{"id":8230,"date":"2021-10-15T14:25:25","date_gmt":"2021-10-15T12:25:25","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=8230"},"modified":"2021-12-22T22:32:03","modified_gmt":"2021-12-22T21:32:03","slug":"sezession-oder-reconquista-ein-paradigmenwechsel-in-der-neuen-rechten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/sezession-oder-reconquista-ein-paradigmenwechsel-in-der-neuen-rechten\/","title":{"rendered":"Sezession oder Reconquista: Ein Paradigmenwechsel in der Neuen Rechten?"},"content":{"rendered":"
Im Folgenden befasst sich unser Autor Johannes Scharf mit dem, mittlerweile auch in der neuen Rechten umgreifenden, Exit- und Sezessionsgedanken. Diese Frage ist seit mehreren Jahren ein Kernthema Scharfs, welches j\u00fcngst neue Beachtung durch einen Beitrag Martin Sellners in der <\/em>Sezession fand.<\/em><\/p>\n <\/p>\n Der eine oder andere Sezessions<\/em>-Leser wird sich bei der Lekt\u00fcre von Martin Sellners Beitrag \u201eSezession oder Reconquista \u2013 nach der \u201aStunde Null\u2018\u201c verdutzt die Augen gerieben haben. Martin Sellner, das Gesicht der Identit\u00e4ren Bewegung, skizziert darin kurz vor der Bundestagswahl einen Plan B. Ist das nicht \u201eWehrkraftzersetzung\u201c? Weit gefehlt, denn ab einem gewissen Punkt k\u00f6nne ein fehlendes \u00f6ffentliches Bewusstsein \u00fcber einen solchen Plan B noch sch\u00e4digender auf die allgemeine Moral wirken als dessen Thematisierung. W\u00e4hrend ein Soldat Befehle auszuf\u00fchren habe und n\u00f6tigenfalls bis zum bitteren Ende auf seinem Posten ausharren m\u00fcsse wie jene ber\u00fchmte r\u00f6mische Torwache von Pompeji, sei es manchmal die Pflicht des Feldherrn, einen R\u00fcckzug oder die Aufgabe einer Stellung anzuordnen. M\u00e4nner werden sonst sinnlos verheizt und Kriege verloren. \u00dcber die Rolle des Feldherrn schreibt Sellner au\u00dferdem: \u201eJeder von uns, dem andere zuh\u00f6ren und der durch Schreiben, Reden und Tun andere beeinflu\u00dft, befindet sich \u2013 entsprechend seinem Wirkungsgrad \u2013 in der Rolle eines \u201aFeldherren\u2018\u201c, dessen Pflicht und Tugend darin bestehe, \u201ein unerbittlicher Sch\u00e4rfe mittels \u201astrategischem Pessimismus\u2018 nach dem richtigen Punkt zu suchen, auf den wir die begrenzten und schwindenden Ressourcen des Lagers fokussieren sollen\u201c. Martin Sellner sagt in seinem Beitrag nicht, es sei bereits an der Zeit, die Strategie zu wechseln, aber er sagt, dass es von einem gewissen Punkt an unvermeidlich sein wird, dies zu tun, sofern man am \u00fcbergeordneten Ziel, dem Erhalt der ethnokulturellen Identit\u00e4t, festhalten m\u00f6chte.<\/p>\n <\/p>\n Den Plan B definiert Martin Sellner, von dem ich wei\u00df, dass er mein Buch Der wei\u00dfe Ethnostaat<\/em> gelesen hat, wie folgt: \u201eDie Sezession koppelt das Ziel \u201aErhalt der ethnokulturellen Identit\u00e4t\u2018 von dem Zwischenziel der Reconquista (Eroberung metapolitischer Macht zur Erlangung politischer Macht) ab. Die Bewahrung des Eigenen soll von der Erlangung staatspolitischer Macht weitgehend unabh\u00e4ngig gemacht werden. So findet eine Ver\u00e4nderung des Bezugsrahmens statt. Es geht nicht mehr um den Staat, sondern um eine Sammlung aller verf\u00fcgbaren Ressourcen auf eine Region, in der die absolute parlamentarische Mehrheit angestrebt wird. Vor allem soll aber eine Struktur aufgebaut werden, die gro\u00dffl\u00e4chige \u201apr\u00e4figurative Politik\u2018 erm\u00f6glicht. Damit sollen in einer konkreten Region Bev\u00f6lkerungsaustausch und Kulturverfall durch soziales Handeln direkt aufgehalten und umgekehrt werden, statt indirekt \u00fcber die Erlangung der Regierung mittels alternativer Bev\u00f6lkerungs- und Identit\u00e4tspolitik.\u201c<\/p>\n <\/p>\n Mit einem Wort: Es geht darum, zusammenzur\u00fccken! Diese geographische Konsolidierung stellt auch den Kern von Arthur Kemps \u201e\u00dcberlebensstrategie\u201c dar, die er in Nova Europa \u2013 European Survival Strategy in a Darkening World<\/em> (2013) entwirft. Vordenker, die auf die gleiche Weise versuchten, den Gordischen Knoten zu durchschlagen, waren Wilmot Robertson und Richard McCulloch. Es ist ein Gedanke, auf den jeder, der weder die Demokratie abschaffen m\u00f6chte noch Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele billigt, irgendwann von selbst kommt. So auch Thorsten Hinz, der 2018 einen Aufsatz mit dem Titel \u201eDer lange Weg nach Osten\u201c in der Zeitschrift Cato<\/em>, dem Magazin f\u00fcr neue Sachlichkeit<\/em>, lancierte: Der Kontinent k\u00f6nne in einen neuen Flickenteppich zerfallen, sobald Migranten und Einheimische beg\u00f6nnen, ihre Zonen abzustecken. Vielleicht versuchten autochthone Deutsche und Europ\u00e4er auch, nach Osten auszuweichen. Die Gretchenfrage laute heute, \u201eob man seine Heimat dauerhaft mit einer nicht beherrschbaren Anzahl von Einwanderern aus dem afrikanischen und arabischen Raum teilen und die Risiken und Nebenwirkungen auf sich nehmen\u201c wolle.[1]<\/a><\/p>\n <\/p>\n Die Polen, Ungarn, Tschechen und Slowaken m\u00f6chten das bekannterma\u00dfen nicht, ebenso wenig erscheint diese Entwicklung der Mehrheit der Ostdeutschen begr\u00fc\u00dfenswert. Der Spott, mit dem jenes \u201eDunkeldeutschland\u201c und die Visegr\u00e1d-Staaten daf\u00fcr in der Presse \u00fcberzogen werden, zeugt von blindem Hass und ma\u00dfloser Arroganz der betreffenden Journalisten \u2013 die Unkenrufe aus Br\u00fcssel und die Debatte um den Entzug von EU-Geldern f\u00fcr den Fall, dass osteurop\u00e4ische Staaten es auch fernerhin wagen sollten, den Willen des Volkes zu achten, vom Realit\u00e4tsverlust westeurop\u00e4ischer Politiker. Ist es nicht bezeichnend, in welcher Weise sich alle Welt \u00fcber den Grenzzaun Viktor Orb\u00e1ns oder die Mauerbauabsichten Donald Trumps entsetzte, w\u00e4hrend 2010 kaum eine Zeitung auch nur Notiz vom Bau einer Mauer an der S\u00fcdgrenze Mexikos nahm, die das Land vor der Einf\u00fchrung von Rauschmitteln und dem Zustrom illegaler Migranten sch\u00fctzen sollte?[2]<\/a><\/p>\n <\/p>\n Oder hat man schon jemals in der Tagesschau<\/em> etwas von der Mauer vernommen, mit der Costa Rica sich von potentiellen Immigranten aus Nicaragua abschottet?[3]<\/a> Vermutlich nicht. Es sind in erster Linie europ\u00e4ische Staaten, ob auf dem alten Kontinent oder in Nordamerika und auf der S\u00fcdhalbkugel, die f\u00fcr das massenhafte Eindringen von sogenannten Bereicherern Verst\u00e4ndnis aufbringen sollen. Mehr Diversit\u00e4t hei\u00dft immer: Weniger Wei\u00dfe. Doch das Verst\u00e4ndnis f\u00fcr den G\u00f6tzen Diversit\u00e4t geht den Osteurop\u00e4ern und vielen Ostdeutschen nicht ohne Grund ab: \u201eSie alle sehen mit klarem Blick, da\u00df die Verbreitung der okzidentalen Moderne, die Br\u00fcssel ihnen so dringend ans Herz legt, in Wahrheit das Eindringen einer afrikanisch-arabisch-islamischen Vormoderne bedeutet.\u201c[4]<\/a><\/p>\n <\/p>\n Es ist nicht davon auszugehen, dass Hinz mit den Schriften Arthur Kemps vertraut ist oder einen meiner Vortr\u00e4ge zum Thema \u201eNova Europa\u201c geh\u00f6rt hat. Trotzdem kommt er bei seinem \u201ek\u00fchnen Blick in eine nahe Zukunft\u201c zu frappierend \u00e4hnlichen Modellen. Zuv\u00f6rderst mag dies der Tatsache geschuldet sein, dass der JF-Autor von den gleichen Pr\u00e4missen ausgeht, von denen auch Kemp und ich ausgehen. Er stellt fest: \u201eWeite Teile Deutschlands und Europas wurden durch Verblendung, Leichtsinn, Bequemlichkeit, Opportunismus und Dummheit bereits verspielt. Die Macht- und Hegemoniefrage ist demographisch, kulturell, politisch, sozial gesellschaftlich und religi\u00f6s vielerorts entschieden.\u201c[5]<\/a> Von dieser Einsicht ist es dann nicht mehr weit zu den folgerichtigen Schl\u00fcssen: \u201eWelche historischen Perspektiven oder Handlungsoptionen bieten sich noch an? Den Westeurop\u00e4ern, sofern sie an ihrer Identit\u00e4t festhalten wollen, bleibt wohl nur der elastische R\u00fcckzug nach Osten. Sie werden weite Teile der alten karolingischen Stammlande r\u00e4umen und sich nach neuen Gebieten umsehen m\u00fcssen.\u201c[6]<\/a> Westeuropa hingegen k\u00f6nne zu einem dynamischen \u201eGeflecht aus Autonomiegebieten, Sezessionen, Abwanderungen und Neuansiedlungen, Ex- und Enklaven, Korridoren, Protektoraten und Kondominien werden\u201c, in dem die angestammten Europ\u00e4er nur eine Gruppe unter vielen sein w\u00fcrden. Voraussetzung f\u00fcr das \u00dcberleben der kleinen Siedlungen in Westeuropa w\u00e4re allerdings die Etablierung von politisch-wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Kraftzentren in Ost- bzw. Mitteleuropa, die an die Stelle der heruntergekommenen westlichen Metropolen tr\u00e4ten. In diesem Fall w\u00fcrde das \u00f6stliche Europa einerseits das bevorzugte Siedlungsgebiet f\u00fcr die Westfl\u00fcchtlinge werden, andererseits aber zugleich auch \u201eeine Art Garantiemacht f\u00fcr die Europa-Fragmente im Westen bilden.\u201c Die Grenze zwischen dem segmentierten Westeuropa und dem kompakten Osteuropa verliefe aller Wahrscheinlichkeit nach etwa entlang der alten Jalta-Linie.[7]<\/a><\/p>\n Mag nun Thorsten Hinz von Kemps oder meinen Publikationen etwas gewusst haben oder nicht, in jedem Fall l\u00e4sst sich nach dem Erscheinen seines Aufsatzes \u201eDer lange Weg nach Osten\u201c im Cato<\/em> eines ganz unzweifelhaft feststellen: Der Exit-Gedanke hat mittlerweile sowohl in der Neuen Rechten als auch im konservativen Mainstream Wurzeln geschlagen. Ob sich insgesamt ein Paradigmenwechsel abzeichnet, wird die nahe Zukunft zeigen.<\/p>\n <\/p>\n [1]<\/a> Hinz, Thorsten, \u201eDer lange Weg nach Osten\u201c, in: Cato. Magazin f\u00fcr neue Sachlichkeit 2, 1 (2018), S. 8.<\/p>\n [2]<\/a> Vgl. \u201cMexico to Build Southern Border Fence\u201d, in: Inter Press Service, 6.10.2010.<\/p>\n [3]<\/a> Vgl. Hawley, Chris, \u201cCosta Rica Copes With Its Own Immigration Ills\u201d, in: USA Today, 30.12.2010.<\/p>\n [4]<\/a> Hinz, Thorsten, \u201eDer lange Weg nach Osten\u201c, in: Cato. Magazin f\u00fcr neue Sachlichkeit 2, 1 (2018), S. 9.<\/p>\n [5]<\/a> Hinz, Thorsten, \u201eDer lange Weg nach Osten\u201c, in: Cato. Magazin f\u00fcr neue Sachlichkeit 2, 1 (2018), S. 9.<\/p>\n