{"id":7463,"date":"2020-11-08T15:36:34","date_gmt":"2020-11-08T14:36:34","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=7463"},"modified":"2020-11-12T17:11:41","modified_gmt":"2020-11-12T16:11:41","slug":"zeitschleifen-eindruecke-aus-leipzig","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/zeitschleifen-eindruecke-aus-leipzig\/","title":{"rendered":"Zeitschleifen-Eindr\u00fccke aus Leipzig"},"content":{"rendered":"
Nach den beiden gro\u00dfen Demonstrationen in Berlin sowie der medial etwas untergegangenen Kundgebung in Konstanz rief das Querdenken-B\u00fcndnis nun nach Leipzig. Es sollte die n\u00e4chste gro\u00dfe Demonstration gegen die Corona-Verordnungen der Bundesregierung werden. Mitten im \u201elockdown-light<\/em>\u201c sollte sie noch zus\u00e4tzliches Mobilisierungspotential entfalten und die \u00f6ffentlichen Gem\u00fcter spalten. Gerade in Leipzig, der Hochburg der militanten Antifa in und um den Stadtteil Leipzig-Connewitz, versprach diese Veranstaltung brisant zu werden. Ziel der Initiatoren war es, an den Mythos der Proteste des 9. Oktober 1989 anzukn\u00fcpfen, in denen in Leipzig rund 70.000 DDR-B\u00fcrger ihren Unmut \u00fcber das politische System und den Repressionsapparat kundtaten. Die Bilder wurden damals au\u00dfer Landes geschmuggelt und entfalteten einen Fl\u00e4chenbrand, der weitere Proteste in der DDR hervorrief. Man spricht hier auch vom \u201eturning point<\/em>\u201c in der Geschichte der DDR. Eine \u00e4hnliche Wirkung versprach man sich nun also auch seitens des Querdenken-B\u00fcndnisses. Dies, so kann vorab festgestellt werden, ist nicht eingetreten.<\/p>\n Die Eindr\u00fccke aus Berlin[1]<\/a> fanden in Leipzig ihre Vertiefung. Zun\u00e4chst bot sich ein buntes Bild einer gro\u00dfen Menschenmenge auf Seiten des Protestb\u00fcndnisses. Es kann angenommen werden, dass die Erwartungen von 20.000 Demonstranten \u00fcbertroffen wurden.[2]<\/a> Viele normale B\u00fcrger dominierten das Bild auf dem Augustusplatz, zudem einige politische Gruppen und Parteien, Hippies, Religionsgruppen und Elternverb\u00e4nde. Hinzu kam eine ernstzunehmende Gruppe aus dem Fu\u00dfballspektrum, welche sch\u00e4tzungsweise 400-500 Hooligans umfasste. Durch das szenetypische Auftreten der Gruppen, welches von Linksautonomen \u00e4u\u00dferlich nicht zu unterscheiden ist, kam es hier immer wieder zu Irritationen bei den Querdenkern, welche teilweise dachten, dass sich nun die Antifa zu ihnen gesellt h\u00e4tte. So wurden die Fu\u00dfballfans auch mit einem \u201eHallo liebe Antifa\u201c vom offiziellen Lautsprecherwagen der Querdenken-Initiative begr\u00fc\u00dft, was zu sichtlichem Unmut f\u00fchrte.<\/p>\n Vor diesem bekannt-bunten Protestbild begann die Kundgebung p\u00fcnktlich mit den Redebeitr\u00e4gen. Logistisch war das B\u00fcndnis wieder gut aufgestellt, die Lautsprecheranlage und das B\u00fchnenbild waren \u00e4u\u00dferst professionell. Diese Professionalit\u00e4t spiegelte sich leider nicht in den Redebeitr\u00e4gen wider, welche zu gro\u00dfen Teilen improvisiert wirkten und wenig informativ waren. Auch der dargebotene Sprechgesang mit wummerndem Bass eines 12-j\u00e4hrigen Sch\u00fclers, der kurz zuvor ebenfalls eine Rede hielt, wirkte befremdlich. Es darf gefragt werden, ob es sinnvoll ist, so junge Menschen hier in das politische Rampenlicht zu stellen.<\/p>\n Zunehmend anstrengend wurde es dann als Markus Haintz und sein Anw\u00e4ltegespann nicht m\u00fcde wurden, die Teilnehmer an die Maskenpflicht und die einzuhaltenden Abst\u00e4nde zu erinnern. Teilweise wurden sogar Redebeitr\u00e4ge unterbrochen, wodurch sich eine zunehmende Spannung zwischen Versammlungsleitung- und Moderation sowie den Teilnehmern ergab. Es gab vereinzelte Pfiffe und Buh-Rufe sowie \u201eWir sind das Volk\u201c-Gegenrufe aus der Menge. Den Teilnehmern hing es sichtlich zum Halse heraus, sich den vom System vorgegebenen Auflagen zu f\u00fcgen und sein eigenes Programm daf\u00fcr zu opfern. Dies war bereits im Vorfeld dadurch geschehen, dass man erneut zu einer station\u00e4ren Kundgebung anstelle eines Protestzuges durch die Leipziger Innenstadt gezwungen wurde.<\/p>\n So bot Leipzig, wie Berlin, erneut ein Paradebeispiel f\u00fcr die Wirkungslosigkeit eines kopf- und willenlosen Protestes. Das Regelwerk des Systems f\u00fchrte zur Spaltung innerhalb der Reihen. W\u00e4hrend die Versammlungsleitung den Demonstrationsteilnehmern glauben machen wollte, dass ein Einhalten der Auflagen eine Aufl\u00f6sung der Versammlung verhindern k\u00f6nne, wollten diese sich nicht l\u00e4nger den Spielregeln des Gegners unterwerfen \u2013 eine durchaus nachvollziehbare Reaktion in Anbetracht der gegenw\u00e4rtigen politischen Situation.<\/p>\n Es muss festgestellt werden, dass die Versammlungsleitung auf ganzer Linie versagt hat, sich diesen Unmut der Massen zunutze zu machen. Dies verdeutlicht die v\u00f6llige Fehleinsch\u00e4tzung der Situation durch die Veranstalter, welche im Folgenden stichpunktartig skizziert wird.<\/p>\n <\/p>\n <\/p>\n <\/p>\n <\/p>\n Durch diese Fehleinsch\u00e4tzung nahm die Veranstaltung einen ohnehin schon durch Chaos und Verwirrung gepr\u00e4gten weiteren Verlauf. Auch hier zeigte sich, dass die Ordnungsbeh\u00f6rden die Eskalation aktiv hervorriefen und nicht an einem geregelten Ablauf interessiert waren. Anstatt die Versammlungsteilnehmer friedlich zum Bahnhof passieren zu lassen, wurden die Zuwegungen komplett abgeriegelt, sodass sich die Massen stauten. Lautsprecherdurchsagen der Polizei verk\u00fcndeten, dass die Teilnehmer nur in Personengruppen mit bis zu 50 Mann zum Bahnhof durchgelassen werden w\u00fcrden. Durch dieses willk\u00fcrliche Verhalten baute sich erneut Frust auf, welcher sich dann in vereinzelten Aktionen gegen die Polizei entlud und die von den etablierten Medienvertretern gew\u00fcnschten Bilder produzierte. Die Sinnhaftigkeit dieser Aktionen darf mehr als bezweifelt werden. Leider erzeugten die Bilder von Pyrotechnik und Feuerwerksk\u00f6rpern, welche teilweise sogar gegen Personen aus dem Querdenken-Spektrum gerichtet wurden, eher den Eindruck von erlebnisorientierter Wochenendgestaltung und wenig von politischem Willen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich gerade auch das aktionsorientierte Spektrum aus Fu\u00dfballanh\u00e4ngern in weiten Teilen als wenig koordiniert gezeigt hat. Dabei h\u00e4tte gerade dieses allein aufgrund seiner personellen Erscheinung einiges an Potential gehabt, die Route f\u00fcr den friedlichen Protest freizumachen, was stellenweise auch gut funktioniert hat.<\/p>\n Dennoch kam es auch hier im weiteren Verlauf zu interessanten Konstellationen. So ist erstaunlich, dass gerade die Bilder und Videos, welche in den abendlichen Stunden aufgenommen wurden, eine sehr bunte Menge bestehend aus Fu\u00dfballaktivisten, B\u00fcrgern und anderen Protestgruppen zeigt, welche vor den Polizeiketten eingesperrt steht. Auch bei den vereinzelten Demonstrationsz\u00fcgen durch die Innenstadt, welche durch diesen ausharrenden Protest durchgef\u00fchrt werden konnten, wiederholt sich dieser Eindruck. Es ist also nicht unweigerlich so, dass es hier zu einem Bruch zwischen den Lagern kommen muss. Viel eher k\u00f6nnen sie sich zur Zielerreichung sinnvoll erg\u00e4nzen. Daf\u00fcr bedarf es aber der Einheit in der Wahl der taktischen Mittel.<\/p>\n In Konsequenz zeigt sich hierdurch, dass die Bereitschaft seinem politischen Willen Nachdruck zu verleihen, in den Reihen der Querdenker w\u00e4chst. Man hat sichtlich keine Lust mehr, sich vom System herumschubsen zu lassen und Auflagenh\u00f6rig auf Kundgebungen zu verweilen.<\/p>\n Von daher bot Leipzig erneut ein interessantes Bild, welches einige Chancen aufschlug und offensichtliche Probleme innerhalb des Protestb\u00fcndnisses unterstrich. Sollten diese nicht behoben werden, ist ein Zerfallen der Proteste ein sehr realistisches Szenario. Der erfahrene Besucher politischer Protestkundgebungen muss sich hingegen wie Phil Connors[3]<\/a> vorkommen: Und t\u00e4glich gr\u00fc\u00dft das Murmeltier.<\/p>\n [1]<\/a> Siehe hierzu den vorausgegangenen Artikel von Tom Dieke: https:\/\/gegenstrom.org\/berlin-berlin-du-bist-so-wunderbar\/<\/a> (Stand: 08. November 2020).<\/p>\n [2]<\/a> Einige Medien, u.a. die BILD, berichteten unter Berufung auf die Organisation \u201enachgez\u00e4hlt\u201c von 45.000 Teilnehmern (Siehe hierzu: https:\/\/www.bild.de\/wa\/ll\/bild-de\/privater-modus-unangemeldet-54578900.bild.html<\/a> Stand: 08. November 2020).<\/p>\nLeipzig = Berlin = \u2026<\/strong><\/h2>\n
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