\/p>\n [3]<\/span><\/a> Karl V. herrschte \u00fcber ein Spanisches Weltreich, in dem niemals die Sonne unterging. Sein Reich f\u00fchrte bis nach S\u00fcdamerika. Des Weiteren geh\u00f6rten Nordafrikanische L\u00e4ndereien sowie ein Gro\u00dfteil des heutigen Europas (Burgund, gro\u00dfe Teile des Heiligen R\u00f6mischen Reiches sowie \u00d6sterreich und Aragonien) zu seinem Einflussgebiet.<\/p>\n [4]<\/span><\/a> Benjamin Disraeli, der im 19. Jahrhundert zweimal das Amt des britischen Premierministers bekleidete, bezeichnete die deutsche Einigung am 18. Januar 1871 als ein noch bedeutenderes Ereignis als die Franz\u00f6sische Revolution, da sie das Kr\u00e4ftegleichgewicht vollkommend zerr\u00fcttet h\u00e4tte und dadurch die Grundlage der alten Ordnung des Westf\u00e4lischen Friedens sowie die vom Wiener Kongress entzogen sei.<\/p>\n [5]<\/span><\/a> Die EU stellt ein supranationales Gebilde dar und fungiert dabei wirtschaftlich und finanzpolitisch als ein Souzer\u00e4n gegen\u00fcber den EU-Mitgliedsstaaten. Die meisten der EU-Staaten h\u00e4ngen regelrecht am Tropf.<\/p>\n [6]<\/span><\/a> Im Grunde genommen gilt dies f\u00fcr alle westeurop\u00e4ischen L\u00e4nder. Die BRD spielt dabei jedoch neben Frankreich eine Sonderrolle auf der eurasischen Halbinsel. W\u00e4hrend Frankreich stolz seine eigene Souver\u00e4nit\u00e4t anf\u00fchrt, scheinen sich bundesdeutsche Politiker l\u00e4ngst mit dem Status eines Vasallenstaates abgefunden zu haben. Namentlich der damalige Finanzminister Wolfgang Sch\u00e4uble sagte auf dem European Banking Congress 2011: \u201eUnd wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souver\u00e4n gewesen.<\/em>\u201c Durch das NATO-B\u00fcndnis \u00fcben die USA eine souzer\u00e4ne Stellung auf milit\u00e4rischer Ebene als Schutzmacht gg\u00fc. den B\u00fcndnispartnern bzw. Mitgliedern aus.<\/p>\n [7]<\/span><\/a> Die EAWU ist der Gegenpol zur EU. Das seit 2015 gegr\u00fcndete, jedoch zuvor schon viele Jahre zuvor forcierte B\u00fcndnis mag momentan noch relativ unattraktiv f\u00fcr viele Staaten in der Eurasischen Region sein, kann sich aber angesichts der dynamischen Entwicklungen durch den Ukraine-Krieg auch \u00e4ndern. M\u00f6gliche Kandidaten sind Usbekistan, Mongolei, Aserbaidschan, und die Ostukraine in der Donbass-Region.<\/p>\n [8]<\/span><\/a> Organisation des Vertrages \u00fcber kollektive Sicherheit. Zum B\u00fcndnis geh\u00f6ren die EAWU-Mitglieder und Tadschikistan. Das B\u00fcndnis scheint seit einiger Zeit zu schw\u00e4cheln. Obgleich die Beziehungen zwischen Moskau und Nur-Sultan sehr eng in der Vergangenheit waren, ging zumindest letztere auf Distanz zum Kreml wegen des Einmarsches in die Ukraine im Februar 2022.<\/p>\n [9]<\/span><\/a> In der ersten Ausgabe der AGORA Europa beleuchten die Autoren unter anderen den Einfluss des WEF auf die Weltpolitik: https:\/\/gegenstrom.org\/shop\/agora-europa\/agora-europa-the-great-reset\/<\/a><\/p>\nPolitische Geographie<\/u><\/h3>\n
Denken in Kontinenten<\/u><\/h3>\n
Denken in Jahrhunderten<\/u><\/h3>\n
Das Ebenen-Modell nach Schwarzenberger<\/u><\/h3>\n
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Die wissenschaftliche Seite<\/u><\/h3>\n
Die ideologische Seite<\/u><\/h3>\n
Akteure und Angelpunkte<\/u><\/h3>\n
Souver\u00e4nit\u00e4t ist kein Naturrecht!<\/u><\/h3>\n
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Machiavellismus<\/u><\/h3>\n
Staaten sind nicht die einzigen Akteure<\/u><\/h3>\n
V\u00f6lkerrecht: Eine konstruierte Chim\u00e4re<\/u><\/h3>\n
Was macht eine Gro\u00dfmacht aus?<\/u><\/h3>\n
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Anmerkungen<\/h2>\n